Interessante Unterrichtserfahrung

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Mugger, 12.November.2012.

  1. Mugger

    Mugger Guest

    Hallo,

    ich hab heute beim Unterrichten wieder mal eine Interessante "Erfahrung" gemacht.
    Das heißt, untergekommen ist mir das schon öfters, aber selten so deutlich wie heute, und ich wollte mit Euch drüber diskutieren, wenn Ihr gestattet.

    Ich hatte eine Schülerin, die eine Etüde (relativ flott, hauptsächlich Sechzehntel Tempo Viertel 88) in D-Dur spielen sollte. Recht "schwierige" Artikulation, Mischung aus Portato und Staccato.
    Sie spielte bei weitem nicht das geforderte Tempo, kein guter Ton, alle 2 Takte Vorzeichenfehler, schlampige Artikulation.

    Ich hab das, was ich eigentlich sagen wollte :) runtergeschluckt und hab ihr vorgeschlagen, dass ich zwei Takte spiele, dann sie die beiden Takte wiederholt, dann ich für 2 Takte weiterspiele etc.
    Das Ergebnis hat mich ziemlich umgehaut...
    Ich hab ziemlich das geforderte Tempo angeschlagen, die Schülerin hat wiederholt, und die ganze Etüde lief ohne Fehler durch. Kein einziger Vorzeichenfehler, Artikulation in Ordnung, die Finger liefen wie geschmiert. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht.

    Warum? Weil die "Erinnerung" an das Gehörte so stark ist, dass die Noten nur "Anhaltspunkte" waren?
    Wie kriegt man jemand dazu, dass er nicht an Schwierigkeiten denkt, sondern seine Vorstellung auch ohne derartige "Hilfe" umsetzen kann, sich auf sein "Inneres Ohr" verlässt?
    Wie sehr kann uns selbst die reine Vorstellung, wie es klingen soll, an der Umsetzung helfen?

    Danke für Euren Input,

    Guenne






     
  2. Gast

    Gast Guest

    Du hast sie ernst genommen und eine Art "Wettkampf" angeboten.
    Da war sie motiviert und hat alles rausgeholt!
    Das hat ihr gefallen!
    Frag sie doch , warum es dann so gut klappte! :-D
     
  3. Mugger

    Mugger Guest

    Hi,

    Interessanter Gedanke, darauf wäre ich nicht gekommen.
     
  4. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Es ist sehr viel einfacher, Dinge zu spielen, die man schon mal gehört oder gesungen hat, ich glaube, das liegt auf der Hand und entspricht sicher unser aller Erfahrung. Ich habe diese Erfahrung gerade am Wochenende selbst gemacht. Ich hatte meine ersten Saxophonstunden, und ich kann eigentlich erst sehr wenige Töne greifen, weil ich eben noch nicht so lange spiele. Das heißt, bei allem, was ich spielen will, muss ich immer erst überlegen: Wie greife ich das? Dennoch konnte ich Stücke, die ich kannte, aber zuvor noch nie gespielt hatte, sofort spielen, und meine Lehrerin war vollkommen begeistert. Das Stück war "Blueberry Hill". Es war nicht wirklich schwer, aber in der Tonart, in der es vorlag, kam einiges an Griffen vor, die ich nicht kannte. Das verunsichert natürlich, aber dann war es so toll, dass sie gleich mitgespielt hat und gar nicht glauben konnte, dass ich erst ein paar Wochen spiele. Sie meinte auch, ich hätte einen schönen Ton, was mir natürlich sehr gefallen hat. So war ich dann auch positiv eingestellt, und alles lief wie geschmiert, obwohl ich danach fix und fertig war, denn es war sehr anstrengend, so "professionell" zu spielen, ohne eigentlich spielen zu können. Das erforderte ein hohes Maß an Konzentration, die dann irgendwann aufgebraucht war.

    Aber "Blueberry Hill" einfach so zu spielen war leicht, denn ich wusste ja, wie es klingt. Insofern ist die Erfahrung mit Deiner Schülerin eigentlich keine Überraschung, denke ich. Noten auf einem Blatt bedeuten nichts ohne den Klang und die Artikulation, die man damit vom Gehör her verbindet.

    EDIT: Das mit dem Wettkampf stimmt auch. Als meine Lehrerin dann mitgespielt hat, wollte ich natürlich mit ihr mithalten und habe mich viel mehr angestrengt, als wenn ich nur allein gespielt hätte. Deshalb war es so anstrengend. :)

    Du fragst, wie kriegt man jemand dazu, dass er auf sein "inneres Ohr" hört und nicht an die Schwierigkeiten denkt. Ich würde sagen, die Frage, hast Du Dir schon selbst beantwortet: Spiel es ihr vor, gibt ihr das MP3, und sie wird das nächste Mal alles problemlos spielen können. Etüden sind ja jetzt nicht gerade interessant. Das macht man nur, weil man muss, nicht weil es so viel Spaß macht. Deshalb sollte man da den Schülern so viel wie möglich Unterstützung geben, denn wenn sie die Etüden dann spielen können, haben ja alle etwas davon.
     
  5. Gast

    Gast Guest

    Wenn ich eines weiß:
    Schüler brauchen das Gefühl, ernst genommen zu werden!;-)
     
  6. Gast

    Gast Guest

    Hi,

    Wattwürmchen hat den Kern erkannt, denke ich.
    Irgendwie hört man sowas auch aus dem Reitsport als "Verweigerung",
    oder: lass mich raten, der/ die schülerin ist ca. 16 1/2 Jahre alt?!

    Oder : manchmal redet man auch nur aneinander vorbei.
    Etwa so: (und soll nicht sagen: Schüler = doof!!!)
    Eine sehr attraktive Frau betritt einen Raum und spricht mit deutlicher Stimme die Dame hinter dem Tresen an:
    "Ich hätte gern Pommes Frites, einen Burger und einen Milchshake."
    Die Dame von hinter dem Tresen: "Hallo. Dies ist eine Bibliothek."
    Nachdem sich nun also die Schöne einmal umsah, beugt sie sich leicht zu der Anderen hin und äußert fast flüsternd:
    "Ich hätte gern Pommes Frites, einen Burger und einen Milchshake."

    so weit, so gut: hey, lass Dir sagen: ich habe durch verworrenes Linkshänder-Denken zum Beispiel schon soo viel falsch verstanden (gibts ja eigentlich nicht: entweder verstanden, oder nicht!!!), und aus mir wurde trotzdem ein zivilisierter Mensch... .
     
  7. Gast

    Gast Guest

    ...und:

    Ich praktiziere Bogenschiessen.
    Da sagen (und w i s s e n ) wir:
    "Wenn Bogenschiessen einfach wäre, hieße es Fußball!

    ;-)
     
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Servus,
    ich meinte das mit dem Wettbewerb.
    Ich nehme alle meine Schüler, egal welches Niveau, sehr ernst.
    Das Mädel, um das es geht, ist 14.
    Ich hab zu ihr ein sehr gutes Verhältnis.
    Wie gesagt, ich neige eher an die Kraft der Vorstellung (und Nachahmung)zu glauben.
    Frappierend war, dass plötzlich auch die zahlreichen Vorzeichenfehler, die sie sonst (auch in langsamerem Tempo) macht, weg waren.
    Und das in doch recht hohem Tempo.


    Liebe Grüße

    Guenne

     
  9. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ Mugger

    Ja, "Wettkampf", vielleicht eher ansporn. (ist das eigentlich ein
    Unterschied?

    Noch was, was ich schon erlebt habe.

    Du übst zu Hause wie bekloppt, aber bekommst es nur fast
    hin. Du merkst selber, dass ist es noch nicht. Nix für den
    TOTM.

    Dann bist Du beim Lehrer und er spielt es vor. Und auf einmal
    macht es "klick". Du hörst und spielst es nach. Im Prinzip
    hattest Du es technisch schon fast, aber es fehlten ein par
    Kleinigkeiten.

    Der Lehrer spielt. Du spielst es nach und die "Kleinigkeiten"
    rasten plötzlich auch ein.

    LG

    Dreas
     
  10. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ganz klar. Nur muss ich ehrlich sagen, ist das nicht selbstverständlich? Natürlich will jeder Mensch (Schüler) ernst genommen werden, und das weiß doch auch jeder Lehrer. Oder nicht?

    Was mich verwundert, war die Verwunderung darüber, dass sie es besser spielen konnte, nachdem sie es gehört hatte. Auch das ist für mich selbstverständlich. Wenn mir jemand etwas vorspielt, kann ich es sofort nachspielen oder nachsingen, wenn ich eine fremde Notenansammlung vor mir habe, von der ich nicht weiß, wie sie klingt, ist das viel schwerer, manchmal vielleicht sogar unmöglich, daraus etwas zu machen. Auch das ist doch eine Erfahrung, die man als Lehrer tagtäglich macht, dachte ich. Es ist doch nichts Neues, dass man Töne durch Hören lernt, nicht durch Sehen. Oder liege ich da jetzt völlig falsch?

    Mittlerweile kann ich Noten natürlich auch "hören", wenn ich sie sehe, aber am Anfang, als ich noch wenig musikalische Erfahrung hatte, konnte ich das nicht.
     
  11. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Ist doch klar. Sie hat nicht mehr an die Vorzeichen gedacht, sondern nur an die Töne, deshalb konnte sie richtig spielen. Geht mir auch so. "Ist das jetzt ein H oder ein B? Ach ja, ein B", und schon ist die ganze Phrase vorbei. Aber wenn Du gerade abgelenkt bist, vielleicht ein Vogel ins Zimmer geflogen kommt, spielst Du automatisch ein B, weil Du es ja eigentlich weißt und keinen Gedanken daran verschwendet hast.

    Spielt sie die Etüde mit einem Notenblatt vor sich oder ohne Noten? Vielleicht sollte sie ohne Noten spielen, wenn sie die Töne erst einmal kann.
     
  12. Mugger

    Mugger Guest

    Servus,

    das Stück (die Etüde) war ja nicht unbekannt.
    Wir hatten es in der Stunde davor durchgearbeitet.
    Ich hatte es auch ganz vorgespielt, und sie hatte es die Woche (wie ich nach dem ersten Mal vorspielen annahm) recht wenig geübt.
    Wie kann man jemand "nicht Ernst nehmen?"
    Nein, ich denke, es ist schon ein anderes Phänomen, hat etwas mit sich selbst nicht zutrauen zu tun.
    Bei manchen Schülern funktioniert auch, wenn ich spiele und der Schüler spielt "Playback" mit, greift und bläst nur Luft.
    Wenn er dann selbst und alleine wirklich spielt, funktioniert das, was vorher nicht um die Burg ging, auch oft.

    Liebe Grüße
     
  13. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ saxoryx

    Finde ich nicht so eindeutig.

    Ich habe ja zu vielen Stücken auf der CD auch den Titel mit
    Sax. Das hilft natürlich ungemein.

    Aber wenn mein Lehrer vorspielt hat das noch eine andere Qualität.
    Ich höre ihn nicht nur, ich sehe auch wie er mit Sax arbeitet, sehe
    wie seine Finger laufen.

    Das IST ein Unterschied!

    LG

    Dreas
     
  14. Mugger

    Mugger Guest

    Servus,

    das Stück (die Etüde) war ja nicht unbekannt.
    Wir hatten es in der Stunde davor durchgearbeitet.
    Ich hatte es auch ganz vorgespielt, und sie hatte es die Woche (wie ich nach dem ersten Mal vorspielen annahm) recht wenig geübt.
    Wie kann man jemand "nicht Ernst nehmen?"
    Nein, ich denke, es ist schon ein anderes Phänomen, hat etwas mit sich selbst nicht zutrauen zu tun.
    Bei manchen Schülern funktioniert auch, wenn ich spiele und der Schüler spielt "Playback" mit, greift und bläst nur Luft.
    Wenn er dann selbst und alleine wirklich spielt, funktioniert das, was vorher nicht um die Burg ging, auch oft.

    Liebe Grüße
     
  15. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Vielleicht hatte sie zu viel geübt, das kann denselben Effekt haben. Aber wenn Du es ihr als Ganzes vorgespielt hast (habe ich das richtig verstanden), hat ihr das nicht viel genützt, wenn Du 2 Takte spielst, sie spielt die nach, dann wieder zwei Takte, das bringt natürlich viel mehr.

    Für mich hört sich das so an, als fehlte ihr der "Flow", und den hast Du ihr durch die 2 Takte verschafft.
     
  16. Gast

    Gast Guest

    Hmm... :roll:

    Ich kenn dich zu wenig, um das beantworten zu können.

    Ich unterrichte seit Jahrzehnten!...mit Erfolg und Spaß :) und... viel Nachdenken!
    Ich pack sie alle, na ja, fast!
    Ehrlich . :)
    Ich unterrichte allerdings kein Saxophon. ;-)
     
  17. cedartec

    cedartec Ist fast schon zuhause hier

    Hi Mugger,

    Vielleicht hat die neue Vorgehensweise auch den Kopf frei gemacht von der Angst vor den "schwierigen" Stellen. Ich kann noch nicht so schnell spielen und wenn dann unangehme Griffwechsel kommen, dann weiss ich das, denke "jetzt wird's schwierig" und dann fühlt es sich noch schwieriger an. Hin und wieder, wenn ich etwas abgelenkt war oder nicht darüber nachdenke, klappt es dann besser. Vielleicht hat dein Aufbrechen und Zerlegen genau so etwas bewirkt, denn so ein insgesamt schwieriges Stück kann ja auch einschüchtern. ....eine weitere Erklärungsmöglichkeit,

    Gruss gerhard
     
  18. Mugger

    Mugger Guest

    Guten Morgen,

    ich glaube, es hat viel damit zu tun.
    Schwierig ist dann doch das, was man sich als schwierig vorstellt:), und alles ist relativ.
    Die Schülerin hat wohl einen Teil ihrer Aufmerksamkeit statt auf die Noten auf mein Spiel gelenkt, und dann hat es funktioniert.

    Liebe Grüße,

    Guenne
     
  19. Mugger

    Mugger Guest

    Guten Morgen,

    ich glaube, es hat viel damit zu tun.
    Schwierig ist dann doch das, was man sich als schwierig vorstellt:), und alles ist relativ.
    Die Schülerin hat wohl einen Teil ihrer Aufmerksamkeit statt auf die Noten auf mein Spiel gelenkt, und dann hat es funktioniert.

    Liebe Grüße,

    Guenne
     
  20. dabo

    dabo Strebt nach Höherem

    @ Mugger

    Was denkt ein Schüler beim Spielen:

    1. Wie greife ich die Note
    2. Wie schnell spiele ich die Note
    3. Wie laut spiele ich
    4. Wie artikuliere ich
    5. Welche Note kommt als nächstes
    6. Welches Gefühl soll ausgedrückt werden
    7. Wann atme ich...

    Das sind alles Dinge die ein geübter Spieler automatisch macht.

    8. Vorm Lehrer ist man meist noch nervös dazu weil man es schaffen möchte und versteift sich zusätzlich.

    Du hast deiner Schülerin von den vielen Aufgaben die der Kopf bei ihr bewältigen muss einfach mit dem Vorspielen und dem anschließenden Wettkampf einige Arbeit erspart und ihr erlaub mal freier spielen zu können. Gerade bei Etüden die (für Schüler) keine erkennbare Linie haben ist es sehr schwer frei zu spielen. Außerdem üben sie diese fast garnicht oder sehr ungern und eine innere Blockade entsteht.

    Ich spiele gerne Etüden die in Form von kleineren Stücken notiert sind. :)

    LG
    Dabo
     
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