Don't be a RealBook player ???

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von 47tmb, 5.Juli.2014.

  1. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ chrisdos

    "Warum gehen die Leute nicht auf Sessions mit 3 Stücken, die sie auswendig und ihrem Können entsprechend souverän?"

    Berechtigte Frage. Weil man meint, man müsste mehr können.

    Wenn ich den Thread, den Artikel im Ausgangsthread, mal so lese muss ich erkennen wieviel Lichtjahre ich von einem "Musiker" entfernt bin.
    (Bitte nicht falsch verstehen, dass ist jetzt kein Frust sondern eine nüchterne Erkenntnis...stört mich auch nicht.)

    All das was ihr dazu schreibt - Standards auswendig....Impros harmonisch passend an Hand der Akkordsymbole....mal butz 'n Standard durch alle Tonarten spielen - schaffe ich wohl in diesem Leben nicht mehr.

    Insofern ist Chris' Einwand schon treffend. Es müssen ja nicht nur 3 Standards sein.

    Aber warum konzentrieren wir "aus dem Anfänger- Amöben-Status" herrausgewachsene Angänger nicht auf 15 Stücke (damit könnte man einen Abend bestreiten), die man RICHTIG gut drauf hat. Impros hinbekommt....und die perfektioniert...und gut iss...:)

    (Man kann dann ja mal hin und wieder für sich was neues angehen...ich mit "Summertime" souverän unterwegs, steht allerdings auf der "Blacklisi").

    CzG

    Dreas

     
  2. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    hilft es wenn man keine Noten lesen kann?
    dann muss man zwangläufig hören und auswndig lernen ..
    nur ab einem gewissen Alter ist das ehr schwierig ...

    Vielleicht habe ich auch nur ein falschen Verständniss .. ich hatte das real book so verstanden :
    so haben die das gemacht seiner Zeit .. jetzt macht es mal nach eurem Gusto...
     
  3. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Hallo Chris,

    ich stimme dir voll zu.

    Wenn ich schon öffentlich u.a. auf einer Session spiele, dann sollte ich die Stücke entsprechend kennen und geübt haben. Dies gilt für jeden Musiker, egal ob Amateur oder Profi.

    Für mich hat sich der musikalische Sinn einer Session nicht erschlossen, weil ich den Eindruck habe, dass es dort häufig mehr um Profilierung als musikalische Momente geht.

    Als Anfänger würde ich eher Gleichgesinnte suchen und eine Band gründen.

    Gruß
     
  4. Viper

    Viper Ist fast schon zuhause hier

    => Karaoke-Charakter? :-?

    v.g.
    klaus
     
  5. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Jedes Musikstück hat eine Struktur. Ein wesentlicher Teil dieser Struktur ist die Melodie, oder das Thema bzw. die Themen. Die Form der Stücke sind sehr oft ABBA oder AABA usw.

    Als etwas geschulter Musiker sollte man in der Lage sein, die Themen zu erkennen und nach ein paar mal hören, auswendig nach Gehör spielen können. Man sollte auch in der Lage sein, die Struktur des Stückes zu hören und nachvollziehen zu können, also z. B. die Anzahl der Takte pro Thema A oder Thema B.

    Das lässt sich alles durch hören und spielen erfassen, ohne dass man ein Realbook oder andere Noten benötigt.

    Die Harmonien des Stückes ergeben sich letztendlich auch aus dem Verlauf der Themen und der Struktur des Stückes.

    Damit kommt man relativ schnell ziemlich weit und kann auch aus Sessions gut mithalten.

    Wenn dann die Tonart wechselt, weil der Sänger oder die Sängerin einen Halbton höher brauchen, dann hilft einem das Realbook auch nicht weiter.

    Also Themen, Melodien und Strukturen der Stücke hören und nachspielen, dann kann man relativ schnell relativ viele Stücke auswendig spielen und braucht kein Realbook!
     
  6. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Dein Wort in ... :)

    P.S. Bei mir geht nix schnell, und auswendig lernen schon gar nicht. :-(
     
  7. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Viel hören, hören, hören und im stillen Kämmerlein auch mal dazu spielen, das hilft.
     
  8. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Wenn das Raushören von Thema, Harmonien und Aufbau elementar zum intensiven Kennenlernen eines Stücks ist, dann wäre das Realbook eher schädlich, weil es genau diese Arbeit einen abnimmt.

