Improvisation Melodie vs. Harmonie

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von macpom, 26.Oktober.2015.

  1. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Für mich ist die Melodie Teil des Tonmaterials, bzw. gibt es viele Fälle wo erst durch die Melodie klar wird, welcher Akkord es wirklich ist und welches Tonmaterial/Skala möglich ist.
     
  2. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Bei mir nicht.:)

    Naja, ist halt zum einen eine Frage des Geschmacks und - wie auch schon von Juju angesprochen - eine der Komposition.

    Grundsätzlich ist die Melodie für mich die Königin. Sie kann in der Regel ohne Begleitung sein und für sich alleine stehen.

    Sehe ich prinzipiell auch so. Es heißt doch auch ein Solo ÜBER die changes spielen.:)

    Bei der gängigen "Arbeitsteilung" spielt das Saxophon nicht die Grundtöne oder die Akkorde (kann es auch gar nicht), sondern die Melodie. Das ist die "homebase", von der die Ausflüge in die "Freiheit" beginnen. Hier kann jeder sofort beginnen, ohne vorher mühsam Arpeggien und Skalen durch das Instrument zu jagen.

    Ausgehend von der Melodie kann ein kreativer Prozess in Gang gesetzt werden durch Umspielungen, rhythmische Variationen, diatonische und chromatische Verschiebungen, das Suchen einer 2. Stimme usw.... für mich ist melodische Verspieltheit die Basis der Improvisation. Wenn es hier an Ideen fehlt, nützt auch die Kenntnis der changes nichts.

    Gedankenexperiment: Angenommen wir haben bisher frei mit der Melodie gespielt und holen nun die Begleitung ins Boot. Jetzt werden wir wahrscheinlich feststellen, dass Vieles nicht mehr so klingt wie wir es uns vorgestellt haben, ja auch schräg/falsch. Anderes wiederum viel spannender.

    Wenn man so will limitiert die Begleitung unsere Kreativität, sie setzt Grenzen. Sie schafft aber auch einen Rahmen und gibt Sicherheit. Und sie gibt dem Ganzen einen neuen Aspekt: Sound, Charakter, Unterstützung der melodischen Bewegung. In der neuzeitlichen Musik dominiert sie auch mal das Geschehen.

    Die meisten von uns haben ein sehr begrenztes Zeitfenster und können nicht alles Denkbare üben. Sie brauchen auch kein Konzept, das sie auf alle denkbaren Situationen vorbereitet. Ohne Prioritäten geht es also nicht. Als Gedankenstütze habe ich mir gemerkt:

    "Du kannst, was Du übst!"

    Natürlich ist es wichtig die Harmonien im Ohr zu haben und voraushören zu können. Die Hoffnung, dass aus dem Üben von Arpeggien irgendwann wie von Geisterhand kreative Improvisationen entstehen, halte ich aber für verwegen.
     
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  3. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Genau so sehe ich das auch.

    LG Helmut
     
    47tmb gefällt das.
  4. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ich auch!

    CzG

    Dreas
     
  5. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Auch bei dem Versuch, Giant Steps zu meistern? Bei manchen Stücken hat das nicht soviel Sinn wie bei anderen, sich von der Melodie her zu nähern. Da kann man natürlich jetzt sagen, ok, diese Stücke nehme ich halt nicht in mein Repertoire auf.

    LG Juju
     
  6. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    OK, dieses Stück ist zu schwer für mich. ;-)

    LG Helmut
     
  7. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Genau so ist es....

    CzG

    Dreas
     
  8. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Hab ich auch gedacht, als ich mich mit Improvisation noch fast ausschließlich über's Ohr und über die Melodie beschäftigt habe. Geklappt hat's erst, nachdem ich mich über die Harmonie angenähert habe. Wobei ich dieses Stück eher als Konzentrationsübung ansehe, aber das geht den Profis, die ich kenne, auch so ;)

    LG Juju
     
    Rick und saxhornet gefällt das.
  9. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    Es gibt ja auch melodien die stark akkordisch orientiert sind. Donna Lee zb. trotzdem sehr schön.
    und es gibt ganz viele jazzkompositionen, die mir (zumindest was die melodie angeht) sehr banal vorkommen. manchmal taugen aber die changes dabei. in dem fall kümmer ich mich nicht um die melodie, sondern guck lieber, was sonst noch geht.
    bei anderen stücken wärs schade ums thema, da hab ich garkeine lust was vollkommen anderes zu spielen. da sind mir dann manchmal die changes egal, wenn ich meine, die melodie irgendwoandershin weiterbauen zu können.
    gruß
    zwar
     
    Juju gefällt das.
  10. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Giant Steps spielt doch sowieso nur, wer schon alles andere kann ;)
     
  11. saxhornet

    saxhornet Experte

    Klar ist es eine Herausforderung aber ein Korsett erscheint mir als Begriff doch etwas eng. Gerade Einschränkungen können die Kreativität ankurbeln. Ich mache das selber gerne zum Üben und habe da gute Erfahrungen bei Schülern mit gemacht.

    Lg Saxhornet
     
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  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das hängt davon ab, wie Du das übst. Wenn Du sie nur auf- und abwärts spielst passiert da nichts. Es gibt aber Übungen, die einem neue Horizonte ermöglichen und kreative Improvisationen unterstützen bzw. ein Teil von ihr sein können. Es ist nicht das Arpeggio allein, sondern was man mit ihm macht, wie man mit ihm umgeht und da beschränkt eher ein unkreativer Geist als das Arpeggio.

    Lg Saxhornet
     
  13. Gelöschte 11056

    Gelöschte 11056 Guest

    Wie sagt Goethe so treffend:
    Wer Großes will,muß sich zusammenraffen;
    In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
    Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.


    Also dann!
    Nem
     
  14. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich verstehe den Titel des Threads nicht. Als wenn es das entweder oder gibt. Es gibt zig Möglichkeiten sich einer Improvisation zu nähern, je mehr man kann, desto besser. Allein die Trennung von solchen Begriffen ist in meinen Augen sinnlos.

    Schlimm finde ich nur, wenn Jemand 2 Themen am Anfang spielt, dann 2 Chorusse Themenvariation (meint das wäre ein Solo oder eine Impro) und dann nochmal 2 Themen am Ende. Aber das wird wohl nicht gemeint sein.

    Wenn gemeint ist woran ich mich tonal (was für Töne ich zur Verfügung habe) orientiere, bleibt nur die Antwort an allem und nichts: ich kann mich an den Akkorden orientieren, der Melodie oder auch bei der Improvisation reharmonisieren. Je mehr unterschiedliche Dinge ich machen und nutzen kann, desto abwechslungsreicher kann ich es gestalten.

    Lg Saxhornet
     
  15. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    vielleicht hängt das mit dem Irrglauben zusammen das man immer ganz viele Töne ganz schnell mit möglichst abgefahrener Phrasierung in einer Improvistion darbieten muss damit es was ist. ..
    Aber ich habe schon schöne Impros mit ein zwei drei Tönen gehört.......
     
    Gelöschte 11056 gefällt das.
  16. Rick

    Rick Experte

    Schließe mich @saxhornet an, sehe auch keinen Gegensatz zwischen Melodik und Harmonik.

    Ursprünglich bestand Musik nur aus Melodik, zuerst einzelnen Stimmen, dann wurden Begleitstimmen üblich, aus der Instrumentalbegleitung und dem mehrstimmigen Chor-Gesang entstand im Lauf der Jahrhunderte unser Akkordsystem - aber eben AUS der Melodik heraus.
    Im Kontrapunkt (punctus contra punctum = Note im Verhältnis zur anderen Note) wurde festgelegt, welche Töne zu anderen gut oder weniger doll klingen, daraus entwickelten Komponisten wie Rameau die Funktionsharmonik, die wiederum vor hundert Jahren durch Erneuerer wie Debussy oder Schönberg aufgebrochen wurde zu rein färbender Harmonik.

    Melodie und Akkorde stehen also grundsätzlich im engen Zusammenhang miteinander.
    Die Akkorde färben die Melodik und interpretieren sie tonal: ein G kann der Grundton von G-Dur sein, die Quinte von C-Dur oder die übermäßige None von E.

    Spielt mal "Alle meine Entchen" in C-Dur, unterlegt es aber mit Akkorden von F-Dur, sofort hat die Melodie einen völlig anderen, viel raffinierteren Charakter!

    Komponisten betten ihre Melodien in ein bestimmtes Akkordumfeld und legen so deren Atmosphäre fest - ich kann auch "Alle meine Entchen" mit A-Moll unterlegen, schon klingt das heitere Kinderlied melancholisch.

    Wenn ich nun improvisiere, kann ich mich natürlich an der Melodie entlang hangeln - das mache ich persönlich vor allem dann, wenn ich davon ausgehe, dass meine Zuhörer sonst überfordert wären. Reizvoller für mich als Künstler ist es natürlich, über die Akkordstruktur zu improvisieren, was bedeutet, dass ich zu den Akkorden des Liedes neue Melodien erfinde, doch das könnte manchem Zuhörer zu abstrakt vorkommen, weil er das Lied nicht mehr "raushört" - aber das will ich ja in dem Moment auch gar nicht, ich gehe ja absichtlich davon weg.

    Ob und wie weit sich jemand von der vorgegebenen Melodie entfernt, bleibt ihm selbst überlassen. Doch Akkorde stehen IMMER im Zusammenhang mit der Melodie und umgekehrt, erst aus der Kombination von beidem entsteht ein richtiges Lied.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  17. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @Rick

    Mir gefällt folgendes Beispiel immer wieder.....der "C-Jam" Blues ist ja nun vom Thema sehr überschaubar....

    Petrucciani surft auf den Changes, moduliert, was auch immer....aber er holt seine Zuhörer auch immer wieder ab, indem er das Thema plötzlich wieder aufblitzen lässt.



    CzG

    Dreas
     
  18. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    das hat smetana gemacht und es "Die Moldau" genannt.

    gruß
    zwar
     
    giuseppe gefällt das.
  19. Rick

    Rick Experte

    Stimmt, er hat gewissermaßen "Alle meine Entchen" zitiert, allerdings die Melodie verändert, indem er die Terz und die Sexte einen Halbton nach unten setzte.
    Was ich hingegen meinte: Die Melodie ganz normal in Dur belassen, jedoch einen parallelen Mollakkord unterlegen.
    Es geht mir ja darum, dass Akkorde die Melodie "färben", ihre Charakteristik bestimmen.

    Eine Melodie ohne Akkorde wäre für mich wie die "Badende Venus" von Botticelli als Schwarz-Weiß-Skizze - immer noch ganz nett, aber nicht mehr so beeindruckend, umwerfend. ;)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  20. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Ich habe das nicht als Grundsatzfrage verstanden, sondern als Einstiegsfrage.
     
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