helft den jungen vögeln

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Dexter, 21.August.2005.

  1. SanDO

    SanDO Ist fast schon zuhause hier

    @ herb:

    1. Auch Moderatoren dürfen sich wie "normale" User verhalten. Nur weil ich zum Team gehöre, heißt das nicht, dass ich meinen Senf nicht dazu geben kann. Und dabei nehme ich mir sogar das Recht heraus, daneben zu liegen.

    2. Fachwissen in einer bestimmten Domäne NICHT zu besitzen, ist keine Schande und auch keine Verunglimpfung, sondern eine Tatsache.

    3. Ich wollte lediglich darstellen, was die AKTUELLE Forschung dazu sagt, die auch die letzten 5 Jahre der Internetkommunikationsforschung berücksichtigt.

    Claus kontert mit einer Position, die 6 Jahre alt ist!!!! Wozu soll das eine "Gegenansicht" sein? Zu einem Forschungszweig, der sich grade am etablieren war?

    Die Internetkommunikationsforschung steckte damals noch in den Kinderschuhen. Und alte Thesen aus der Gründungserklärung des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache (VDS) von 1999 zitieren, ist kein wissenschaftlicher Disput, vor allem wenn man die Quellenangabe vergisst. Soviel zum Thema "billig".

    Dass es Gegenpositionen zu "meiner" Ansicht gibt ist klar und in der wissenschaftlichen Forschung vollkommen normal.
    Daher schrieb ich auch: "Nein. Das kreide ich nicht deinem Alter an, sondern einfach nur fehlendem Fachwissen. Das kann man niemanden vorwerfen. Daher meine Erklärungsversuche." Bevor man mir also eine "Verunglimpfung" vorwirft, bitte ich darum, den Beitrag so zu lesen, wie er da steht.

    4. Spannende Diskussion.

    Lieben Gruß,
    Sandra
     
  2. Dexter

    Dexter Ist fast schon zuhause hier

    Wenn etwas aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann nenne ich es nicht durch genetische Disposition benachteiligter Schwan, sondern Ente. Verunglimpfung bleibt Verunglimpfung und läßt sich weder mit einem Smiley noch mit nachträglichen Erklärungen wegwischen.
    Untersuchungen über kaugummiübersäte Einkaufszonen haben nicht automatisch zur Folge, dass es zum Regelfall wird, in der Einkaufszone sein Kaugummi auf den Boden zu werfen. Will sagen, die Analyse eines Verhaltens gebiert kein Regelwerk. Und der Verweis auf »ungeschriebene Regeln« macht mich immer sehr mißtrauisch und läßt mich sofort drei Fragen stellen:
    1. Wenn sie ungeschrieben sind, woher kennt man dann den Inhalt?
    2. Wer setzt solche Regeln?
    3. Wem nützen die angeblich vorhandenen Regeln?

    Nein, in dem Verhalten, permanent klein zu schreiben und u.U. auf jegliche Interpunktion zu verzichten, läßt sich eindeutig das Muster »Ich«, »Bequem« und »Zeit sparen« erkennen; und dies zu Lasten anderer.

    Und das Statement der Sprachwissenschaftler ist schon sehr bemerkenswert. Wenn einem dieses Statement bezogen auf den eigenen Alltag zu abstrakt ist, sollte man mal bei der örtlichen Polizei nachfragen, wie oft im vergangenen Jahr jemand bei der Festnahme auf dem Vorlesen seiner Rechte bestanden hat. Man würde/wird sich wundern.

    Beste Grüße aus MH
    Dexter
     
  3. LateNite

    LateNite Kann einfach nicht wegbleiben

    Also liebe Leute,

    das wird hier jetzt aber sehr zornig. Ich bin zwar von Beruf der Sprache, vor allem guter Sprache sehr eng verbunden und lese im Netz am liebsten die Glossen unter www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch - aber man kann's auch übertreiben.

    Lasst uns doch über Politiker lachen, die keinen geraden Satz herausbringen und sich dann anstelle der bewährten Dudenredaktion per Gesetz um korrektes Deutsch bemühen.

    Lasst uns Smilies setzen und cu schreiben, meinetwegen auch Cu oder CU.

    Aber lasst uns um Himmels Willen recht regelmäßig vor dem Abschicken die Vorschau nutzen, denn halbwegs komplette Wörter und richtige Sätze sollten ein ordentliches Forum wie dieses vom simplen Chat der Pubis unterscheiden.

    Und wenn SanDo meint, man könne/solle/müsse sich im Web der Sprache anpassen, die Teile der User einbringen, erinnert mich das an meinen Lieblingswitz, den man wohl auch außerhalb von NRW versteht (und den ich zur Entspannung der erhitzten Diskussion dranhänge):

    Der Landeswirtschaftsminister besichtigt eine Kohlengrube im Ruhrgebiet. Als er im modernen Abbau die guten alten Loren vermisst, greift der Steiger zum Grubentelefon und ruft hinein: "Jungs, kommt mal mit die Wagens!" Die Dinger rollen heran, der Politiker ist beeindruckt. Später in der Waschkaue nimmt er den Bergmann aber zur Seite und meint: "Sagen Sie, guter Mann, Steiger ist doch eine leitende Stellung. Da muss man doch richtiges Deutsch sprechen..." Darauf der Steiger: "Klar, Herr Minister, aber wenn ich sage 'kommt mal mit den Wagen' - dann bringen die Kumpel mir nur einen einzigen!"

    Dann mal gute Nacht zusammen,
    Jürgen
     
  4. Guido

    Guido Ist fast schon zuhause hier

    . :-D :-D :-D

    Der erinnert mich an die alte Geschichte, nach der das alte Stadion auf Schalke endlich nach einer Frau benannt werden sollte. Der Vorschlag: "Dem Ernst Kuzorra seine Frau ihr Stadion."

    Das hat Johannes Rau ständig erzählt, wenn er im Ruhrgebit war. Alt, aber man lacht immer wieder gerne darüber.

    Regeln hin, Regeln her: Ich kann Texte müheloser und schneller lesen, wenn sie das gewohnte Schriftbild bieten.
     
  5. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Liebe Sandra,

    Dass die Aussagen bereits sechs Jahre alt sind, macht sie noch nicht automatisch falsch, oder? Und ich habe auch nicht entdecken können, dass die genannten Personen sich in irgendeiner Weise von den Inhalten distanziert hätten.

    Mir scheint die Grundsorge, die darin zum Ausdruck kommt, aktueller denn je zu sein.

    (*Boxhandschuhe an*)
    Es liegt mir fern, Dein Fachwissen beurteilen zu wollen, dazu kennen wir uns zu wenig. "Computerlinguistik" allein scheint mir noch kein Nachweis überlegener Einsicht zu sein, da sich dieser Zweig nach meinem Verständnis weniger mit der Kommunikation natürlicher Personen über das Medium Computer als vielmehr mit der Frage befaßt, wie Computer menschliche Sprache verarbeiten. (*Boxhandschuhe aus*)

    Aber zur Sache: was ich nicht teile, ist Deine Grundthese, dass die Kommunikation in Foren (und darum ging es Dexter, er bezog sich ausschließlich auf die Gepflogenheiten hier im Forum) "NICHTS mit geschriebener Sprache zu tun" habe, sondern vielmehr den Regel mündlicher Kommunikation folge.

    Mir scheint, dass Du in Deinen Beiträgen zu dem Thema immer wieder dem gleichen Denkfehler unterliegst, nämlich Erkenntnisse, die vielleicht für die Kommunikationsform "Chat" zutreffen mögen, kritiklos auf alle Formen der über das Internet vermittelten Kommunikation (Forenbeiträge, Emails etc.) zu übertragen.

    Ein Chat ist ein völlig anderer situativer Kontext: in wenigen Sekunden muss die Botschaft abgesetzt sein, weil ansonsten die Diskussion sich schon in eine andere Richtung entwickelt hat. Die Beiträge werden in der Regel nicht für die Nachwelt erhalten; jedenfalls interessiert sich am Folgetag im Zweifel niemand mehr für den Chat von gestern.

    In einem Forum ist das anders: ich kann auch noch am nächsten Tag (oder notfalls auch nach Wochen) auf einen Beitrag antworten. Die Sequenz ist nicht entscheidend, da mir die Möglichkeit offen steht, durch Zitate genau deutlich zu machen, auf welche Äußerung ich reagiere. Die Beiträge werden archiviert und sollten deshalb nicht nur aus einem nur den unmittelbaren Teilnehmern bekannten Kontext heraus verständlich sein, sondern auch bei späterer, losgelöster Betrachtung durch bis dahin nicht Beteiligte. Es steht mir die Möglichkeit der Korrektur meiner Beiträge offen (auch ein Unterschied zum Chat). Die Zusammensetzung der Teilnehmer ist in der Regel wesentlich heterogener.