    Gruß
     
  9. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Mir geht es ähnlich.

    Aber es soll möglich sein...

    Zumindest stelle ich bei mir fest, dass ich von Stücken, die ich intensiv mit Band spiele, partiell immer mehr merke.

    Ich brauche aber auch dann die Noten als Merker bzw. zur Sicherheit.

    Gruß
     
  10. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Michael, das war genau der Ausgangspunkt des Threads. ;-) Ich glaube, niemand bestreitet, dass Raushören usw. nützlich ist. Wenn ich es auf der lokalen Session aber mit geschätzten 100 - 200 verschiedenen Titeln zu tun habe, die immer mal gespielt werden, ist halt die Frage, wie ich damit klarkomme.

    Die "Krücke" Real Book ist da ganz praktisch.

    Liebe Grüße
    Helmut
     
  11. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    vieleicht ist en nicht ein frage ob ich ein Realbook ( oder welches material auch immer ) sondern wie ich es benutze....

    so wie Michael sagte als Stütze nicht als Vorlage....

    Es kann ja auch durchaus benutzt werden um eigene Ideen darin zu notieren.

     
  12. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    "vieleicht ist en nicht ein frage ob ich ein Realbook ( oder welches material auch immer ) sondern wie ich es benutze...."

    Genau. Wenn man klein ist, kann man sich drauf stellen, um die Übersicht in der Band zu behalten......dick genug sind die ja.... :)

    CzG

    Dreas
     
  13. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Hi Dreas,

    ich verstehe gut, das ein Anspruch, Standarts mal eben spontan in anderen Tonarten spielen zu können, die sowieschon nicht gerade spärliche Menge dessen, was man alles lernen dürfte, wenn man wollte :-D, noch zu erhöhen scheint.
    (Falls man sich überhaupt für Standarts interessiert, was ich nach dem Eingangsposting für die Grundlage der Diskussion hier hielt).

    Für mich wird da eher umgekehrt ein Schuh draus. Das Transponieren von Stücken inklusive darüber improvisieren ist imho eine der besten Lernhilfen für harmonisches und melodisches Training und Verständnis
    - UND FÜR AUSWENDIGLERNEN.
    Und das fängt schon bei der ersten zusätzlichen Tonart an.
    Transponieren von Stücken erzwingt eine Klärung des Materials, selbst wenn man sich das transponierte Sheet von BiaB ausdrucken lässt. Umso mehr, wenn man per Hand transponiert, oder eben auswendig.
    Mal ganz mechanisch-funktionell betrachtet.
    Spiele ich einen 3-Akkorde Blues in C, lerne ich ihn näher kennen.
    In dem Stück kommt die 4. Stufe/Subdominante F7 vor. Ok, dieses F7 lerne ich also in dem C-Blues auch kennen, und zwar übrigens auch dann, wenn ich das mit der Akkordfolge gar nicht weiss, also theretisch völlig unbeleckt rangehe.
    Es reicht ja schon bzw das Verständnis fängt damit an, das man merkt, das immer an einer bestimmten Stelle im Stück bestimmte Töne beser passen als andere. Auch wenn man ev nur die Mollbluesskala benutzt.

    Was passiert jetzt, wenn ich den C-Blues nun in F spiele?
    Das F7, vorher 4. Stufe, ist jetzt 1.Stufe/Tonika.
    Diese erste Stufe F7 kommt nun zB schon mal häufiger und länger vor, also habe ich mehr Zeit und auch Notwendigkeit, zu erkunden, was da alles geht. Dann, das F7 ist auf einmal der Ruheklang. Also muß man das F7 offensichtlich ein bischen anders behandeln. Usw usw.

    Soweit alles ganz schön. Der eigentlich interessante Punkt kommt jetzt aber erst. Was passiert, wenn ich mit neuen Erfahrungen zurück zum C-Blues komme??
    Dann habe ich auf einmal mehr Erfahrungen, mehr Ideen etc mit dem F7 Bereich bzw Akkord (im Übrigen auch dem C7 Bereich/Akkord, der im F-Blues zur V. Stufe wurde). Auf einmal sind ein paar Dinge klarer und offensichtlicher.
    Das Spielen über den F-Blues bereichert das Spielen über den C-Blues. Das Gleiche gilt dann natürlich auch für den G-Blues, auch der bereichert das Verständnis des C-Blues.
    -
    Was ich jetzt so stur mechanisch-funktionell aufgedröselt habe (ich hoffe, in verständlicher Form), gilt imho immer, und auch in mehr Bereichen, als ich es jetzt dargestellt habe.
    Transponieren von Stücken erzwingt - ganz nebenei - die Klärung des Materials, insofern ist das eine grosse Hilfe für musikalische Entwicklung.
    -
    Ein mehr dazu geschrieben hatte ich im Übrigen hier in meinem ersten Post: http://www.saxophonforum.de/forum/viewtopic.php?post_id=285730

    Cheers!
    Werner

    [size=x-small]http://mobile-band-walking-act.de/[/size]


     
  14. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    +1

    Lernpsychologisch behält man etwas umso besser, unter je mehr Gesichtspunkten man das Material memoriert.

    Ich hatte mal ein Erlebnis beim Studium in Frankreich, als ich eine Weg-Abkürzung vorschlagen wollte. Ich kannte das Wort "abbréviation" für "Abkürzung" und benutzte dieses. Großes Gelächter, denn "abbréviation" bezeichnet abgekürzte Wörter, wie "Hbf" für "Hauptbahnhof". Wegabkürzungen werden aber mit "raccourci" bezeichnet. Das Wort habe ich dann nie mehr vergessen.

    LG bluefrog
     
  15. Rick

    Rick Experte

    Okay, es geht mal wieder quer durcheinander, ist mehr ein Brainstorming als eine Diskussion, weil offenbar jeder einen anderen Aspekt des "Real Book Playings" anspricht.

    Das möchte ich mal etwas systematisieren:

    1. Als Bläser/Themenspieler

    In dieser Funktion sollte man mit der Nummer vertraut sein oder aber in der Lage, auch eine unbekannte Melodie spontan kompetent vom Blatt zu interpretieren.
    "Autumn Leaves" Ton für Ton nach Lead Sheet gespielt klingt schauerlich, gerade solche Songs sind oft simpel notiert und benötigen eine eigenständige rhythmische Umsetzung.
    Üblicherweise schlägt so jemand auch die zu spielende Nummer vor - ich kenne es von den Heidelberger "Cave 54"-Sessions so, dass vorwiegend die Melodiespieler das Programm machen, weil sie die Themen ja vortragen.


    2. Als Bläser/Solist

    Was spricht grundsätzlich dagegen, auch mal über einen Titel zu improvisieren, den man noch nicht so gut kennt? Nur so kann man ja sein Repertoire erweitern und muss nicht sein ganzes Leben lang immer dieselben 3 bis 15 auswendig gelernten Stücke spielen.

    (Mehr als die "Real-Book-Sessions" hasse ich die Gelegenheiten, bei denen man stets die "alten Bekannten" (Summertime, Autumn Leaves, Blue Bossa, Blue Monk, Watermelon Man...) durchnudelt, weil einfach keiner in der Lage ist, über etwas anderes zu solieren.
    Wir hatten schon Session-Teilnehmer, bei denen wir immer von vornherein wussten, was sie spielen wollten: "Bye Bye Blackbird", "I Could Write A Book" und "All Of Me", aber bitte nicht zu schnell!") :lol:

    Hier trennt sich allerdings die Spreu schnell vom Weizen - wenn jemand ständig mit holprigen Solos über ihm unbekannte Songs nervt, bekommt er heute nicht mehr unbedingt ein Becken an den Kopf (wie einst Charlie Parker in den 1930ern), aber die Mitmusiker und/oder das Publikum bedeuten ihm irgendwann nachdrücklich, dass er sich bitte etwas mehr zurückhalten bzw. ENDLICH MAL MEHR NUMMERN LERNEN solle. :-D


    3. Als Begleiter/Rhythmusgruppe

    In dieser Funktion gelten meiner Ansicht nach komplett andere Regeln, denn wenn man sich nur auf sein auswendiges Repertoire verlassen kann und keine Bücher dabei hat, wird die Session (oder der Auftritt) extrem limitiert:
    Sänger kann nur drei Songs; Saxer ebenfalls, aber andere; Pianist/Gitarrist/Bassist kennen nichts davon und haben auch keine gemeinsame Schnittmenge... :roll:

    Ach ja, und dann gibt es noch den berühmten Fall Publikumswunsch - angetrunkener begeisterter Zuhörer: "Ihr seid alle absolut spitze, wie ihr da so steht; passt auf, ich gebe jedem von euch 20 Euro, wenn ihr mir jetzt mal "Bluesette" von Toots Thielemans spielt, das höre ich immer so gerne, habt ihr doch locker drauf, oder?" :cool:

    Für Begleitmusiker wird es in meinen Kreisen allgemein als PFLICHT angesehen, mindestens drei unterschiedliche Real Books mitzuschleppen, um für alle Fälle gewapppnet zu sein.


    Alles ist relativ, auch das "Real Book Playing" - es sollte nicht unverzichtbar sein (habe auch schon ganze Standard-Gigs auswendig gespielt, kenne Jam Sessions, bei denen Noten auf der Bühne tabu sind), es kann aber, wie schon von Vorrednern erwähnt, eine wichtige Stütze oder Ergänzung darstellen. :)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  16. edosaxt

    edosaxt Strebt nach Höherem

    Was ich an der Musikern so liebe ist, dass die so frei denken, keinerlei Vorurteile haben, das gute bewahren und immer offen für neues sind.

    daß alles aus "Spass an der Freud" passiert, nichts wirklich ernst genommen wird...

    puh, wenn ich diese Diskussion hier lese, denk ich mir bei manchen, dann spiel doch allein und werd glücklich.
     
  17. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Liebe Foristen,
    was ich hier lese deckt sich zum Glück nicht mit meinen Erfahrungen mit Sessions und ich hoffe, dass es auch viele andere Sessions gibt, die den eigentlichen Charakter, das freie zwanglose Zusammenspiel von Musikern, die nicht zusammen in einer Band spielen, pflegen, denn das ist ein wichtiges Stück Jazz Kultur.
    Zum Realbook: Ich spiele das Thema nur, wenn ich ein Leadsheet vor mir habe. Leute die das tabuisieren, sollen eben dann mit anderen spielen. Warum? Weil ich einen signifikanten Teil meines Großhirns für einen Beruf brauche, der nix mit Musik zu tun hat, und weil ich mich beim Vortrag des Themas auf den Groove konzentrieren will und mich nicht noch mühsam an die Töne des Themas erinnern will.
    Wenn ein Sänger/in dabei ist brauch ich kein leadsheet. Tonart ist dann auch egal und das Thema wird ja gesungen. Solieren ist kein Problem, wenn man die Form beim Vortrag des Themas mal gehört hat.
    Was ich persönlich schade finde, ist die Tatsache, dass man sich ungern auf Titel ausserhalb des Realbooks einläßt. Ich mache das eigentlich ganz gerne, es scheitert meist an gemeinsamen Notenmaterial.
    Für eine feste Band, die dreimal die Woche probt und hart an eigenen Stücken arbeitet ist klar, dass man da eigentlich keine Noten mehr fürs Repertoire brauchen sollte, aber für so was hab ich leider keine Zeit.
    Ansonsten finde ich es immer wieder faszinierend, mich mit Realbook bewaffnet mit Leuten zu treffen, die ich noch nie zuvor gesehen habe und zwo drei vier was Hörbares zu produzieren, das auch anderen Zuhörern gefällt.
    Also ich bin gerne Realbook Player.
    Viele Grüße Reiner
     
  18. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Oh Reiner.....Du hast Wahres geschrieben!

    Ich spiele zwar bei weitem nicht auf Deinem Niveau...aber die Rahmenbedingungen
    kommen mir sehr bekannt vor.... :)

    CzG

    Dreas
     
  19. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Danke Reiner für Deine Aussage.

    Sie bestätigt doch den ersten hier zitierten Satz und unterstreicht, dass für die eigene Kreativität noch hinreichend Raum bleibt (bleiben kann).

    Es kommt halt auch auf die Zusammensetzung der "Session" an.

    Wenn da 6-8 Bläser unisonso das Thema anstimmen und dann reihum mehr oder weniger angestrengt die Skalen zu den Akkorden gesucht werden, kann das für den Zuhörer scho ermüdent werden. Für die teilnehmend Mudiker ist es aber gut und wichtig. Wie sonst soll man (als Session-Novize) denn sonst lernen??

    Anders ist wenn die Session ein wenig organisert ist und max. 3 Bläser und auch nicht(!) zwei Guitarren + Piano an den Start gehen.
    Da können (auch für den Zuhörer) ganz tolle Sachen geschehen.

    Gerade gestern Nacht wieder hier erlebt.

    Cheerio
    tmb
    from
    Jazzemble 2014
     
  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich tue mich schwer mit solchen Sprüchen wie: muss man alles auswendig können mit Realbook spielen geht gar nicht.Genauso wie aber nur reines Realbooksurfen und pures Blattspielen auch nicht die Lösung in meinen Augen ist.

    Ich kenne fantastische Musiker, die der Meinung sind, Transkriptionen sind unnötig, andere die die Meinung haben auswendig lernen von Songs ist überflüssig, wenn es Noten gibt, die Zeit würde sich anders besser nutzen lassen, genauso wie tolle Musiker, die glauben nur auswendig spielen ist das wahre und man müsste jeden Song per Ohr lernen. Und genau für diese Musiker funktioniert ihr System oder ihre Lernmethode, das muss aber nicht heissen, daß sie auch für jeden anderen Spieler funktioniert.

    Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte. Beides ist sinnvoll und hilfreich in meinen Augen und für beides (auswendig und lesen) gibt es gute Gründe und Situationen wo mal das eine sinnvoller ist und mal das andere. Man muss halt abwegen können, was wann für einen passt und sich mit beidem auseinandersetzen, denn von beidem kann man profitieren.

    Das Problem beim Realbook und auch beim Raushören von Songs ist gleich:
    häufig stimmt die Version nicht mit denen überein, die von anderen Musikern häufiger gespielt werden. Das ist noch harmlos wenn es nur um die Tonart oder eine Themeninterpretation geht, häufig sind aber so viele Varianten was die Harmonien angeht im Umlauf (und wir reden nicht von diationischen Vertreterakkorden oder Tritonussubstituten), daß es schon schwierig wird da den Überblick zu haben. Wenn der Titel dann auch noch arrangiert oder reharmonisiert wurde, wird es erst recht lustig. Welcher ist dann der richtige zum Lernen, um nicht beim nächsten Jammen auf die Nase zu fliegen? Schon Tritonussubstitute können manchen unerfahrenen Spieler in Bedrängnis bringen.

    Was Standards angeht, erlebe ich immer wieder unter Kollegen Ablehnung gegenüber bestimmten Songs, die diese angeblich schon so oft gespielt haben und deswegen nicht mehr hören können, ein tolles Solo drücken sie dann darüber trotzdem nicht immer ab (ob aus Langeweile, Protest oder nicht Können??). Ich persönlich werde nie eines Songs beim Spielen überdrüssig, man kann sich doch so viel einfallen lassen und immer wieder was neues einfallen lassen, fällt einem nichts neues mehr ein, liegt es doch an einem selbst und nicht am Song.

    Erstaunt bin ich über die Kandidaten hier, die zum Thema Session sagen, da muss man nur ein paarmal zuhören und dann kann man da schon drüber spielen, man muss nur immer viel hören dann geht das schon.

    Das mag auf sehr diatonische Musik zutreffen aber genau diese Personen würde ich dann gerne mal mit bestimmten Songs ohne Noten und ohne diese vorher ausgecheckt zu haben live erleben, wie die darüber spielen. Klar kann man mit sehr trainiertem Ohr viel mehr hören aber die wenigsten Spieler haben ausreichend Zeit, um so viel zu üben wie nötig wäre, um ihr Ohr so fit zu bekommen, daß es dem folgen kann was da passiert.
    Titel wie Desafinado, Stella by starlight, 500 miles high, Dolphin Dance etc. etc. sind nicht so einfach mal eben mit dem Ohr zu erfassen wie ein Autumn leaves oder Blue Bossa und werden auch auf Sessions gespielt, genauso wie häufiger auch mal Parkernummern (und nicht nur die Blues- und Simpelstücke) gespielt werden.

    Klar sollte man sein Ohr trainieren aber es hängt vom Song und dem einzelnen Spieler ab und es kann manchmal echt schlimm klingen wenn Jemand Desafinado oder den B-Teil von Have you met Miss Jones noch nie gespielt hat und sich da dann per Ohr versucht durchzuhangeln (ohne absolutes Gehör). Ohne den Song ausgecheckt zu haben oder ohne Noten geht das dann halt nicht. Nicht jeder Song lässt sich mit einer Durtonleiter über den ganzen Song bedienen und klingt dann auch noch halbwegs akzeptabel.

    Trotzdem ist der Hinweis mehr auswendig zu lernen extrem wichtig, denn ohne Input kein Output bei unserem Hirn.

    Lg Saxhornet
     
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