II-V-I Licks üben - mit welchem Ziel?

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Meurgly, 28.Mai.2023.

  1. Rick

    Rick Experte

    Klar. Aber dann ist es immer noch Bebop nach der Auffassung von Jim Snidero. ;)

    Und wenn der Titel auf John Coltrane anspielt, dann ist es noch mal spezieller. Dass dieser mit zunehmendem Alter mehr oder weniger auf ein "einengendes Akkord-Korsett" pfiff und die Akkorde sowieso eigenwillig interpretierte, könnte eine weitere Erklärung für das Bb-Moll über Gm7b5 sein.
     
    Zuletzt bearbeitet: 30.Mai.2023
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  2. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ööhm - in diesem Stadium vielleicht lieber einfach bleiben lassen?

    Wenn es schon an der Akkordstruktur hapert, sollte man von einer „Improvisation“ im eigenen Interesse absehen.
    Minimalanforderung wäre, die Form zu kennen und die tonalen Zentren zu verstehen (und in den Fingern zu haben).

    Unterhalb dieser Schwelle wird es echt schwierig. Da würde ich erst noch ein bisschen üben…
     
  3. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Das sollte dir dein Lehrer aber eigentlich vermitteln können. Allerdings geht es ohne längere Auseinandersetzung mit dem Thema nicht.
     
  4. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Naja, das Stöckchen hast du dir wohl eher selber hingehalten. Du behauptest halt was, kannst selber nicht wirklich so richtig improvisieren und wertest das Spiel von anderen Spielern ab. Stellst dann Behauptungen auf, die du nicht mal mit Spielernamen belegen willst.

    Ich kann für mich sehr genau definieren was ich als kreativ bezeichne, ich sagte aber, daß man darüber streiten kann was kreativ ist und wie wir sehen hälst du das Einsetzen von Licks für kreativ und ich nicht. Mir geht es auch gar nicht um den Einsatz von Licks, die zum Teil des eigenen Repertoires geworden sind, die man im Kopf hört und im Rahmen dessen was man beim Solieren gerade im Kopf hört auch unbewusst einsetzt, sondern an das Konstruieren von Soli durch aneinanderkleben von Licks bzw. den bewussten Einsatz von irgendeinem bestimmten Lick an einer bestimmten Stelle.

    Schwierig. In meinen Augen ist ein Lick mehr als ein Wort, als Analogie zum Wort wäre für mich eher der Dreiklang oder ein Intervall. Nun stellt sich die Frage ab wann ist ein Lick ein Lick? Wenn es einen Takt lang ist, wenn es einen halben Takt lang ist oder wie hier im Thread eine volle II V I abdeckt? Da wir hier die ganze Zeit über ein Lick über eine volle II V I reden ist das für mich halt deutlich mehr als ein Wort, sondern ein kompletter Satz. Die Frage ist, kann ein Dreiklang auch ein Lick sein? Und wenn ja, was sind dafür die Bedinungen?

    Ich schrieb weiter oben bereits Licks haben ihre Berechtigung, gerade zum Lernen können sie viel bringen. Ich persönlich glaube aber nicht, daß die Aneinanderreihung von Licks zu einem guten Solo führt und daß es auch nicht gut und interessant klingt, wenn ein Spieler dauernd bewusst bestimmte Licks in das Solo einbaut.
     
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  5. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Das nennt man Terzverwandtschaft. Findet sich ab einer bestimmten Seite in fast jedem besseren Harmonielehrebuch. Denk dir den Ausgangsakkord als fünf Töne Gm7b5 b9 und jetzt lässt du den Grundton weg, dann bleibt der Bbm7 Akkord übrig. Ist eine Technik, die uralt ist und beim Klavier auch viel angewendet wird (z.B.statt Dm7 wird Fmaj7 gegriffen als Stellvertreter, wenn ein Bass das D spielt. Der F maj7 repräsentiert den Akkord Dm7 als Dm9 ohne Grundton: F ist die Terz, A die Quinte, C die kleine Septieme und E die grosse None in Bezug auf D).
    Der Akkord von der Terz wird dann als Substitut oder auch mal zum Improvisieren benutzt.

    Das Problem ist, daß all das lernbar ist aber in meinen Augen nicht ohne einen vernünftigen Lehrer, der den Bezug und die Zusammenhänge erklärt und aufzeigt. Kein Harmonielehrebuch da draussen deckt alles ab und in dem einen oder anderen steht immer was drin, was in dem anderen wieder fehlt. Um es zu lernen bedarf es halt Jemand, der die Reihenfolge festlegt, sonst erschlägt einen das Material einfach von der Menge.
     
