konzentrietes, technisches üben - ohne emotionen?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von gadde, 5.April.2008.

  1. gadde

    gadde Kann einfach nicht wegbleiben

    Guten Tag!

    Ich stell mir im Moment folgende Frage:

    Wenn ich eigentlich nur technische Dinge übe, wie z.B.: Drei-/Vierklangsbrechungen neige ich oft dazu, viel "musikalität" bzw. emotionen mit einzubringen - sprich, ich geh voll drauf ab. Konzentration geht dann halt weg, aber ist diese tatsache denn allgemein als schlecht anzusehen?

    wie steht ihr dazu?

    liebman z.B.: sagt in seinem buch "der persönlich saxsound", dass man das trennen sollte. quasi, die technischen übungen als arbeit ansehen soll. (so hab ich es in erinnerung, vielleicht hab auch schon ein wenig interpretiert)

    ein saxlehrer meine mal zu mir, ich sollte alles was ich spiele, sei es longtones oder wenn man es auf die spitze treiben will, mundstückübungen, mit soviel musikalität wie möglich versehen.
    ich möchte hinzufügen, dass ich hier jetzt kein grundsatzdiskusion über die bedeutung von musikalität o.ä. anfangen möchte.

    würde einfach nur gerne wissen, was ihr generell dazu meint. trennen, oder eben nicht?

    gruß,
    sönke
     
  2. Dr-Dolbee

    Dr-Dolbee Ist fast schon zuhause hier

    Also ich bin auch eher für die "so viel Musikalität wie möglich" Variante.

    Gruß - dr.dolbee
     
  3. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    hallo sönke
    meine bescheidene meinung: nichts dazutun,nichts zurückhalten.wenn es von selbst kommt,dass du "abgehst",
    dann ist es gut so.wenn du allerdings was"hineinlegen"
    müsstest,dann lass es lieber.das gilt auch für musik.
    ich denke,man soll sich nicht der musik oder der übung aufdrängen. also,was von selber passiert ist o.k.
    was dein einmischen erfordert,sei es durch dazutun,oder zurückhalten ist nicht o.k.
    nicht schieben aber auch nicht bremsen.das gilt auch für emotionen.eigentlich gilt es fürs ganze leben.
     
  4. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    jetzt ist mir das passende wort wieder eingefallen:
    "zulassen" kannst du emotionen.das ist was anderes als dazutun.
     
  5. gadde

    gadde Kann einfach nicht wegbleiben

    @grmz:

    zulassen. ok.
    aber wenn ich einfach zu viel "abgehe"?
    ich habe ehrlich gesagt schon ewig nicht mehr ein ganzen gig spielen müssen, sei es solo oder mit einer bigband/combo (nur am bass) und ich habe die befürchtung, dass ich das auch konditionsmäßig gar nicht durchstehen würde.

    ich hab so viel zu sagen, am sax, bin aber im moment noch nicht 100%ig in der lage es durch melodien auszudrücken. und das kompensier ich mit kraft. nicht unbedingt mit lautstärke, aber mit kraft, bewegung, intensität ...

    ich muss sagen, dass ich diese musiker, die ultra-cool den krassesten virtuosen kram spielen tierisch finde. aber die, die ihr inneres beim spielen durch bewegung o.ä. ausdrücken kommen ehrlich gesagt bei mir besser an. ehrlicher.

    nun gut, viel gerade - wenig nutzen.

    bin üben. :)
     
  6. Gast

    Gast Guest

    Geschmacksache. Ein Blindtest würde Dir Aufschluß darüber geben, ob Dich die Optik des "Abgehens" - eben der in Jazzerkreisen (und bei Rockern) sehr verbreitete Habitus der nach außen gekehrten Innerlichkeit mit gequälten Grimassen und körperlichen Verbiegungen - mehr anmacht als die Musik. Ich behaupte, daß dieser Habitus (zumindest zum größeren Teil) abgeguckt und angelernt ist, so daß diese "Show" genauso unehrlich SEIN KANN wie ein supersauschnelles Fingergewusel auf dem Horn.

