Improvisieren mit Leittönen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Saxoryx, 1.Mai.2017.

  1. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    @Juju, genauso ist das .
    Bin für die Einführung mehrerer “Gefällt-mir-Buttons“ :)
     
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  2. Gerrit

    Gerrit Guest

    Ja, so gehe ich vor... das schließt Emotionalität nicht aus, sondern die analytische, kognitive Methode ist der Weg zur expressiven Improvisation... so ähnlich wie ein Schauspieler: er bedient sich verschiedener Methoden um Gefühle auszudrücken. Das eine schließt das andere nicht aus. Es ergänzt und stützt sich einander...
     
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  3. Gerrit

    Gerrit Guest


    Das hast Du treffend beschrieben...!
     
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  4. Rick

    Rick Experte

    Auf jeden Fall nicht völlig gedankenlos. Ich könnte es auch mit dem Bewegen oder Tanzen vergleichen: Ich habe einen Klang im Kopf, der entsteht ganz spontan u. a. aus dem, was die anderen spielen und dem, wie ich mich selbst höre, den möchte ich dann umsetzen, wie ich bei der Bewegung auch nicht an jeden einzelnen Muskel denke, sondern zielgerichtet: ich stehe jetzt auf und gehe zur Tür.

    Natürlich kenne ich auch das Versinken in Trance, etwa bei stundenlanger Hintergrund-Musik, aber da wird lediglich die Umgebung herausgefiltert, ich bin dann ganz bei der Musik und meinem Instrument, ein toller Zustand beim Musikmachen (so habe ich meinen Silvester-Gig 2015/16 in einem Feinschmecker-Restaurant überstanden, wo ich 4 Stunden durchgängig ohne Pause Dinner-Piano gespielt habe).

    Das "Nachdenken" ist dann so ähnlich wie bei jeder anderen kontemplativen kreativen Tätigkeit auch, etwa beim Zeichnen, Malen, Schreiben...
     
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  5. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    @Rick

    Ja, so kann ich es nachvollziehen....ist bei mir ähnlich, wenn natürlich auf einem bescheidenen Niveau.

    Gedanken mach ich mir zunächst, wenn ich das Stück brgreifen will. Wo gibt's Tonartwechsel? Welche Noten passen da? Die Akkorde des Stücks in die Finger bekommen.

    Die Changes immer wieder hören.

    Wenn ich dann anfange zu imrovisieren hat sich schon was verinnerlicht. Ich weiß worauf ich wann achten muß.

    Und dann spiele ich zig Soli, immer wieder und merke wie sich ein Gefühl für das Stück entwickelt, welche Phrasen gut gehen (wiederholen) welche nicht (vergessen)....usw.....

    Ich kann aber nicht denken "so jetzt nächster Takt spiele ich Mixo"....dann ist der Takt auch schon vorbei....

    CzG

    Dreas
     
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  6. Rick

    Rick Experte

    Ich würde es so sagen: Ich weiß, wie die verschiedenen Skalen usw. klingen, und wenn ich einen bestimmten Sound will, dann kann ich das beispielsweise mit einer bestimmten Tonleiter erreichen.
    Ich denke also nicht an "Mixo", sondern eher an den erwünschten Klang oder Effekt.

    Davor stand aber natürlich die frühere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Tonleitern, Akkorden und ihren jeweiligen Funktionen und Wirkungen - inzwischen ist das alles selbstverständliche Routine, ist, wie beim Tänzer die Grundschritte und Figuren, längst in Fleisch und Blut übergegangen.

    Oder beim Autofahren: In der Fahrschule war man vom Kuppeln, Gasgeben, Blinken usw. leicht überfordert, heute denkt man nicht mehr darüber nach, WIE man in einen anderen Gang schaltet, sondern nur, OB man das jetzt tun sollte, alles andere ist längst automatisiert. ;)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
  7. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    ... da will einer Ärger. ;):)
     
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  8. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich denke daher eher an den professionellen Schachspieler, der nicht in einzelne Züge sondern in komplexen Strukturen denkt.

    Die Routine erscheint mir auch das größte Manko vieler Improvisatoren zu sein; denn es ist inkreativ.

    Die Beschreibung von @Juju gefällt mir da besser.

    Sie macht auch deutlich, dass die harmonischen Kontexte "begriffen" werden müssen.
     
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  9. Rick

    Rick Experte

    Dann habe ich wohl nicht ausreichend klar gemacht, dass ich mit Routine keinen festgelegten Alltags-Ablauf meine, sondern die Sicherheit und Souveränität bei dem, was man tut - wie etwa in einem Bewegungsablauf, der funktioniert, ohne dass man über die zahllosen Einzelschritte, die dieser erfordert, auch nur mehr ansatzweise nachdenken müsste.
    Wie beim Kuppeln und Gang einlegen im Auto sollte man sich auch beim Improvisieren nicht mehr darüber Gedanken machen müssen, was das jetzt wohl für ein Akkord sein könnte und was man darüber wohl am besten spielt - das würde nur aufhalten.

    Routine in künstlerischen Entscheidungen hingegen ist natürlich sehr gefährlich, da sollte man immer wieder frisch und selbstkritisch heran gehen - das ist dann das "Nachdenken beim Improvisieren". :)
     
  10. Gerrit

    Gerrit Guest

    Ich denke auch, die Improvisation als ein Akt extremer oder absoluter Spontanität ist ein Mythos. Aber ein schöner... ;-)
     
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  11. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    ...der seine Blütezeit in den 60ern mit dem Freejazz hatte, als auf dem Saxophon das voraussetzungslose "Brötzen" erfunden wurde. Ich kannte damals Leute, die sich weigerten, eine Tonleiter oder Melodie o.ä. zu spielen oder sich gar eine Grifftabelle anzuschauen.
     
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  12. Gerrit

    Gerrit Guest

    ...

    ... die Leute kenne ich auch noch! Aber das sogenannte "freie Spiel" entwickelte unser Gehör schon weiter.
     
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  13. ppue

    ppue Experte

    Spiele gut oder schlecht. Spiele einfach. Das, was dein Spiel ist, wird sich durchsetzen. Da hast du gar nichts mit zu tun.
     
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  14. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Da sind wir zusammen!
     
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  15. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Auch die Freejazzer hatten ein "Repertoire" zum Agieren.
     
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  16. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Da ging ich in den Kindergarten bzw. zur Grundschule.

    U.a. bei Peter Brötzmann hatte ich später gelernt, was Energieplay in der Kollektivimprovisation ist. Eine tolle musikalische Grenzerfahrung. Solche Musik konnte ich nur live erfahren, nie auf Platten; denn das war mir zu heftig.

    Nach dem Freejazz waren aber alle Tore für den Jazz geöffnet...
     
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  17. last

    last Strebt nach Höherem

    Ein Problem dieser Diskussion scheint mir auch zu sein, dass hier "Könner" (Profis) mit - sagen wir mal - "Nicht-so-Könnern" diskutieren.
    Natürlich hat ein Profi einen ganz anderen Horizont und andere Erfahrungen und kann daher die Sache aus einem Blickwinkel betrachten, die dem Amateur zumeist wohl verschlossen bleibt. Was in der Natur der Sache liegt.
    Ich vertraue in solchen Fällen erst einmal auf das, was die meinen, die was davon verstehen.
    Geht mir ja umgekehrt auch so mit meinem Beruf - da würde ich mich auch mitunter freuen, wenn einfach mal einer merkt, dass ich der Profi bin... ;)
    Irgendwo stand hier etwas von einem Vergleich, wo alle Stammtischredner natürlich viel besser gewusst hätten, wie die Nationalmannschaft hätte aufgestellt werden müssen. ...so in etwa...
    Einfach mal akzeptieren, was ein Profi so meint, kann auch sehr hilfreich und entspannend sein.:)

    :)last
     
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  18. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    @last

    Sicher richtig. Daher möchte ich meine Beiträge auch immer als "Erfahrungsberichte eines Lernenden" verstanden wissen.

    Und meine Erfahrungen z. T. Improvisation basieren auf der professionellen Anleitung eines Lehrers, der mir einen für mich passenden Weg aufgezeigt hat.

    Diese meine Erfahrungen können für andere nützlich sein, müssen sie aber nicht.

    CzG

    Dreas
     
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  19. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    So ist es.

    Mein Vater hatte nie begriffen, warum ich seine Erfahrungen nicht unbedingt angenommen hatte. Häufig gab es daher Streit.

    Heute erkenne ich aber, dass ich inzwischen häufig ähnliche Erfahrungen gemacht habe.

    Mein Respekt gilt u.a. allen, die sich noch intensiver als ich mit der Musik auseinandergesetzt haben. Ob ich deren Musik mag, ist eine ganz andere Frage.
     
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  20. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ich habe mal nach Vorbildern für die Leitton-Improvisation mit Saxophon gesucht, habe aber meistens nur Aufnahmen mit Klavier und Gitarre gefunden. Und diese mit Trompete, was dem Saxophon ja nahekommt (vielleicht spiele ich es irgendwann auch mal auf der Trompete, aber im Moment habe ich ja noch nicht mal viel Zeit fürs Saxophon).



    All the things you are ist eines der Stücke, die ich im Moment im Trio mit Klavier und Gitarre spiele. Insofern hilft mir das natürlich jetzt wirklich viel.

    Das Problem ist immer wieder: Wie fängt man an? Tonleitern oder ganze Akkorde zu spielen finde ich persönlich schwierig, weil die Takte dafür zu kurz sind. Sprich: Ich muss zu viele Töne in einem Takt spielen. Und manchmal wechselt ja sogar noch mitten im Takt der Akkord, also kommt da noch mehr Hektik auf (für mich, nicht für Leute, die das können).

    Ich habe auch schon mal versucht, nur den Grundton des Akkords zu spielen, das geht auch, klingt aber recht langweilig. Wohingegen die 3 und die 7 immer spannend klingen, egal, wie man sie spielt.

    Viele Improvisationen scheinen die Leittöne gar nicht zu berücksichtigen, sondern nur die Tonleiter oder die Akkorde, was ich merkwürdig finde. Mein jetziger "Bandleader" ist Gitarrist, und er meinte, ihm wäre das während seines Studiums auch nicht beigebracht worden. Improvisieren schon, aber nicht mit Leittönen oder um die Leittöne herum zu improvisieren. In vier Jahren im Jazzstudium nicht vorgekommen. Wie kann das sein, frage ich mich?

    Er sagte, erst ein amerikanischer Gastdozent, der zu ihnen kam und dem sie ihre Improvisationen vorgespielt hätten, hätte dann ihren eigenen (südafrikanischen) Dozenten gefragt, warum denn da keine Leittöne zu hören wären in den Improvisationen - und erst da ist es dem Dozenten aufgefallen.

    Das ist, finde ich, eine sehr bezeichnende Anekdote. Es sind also nicht nur Amateure, denen die Leittöne als "Leit-Töne" in der Improvisation, als Zentrum einer Impro, fehlen, sondern auch Leute, die das studieren und sogar deren Dozenten. Sehr interessant.

    Als ich nun anfing, mich damit zu beschäftigen, dachte ich, das ist wirklich eine wunderbare Art, mit dem Improvisieren anzufangen. Man schreibt sich die Leittöne über den Akkord im Real Book und spielt immer nur diese beiden Töne. In verschiedenen Patterns und Rhythmen. Das klingt sehr gut, und so arbeitet man sich langsam an die Improvisation heran.

    Als nächstes kann man dann die Töne einzeln dazunehmen, die oberhalb bzw. unterhalb der Leittöne sind usw.

    Die Herangehensweise, wie man als Anfänger improvisieren lernt, ist sicherlich für jeden anders. Aber mir hat da bisher immer etwas gefehlt. Ich habe die Bluestonleiter gespielt, kam raus, wusste nicht mehr, wo ich war usw. Ich brauche ganz konkrete Vorgaben und Anhaltspunkte. Akkorde oder Tonleitern sagen mir nicht viel, ich brauche einzelne Töne.

    Ist für manche vielleicht unverständlich, aber da ich eigentlich nicht unmusikalisch bin und mich schon fast mein ganzes Leben lang mit Musik beschäftige, z.B. mit Singen, habe ich mich bisher immer gewundert, wieso das auf dem Sax nicht geht. Keine Ahnung, warum das auf dem Sax so schwierig für mich ist.

    Ich lerne jetzt auf meine "alten" Tage noch Klavier, und da ist es mit den Akkorden und Tönen viel einfacher, weil man eben alle Tasten nebeneinander hat (nicht irgendwelche merkwürdigen Tasten, die man noch mit dem kleinen Finger in willkürlicher Weise hinzunehmen muss ;)), und die Akkorde sich ganz von selbst ergeben. Aber auf dem Sax ist das alles ein bisschen "strange". Nichts ergibt sich logisch von selbst, man muss alles auswendig lernen oder vorher wissen, was man tun will.
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Mai.2017
    murofnohp und Plihopliheri gefällt das.
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