Elitäre Kunst

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von ppue, 17.April.2015.

  1. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Das ist der Idealzustand, aber leider nicht immer die Realität.

    Picasso z.B. hatte Zeiten, wo er "Massenware" erzeugte und für gutes Geld verkaufte. Der Bäcker backt in der Regel nur hochwertiges Brot, wenn er es auch verkauft bekommt. Ansonsten wird an den Zutaten gespart.

    Kunst bedeutet in der Regel materieller Verzicht oder du findest einen "Gönner" oder du hast das Glück, dass du von der Gesellschaft entdeckst wirst (=Erfolg).

    Die Menschen, die ich persönlich kenne und als Künstler bezeichnen würde, sind in der Regel eher radikal in ihrer Gedankenwelt und dadurch "freier" als ich. Ob zufriedener vermag ich nicht zu beantworten.

    Kunst ist für mich immer innovativ und elitär bzw. provozierend für die Gesellschaft. Kunst ist aber nicht nur für Intellektuelle und Bildungsbürger, sondern kann auch die Gefühlswelt der anderen Menschen treffen.

    Aber ich glaube, dass Kunst für uns sehr unterschiedlich definiert ist, daher kommen wir auch nicht auf einen gemeinsamen Nenner.

    Wenn saxhornet mal woanders schrieb, dass Kunst eher ein Thema der Amateure sei, dann ist mir völlig klar, dass er z.B. eine völlig andere Haltung hierzu hat wie ppue oder ich. Dies ist nicht negativ gemeint!

    Bleiben wir in der Musik:

    Waren die Beatles Künstler?
     
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  2. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Warum sollte das die Aufgabe von Kunst sein? Es ist eine möglicherweise treffende Beobachtung, dass Kunst die Gesellschaft und ihren Facettenreichtum spiegelt, aber für ihre Aufgabe (im Sinne eines zu erfüllenden Postulats) halte ich das nicht. Wenn es ein Auftrag wäre, könnte er sich auch schlecht abstrakt an "die Kunst" richten, sondern nur an die Menschen, die Kunst schaffen. Aber warum sollte sich ein Künstler verpflichtet fühlen, einen Beitrag, ein Mosaiksteinchen für ein Spiegelbild der Gesellschaft zu schaffen?

    Ich wage jetzt mal eine ganz eigene Deutung von Kunst: jedes Kunstwerk ist Ergebnis eines Selbstverwirklichungsvorgangs eines oder mehrerer schöpfender Menschen. In Ihnen findet sich immer ein Teil der Persönlichkeit des oder der Urheber wieder. Zur "Kunst" wird es aber in der Regel aber erst durch zwei Komponenten: zum einen ist der Schöpfungsakt herausgehoben in dem Sinne, dass er nicht von jedem anderen beliebig und ohne größere Anstrengung reproduziert werden kann. Und zum anderen genießt das Ergebnis nicht nur die ausschließliche Wertschätzung des Schöpfers, sondern auch noch die einer signifikanten Anzahl anderer Menschen (ansonsten wird es schwierig mit der Anerkennung als Kunstwerk). Das heißt nicht, das es jedem gefallen muss.

    So, und jetzt nehmt mich auseinander.... :rolleyes:
     
  3. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Nach meiner Definition eindeutig ja!
     