    Deshalb meine (ausdrücklich auf unser Forum bezogene) Aussage: es ist geschriebene Sprache und es bleibt geschriebene Sprache.

    Jetzt Du wieder....

    Herzlicher Gruß

    Claus

    PS:
    Lassen wir die Verunglimpfungsdebatte ruhen. Ich fühle mich nicht verunglimpft und weiß von anderen Forumsteilnehmern, die Sandra persönlich kennen, dass sie eine ganz Nette ist. :)
     
  6. SanDO

    SanDO Ist fast schon zuhause hier

    Hi Claus,

    schön, dass du dich nicht verunglimpft fühlst. Hätte mich auch gewundert. Bin doch wirklich ne Nette und gute Diskussionen gefallen mir. :)

    Denn mal tau:

    Falsch sind die Aussagen dadurch tatsächlich nicht automatisch. Problematisch ist nur, dass die Internetkommunikationsforschung ein Zweig ist, der erst in den letzten 1-2 Jahren wirklichen Aufschwung erlebt. Daher fehlt den Thesen die Aktualität.

    Sie müssen sich auch nicht distanzieren. Aber es wäre interessant zu sehen, in welchen Bereichen die Profs. noch tätig sind und waren. Einige von ihnen sind emeritiert, also im Ruhestand. Und nicht jeder Sprach-/Literaturwissenschaftler kennt sich in den neuen Medien aus bzw. hat da eine qualifizierte Meinung zu.

    Jein. Es geht in der Computerlinguistik AUCH um die Kommunikation DURCH das neue Medium und wie sie sich dadurch verändert.

    Na ja. Vielleicht habe ich mich da ein bissl unglücklich ausgedrückt. Was ich sagen wollte ist, dass ein Text - also z.B. ein Posting hier - zwar geschriebene Sprache ist, ABER von der Idee/vom Konzept her der gesprochenen Sprache näher steht als z.B. ein Zeitungsartikel. Man nennt das in der Sprachwissenschaft "Konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit". Und selbstverständlich gehen hier auch die Meinungen auseinandern, inwieweit die Sprache in Foren eher konzeptionell mündlich oder schriftlich sind.

    Denkfehler vielleicht nicht. Und du hast recht: Auf einer Skala zwischen den Polen "konzeptionell schriftlich" und "konzeptionell mündlich" stände der Chat der gesprochenen Sprache um einiges näher als die Sprache, die in einem Forum verwendet wird.

    Stimme ich dir zu. Du hast als User die Option und viele nutzen sie auch. Dennoch zeigen verschiedene Phenomäne, die an die Flüchtigkeit der gesprochenen Sprache erinnern, auch im Forum die Nähe zur konzeptionellen Mündlichkeit. Gemäßigte Kleinschreibung z.B. wird dieser Flüchtigkeit gerecht. Die Verwendung von Smileys etc. stehen zeichenhaft für einen Gefühlszustand, der im Gespräch durch Mimik/Gestik ausgedrückt werden könnte, usw.

    Nein. Auch im Chat bist du ein Produzent, der einen Text verfasst. Der Druck auf die Entertaste entscheidet darüber, welchen produzierten Text du abschickst. Du hast auch hier die Chance zur Korrektur, die niemand sieht, außer es handelt sich um z.B. um Formen wie "Talk" (UNIX), wo dein Gegenüber auch die Produktionsphase sehen kann. Nur ist der Chat natürlich sehr flüchtig und es kommt auf die Tippfähigkeiten eines Users an, den Beitrag schnell an die richtige Stelle setzen zu können.

    *lach* Ja. Geschrieben ist die Sprache hier schon. Aber es gibt nicht nur schwarz und weiß. Aber die geschriebene Sprache HIER nähert sich von ihrer Idee her der gesprochenen Sprache an.

    Lieben Gruß,
    Sandra
     
  7. herb

    herb Ist fast schon zuhause hier

    Hallo SanDO!

    Dexter hat´s getroffen mit der Entengeschichte.

    Claus hat´s entschärft.

    Ich behalte mir vor, die doof zu finden, die absichtlich verschwurbelt schreiben und das cool finden.

    ...und Du bist ´ne Nette, sogar ´ne nette und bissig-witzige Moderatorin, die auch mal schwer daneben liegen kann und das auch kundtut.

    Alles wird gut.



     
  8. Toffi

    Toffi Strebt nach Höherem

    1. Insoweit Dexters Entengeschichte als Beleg für eine vermeintliche Verunglimpfung dahergeschrieben wurde, trifft sie die Sache in keinster Weise genau, sondern geht meilenweit am Ziel vorbei, zumal der angeblich "Verunglimpfte" sich nicht einmal selbst verunglimpft gefühlt hat. (btw :-D : schaut mal im Herkunftswörterbuch "verunglimpfen" nach, ist auch recht unterhaltsam.)
    Die Feststellung, dass der Diskussions-Partner wahrscheinlich nicht ganz auf dem aktuellen Stand der fachlichen Forschung ist, ist ja nun noch nicht automatisch (MatthiAS, könntest du bitte mal "automatisch" im Lexikon nachschlagen?) verunglimpfend.

    2. Mit dem Stichwort "konzeptionelle Mündlichkeit" in Bezug auf die Kommunikation in Internet-Foren (jawohl, Foren und nicht Chats) landet Sandra in meinen Augen einen wahren Volltreffer. Ja, es ist natürlich auch wahr, wir kommunizieren hier in schriftlicher Form, aber auch in den Beiträgen der Forumsmitglieder jenseits der 40 Jahre nehme ich eine erstaunliche Nähe zum gesprochenen Wort wahr, ich möchte mal behaupten, dass die überwältigende Mehrheit auch der in korrektem Deutsch verfassten Beiträge eines Internet-Forums deutlich näher am (gepflegt) gesprochenen Wort stehen als an einem Schrifttext wie einem Referat, Aufsatz oder auch journalistischen Artikel (usw.), denn in diesen Forums-Beiträgen wird doch sehr deutlich auf die jeweils vorhergegangenen Beiträge reagiert, es wird miteinander diskutiert, und zwar in einer sehr direkten Form, die beispielsweise in traditionellen Briefen nicht so möglich war/ist.
    Von daher kann ich die These nur vehement bekräftigen, dass ein geschriebener Beitrag in einem Internet-Forum sehr klar ein konzeptionell mündlicher Sprachvorgang ist.

    3. Die Aussagen der zahlreichen von Claus so fein aufgelisteten Herren Professoren möchte ich auch nicht so ganz unkommentiert lassen:
    Da heißt es im ersten Abschnitt "...die Anglizierung hat einen geschmack- und stillosen Jargon hervorgebracht...", es wird hier also so argumentiert, als habe die starke "Durchmischung" des "reinen" Deutsch mit Anglizismen ursächlich und wesentlich mit einem Qualitätsverlust der deutschen Sprache zu tun.
    Ich gebe zu bedenken, dass der in den 1970er Jahren schleichende und in den 1980er Jahren dann explodierende Einfall von Fäkal- und Vulgärvokabular (MatthiAS? Lexikon?) deutschen Wortstamms selbst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen mindestens ebenso großen Anteil am möglichen "Verfall der Sprachkultur" hat.
    Tja, und im folgenden Abschnitt kommt dann "...Das Deutsche ist in einigen Fachgebieten als Kommunikationsmittel ungebräuchlich geworden...in Gefahr, seinen Status als Wissenschafts- und Kultursprache zu verlieren...So müssen die Forscher das Englische verwenden, um in ihrem Fach arbeiten zu können..."
    Ja, das ist heftig, und zwar heftig unreflektiert, meine Herren Professoren! Oder nein, vielmehr ist das ziemlich dumpfes Deutschgetümel!
    Binnen kürzester Frist darf die englische Sprache also zunächst als Ursache für die Entwicklung eines stillosen Jargons herhalten, um dann ruckzuck und zähneknirschend als die in einigen Fachgebieten deutlich dominierende Wissenschaftssprache anerkannt zu werden.
    RESPEKT :cool:
    Mein lieber Scholli (ist jetzt nur so dahergesagt, weil mein Beitrag ja eigentlich konzeptionell mündlich ist, hihi):
    Die Entwicklung einer Sprache durch den Einfluss anderer Sprachen und Idiome hat nun wirklich im Kern nichts mit dem Verfall eben dieser Sprache hin zu einem "stillosen Jargon" zu tun! Ursachen für einen solchen Verfall sind vielmehr in der soziologischen Entwicklung einer Gesellschaft zu finden. Ja gut, einverstanden, die verschiedenen Einflüsse greifen immer auch ineinander, aber so wie es hier von "höchster akademischer" Stelle dargeboten wird, ist es für mich absolut inakzeptabel.

    4. @frezno:
    Du antwortest auf MatthiAS' ebenso geniale wie unterhaltsame Darlegung, bei Worten wie "Lexikon" und Alphabet" handele es sich um Worte, die im Fremdwörterbuch nachzuschlagen sind, dies seien "deutsche Worte...nur der Sprachstamm ist aus anderen Sprachen". Dem ist so nicht zu widersprechen, ich möchte nur ergänzen, dass Worte wie "Computer", "email" und viele andere
    weihwasserbesprengteunddochnichtausdemreinendeutschenweggezauberte
    Anglizismen schon sehr bald von der überwiegenden Mehrheit der Träger des Kulturguts "deutsche Sprache" als "deutsche Worte, deren Wortstamm aus anderen Sprachen ist", definiert werden wird. So sicher wie das Amen in meiner Kirche.

    5. @herb:
    Nur weil ein Text wie "Summertime" auf 8 statt 4 Zeilen verteilt wird und jeweils der erste Buchstabe einer Zeile ohne tieferen Sinn groß geschrieben wird, ist er schneller oder gar besser zu erfassen? Ts, da muss ich noch mal ganz ganz tief in die Geschichte meiner sprachlichen Sozialisation zurückblicken - ich halte die Vier-Zeilen-Version für klarer.
    In diesem Zusammenhang
    @all:
    Ich habe mir die ganzen Beiträge nochmal unter dem Aspekt der "Erfassbarkeit" durchgelesen und ich akzeptiere voll und ganz die Aussagen aller Leute, die sagen, sie persönlich könnten bestimmte Beiträge besser Erfassen als andere, weil sie einfach die ihnen gewohnte Schreibweise mit Groß- und Kleinschriebung schneller aufnehmen.
    Und ich bitte jetzt alle, sich nicht verunglimpft zu fühlen, wenn ich sage, dass das weniger ein bloßes Problem der Sprache, weil Schreibweise ist, sondern in mindestens ebensolchem Maße ein Problem der persönlichen Wahrnehmung, also ein psychologisches Phänomen.
    Es bedarf selbstverständlich einer gewissen Gewöhnung, Texte in konsequenter Kleinschreibung oder auch Texte mit bunt gemischten Binnen-Buchstaben flüssig zu lesen, aber dieser Gewöhnungsprozess ist ein relativ minimaler, es gilt hier nur, die Wahrnehmung ein klitzekleines Bisschen über die festen Muster hinauszuheben, unser Gehirn kann da ehrlich dermaßen viel leisten, wenn wir ihm nur die Gelegenheit dazu geben.
    Und damit komme ich zurück auf die "wissenschaftlichen" Studien aus Dexters erstem Beitrag:

    Ich habe in durchaus sarkastisch-zornigem Ton einen Zusammenhang hergestellt zwischen der um eine millionstel Sekunde beschleunigten Erfassung eines Textes dank Groß- und Kleinschreibung sowie dem Verlust eines Millionstels an Kreativität.
    Das ist spöttisch formuliert, ist aber mein reiner Ernst!
    Sprachliche Wahrnehmung hat einfach zu viele Facetten, als dass ich aus der bloßen Untersuchung der Schnelligkeit der Textaufnahme mittels Großbuchstaben ein eindeutiges und womöglich endgültiges Urteil über die Qualität einer bestimmten Schreibweise fällen kann. Denn es wird nichts über die Tiefe oder die Nachhaltigkeit des Textverständnisses ausgesagt.

    Nochmal ganz persönlich:
    Ich habe das bestimmt nicht bewusst trainiert, aber wenn ich meine Wahrnehmung so beobachte, nehme ich wirklich keinen wesentlichen Unterschied wahr, ob ich nun einen Text mit Groß- und Kleinschreibung oder mit konsequenter Kleinschreibung lese. Äh, natürlich nehme ich einen Unterschied wahr, mal sehe ich nur kleine Buchstaben, mal auch große, klar :) , aber für die Textaufnahme und gar für das Textverständnis spielt das in meinen Augen keine Rolle - aber ich bin ja auch noch nicht ganz 40 Jahre alt (Hey, Leute, das war ein Scherz!).

    Lieber Dexter, du hattest nach meiner sprachwissenschaftlichen Basis gefragt:
    Studium der Germanistik, Geschichte und Psychologie in Düsseldorf sowie Studium des Faches Deutsch für das Lehramt an der Sekundarstufe I und II in Münster, dort habe ich mit größtem Interesse die Hauptseminare zu den Themen Sprachentwicklung und Semantik besucht.
    Ob ich meine Studien heute noch in gängigen akademischen Floskeln darstellen kann, wage ich zu bezweifeln, aber ich wage doch zu behaupten, dass ich da sehr viel verstanden habe.

    Oh, entschuldigung, es kommt noch ein Punkt

    6. Zum Thema "Entwicklung von Sprache und Sprachgebrauch":
    Wenn man sich mal die Entwicklung der indogermanischen Sprachfamilie (zu der neben dem Deutschen und dem Englischen auch Französisch, Schwedisch, Indisch u.v.m. gehören) ansieht, sieht man, wie sich Sprachen aus anderen Sprachen entwickeln, wie Sprachen wachsen, reifen, und wie sie zurückgehen, aussterben.
    Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das Deutsche nun wirklich ernsthaft akut vom Untergang bedroht ist, aber es entwickelt sich seit Jahrhunderten weiter (allein der Unterschied vom Althochdeutschen zum MIttelhochdeutschen, voll krass, ey!) und es wird sich auch noch viele Jahre weiter entwickeln, ich vermute mal, sogar Jahrhunderte. Tja, und irgendwann wird es vielleicht auch mal aussterben. Ich bin überzeugt, dass dies nicht der Hauptgrund für den Weltuntergang sein wird, da spielen völlig andere Faktoren eine Rolle.
    So lange genieße ich diese Sprache und ihre Entwicklung, ihre Verunglimpfung durch Anglizismen und den respektlosen Umgang mit ihr im Internet.

    Ich halte diesen Thread für absolut interessant und keineswegs für Zeitverschwendung.

    Alles Liebe

    Toffi
     
  9. Steffen

    Steffen Schaut öfter mal vorbei

    Im wesentlichen möchte ich mich Dexters Ausführungen anschließen.

    @mirko
    Ich genieße die Großschreibung ausgewählter Wörter innnerhalb eines Satzes. Wir spielen ja auch nicht ohne jegliche Artikulation Saxophon - oder?

    michat schrieb,
    Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die sich durchaus dafür interessieren.

    SanDO schrieb,
    Ideen und Ansprüche sind doch sehr individuelle Dinge. Nur weil einige Leute mit dem Aufkommen des Internets ihren Anspruch an (geschriebene) Sprache verändern, bedeutet das noch lange nicht, daß dies auch auf alle anderen zutrifft. Manche haben den Anspruch, möglichst schnell (und ohne sich die kleinen Finger zu verrenken) zu schreiben, andere dagegen möchten das Geschriebene möglichst ohne Umstände lesen können.

    Da mir mein Computer die Beiträge z.B. dieses Forums immer noch nicht vorliest - ich sie deshalb nicht höre, sondern tatsächlich lesen muß - sind die Ausführungen hier für mich geschriebene und nicht gesprochene Sprache.

    Zur Schnellebigkeit des Internets: Beiträge sind vielleicht schnell geschrieben, können sich aber (außerhalb flüchtiger Chat-Kanäle) ziemlich lange im Netz halten und dann auch noch Jahre später abgerufen werden. Der schnellebige Text im Internet könnte sich als sehr langlebig erweisen. Auch durch diese Eigenschaft (geschriebener Text verhallt nicht) haben Beiträge etwa hier im Forum wenig mit gesprochenem Wort gemein.

    In meiner Branche ist mittlerweile üblich geworden, mindestens die Titel von Aufsätzen oder Vorträgen radebrechend ins englische (oder was man dafür hält) zu übersetzen; weil das ja alle so machen und weil es eben "hip" ist. Ich hatte mal einen Professor, der jahrelang "moderne" englische Ausdrücke in seiner Vorlesung geprägt hat, um sich dann später über die umsichgreifende anglisierung der Fachsprache zu beklagen.
     
  10. Toffi

    Toffi Strebt nach Höherem

    Das ist dann aber eine Verunglimpfung der englischen Sprache...
     
  11. Guido

    Guido Ist fast schon zuhause hier

    Das ist wirklich ein interessantes Thema abseits des Saxophons und auch so etwas darf hier durchaus ausgiebig diskutiert werden. Ich mag Sprache und freue mich immer, wenn ich dazulernen kann. Das ist hier in überreichem Maße gegeben. Losgelöst von der Zielsetzung fand ich Dexters "Entengeschichte" unterhaltsam. Die Formulierung hat mir Spaß gemacht.

    Ich muss beruflich haufenweise -meist staubtrockene- Texte lesen. Ich schrieb ja, dass auch ich schneller und müheloser lese, wenn die Groß- und Kleinschreibung benutzt wird. Das hat bei mir den Hintergrund, dass ich ein sog. Turboleser bin, der -ich weiß nicht wie das geht- mehrere Zeilen auf einmal liest. Das geschieht bei mir auch in hohem Maße über das Schriftbild. Bei der konsequenten Kleinschreibung brauche ich länger. Interessant war für mich die Feststellung, dass Texte in Großschrift für mich äußerst schwierig zu lesen sind. Da falle ich in das "Normaltempo" zurück.

    Die Erfassung mehrerer Zeilen bringt beim Notenlesen Vorteile (ich kann voraus lesen) und Nachteile, denn meine alten Finger sind erheblich langsamer als die Lesegeschwindigkeit und da gibt es Probleme.

    Ich lese die Diskussion mit Interesse, ohne ein Dogma aus der Schreibweise zu machen. Mein persönlicher Geschmack ist aber -da bin ich altersbedingt vielleicht auch altmodisch- eine schöne Groß- und Kleinschreibung. Auch wenn die Wissenschaft die Internetkommunikation in die Nähe der gesprochenen Sprache setzt. Nicht alles, was die Wissenschaft so erkennt, muss dem einzelnen auch zum Vorteil gereichen. Gut, ich kann das ja lesen. Aber wenn einige aufgrund einer Sehbehinderung evtl. daran gehindert sind, problemlos mitzulesen, ist es m.E. auch eine Form der Höflichkeit und/oder der gegenseitigen Rücksichtnahme, wenn man über den Schatten springt und dem Wunsch Rechnung trägt. Wenn einer nicht kann (lesen) aber der andere kann (entprechend schreiben), sollte der Könner doch das tun, was er kann, damit der andere auch kann.
    :-D
     
  12. saxclamus

    saxclamus Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    Guido schrieb u.a.:
    Dein Beitrag hat mir gefallen!

    Ruhig und sachlich ( so habe ich dich auch persönlich in Erinnerung ) legst du deinen Standpunkt dar. Gleichzeitig zeigst du m.E. wichtige Gesichtspunkte, die bei allen Meinungsverschiedenheiten für weiteres Schreiben in diesem Forum ausschlaggebend sein sollten.

    Liebe Grüße aus Kirchhellen

    saxclamus
     
  13. KrischanDo

    KrischanDo Ist fast schon zuhause hier

    In der FAZ von heute, Freitag 26.8. ist ein interessanter Artikel mit einem Vergleich von deutscher und englischer Sprache in Bezug auf Klang, Grammatik, Eindeutigkeit und Lernbarkeit.
    Der lohnt einen Kauf der FAZ.

    Grüße
    Christian
     
  14. herb

    herb Ist fast schon zuhause hier

    Mist, ich kriege die Zitat-Geschichte nicht gebacken.

    Daher handschriftlich:

    " Verunglimpfung "

    Auf Anregung des Forums habe ich mich um den Wortstamm "Glimpf" (welch bezauberndes Wort) bemüht.

    Also, jetzt meine ich, dass es sich zwar nicht um eine Verunglimpfung handelt, aber doch eine gewisse Glimpfrührigkeit in gewissen Beiträgen festzustellen ist.

    Weiteres:
    http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/e/gl/impf/ruhr/glimpfruhrig.htm

    Viel Spaß beim Sax
     
  15. SanDO

    SanDO Ist fast schon zuhause hier

    Ausgezeichnete etymologiche Herleitung, lieber herb. Zwar die falsche Domäne, das falsche Jahrhundert, das falsche Forum und die falschen Adressaten, aber ausgezeichnet. *applaus*

    Mit glimpfrührigen Grüßen
    Sandra

    Nachtrag, bevor du das auch noch nachschlägst:

    "Ironie: hinter Ernst versteckter, nicht offen erkennbarer Spott; bewusstest u. gezieltes (ernstes) Sagen des Gegenteils zur versteckten Kritikübung, Verspottung" (Bünting: Deutsches Wörterbuch)
     
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