Komponieren vs. Improvisieren

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Raggae, 21.November.2011.

  1. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Ich hab mal ne Frage, die vielleicht etwas ketzerisch ist:

    Wenn Improvisation im Prinzip ja eine adhoc Komposition ist, warum lernt man dann eigentlich nicht zuallererst mal, wie man mit Verstand und Gefühl komponiert, bevor es ans Improvisieren geht??? :roll:

    LG,
    Raggae

    P.S.: Zweite Frage: Wie lernt man Komponieren (im Jazz/Blues/Rock/Pop-Bereich)?
     
  2. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Seit ich mich vor 127 Jahren notgedrungen einmal sehr ausführlich mit dem Begriff "Improvisation" auseinandersetzen musste, weiß ich, dass er mit unterschiedlichen, zum Teil sehr diffusen Inhalten gefüllt werden kann.

    Die Trennschärfe zum Begriff "Komponieren" liegt aber m.E. in jedem Fall vor, Raggae.

    Deswegen würde ich niemals eine Improvisation als Ad-hoc-Kompostion bezeichnen.

    Selbstverständlich lasse ich mich aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

    Selbst im musikfernen Gebrauch des Begriffs Kompostion wird m.M.n. nach deutlich, dass es sich stets um eine akribisch geplante Zusammenstellung und -führung von einzelnen Komponenten handelt.

    Beispiel: Das Menue XY, "eine Komposition aus erlesenen Zutaten . . . ".
     
  3. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    also ich finde, eine gute frage. und ja, warum nicht erst komponieren, das wäre dann "improvisieren mit netz",
    ich meine damit, wenn du fällst, tust du dir und anderen :)
    nicht weh.eine gefahr ist, man könnte sich an die sicherheit gewöhnen und beim improvisieren mehr oder weniger intensiv auf die komposition zurückgreifen.aber, wenn du die disziplin hast, das nicht zu tun, wäre es einen versuch wert.
     
  4. flar

    flar Guest

    Hallo zusammen, die Frage finde ich persönlich sehr interessant, da mein Wissen über Improvisationsmöglichkeiten vom Arrangieren kommt. Manches mal denke ich, ich könnte erheblich lockerer an eine Improvisation rangehen wenn ich mir einfach eine Scala nehme und los lege,aber immer probier ich gezielt auf einen passend Akordton zulanden und komme bei der ganzen Denkerei aus dem Takt. Daran werde ich wohl noch arbeiten müssen!
    Hallo Trötomanski irgendwie kommen mir auch immer wieder Kompisotionen mit sehr diffusen Inhalten in die Finger, wobei man schon sehr aufpassen muß, was bei dem einen bewusste Absicht ist bei dem andern einfach falsch notiert. Der Vergleich mit dem Menue finde ich sehr passend, weil die erlesen Zutaten fest gelegt sind, der Koch sie aber nach seinen Vorstellungen auf dem Teller anrichtet. Genauso als wenn wir einen Leadsheet spielen und nach unseren Vorstellungen die Phrasierung oder die Rhythmik leicht verändern .
    So jetzt werde ich mich mal wieder dem Instrument zuwenden und an meinem oben beschriebenen Problem arbeiten
    Bis dann Flar
     
  5. eifelblitz

    eifelblitz Schaut öfter mal vorbei

    Hallo,

    sorry, wenn ich hier auch meinen Senf hinzugebe, aber so unterschiedlich können Meinungen sein.

    Für mich gibt es zwischen Improvisieren und Komponieren einen sehr großen Unterschied, fast will ich behaupten, dass eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun (nur fast).

    Improvisieren ist für mich das (blitzschnelle) abrufen von Gefühl, was ich versuche in eine Melodie zu legen. Für mich ist eine Improvisation, die Möglichkeit mich in ein fremdes Musikstück melodisch/rhythmisch einzubringen. Die Chance hab ich nur einmal und kann es nachträglich nicht mehr ändern.

    Bei der Komposition ist das so anders (wenigstens für mich). Hier kann ich in Ruhe ausprobieren, nicht nur Melodien einbringen, sondern die Würze der Musik, die Harmonien selber entscheiden, es ist mein Song. Dort kann ich auch wieder Platz für Improvisationen lassen, in der sich andere in mein Stück einbringen können. Wenn es nicht gefällt, kann ich es ändern.

    Gruß
    Michael

     
  6. auge

    auge Ist fast schon zuhause hier

    Für die GEMA sind Improvisationen übrigens Werke.
    Wir hatten da einen leidvollen Briefkontakt mit der Gema nach einer Gitarrensession. Seither dürfen Gema Mitglieder nicht mehr mitspielen. Offiziell.
     
  7. prinzipal

    prinzipal Ist fast schon zuhause hier

    höhö, improvisationen mögen zwar von der gema als werke bezeichnet werden, aber nur wenns ums einzahlen geht:

    da eine typische schöpfungshöhe nicht erkennbar ist, gelten sie nicht als e-musik, auch wenn sie so klingen.

    und nur die e-musik abrechnung lohnt für den komponisten.
    ( und das auch erst nach jahren, um auf die wertung zu kommen )

    der rest ist verlorenes geld.

    :cool:
     
  8. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Also für mich ergibt sich der Unterschied schon aus den Begriffen.

    "Improvisation" = spontan eine Idee umsetzen, nicht planvoll vorgehen
    aus einem Gefühl heraus agieren. (das wird ja im
    Sprachgebrauch in anderen Zusammenhängen so
    genutzt)

    "Komposition" = ist was planvolles, voraus durchdachtes, etwas
    das man erarbeitet, systematisch angeht.

    Soviel aus meiner laienhaften Sicht. Vielleicht sehen das die Profis anders?

    LG

    Dreas
     
  9. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Musik ist für mich wie eine Sprache.
    Deren Regeln man lernt, mit oder ohne Grammatik.

    Da gibt es die Alltagssituation, in der man improvisiert (jeder von uns!), in Rede und Antwort spricht oder auch Monologe hält.
    Manchmal erzählt man einen Witz, hält einen Vortrag, ein Referat, manche machen das frei, andere lesen das ab.

    Dann gibt es Leute, die verwenden die Sprache um Zeitungsartikel, Gedichte, Romane zu schreiben. Und verdichten dabei Sprache zu einem Kunstwerk.

    Und manche kriegen es hin, auch einen improvisierten Vortrag zum Kunstwerk zu machen.

    Insofern scheinen mir die Grenzen fliessend zu sein. Entsprechend in der Musik bei Improvisation und Komposition.

    [size=xx-small]Berlin Swing Band[/size]
     
  10. Gast

    Gast Guest

    Die von Raggae aufgeworfene Frage:

    Zitat:
    finde ich schon sehr nachdenkenswert, denn in einigen meiner Notenhefte befindet sich folgender Satz:

    "Solo-ad lib. or as written".

    Das "Solo ad lib." soll ja wohl eine Improvisation sein. Das "Solo as written" könnte man aber als komponierte Improvisation bezeichnen; o.k. ein Widerspruch in sich? Ist etwas Improvisiertes nur etwas spontan Dargebotenes?

    Ich glaube das nicht; ich bin überzeugt, viele Soli, die improvisiert (spontan) erscheinen, sind in Wirklichkeit im (Hinter)-Kopf komponiert und erscheinen beim Auftritt als improvisiert, also als spontan dargeboten. In Wirklichkeit wird Die "Improvisation" bei jedem Auftritt so oder sehr ähnlich wiederholt.

    Man mag mich jetzt widerlegen und behaupten, die ganz Großen hätten bei ihren Auftritten in ihren Improvisationen kaum Vergleichbares gespielt.

    Mag sein, meine Behauptung ist: meistens ist die Improvisation so sehr geübt und ausgefeilt - sie ist eben in Wirklichkeit nicht spontan - dass sie deshalb auch als nicht niedergeschriebene Komposition bezeichnet werden könnte.

    Mit anderen Worten: ist jede Musik, die ohne Noten dargeboten wird, Improvisation? Dann wäre etwas auswendig gespieltes, das nicht genau der Notierung eines Stückes entspricht, schon eine Improvisation.

    Fragen über Fragen..:)

    Herzliche Grüße,

    Joe
     
  11. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ist das so anders in Deutschland? Also mein Mann hat vor vielen Jahren eine Improvisation in einem Film als Komposition angemeldet und es trudeln heute noch regelmäßig die Royalties ein...
    LG Juju
     
  12. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Joe60 schrieb . . .
    "Solo as written" bedeutet für mich zweierlei:

    1. Es handelt sich um ein komplett "aus"- oder "durch"komponiertes Solo vom ersten bis zum letzten Ton.

    2. Es handelt sich um ein nachträglich in Noten gefasstes, aber ursprünglich improvisiertes Solo, das dadurch nicht nur als Tonkonserve, sondern eben auch in Notenschrift graphisch konserviert wird.

    Eine "komponierte Improvisation" jedoch ist für mich jedenfalls tatsächlich ein Widerspruch in sich.
     
  13. Gast

    Gast Guest

    Die Idee zu einer Komposition entsteht aus einer Improvisation, egal ob im Kopf oder am Instrument; der Rest ist harte Arbeit. Oft ist es nur ein kurzes Motiv, welches dann "verarbeitet" werden muss.
    Ob man Gefühl lernen kann, um eine gute Komposition zu schreiben????

    Ich schreibe vorwiegend Saxophonduette und diese entstanden und entstehen immer aus Improvisation oder vor mich hinspielen und plötzlich kommt eine gute Phrase wie von Geisterhand und wird notiert und weiter "verarbeitet".
    Komponieren sollte man studieren, wenn man alles über Zusammenhänge der Melodik, Harmonik etc. wissen möchte, um "große Werke" zu schreiben.
    Wenn man dies weiß ist allerdings noch lange nicht gesagt das man auch gutes hervorbringt aber Grundwissen kann ja nie schaden, wenn man sich nicht einengen lässt.
    Improvisationen auf der Bühne sind immer auch ein Abrufen von Phrasen etc. also im weiten Sinne Kompositionen.
    Ein schweres Thema!
    Keine Schule ersetzt den Einfall.
    Gruss Milo


     
  14. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Moin zusammen,

    also abgesehen von Spontanität und der Tatsache, dass ich beim Improvisieren nichts korrigieren kann, gibt es für mich einen ganz bedeutenden Unterschied (sofern es sich nicht um eine absolute Soloimprovisation handelt):

    Beim Improvisieren in der Band kommuniziere ich mit meinen Mitmusiker/innen. Wenn´s richtig gut läuft, kann ich bei den anderen Impulse setzen und, viel wichtiger, es kommen Impulse zurück. Bei manchen mag sich sowas sogar mit dem Publikum entwickeln.


    keep swingin´



    Saxax






     
  15. eschenbt

    eschenbt Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hallo Miteinander,

    Improvisation hat nach meiner Meinung nichts mit Komposition zu tun. Sind ja auch zwei unterschiedliche Wörter.

    Beim improvisieren rede ich vom Ausdruck meiner momentanen Gefühle.

    Bei der Komposition, rede ich vom vorgegeben.

    Zwei große unterschiedliche Dinge.

    Oder was meint Ihr?

    Gruß

    Thomas
     
  16. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Hm, vielleicht noch mal zur Erinnerung: Es geht mir bei meiner Frage um improvisieren LERNEN, nicht um schon improvisieren können.

    Die typischen Themen, die dabei immer wieder besprochen werden, haben in der Regel mit Planung zu tun (z.B. "Welche Töne passen?") und sehr wenig mit Gefühl. Das wundert mich auch eher wenig, denn bevor ich in einer fremden Sprache meine Gefühle angemessen ausdrücken kann, muss ich die Sprache erst mal ziemlich gut lernen. Vielen fällt das ja schon in ihrer Muttersprache äußerst schwer ...
     
  17. prinzipal

    prinzipal Ist fast schon zuhause hier

    vieles ist anderswo anders als in schlant.

    die französische cisac gestattet, genau das von dir beschriebene, so kommt der blues harp spieler in der werbung sogar auch zu etwas geld.

    engländer können sogar einzelne titel von der verwertung freistellen, bezogen auf einzelne konzerte, so daß die veranstalter sich nicht arm zahlen müssen, nur weil was gespielt wird, ( der urhebende royal bekommt dann dafür keine tantiemen ) - genau das geht in schlant auch nicht.

    zur frage der erlernung von improvisation: es ist mittlerweile üblich, das akademisch als wiedergabe von strukturen aufzufassen, und nicht als erfindung derselben.

    das wiedergeben ist demnach durchaus geringwertiger als das erfinden. meinen zumindest einige.

    andere sagen sich: was macht der erfinder ohne wiedergabe ?

    :-D
     
  18. rbur

    rbur Mod

    Ich denke, man kann durchaus auch dem Komponisten beim Schreiben Gefühle zugestehen.
    Nur hat er halt mehr Zeit dazu und führt es nicht gleich auf.

    Der Komponist gibt dem Aufführenden die Gelegenheit, ebenfalls seine Gefühle einzubringen. Der Improvisateur behält alles für sich.
     
  19. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    "andere sagen sich: was macht der erfinder ohne wiedergabe ?"
    klavier lernen? raggae, durch welche tür du den raum betrittst
    ist doch egal.die menschen sind verschieden, die methoden auch.probiers aus.komponiert heisst zusammengesetzt; im-pro-vista heisst nicht vorher gesehen.das muss sich nicht wiedersprechen.das sind nicht zwei verschiedene dinge, sondern zwei verschiedene aspekte.charlie parkers kompositionen, zugedröhnt im taxi auf dem weg zum gig entstanden waren auch improvisationen, nur ohne instrument entstanden, seine improvisationen über diese broadwaykackthemen waren gehaltvoller als die originale und eine komposition, die(im-pro-vista!) vorher schon gesehen, also "pro-vista" ist, ist einfach nur geklaut.
     
  20. HanZZ

    HanZZ Ist fast schon zuhause hier

    Abgesehen von der wörtlich genommenen Definition ist für mich eine Improvisation das, was ich "flüchtig" spiele.

    Wenn ein Charlie Parker im heroinbedröhnten Kopf eine seiner Skalenwettrennen über ein Thema rausgehauen hat, war das improvisiert und wahrscheinlich auch von ihm selbst am nächsten Tag nicht mehr zu 100% genau zu rekonstruieren.

    Wenn aber diese Improvisation aufgenommen wurde und hinterher von irgendjemandem transkribiert, der das Ganze dann Ton für Ton nachgespielt hat, dann hat das mit Improvisation nix mehr zu tun.

    Trotzdem scheint es eine gute Idee, sich zu Übungszwecken eine grobe Idee zu verschaffen, was man denn zu welchen Harmonien spilen/improvisieren kann und was Töne sind, die es zu vermeiden gilt. Das hat mir das "DAO, insbesondere der C9b5 gezeigt, zu dem ich intutitiv immer kompletten Bockmist gespielt habe, bis ich mir klargemacht hate, dass die b5 ein Gb/F# ist und die 9 ein C#. Trotzdem habe ich an der Stelle latürnich nicht immer das selbe gespielt, hatte aber die 2 Töne als Fallback-Option im Hinterkopf.

    Cheers
    HanZZ
     
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