    Gruß, Pudow
     
  7. schluesselpapst

    schluesselpapst Ist fast schon zuhause hier

    Ich bin für emotionsloses Üben bei technisch schwierigen Abläufen. Ich nehme mir fix ein Ziel vor und dann übe ich so lange bis es 100 Prozent so sitzt, wie die Vorgabe war. Wenn man sich gehen lässt und abweicht, dann kommt man nicht ans Ziel. Vielleicht führt es wo anders hin, aber nicht zu dem ursprünglichen Ziel. Akademisches Üben lässt keinen Freiraum und keine Gefühle zu.
    Gruß
    Schlüsselpapst
     
  8. coolie

    coolie Strebt nach Höherem

    Auch ich denke, dass beim Üben das Ziel immer "Kontrolle" heißen muss. Das Emotionale kommt m.E. ohnehin erst ganz spät ins Spiel, wenn ich die Theorie, das Instrument und die Technik voll beherrsche. Zwischen Üben und Auftritt würde ich also immer unterscheiden.

    Gruß
    Uli
     
  9. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Aussagen in Büchern allgemein zu deuten ist immer heikel, vor allem wenn sie noch in pädagogischen Lehrmitteln stehen. Wenn Liebman dies in seinem Buch so oder auch ähnlich schreibt, dann kann es sicher nicht für die gesamte Leserschaft die absolute Heiligkeit darstellen. Denn es gibt auch Leute, die gerne arbeiten und für die technische Übungen ein Genuss sind. Da stellt sich doch ernsthaft die Frage, ob diese den Spass an der Sache ablegen sollen und ihre Übungsmotivation auf den Typus "Wochenendlustiger und Montagsgefrusteter" umpolen sollen... ;-)

    @gadde:
    Meine Meinung zu deinem Anliegen: Wenn du aus technischen Übungen Musik herauskitzeln kannst, dann tu dies! Denn Melodien in Stücken sind eigentlich nichts anderes als ein buntes Mosaik von Parts, die man aus den technischen Übungen kennt (Arpeggien, Vierergruppen, Dreiergruppen usw.) Und wenn die Elemente im Rohbau (technische Übungen) schon nach Musik tönen, dann hast du sicher beim Spielen von Stücken keine Probleme, die wichtige Musikalität einfliessen zu lassen.
    Wichtig ist einfach - und ich wiederhole dies gerne immer und immer wieder, weil ich immer und immer wieder an solche *Missstände* herankomme - dass das Üben trimetral abläuft: Gehirn (Befehl, Legislative...), Muskulatur (Ausführung, Exekutive...) und Gehör (Kontrolle, Judikative...) sind IMMER ZU GLEICHEN TEILEN AM ÜBEN BETEILIGT.
    Geht bei dir wie du beschrieben hast deine Konzentration weg, dann profitieren zwar Finger und Musikalität. Aber das Gehirn ist ausgeschaltet und das Gehör kontrolliert eventuell nur noch vermindert. Wenn man wirklich 100% beim Üben profitieren will, dann darf vor allem das Gehirn nicht ausgeschaltet sein. Denn diese Befehls-Denkerei macht einen kompetent über das gespielte Material und man hat bereits für andere Bereiche (z.B. ist Improvisation über Funktionsharmonik ziemliche Kopfarbeit) geübt.

    Übrigens: Ich übe gerne und versuche da immer das Produkt *Musik* im Vordergrund zu halten. Eine Tonleiter kann wie von Erstklässlern auf der Blockflöte gespielt werden, oder dann auch auf eine Art mit Spannungsbögen und Musikalität. Ich bevorzuge eindeutig die Musikalität ;-) Jedoch immer mit dem Vorhaben, die drei Bereiche des trimetralen Übens ausgeglichen einzusetzen.
     
  10. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    Melodien, Skalen, Arpeggien, zusammen mit Phrasierung, Tonbildung und Rhythmik stehen ja nie alleine, sondern immer in einem musikalischen Zusammenhang. Von daher kann man sie m.E. gar nicht "isoliert" lernen.

    Üben als "Arbeit" zu empfinden finde ich genau so verkehrt, wie nur dem Spaßfaktor zu fröhnen.

    Daraus resultierend übe ich folgendermaßen: Ich möchte bspw. gerne eine Folge von Tönen (Melodie, Arpeggios oder was auch immer) in einer mir schwierigen Tonart schnell spielen können.

    Erst mal fingere ich das dann mal ganz langsam durch, Ton für Ton, versuche ein Finger- und Ansatzgefühl für die Tonfolge zu bekommen.

    Dann kommt bei mir immer das musikalische zur Geltung. Ich versuche mir vorzustellen, in welcher Musik, und in welchem Zusammenhang die Phrase vorkommen könnte, und baue mir daraus eine Übung.

    Diese baue ich so, dass die Musik dem entspricht, was mir Freude macht, und so erreiche ich, dass mir auch das Üben Freude macht.

    Mit der Zeit steigere ich Tempo und verändere ich Lautstärke und Phrasierung, ggf. wird die Figur noch komplexer.

    Vielleicht gibt es Methoden, die die Übungszeit effizienter nutzen, das kann wohl sein, aber ich habe auf diese Weise einen für mich gut funktionierenden Mittelweg zwischen Effizienz und Spaß gefunden.

    Bei der Gelegenheit fällt mir eine sehr effiziente Methode des Übens ein. Man dudele eine typisch leichte Phrase in einer leichten Tonart. Man merke sich diese, und dann spiele man sie sukzessive immer einen Halbton höher, genau so, und als Ziel auch genau so schnell wie in der einfachen Tonart, bis man da wieder angekommen ist, wo man gestartet ist, allerdings dann eine Oktave höher. Natürlich alles im Kopf, notieren gilt nicht. Ist ungeheuer anstrengend, und kann auch ziemlich frustrierend sein, aber auch ganz viel Freude machen.

    Gruß,
    xcielo
     
  11. bluecomedy

    bluecomedy Kann einfach nicht wegbleiben

    mir geht es genauso, jedoch zwinge ich mich, das stück vorher einmal technisch orientiert durchzuspielen und dann abzugehen ;)
    dann hat man auch viel mehr spaß beim "abgehen"
    gruß
     
  12. volkerkaufmann

    volkerkaufmann Ist fast schon zuhause hier

    Wenn du schon bei Tonleiterübungen abgehst, was machst du dann bei einem richtigen Lied?
    Ich denke, daß es nicht gut ist in Übungen Emotionen reinzupacken, erst echt nicht, wenn das automatisch passiert.
    Dann wirst du irgendwann dazu neigen deine Lieder völlig mit Effekten zu überladen, weil du völlig unkontrolliert spielst.
    Erst wenn man ein Vibrato bewußt und ganz gezielt einsetzen kann, wird man ein guter Spieler.
    Alles andere ist nur Effekthascherei, wie man es zu 80% auf allen Jazzsessions erlebt.
     
  13. the_ashbird

    the_ashbird Ist fast schon zuhause hier

    ich finde es schon eine durchaus gute übung, auch tonleitern oder arpreggios oder so mit gefühl, verschiedenen phrasierungen, verschiedenen rythmen, etc. zu üben...natürlich konzentriert...aber ich krieg dadurch mit spielen merklich mehr gefühl und vorallem variation ins spiel...das macht meiner meinung nach sehr sehr viel aus...vor allem, wenn man so wie ich, mit effekten wie vibrato, growling ua noch nicht bewandert ist...

    lg phi
     
  14. Brille

    Brille Strebt nach Höherem

    Technikübungen sollten relativ "emotionslos" einstudiert werden, um das Übeziel tatsächlich erreichen zu können und nicht die Übung an sich bereits zu verfälschen. Meine ich.
     
  15. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    ich habe die Erfahrung gemacht, dass es völlig verschiedene Dinge sind, die gleiche Folge von Tönen in verschiedenen Musikrichtungen zu spielen, also bspw. Klassik, Jazz oder Salsa. Ja selbst die gleiche Musikrichtung, aber unterschiedliche Tempi oder Phrasierungen machen einen großen Unterschied.

    Meine Lehre daraus ist, dass man das Technische nur begrenzt vom Musikalischen trennen kann.

    Ich übe daher heute nur die absoluten Basics "unmusikalisch", alles Weitere dann in der Vorstellung eines musikalischen Zusammenhangs.

    Ist natürlich zeitaufwendig, da man das Gleiche u.U. mehrmals üben muss, aber anders geht es m.E. nicht.

    Gruß,
    xcielo
     
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