  4. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Elitäre Kunst ist in meinen Augen ein Widerspruch in sich. Kunst ist Kommunikation, eine kreative Botschaft. Sie kann, muss aber nicht provozieren. Provozieren heißt ja, eine Reaktion zu erwarten oder zu erhoffen und diese in das Kunstwerk quasi einzubinden. Die Nähe von Kunst und Provokation ist eher ein Junktim des 20. und 21. Jahrhunderts und dem Kunstbegriff an sich nicht eigen. Kunst muss auch nicht immer wieder etwas Neues schaffen, hat aber natürlich diese Option.
    Ist Kunst elitär, ist es eine verschlüsselte Botschaft, die nur von einer kleinen Gruppe Empfänger mehr oder weniger mühsam dechiffriert werden kann bzw. muss. In diesem perversen Prozess sprechen sich dann Sender und Empfänger auch manchmal noch ab, dass andere vom Kommunikationsprozess ausgeschlossen sein sollen, also "Hacken" unmöglich.
    Eines der frühesten Zeugnisse von Kunst sind ja die bekannten Höhlenmalereien, die für mich immer als Definitionsgrundlage galten: Kunst beginnt dort, wo der Mensch genährt, gewärmt und geschützt ist und dann noch Zeit hat, seine Existenz mit einer Kommunikationsabsicht zu spiegeln.
    Hätte der Höhlenmensch damals seine Beute kubistisch verfremdet ("WAS!?! SEIT WANN IST EIN HIRSCH DENN DREIECKIG!!!), seine elitären Neigungen erkannt und nur ausgewählten Höhlenbewohnern den Zugang zu seinen Werken in einer abgeschlossenen Nachbarhöhle zugänglich gemacht, er wäre sicherlich bestenfalls für plemplem erklärt, schlimmstenfalls aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und raus in den Regen zum Säbelzahntiger geschickt worden.
    "Elitäre Kunst" ist für mich ein weiteres Indiz für die Dekadenz und Widersprüchlichkeit der Gesellschaft, in der man die Notwendigkeit verspürt, nicht dazu zu gehören und sich abzugrenzen, um "dazu zu gehören".
    Zum Schluss noch ein Wort zu meinem musikalischen "All-Time-Favourite-Mother" J.S.Bach. Der hat beim Weihnachtsoratorium, bei den Passionen und Violinkonzerten ganz andere Intentionen gehabt als beim Musikalischen Opfer, wo ihm der Alte Fritz mit dem "Königlichen Thema" wahrhaft ein chromatisches Ei ins nicht österliche Nest legte. In dem Moment wurde Bachs Ehrgeiz geweckt, weit weg von jeder Auftragsarbeit. Hätte er eine Fuge aus dem "Opfer" in einer Kantate beim Gottesdienst verarbeitet, hätte ihm der Pastor wahrscheinlich die Bibel an den Kopf geworfen. Es gab ja im Barock einen (fast) verbindlichen Kanon von musikalischen Ausdrucksformen, und da ist das "Opfer" schon "far out", aber eben, um wieder zum Ausgangspunkt meiner Gedanken zu kommen, überhaupt nicht elitär.
     
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  5. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ja, die "Beatles" waren Künstler....meine Meinung.....

    Ich bin da bei Claus.

    Zur "Kunst" wird etwas, wenn ein Individuum eine außerordentliche schöpferische und kreative Leistung erbracht hat und dieses mehrheitlich von der Gesellschaft (zumindest von der "Kunstszene") auch so gesehen wird.

    Fehlt die Annerkennung hilft die ganze individuelle Leistung nicht. Es wird nicht als Kunst gesehen.

    Häufig kommt gesellschaftliche Anerkennung erst Jahrzehnte nach dem Tod des Künstlers. Sein Werk wird dann erst "Kunst".

    Kunst zum Gruß,

    Dreas
     
  6. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Jetzt wird es richtig spannend.

    Ich will es mal so versuchen. In meinem Bekanntenkreis sind einige sehr gute Musiker und Maler. Ich käme aber nicht auf die Idee, diese Personen als Künstler zu bezeichnen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich sie nicht schätzte oder auf sie neidisch wäre. (Naja nicht ganz. Ich bin schon neidisch auf die saxophnistischen Fähigkeiten von einigen. ;-)) Mit dem Ausdruck "Kunst" wird, glaube ich, zu viel verbunden.

    Der Künstler als Seher, der einsam aus der Masse der Durchschnittsmenschen herausragt, dem quasi übermenschliche Eigenschaften zugesprochen werden, eine Art Schöpfergott. So jemand wird beneidet, aber auch belächelt. Das ist Romantik pur, steckt aber noch immer in vielen Köpfen. Dieses Image gaben sich zuerst "Stürmer und Dränger", Leute wie der junge Goethe, die ihren eigenen Wert erkannten, aber neben dem Adel keine gesellschaftliche Reputation hatten. Also stellten sie sich in gewisser Weise außerhalb der Gesellschaft, sie waren Künstler, oder wie man damals sagte "Genies". Möglicherweise sehen sich manche Künstler immer noch so...

