IIm7b5 - V7(b9) - Im7 (Blue Bossa)

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von the_ashbird, 12.Februar.2011.

  1. Reedirect

    Reedirect Ist fast schon zuhause hier

    Hi Ashbird,

    habe ich auch so empfunden. Irgendwie möchte man die II-V-I: Em7b5 - A7- Dm7 spätestens ab Chorus 2 ein bisschen "verschärfen" und kann dann natürlich auch über V7 alteriert, also abgeleitet von Harmonisch Moll spielen. Also A, Bb(b9), C(#9), C#(3), D#(#11), E#(b13), G(b7).

    Eins aber habe ich beim durchspielen eben nicht fertiggebracht, ein F# unterzubringen, das geht bei mir aufs "Ohr". Schärfe ja, aber den Ton dann doch nicht. Den sehe ich bei diesem Stück als Avoid Note an (bin doch wohl ein tonaler Dinosaurier).

    Gruß
    Jo

    P.S. Ist jetzt irgendwie trivial, aber Du hast ja nochmal gefragt. Mit dem Tritonus ist nicht der vom Grundton aus gemeint, sondern halt das Intervall gr. 3 - kl. 7. Das ist bei Moll7 eben nur 'ne "lahme" Quinte

    P.P.S. hast einen sehr schönen thread angestoßen. Einer, wo man mal so richtig ins Nachdenken kommt und wo sich zeigt, dass hier im Forum wirkliche Expertise akkumuliert ist.
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Hallo Antonio!

    Das ist der harmonische Zusammenhang, das ist eine ganz zentrale Erkenntnis.

    Schwieriger ist es für die meisten Musiker, in einem Stück die Kadenzen sofort zu erkennen, das muss geschult werden.

    Wollen wir ja unter anderem in meinem kleinen II-V-I-Workshop beim Freiburger Forumstreffen üben! ;-)

    Gewiss, aber der erste Schritt - das Erkennen von Kadenzen und tonalen Zentren - ist der wichtigste. Darauf können dann andere Schritte folgen, mehr Raffinesse, mehr Ausklügelei.

    Nein. :cool:

    Da gilt im Prinzip dasselbe.

    Nur "verschärft" man dort gerne die siebte Stufe als Leitton durch eine Erhöhung gegenüber der "reinen" Moll - diese neue Skala wird dann logischerweise "harmonisch" Moll genannt.
    Das wirkt sich auf die Dominante (V) aus, die nun ein Durakkord wird im Gegensatz zum "normalen" Stufenakkord der "reinen" Moll, der Moll wäre.

    Beispiele:

    1) C-Dur
    Dm7 - G7 - C (Grundtonart C-Dur)

    2) C-Moll "rein"
    Dm7b5 - Gm7 - Cm
    (eher ungewöhnlich, dennoch in manchen Folk- sowie Pop-Songs zu finden)

    3) C-Moll "harmonisch"
    Dm7b5 - G7 - Cm
    (Normalfall in Jazz-Standards)

    Man kann aber auch, wie schon im Blue-Bossa-Thread erwähnt, einen kleinen Trick anwenden, um eine "scharfe" Dominante zu erhalten, über die trotzdem eine "reine" Moll-Skala passt - indem man einfach dem Dominant-Dur-Akkord in der Oktave die kleine Terz hinzufügt (heißt dann fälschlicherweise #9):

    Dm7b5 - G7#9 - Cm

    Die #9 des G-Akkords ist in diesem Fall der Ton Bb, also die kleine Septime von C-Moll - ich kann also eine Melodie mit "reiner" Moll über diese Akkorde spielen und habe trotzdem eine deutlichere Dominant-Spannung in der Kadenz, also wenn ich den eher langweiligen Gm7-Akkord aus dem Beispiel 2 verwendet hätte.

    Diese Kadenz finden wir vor allem im Funk- und Soul-Bereich, aber auch bereits in manchen Jazz-Standards.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  3. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    Hallo nochmal!

    Möchte mich nochmal ganz herzlich für die vielen sehr, sehr (!!) hilfreichen Antworten bedanken.
    Durch eure Antworten wurden meine Synapsen erst so richtig angeschmissen und ich hab ziemlich viel dadurch "gelernt". Natürlich bin ich noch meilenweit von einem nur halbwegs ordentlichen Verständnis entfernt, aber ich hab durch diesen Thread schon mal einen - für mein Empfinden - großen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

    Ellulu schrieb:
    Das ist sehr interessant. Das werd ich mir heut am Abend gleich mal durch den Kopf gehen lassen bzw. gleich direkt am Instrument ausprobieren.

    Reedirekt schrieb:
    Ich bin gestern am Abend (mehr oder weniger durch Zufall :-D) auch draufgekommen, dass das D# über den A7 einen interessanten Charakter hat, weil ich irgendwie undbewusst in die a-Bluescala "gerutscht" bin. :-D
    Aber wie gesagt, mit den "Moll-Modi" werd ich mich heut am Abend mal beschäftigen!

    Ich find das F# vor allem als "Durchgangsnote" von Dm7 zu Gm7 oder als "Vorhalt" von A7 zu Dm7.

    Leider, war das für mich gar nicht so trivial. :-D
    Da Stand ich mal richtig auf der Leitung! :-o

    Aber durch die wirklich trivale Antwort, wurde mir jetzt gerade auch die zweite Betrachtungsweise von Wiese verständlich.
    Danke! :-D

    Freut mich, dass dir der Thread auch gefällt. Ich glaub, dass ich persönlich noch aus keinem Thread soviel mitnehmen konnte und gelernt hab, wie in dem hier.
    Und dass man hier von so kompetenten Leuten so schnell freundliche und hilfreiche Antworten auf Fragen bekommt, die sie vermutlich nur belächeln können, find ich einfach genial!
    Nicht umsonst finde ich dieses Forum einfach super! :-D

    LG Phi
     
  4. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Hallo Rick
    Herzlichen Dank für deine wie immer, kompetenten Erläuterungen - nicht selbstverständlich, diese einfach so geliefert zu bekommen, vielen Dank.

    Eine Frage zu II-V-I habe ich nun trotzdem noch. Diese Kadenz verlock ja ziemlich dazu, einfach zu dudeln, auch wenn man dabei versucht, kleine Licks zu bringen und nicht nur wahlloses Material - gibt es Regeln, wo man drauf achten sollte, wo wann ein Akkordton gespielt werden sollte? Auf welchen Schlag, am Ende, zu Beginn des Motivs? Klar, auch solche Regeln dürfen, sollten übergangen werden, damit es nicht allzu voraussehbar klingt. Aber trotzdem, ein Anfänger wäre wahrscheinlich gut bedient, wenn er da zu Beginn eine Leitplanke hat.

    LG
    antonio
     
  5. Rick

    Rick Experte

    Gern geschehen! :)

    Nein, die gibt es so allgemein nicht, denn das ist ja sehr stilabhängig - man hat im traditionellen Jazz teilweise ganz anders gedacht und phrasiert als im Bebop, dann wieder anders im Cool Jazz, im Rock'n Roll, im Soul, Jazz-Rock... :roll:

    Die Zeit, um abstrakte Regeln zu lernen, investiert man besser in das Nachspielen von Solos von Musikern, die einem gut gefallen - auf diese Weise findet man die Regeln selbst heraus, die einem auch geschmacklich entsprechen. ;-)

    Das müssen nicht immer unbedingt Saxofon-Solos sein - ich habe beispielsweise auch viel von Pianisten, Trompetern, Klarinettisten oder Gitarristen gelernt, improvisierende Sänger nicht zu vergessen!

    Es kommt darauf an, was Du erreichen willst - beim Publikum gut ankommen oder es verstören. :-D

    Im Endeffekt sollte man generell so zu spielen versuchen, dass es einem selbst gut gefällt.
    Wenn das dann anderen Menschen ebenfalls so ergeht, umso besser.

    Die "Leitplanke" ist vielleicht, den Charakter des Akkordes herauszuheben, am einfachsten über die Terz und die Septime.
    Man sollte auf jeden Fall "Guide Lines" suchen und Vorhalte aufbauen sowie auflösen.

    Dies sollte rhythmisch möglichst in direkter Nähe des Akkordwechsels geschehen - beispielsweise bei ganztaktigem Akkordwechsel auf die 1, die 1+ oder sogar die vorangegangene 4+ (typisch Bebop).

    So etwas zu üben schadet auf jeden Fall nicht, denn es dient der rhythmischen Disziplin bei der Improvisation:
    Sich vorzunehmen, einen ganz bestimmten Effekt zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt zu erzielen.

    Das ist die beste Vorbeugung gegen das "Rumdudeln". :cool:


    Schöne Grüße,
    viel Erfolg!

    Rick
     
  6. mki

    mki Ist fast schon zuhause hier

    Für eine ganz gute Übung halte ich es, gebrochene Akkorde über die Akkordfolge zu spielen. Und zwar nicht (nur) von der jeweiligen I aus aufwärts, sondern ohne große Sprünge eng aneinandergereiht, dabei aufwärts-abwärts-aufwärts oder abwärts-aufwärts-abwärts, um innerhalb einer Oktave zu bleiben:

    Beispiel D-G7-C, aufwärts-abwärts-aufwärts:
    d f a c | h g f d | c e g h
    oder abwärts-aufwärts-abwärts:
    f d c a | g h d f | e c h g

    Bei halbtaktigen Changes klingt die Tonfolge selbst schon ziemlich gut.

    Wenn das sitzt kann man dann versuchen immer weiter zu umspielen, rhythmisch zu variieren, Zwischentöne einzubauen etc. Dabei aber Bodenhaftung bewahren, nicht die Grundstruktur aus den Augen verlieren, immer versuchen den jeweiligen Grundton (oder am besten den ganzen Akkord) im Hirn im Hintergrund mitklingen zu lassen.

    Und über II-V-I in Moll geht natürlich das gleiche.
     