  6. Juju

    Juju Strebt nach Höherem


    Wenn man zu 1:18:13 scrollt, da ist eine sehr eindrucksvolle Demonstration, wie ein Lick aus drei Tönen (1-2-5) entsteht und wie man kreativ damit umgehen kann. Er erklärt dann auch, was er da gemacht hat (die drei Töne chromatisch auf und ab, im Ganztonabstand auf und ab, in kleinen Terzen auf und ab etc. richtig kompliziert wird es, wenn man dann noch die Richtung vertauscht also 5-2-1, oder gar abwechselt (1-2-5, 5-2-1, 1-2-5 etc)). Und er sagt auch, die Kunst besteht darin, dass es nicht wie eine Übung klingen soll, wenn man so eine Idee dann im Stück anwendet. Wenn man viel auf diese Art auf Weise mit Tonmaterial übt, bekommt man natürlich auch die Flexibilität, damit kreativ umzugehen...
    LG Juju
     
  7. ppue

    ppue Mod Experte

    Der Vergleich mit der Sprache ist schon gut. Nur geht es nicht ausschließlich darum, grammatikalisch korrekte Sätze zu sprechen, sondern mit den verinnerlichten Mitteln die Ansprache gefällig, aufregend, provokativ oder liebevoll zu gestalten, sprich, in irgendeiner Form emotional zu durchdringen.

    Gut übertragbar dabei ist die rhythmische Struktur, die Sprache und Musik gemein haben. Nehmen wir mal den Parteivorsitzenden:

    Genossen!..................Wir.......................Wir, die wir hier stehen.....................Wir werden am 31. Mai ..........und das sage ich aus innerster Überzeugung.............Wir werden am 31. Mai die Wahlen mit großer Mehrheit für uns gewonnen haben.

    Aus solch einer Rede kann man viel ableiten. Als Erstes fallen die Pausen auf, die sich gegen Ende verkürzen, wobei die zusammenhängenden Wörter zunehmend längere Einheiten abgeben. Dann fallen die Wortwiederholungen auf, die sich, wie ein musikalisches Motiv, wiederholen und variiert werden. Die Struktur wird für den Zuhörer erkennbar, d.h., sie erlaubt ihm, die Konstruktion der Phrasen zu verstehen.

    Soweit der Politiker.

    Ein Dichter oder ein Rapper geht dagegen ganz anders mit Sprache um und darin liegt die Art der Kreativität. Ein Dichter kann in den seltensten Fällen einen Reim ständig wiederholen, ohne dass er langweilig wird, gleich einem Lick, der lediglich wiederholt wird. Andererseits kann gerade das Werkzeug der ständigen Wiederholung von 4 Tönen, auf dem Höhepunkt der Improvisation und über alle harmonischen Gesetze hinweg, den Saal zum Kochen bringen.

    Es geht nicht ausschließlich mit Licks und es geht nicht ohne, würde ich sagen. Auch die zugrunde liegende Tonart eines Stückes ist ein Lick, der in den Fingern sein sollte, wie auch die jeweiligen Akkorde und die Basslinien. Die Spontanität und Kreativität liegt irgendwo dazwischen und speist sich aus sehr viel mehr als nur den "richtigen" Tönen über den jeweiligen Akkorden.
     
  8. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Juju
    Vielen Dank für den Link und deine Übersetzung.
    Sehr hilfreich !!

    Und wenn man zu 1:37:00 scrollt und durchhört bis 1:44:00
    erübrigt sich jede Frage in Richtung:

    "Was hat das eigentlich für einen Sinn mit diesem mysteriösen Improvisieren im Jazz,
    von dem die Fans immer so schwärmen ?"

    Jedenfalls für mich.
    Ich hatte feuchte Augen bei "Round Midnight"

    Und gehe jetzt gestärkt in meinen Proberaum.
    Mit der gefestigten Überzeugung:

    "Ich brauche keine Band.
    -Sax pur- kann musikalisch alles abdecken" :D

    VG
     
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  9. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Nach meiner Erfahrung im Training mit Schülern scheitert es oft mehr an der Fähigkeit, ein Lick rhythmisch zu verändern (oder den Geschmack zu haben, dass es stilistisch passt), dass es nicht danach klingt, was Greg Fishman in seinem Video "The bad toupee theory" nennt.
    Niemand würde in einer Gesellschaft sagen: "Schau mal, was für ein schönes Toupee" :)
    Entweder man erkennt es nicht, oder man macht sich darüber lustig.
    Das stimmt natürlich, ist aber nicht mehr als eine Merk- bzw. Übehilfe.
    BTW: Der G-7b5 im Beispiel oben hat einen Tritonus, der Bb-7 hat keinen.
     
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  10. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Ton Scott
    Guter Gedanke.

    Allerdings muss ich noch einen Moment drüber -meditieren-,
    warum man einen erkannten Toupee-Träger belächelt ?

    Weil .... es ist ja eher eine bedauernswerte Tatsache,
    wenn jemand keine Haare mehr auf'm Kopf hat !

    Vielleicht belächeln wir ihn, weil er nicht zu sich, zu seiner Person
    und seinem Aussehen stehen kann ?

    Sich für "jemand anderem" ausgibt, eine Art Hochstapler ist ?

    Und was bedeutet das, übertragen auf's Musizieren ?

    VG
     
  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Weil es auch ohne Haare geht. Es steht jedem zu, mit Haaren zu wollen, und wenn man das hinkriegt ist es auch gut. Wenn man es sieht, dass es keine echten Haare sind, ist der positive Effekt, den man erreichen will, hinüber, die Wirkung verpufft.
    Ich denke darum geht es.
    Niemand lacht über eine Beinprothese, selbst wenn sie nicht wie ein Bein aussieht. Denn sie funktioniert einigermaßen wie ein Bein, erfüllt ihren Zweck.
    Ein Toupet, das man erkennt, verfehlt seine Wirkung, erfüllt seinen Zweck nicht.

    Ich verstehe die Analogie so, dass ein Lick, von dem man merkt, das es ein eingeübtes Lick ist ebenso seine Wirkung verfehlen kann.
     
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  12. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Woher weißt du das? Du behauptet es.

    Du für dich ist aber nicht allgemein.

    Pauschal falsch. Eher umgekehrt. Es ist für mich nicht nicht-kreativ licks zu verwenden.

    Was du glaubst.... und von nur aneinanderreihen habe zumindest ich nicht gesprochen, wenngleich auch das gut und kreativ gemacht sein kann, nicht muss.
    Nur versuche ich dir zum x-ten mal klarzumachen, dass ich das (ausschließliche) verwenden von licks nicht als Ziel sehe, sondern als zwischenziel, solange man im freien improvisieren unsicher ist.
    Hör dir mal klassische jazzprofis an, auch die haben teilweise Muster, die sie häufig und gerne, teilweise in verschiedenen Stücken, in ihre Improvisation einbauen. Oder sie "klauen" ein Stück einer bekannten Melodie, oder... Was ist ein lick sonst? Ein baustein, eine Phrase, ein Thema, eine einprägsame Tonfolge.
    Kreativ ist, was du daraus machst. @ppue hat das gut erklärt.
     
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  13. monaco

    monaco Ist fast schon zuhause hier

    Das hielte ich für einen Fehler. Man kann sehr schön ohne Kenntnis oder Bewusstsein des musiktheoretischen Überbaus improvisieren.
     
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  14. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Soll es vereinzelt ja geben...oder hatte es in den Anfängen des schwarzen Blues schon studierte Baumwollpflücker gegeben ?
     
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  15. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Die Baumwollpflücker hatten zwei Akkorde, die mehr als deutlich hörbar sein sollten.

    Erfüllt irgendwie mein „Form kennen“ …
     
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  16. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Natürlich. Das wird hier aber auch von niemandem bestritten. Es geht gut, solange die musikalische Form einfach genug ist. Sobald es komplizierter wird, braucht man allerdings die Gene und die Erfahrung von Chet Baker oder Stan Getz, um schadlos durchzukommen.

    Was hat das mit dem heutigen Jazz und dem Improvisieren zu tun?

    Einer reichte auch oft. Und die Form folgte dem Text. Oft jede Strophe anders. Archaischer Blues - kann auch heute noch jeder machen/nachvollziehen. Hat mit dem heutigen Jazz allerdings "nur" Ausdrucksweise, Melodiebildung, Phrasierung und Rhythmusgefühl gemein. Heutige Anforderungen an Improvisation darauf zu beschränken, heißt, 100 Jahre Jazzgeschichte auszublenden.
     
  17. monaco

    monaco Ist fast schon zuhause hier

    Und was machen wir mit Jimi Hendrix und Django Reinhardt? Beides keine ausgewiesene „Baumwollpflücker“ und jenseits der zwei Akkorde unterwegs. Klar Ausnahmemusiker, aber stilprägend.
     
  18. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Die wussten beide zu jeder Zeit, wo sie in der Form gerade sind und was sie damit machen können.

    Von theoretischem Überbau hatte ich nichts gesagt.

    Parker war ziemlich sicher egal, dass das, was er in Ko-Ko spielt, später mal als „lydische Zelle“ und andere Upper-Structure Sachen analysiert wird.

    Ausgangspunkt war @JES der ohne Peil von Akkordstruktur und Form losimprovisieren wollte weil Licks irgendwie bäh sind - oder so.
    Das hielt ich (und halte es noch) für keine gute Idee.
     
    Zuletzt bearbeitet: 31.Mai.2023
  19. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Jimi hat das Brot- und Buttergeschäft als Rhythmus-Gitarrist in Soul- bzw. R&B-Bands gelernt. Da ist man sowas wie ein Form-Keeper. Django hat gezeigt, wie er Akkorde, Umkehrungen, Erweiterungen und Substitute in Vierteln durch die Changes schieben kann, quasi als homophone Rhythmus-Improvisation.

    Als harmonische Halb-Laien kann ich beide nicht durchgehen lassen. :-?
     
    Zuletzt bearbeitet: 31.Mai.2023
  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich glaub, er war’s nicht, oder? Nicht dass es ne Schlägerei gibt…
     
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