    LG Helmut
     
  7. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Ein kurzer Versuch, meine Assoziationen zur Kunst zu fassen.

    Kunst braucht Ästhetik, ein stimmiges Gesamtbild.
    Was nicht mit hübsch oder schön im üblichen Sinne verwechselt sein darf. Ästhetik, ein stimmiges Gesamtbild in diesem Sinn kann zb das outfit einer punkband sein.
    Ästhetik hat mit der Verwendung/Betonung relativ weniger "Elemente" bzw Konzepten etc zu tun, die recht durchgängig verwendet werden. Ggf im Verbund mit Weglassen sonst üblicher "Elemente" bzw Konzepten etc.

    Kunst ist zweckfrei. Ein Porsche oder Rolls Royce kann "kunstvoll" gemacht sein, erfüllt aber Zwecke (Transport, Prestige etc), ist insofern keine Kunst. Kunst steht für sich auch ohne eine Zweckerfüllung.

    Kunst hat eine gewisse Einzigartigkeit, die es aus dem Allgemeinen heraushebt (s. Claus).
    Insofern ist Kunst nicht reproduzierbar, bzw wird in diesem Fall dann zur Nachahmung oder Plagiat.

    Soweit erstmal



    http://swing-jazz-berlin.de/
     
  8. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Das finde ich spannend!

     
  9. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    hier wird aber eine heiße Diskussion geführt.

    Nach ppues Definition ist Innovation eine notwendige Bedingung für Kunst: Ohne Innovation keine Kunst. Sind danach die Musiker/innen im klassischen Orchester keine Künstler?

    mhhhh, wenn es hochwertige Kunst gibt, dann muss es wohl auch niederwertige Kunst geben, oder wie ist das gemeint? Eine logische Konsequenz wäre zumindest, dass die niederwertige Kunst auch Kunst wäre.

    Hier liegt wohl mein Hauptproblem in der Diskussion: durch die Bewertung der Kunst komme ich ganz schnell wieder dahin Kategorien wie E-Musik vs. U-Musik zu schaffen. Ich hatte gedacht, diese Sichtweise sei überwunden. Wie wird dann im Einzelfall entschieden: Louis Armstrong in frühen Aufnahmen Kunst in späteren Aufnahmen was?, Bix Beiderbecke Kunst? Innovativ wegen der Übernahme musikalischer Strukturen aus der Klassik oder nicht, weil nicht wirklich neu?????

    Recht gelungen finde ich eigentlich den Definitionsversuch am Anfang des Wikipediaartikels http://de.wikipedia.org/wiki/Kunst

    keep swingin´



    Euer Saxax


    (kleine Anmerkung: trotz der kritischen Fragen finde ich viele von ppues Positionen äußerst treffend)
     
  10. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Also gibt es....

    ....niederwertige Kunst
    ....hochwertige Kunst
    und
    ...elitäre Kunst?

    Oder was?

    Ach...auch noch "primitive Kunst"....und "Kleinkunst"....

    Und welche "Kunst" ist denn die eigentliche "Kunst"????

    CzG

    Dreas
     
  11. saxhornet

    saxhornet Experte

    Nicht das ich falsch verstanden werde. Ich kenne viele Musiker und Komponisten, egal ob Jazz oder auch Neue Musik oder was auch immer und die interessiert es nicht die Bohne, ob das was sie da machen Kunst ist oder nicht. Das ist Ihnen nicht wichtig. Sie definieren sich nicht dadurch und es ist nicht der Wille Kunst zu schaffen oder Künstler zu sein, der sie antreibt. Die Grenzen sind im Kunstbereich komplett aufgeweicht und lassen sich nicht festlegen. Ich erlebe es eher bei Leuten, denen es nicht um das geht was sie tun, sondern denen eigentlich nur wichtig ist als Künstler gesehen zu werden, der Kunst erschafft, daß solche Begriffe ganz wichtig sind.

    LG Saxhornet
     
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  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Schon Ästhetik ist Ansichtssache.



    Die Meinung kann man sicherlich vertreten, halte ich allerdings für nicht zeitgemäss.

    Lg Saxhornet
     
  13. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Ästhetik ist lediglich die Wissenschaft der sinnlichen Wahrnehmung, also vollkommen wertfrei und kein Qualitätskriteriumg. Kein Wunder, dass der Volksmund auf der verzweifelten Suche nach der Evaluierung des Kunst-Begriffes die "Ästhetik" als Wertbegriff gefunden und missbraucht hat. Wenn etwas "ästhetisch" ist, nehmen wir es erst einmal nur wahr, nicht mehr und nicht weniger. Das ist ernüchternd aber hilfreich, weil....
    ...die Ölsardine des einen der Loup de Mer des anderen ist, will sagen, über Jeschmack lässt sich halt nur streiten (oder auch nicht), aber nicht verhandeln.

    Wenn ich heute lese, dass mittlerweile die ach so ängstlichen Kapitalisten in Richter, Chagall oder Renoir investieren, weil Kunst im Moment ja doch wesentlich wertbeständiger oder sogar wertsteigernder sei als eine Finca auf Malle oder eine Geldverschiebe auf die Cayman Inseln, könnt ich gerade kotzen. Die genannten Künstler werden (Richter) oder würden sich sicherlich auf dem Sofa (Richter) oder im Grab (die anderen) umdrehen.

    Also, eine zerknüllte Bildzeitung im Abfallkorb der S-Bahn ist ästhetisch (= ich nehme sie wahr). Wenn sie ein bekannter Künstler vor fünf Minuten dort mit voller Absicht zerknüllt hineingegeben hat und das ganze in einer Video-Sequenz festgehalten hat, ist es Kunst. Wenn der Stahlarbeiter Gerald P. ähnlich in der gleichen S-Bahn zehn Minuten später verfährt und ich wieder Zeuge der Szene werde, ist es wieder Ästhetik, aber diesmal (leider??) keine Kunst.
     
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  14. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Genau - du hast schön skizziert, dass Kunst immer elitär ist.
    antonio
     
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  15. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Huch, wie das denn? Das habe ich vermasselt, ich sprach genau vom Gegenteil.....
     
  16. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    In dieser Rolle aus meiner Sicht nicht.

    Ist meinem Beruf genauso! Ist doch ok!

    Das glaube ich auch!

    Das war früher mein Problem mit Beuys. Der Künstler macht es mit einer anderen Zielsetzung als der Stahlarbeiter, der die Zeitung nur entsorgen will. Wie mir diese künstlerische Aktion gefällt, ist eine andere Sache.
     
  17. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Die Verhüllungsaktion von Cristos ist Kunst.

    Die Verhüllungsaktion des Bauarbeiters, damit etwas nicht einstaubt, ist keine Kunst, weil sie einem konkreten Zweck dient.

    Die Definition Kunst ist aus meiner Sicht wertneutral.
     
  18. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Ich glaube, ich habe verstanden was du meinst, lieber Antonio, aber nein, die zerknüllte Bildzeitung ist nicht elitär (hohe Auflage), die S-Bahn fährt jeden Tag, und jedermann ist aufgefordert, sich jeden Tag seine kleine Kunst-Aktion zu schaffen. Wenn bei Andy Warhol das Verzehren einer Banane zur Kunst wird, warum sollte das denn nicht der Henkelmann auf der U-Bahn Baustelle nicht auch werden können? Also: Mut zur Kunst.
     
  19. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Mut zur Kunst! Finde ich gut!

    Wenn ein Fotograf den Henkelmann fotografiert und diesen in seiner Ausstellung zeigt, wird das Foto zur Kunst, aber nicht der Henkelmann.
     
  20. edosaxt

    edosaxt Strebt nach Höherem

    Mich amüsiert diese Ehrfurcht vor Kunst!
     
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