  7. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    @Rick
    Danke...!

    @mki
    Ja, das finde ich auch, da bin ich immer wieder dran. Muss mir nur endlich mehr Disziplin dazu auferlegen :-D

    antonio
     
  8. saxolina

    saxolina Strebt nach Höherem

    Ja,
    das kann ich auch empfehlen. Mit der Zeit kennt man sich dann wahnsinnig gut aus im harmonischen Ablauf des betreffenden Stückes, es kann einem quasi gar nichts mehr passieren :)

    Saxolina
     
  9. Roman_Albert

    Roman_Albert Ist fast schon zuhause hier

    eine grossartige Diskussion mit ganz VIEL Erfahrung und Weisheit, wie auch hier, betreffs Skalen, Arpeggios, und wie man denken/visualisieren KANN bei Dur- und Moll-251 Verbindungen:
    http://forum.saxontheweb.net/showthread.php?155458-Dealing-with-altered-chords.

    Ganz viele dieser Tipps hatten wir auch hier schon, aber man kanns nicht oft genug lesen, irgendwann machts hoffentlich KLICK :)

    Gerade die guide tone lines, wie man sie verbindet, und wie Pete Thomas schildert, dass er die Verbindung sieht ("Akkordtöne, mit der Grundtonart verbunden") sind Sichtweisen, die mir bei der Veranschaulichung von Kadenzen enorm helfen.
     
  10. fruitbat

    fruitbat Ist fast schon zuhause hier

    Da ich auch gerade an dem Stück bastel, hier noch eine Frage:

    In der Aebersold-Version (Eb) findet sich als V ein E7+9, also e-g-g#-b-d, wenn ich es richtig deute. Darüber bietet Aebersold eine alterierte Skale an (e-f-g-ab-bb-c-d), die auch passend klingt. Leider bin ich noch nicht ganz so weit in meinen Künsten, diese Skale geschickt einzusetzen. Ich spiele eher noch gebrochene Akkorde auf und ab (mit paar zusätzlichen Tönen aus der zugrundeliegenden Dur- oder Molltonleiter), wie es gerade passt (oder auch nicht ;-) ). Kann ich über dem E7+9 die Töne e-g-bb-d spielen oder welche Töne aus der Skale sollte ich einsetzen? Oder ist das Unsinn, aus der alterierten Skale einzelne Töne zu verwenden?
     
  11. Rick

    Rick Experte

    Hallo Fruitbat!

    Heutzutage ist die Verwendung von Akkordbrechungen oder Skalen kein Entweder-Oder, sondern kann beliebig gemischt werden.
    Es geht schließlich hauptsächlich darum, ansprechende Melodien zu finden - ob die nun aus Skalen- oder Akkordbruchteilen bestehen, ist letztlich egal, wenn sich das Ergebnis (in Deinen Ohren) gut anhört! ;-)

    Du kannst alles machen, was Du willst. Der melodische Zusammenhang entscheidet darüber, ob es gelingt oder nicht.
    Probier es einfach aus! :)


    Viele Grüße,
    Rick
     
  12. fruitbat

    fruitbat Ist fast schon zuhause hier

    Danke, Rick! Da lag ich ja nicht so verkehrt mit meinen Experimenten... Es klingt in meinen Ohren auch besser, bei Skalen, die noch nicht richtig in meine grauen Zellen eingedrungen sind (z.B. verminderte Skala oder eben alterierte Skala), lieber Akkorde bzw. ausgewählte Töne der Skala zu verwenden, als sie nur gerade abzunudeln oder unsicher zu spielen.

    Mein Lehrer ist aber nicht immer so begeistert von derartigen Vereinfachungen, da seiner Meinung nach der Fluß der Melodie durch zu große Intervalle gestört wird. Er favorisiert eine Art "lineare horizontale" Improvisation und nicht ständiges "vertikales Herumgehopse" auf Akkorden. Sicher hat er da auf seine Art Recht, aber mir ist letztlich doch wichtiger, die Form des Stückes sicher zu verinnerlichen und nicht nur auf eine gerade Melodieentwicklung zu achten. Sobald die Arpeggien sitzen entwickelt sich bei mir die "lineare" Melodie von ganz allein. Das hat sich bei einfacheren Skalen zumindest gezeigt.
     
  13. Rick

    Rick Experte

    Hallo Fruitbat!

    Es kommt immer darauf an, was für einen Effekt Du erreichen willst und für welches Publikum Du spielst.

    Grundsätzlich gilt: Je alterierter, desto "schräg" und entsprechend weniger eingängig. :roll:

    Das stimmt natürlich im Prinzip, aber man kann daraus auch einen Gag machen, indem man die großen Sprünge zum Beispiel so klingen lässt, als würden zwei verschiedene Saxer miteinander kommunizieren.

    Immer eine Frage dessen, WIE man so etwas genau einsetzt. ;-)

    Das sehe ich grundsätzlich auch so, will aber Deinem Lehrer da nicht reinreden.


    Viele Grüße,
    Rick
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden