Kontrapunkt und Monochord, einige Ansätze zur Improvisationslehre

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von catflosse, 5.April.2022.

  1. catflosse

    catflosse Kann einfach nicht wegbleiben

    Danke dafür, das ist genau mein Ding. Musik als universelle mystische Urerfahrung!
     
    Rick und The Z gefällt das.
  2. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ein wenig OT:
    Darüber habe ich gerade nochmal nachgedacht auf einem Spaziergang zum Metzger.

    Das Problem ist bei meinem folgenden Gedankengang:
    Das ist keine historische Betrachtung und ich weiß so herum nicht, warum man das genau so wollen möchte.

    Aber:
    Wenn wir - warum auch immer - folgende Randbedingeungen stellen:
    - 12 Halbtöne in einer Oktave
    - heptatonische Skala
    - nur Ganzton und Halbtonschritte
    =>
    Wir brauchen 5 GT und HT, weil 5*2 + 2*1 = 12

    Die Frage ist, wir wir die Gruppen von Ganztonschritten anordnen. Es gibt genau drei Lösungen, wenn wir die jeweils größere Gruppe zuerst nennen:
    - 3:2
    - 4:1
    - 5:0
    (Man muss ggf. noch unten oder oben Töne dranhängen, um die Gruppen zu bestimmen)

    3:2, das sind die Modi von Dur, der höchste Ton der langen Gruppe ist der Leitton zur Durskala, dem das Tonmaterial entnommen wurde (ich benutze das deutsche H/B-System):
    Beispiel: As, B, C, D, Es, F, G As
    Zwei Gruppen: As, B, C, D und Es, F, G
    Die längere Gruppe hat als obersten Ton D, also ist das Tonmaterial Es-Dur
    (Ja, 'sieht' man auch sofort, als lydisch muss es ja bei der vierten Stufe anfangen!)

    Wenn ich mir z.B. die Skala
    G, A, H, Cis, D, E, F, G vornehme und die Gruppen bestmme, dann stelle ich fest
    Die lange Gruppe hat 4 Ganztonschritte (F G A H Cis), die kurze 1 (D, E)
    Ich kann also munter in der Durskala verschieben wie ich will, ich bekomme die 4:1-Verteilung nicht auf die 3:2 gemappt.

    Ergo, es ist die 4:1-Verteilung. Wieder ist der höchste Ton der langen Gruppe Leitton zur Tonleiter, der das Tonmaterial entnommen wurde:
    Cis => also D melodisch Moll
    4:1 sind immer Modi von melodisch Moll.

    Die 5:0-Verteilung klingt ganz komisch und in freier Wildbahn kaum anzutreffen:
    C, D, E, Fis, Gis, Ais, H, C
    Eine Ganztonskala mit einem zusätzlich eingeführten Ton, der dann zwei aufeinanderfolgende Halbtosnchritte erzeugt.


    Was lernen wir daraus?
    Fast nix.
    Unter oben angegebenen Randbedingungen (12 Halbtöne, Heptatonik, nur GT/HT) gibt es zwei Lösungen, die 99,999% abdecken (entweder ein Modus von Dur oder ein Modus von melodisch Moll) und eine total abseitige Lösung. Die Modi von Dur sind mit 3:2 symmetrischer verteilt als die die Modi von melodisch Moll mit 4:1.

    Grüße
    Roland
     
    Rick und bthebob gefällt das.
  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Ha, ha.

    Aber spannend, was dir so durch den Kopf geht auf dem Weg zum Metzger (-:
     
    Rick und bthebob gefällt das.
  4. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Die Leiter ist doch gut brauchbar. Einfach eine Ganztonleiter - die Funktion des H ist doch vernachlässigbar - Durchgangston. Würde über C7 gut passen. Oder Ab7 mit zusätzlicher Blue Note #9. Oder D7, E7....
     
    Rick und bthebob gefällt das.
  5. catflosse

    catflosse Kann einfach nicht wegbleiben

    @ppue


    Vielleicht noch einen Nachtrag zu den Modi.

    Beim Dur geschieht bei der Auflösung des Dominant-sept-Akkordes zur Tonika dreierlei. (Am Beispiel C-Dur also G7 nach C)
    1. Quintfall bei der Bewegung vom G zum C,
    durch die enge Obertonbeziehung stark harmonisch.
    2. Leittonbeziehung - das H von G7 strebt chromatisch zum C
    (Dabei geschieht eine Grundtonverdoppelung, welche die Tonika noch stärker betont)
    3. Tritonus Auflösung in Gegenbewegung
    G7 enthält einen (stark dissonanten) Tritonus zwischen F und H, beides sind Funktionstöne - die Terz und die Sept. Die Sept (F) strebt einen halben Ton nach unten und wird zur neuen Terz (E) Die Terz (H) strebt einen halben Ton nach oben und wird als Leitton zum C. (Auflösung in ein konsonantes Intervall der großen Terz bzw. kleinen Sext)

    Diese V. Stufe (Quinte) dominiert darum die harmonischen Beziehungen der Tonart und heißt daher Dominante.

    Diese drei Auflösungen kommen in allen diatonischen Skalen mehrmals vor, aber nur einmal im Modus alle drei gleichzeitig. Im Ionischen Modus geschieht das bei der V-I Verbindung und weist auf die Tonika. In den anderen Modi verschiebt sich das Gebilde und weist auf andere Stufen.

    Im ionischen Modus sind alle Dreiklänge über Grundton, Quinte (Dominante) und Quarte (Unterdominante - Quinte nach unten) Dur-Dreiklänge. Im Äolischen sind alle Dreiklänge über Grundton, Dominante und Unterdominante Molldreiklänge. In den Moll-Varianten werden auf der V.Stufe gelegentlich Dominant-Sept-Akkorde erzeugt, damit die V-I Auflösung wie oben beschrieben aufgeht.

    Ionisch und Äolisch sind in dieser Beziehung eindeutig Dur und eindeutig Moll, keine gemischten Skalen, bei denen Tonika, Ober- und Unterquinte verschiedene Dreiklang-Arten aufweisen und sie können von einer robusten V-I Verbindung zur Tonika hin aufgelöst werden. Da alle Modi das selbe Tonmaterial beinhalten, lassen sich sämtliche harmonischen Effekte durch Alterationen der beiden Grundtonarten leicht darstellen.

    Achtung!!!
    Das gilt aber nur bei temperierter Stimmung. Mit den 12 Tönen der temperierten Stimmung werden über 30 Töne der reinen Stimmung dargestellt. Die mittelalterliche Musik kannte die Temperierten Stimmungen noch nicht und ihre Modi verweisen auf ältere, reine Tonsysteme, bei denen es keine enharmonishen Verwechslungen gab. Auf der Querflöte von Quantz (Dem Lehrer Friedrichs des Grossen) gab es eine Taste für Dis und eine andere für das Es. Alle Töne der Modi waren harmonisch exakt auf die jeweils erste Stufe bezogen, so dass ihre jeweilige Frequenz in den verschiedenen Modi variierte.

    Hier etwas weiter unten eine Tabelle mit den Frequenzen der Halbtöne in allen reinen Durtonarten

    http://www.instrument-tuner.com/theory_de.html

    Wie das allerdings mit einem Dudelsack gehen soll, bleibt mir ein Rätsel. Hier ging es wahrscheinlich vor allem um Gesang, Saiteninstrumente oder Flöten. Erst die Klaviatur, das feste Bundstäbchen (Lautenbünde waren verschiebbar) und die Madrigale der Orgeln legten endlich eine Temperierung der Stimmung nahe, welche die Modi letztlich überflüssig machte und in ihre Bezeichnung als Stufe umwandelte. Denn nur in der temperierten Stimmung umfassen sie identisches Tonmaterial.

    @The Z Mit dem Sax scheint es ja zu funktionieren. Wie macht der das bloß? Ach könnte ich das auch!!! Ich gäb mein Seelenheil dafür. (Im Falle dass der Teufel mitliest, hier kann er mich erreichen!)
     
    Zuletzt bearbeitet: 16.April.2022
  6. catflosse

    catflosse Kann einfach nicht wegbleiben

  7. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Dudelsäcke werden grundsätzlich rein gestimmt. Die Bordune lassen ja gar nichts anderes zu.

    Wenn sie allerdings heutzutage in Bands mit Tasteninstrumenten zusammen gespielt werden, werden entweder Annäherungen/Kompromisse gemacht, oder die Spielpfeife wird knallhart temperiert gestimmt. Die Bordune spielen in so einem Rahmen auch nicht die große Rolle.
     
    Rick gefällt das.
  8. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @ppue
    genau das dachte ich auch beim Lesen von #142

    @gaga
    Ich hatte mal nach einem Jazz-Konzert in sehr kleinen Rahmen die Gelegenheit,
    einen jungen, erfolgreichen Saxer aus NY zu fragen:

    "Welche TL's benutzt du am liebsten ?

    Antwort:
    "Die Phase hätte er hinter sich.
    Er "fummelt" sich seine eigenen TL's zusammen."

    VG
     
    Rick gefällt das.
  9. catflosse

    catflosse Kann einfach nicht wegbleiben

    @gaga
    Ich dachte immer, das es Dudelsack heißt, weil einem das Gedudel auf den Sack geht! :D Die Schotten haben damit Feinde vertrieben. Dazu taugt es allerdings.
     
    Rick und Viper gefällt das.
  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Angeber gibts überall.
     
    bthebob gefällt das.
  11. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Die schottischen heißen gerade nicht Dudelsack, und das mit den Feinden ist eins von den albernen Klischees, deren Verbreiter damit zeigen, dass sie keine Ahnung haben.

    Die Dudelsäcke in den deutschsprachigen Gegenden haben vielleicht eher der Assoziation dieser Bezeichnung entsprochen. Sie sind im Zuge der Verbreitung der Ziehharmonika ziemlich schnell ausgestorben.

    Woher nimmst du diese Weisheit? Zuviele Musikerwitze gelesen?
     
  12. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @gaga
    Ach, der war eigentlich sehr bescheiden und zurückhaltend.

    Wenn du Namen und CD wissen möchtes, ...
    Kann ich bei Bedarf nachreichen !

    Dauert aber.
    Muss dafür selbst "runter ins Archiv"
    Hab meinen Archivar über Ostern frei gegeben. :D

    VG
     
    Rick gefällt das.
  13. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @gaga
    Jetzt wollt' ich selbst wissen ....

    Dustin Drews
    CD "Controversy" von 2018

    Muss ich auf YT jetzt mal gucken, was aus ihm geworden ist.

    VG
     
    Rick und gaga gefällt das.
  14. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    @catflosse Mit seinen Ohren! :)
    Im Ernst: Ich weiß dass er sich zumindest für Vierteltöne Griffe zurecht gelegt hat, aber auch mit Bendings dahin kommt wo er will.
     
    Rick gefällt das.
  15. catflosse

    catflosse Kann einfach nicht wegbleiben

    Zu viele Musikerwitze kann man gar nicht lesen, was die Dudelsäcke angeht, bin ich ein Opfer. Ich habe jahrelang versucht auf Mittelaltermärkten zu musizieren und hatte dabei eine Laute (Gitarrenlaute aber auch eine in Chören verstimmte mit dreizehn Saiten) diverse Renaissance oder irische Flöten und Ideen von John Dowland bis Pergolesi. Neben an rockte die Dudelsackfraktion zu elektrisch verstärkten Zistern immer dieselbe Tonart bis meine Ohren bluteten. Ich war sogar mal einige Zeit mit Jens Güntzel bekannt, dem genialen Instrumentenbauer aus Seitchen (liegt bei Bautzen) https://www.dw-ha.de. Ich habe einige schöne Stücke von ihm, eine Irish Flute, eine Rauschpfeife und ein irrsinnig lautes Dingsbums, das klingt wie ein Dudelsack, ist aber ein Prototyp und zum reinblasen. Jens ist ein echter Crack und seine Instrumente nicht selten Meisterwerke. Leider haben wir uns aus den Augen verloren, weil ich noch Kinder dazu bekam und seltener in seiner Gegend auftrat. Ich hab also nix gegen die Instrumente, es gibt ja auch die angenehmen Hümmelchen. Mich nervte der hardcore Gebrauch und die brachiale Musik. Es geht ja auch anders wie Korydwen beweist (). Vorsicht, es gibt den Namen mehrmals. Ich hab sie mal auf dem Oybin erlebt und war sofort bis über beide Ohren verliebt. Sie hat Perotin gesungen und auf einer Handorgel begleitet. In Freiburg (Thüringen) gibt es eine gute M.A. Szene, da hab ich mal einen 1.A. Zinkenisten gehört zu einer Harfe. Dazu spielte eine moderne Violine. Die Violine hatte Stahlsaiten und klang zum Zinken wie eine Kreissäge, obwohl die Geigerin akkurat und gefühlvoll spielte. Es hätten halt Darmsaiten sein müssen. Ich hatte so eine Idee von Mittelaltermusik als besonders zart, emotional, harmonisch und das Dudelsackgekrache entsprach dem nicht.

    Mit den Fakenews hast Du natürlich recht. Ich hab ja auch schon weitertrompetet, dass der Tritonus verboten war. Dafür ist so ein Forum gut: alte Flausen auszutreiben. Ich weis wirklich nicht mehr, wo ich es aufgeschnappt habe, aber es ist schon ewig her.
     
    Rick und gaga gefällt das.
  16. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Das sagt eigentlich alles. Mittelaltermusik (z.B. Pippi Langstrumpf) auf einer Neuerfindung der 60er Jahre. So lange gibt es die "Marktsäcke" u.ä. Zu Beginn in der Isolation der DDR solange modifizierte und nachgebaute Billigschotten, bis sie zur lokalen Folkkultur passten. Dann kam der MA-Hype und die Pfeifer mit den Lederröcken und den geölten Oberkörpern und die Säcke wurden immer imposanter.
     
    Rick gefällt das.
  17. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Die Instrumente auch. :)

    Grüße
    Roland
     
  18. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Sexist, elender. :roll:
     
    Rick gefällt das.
  19. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Da habe ich gerade beim Duschen drüber nachgedacht.
    Wenn wir die zweite Bedingung (Heptatonik) fallen lassen, welche Lösungsmöglichkeiten haben wir?
    5: keine Lösung (5*2 = 10, wir kommen nicht auf 12)
    6: eine Lösung: die Ganztonskala
    7: siehe Post oben
    8: Da finden sich dann u.A. die Bebop-Skalen und die verminderte Skala (HT/GT oder GT/HT)
    9 - 11: k.A. ausm Kopp, da muss ich mal recherchieren, keine Ahnung, ob die einen Namen bekamen (außer von Messiaen, der hat wahrscheinlich allen einen Namen gegeben) => nachher mal den Scale Finder quälen
    12: eine Lösung: chromatische

    Wie man sieht, wird es ab 7 (Heptatonik) spannend.

    Was lernen wir daraus?
    Sorry, wieder fast nix. :)

    Welche Tätigkeit sollte ich angehen für die nächste Idee? Kuchen backen? Schlägerei auf dem Bahnhofsklo? Dann lieber Kucehn backen. Ist besser für die anderen. :)

    Grüße
    Roland
     
    Rick, ppue, bthebob und einer weiteren Person gefällt das.
  20. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Roland

    Der Filmregisseur und Drehbuchautor Ernst Lubitsch ist immer
    mit'n dicker Zigarre auf's Klo gegangen.

    Zurück am Schreibtisch kam er mit Ideen, die heute zur Filmgeschichte gehören.

    Wär das was für dich ?

    VG
     
    Rick gefällt das.
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden