Musiklehrer, die armen

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Gast, 18.September.2013.

  1. saxhornet

    saxhornet Experte

    Meine Erfahrung ist, daß es meist bei den Berufsmusikern viel Unwissenheit über Steuern und Abgaben gibt, die häufigsten Hinterziehungen, die ich erlebt habe, aber bei den Amateuren zu finden waren.

    Viele "Profis" organisieren ihre Bands mittlerweile per GbR, weil sie es meist a) von Rechts wegen eh schon sind und b) so das Thema KSA zumindest bandintern umgangen werden kann. Wer als Musiker versucht Geld am Fiskus vorbei zu schleusen muss schon sehr geschickt sein. Ich kenne Fälle von Kollegen, wo dann sogar bei einer Steuerprüfung die Kalender eingezogen wurden und nachher sogar jede Anfrage als Gig gewertet wurde und dann eine Steuerschätzung durchgeführt wurde, das will keiner mehr riskieren.
    Jeder der in der Musik seinen Kopf noch zusammen hat versucht da dem Finanzamt nichts vorzuenthalten. Leider sind die Regeln so ein Wirrwarr und so konträr auslegbar, daß man oft der Gnade eines Steuerbeamten unterworfen ist. Recht haben und Recht bekommen sind unterschiedliche Dinge.

    Berufsmusiker haben heute mit vielem zu kämpfen. Alles wird teurer, nur sie verdienen kaum mehr Geld als früher, denn die Gagen werden niedriger, es können weniger Schüler unterrichtet werden, wegen der Einführung von Ganztagsschulen (wodurch man nicht mehr so viele Schüler an einem Tag unterrichten kann, wie es notwendig wäre) und im Rahmen der Technisierung muss der Musiker (wie die meisten Selbstständigen) immer mehr Aufgaben selbst übernehmen, weil er sie aus finanziellen Gründen nicht mehr auslagern kann (Booking, Buchhaltung, Werbung, Marketing, etc.). Dann konkurriert er auch noch bei Schülern und Auftritten (und wir reden nicht vom Auftritt in der Kneipe um die Ecke, sondern Firmenveranstaltungen) mit Amateuren, die das alles für einen Bruchteil des Preises aber teilweise bei erschreckender Qualität abliefern. Den Zuhörern und Schülern ist das aber egal, denn entweder kann es eh nicht beurteilt werden oder es ist wichtiger, daß es billig ist.
    Eins ist bei den meisten Berufsmusikern (und wie so vielen anderen kleinen Selbstständigen) in diesem Land sicher: Altersarmut.

    Lg Saxhornet

     
  2. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    OT: Sarkasmus?
    Weisst Du, wir lange Du mit einem alten Benzinfresser fahren kannst, bevor Du den Ressourcenverbrauch eines neuen erreicht hast?

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  3. Gast

    Gast Guest

    betrachten wir's doch mal andersrum.

    wie lange muss ein musiker studieren?
    dann ist er quasi geselle und muss sich beweisen um an eine art meistertitel zu kommen.

    wenn der dann öffentlich brilliert und falsch (hörbar) spielt, und das unter umständen ab und an, ist sein ruf angeschlagen.


    wie lange muss ein ra studieren - erste, dann zweite staatsprüfung
    ..ihr wißt schon was kommt... und vergeigt mehrrere prozesse, hat er sein gehalt und der klient nicht das was er wollte.

    wie lange muss ein arzt studieren, um geselle zu werden, um dann meister zu werden (im übertragenem sinne) und er vergeigt auch etwas....hm
    das war die natur.

    und jetzt beleuchten wir wieder einmal die einkommessituation.

    mehr will ich dazu nicht sagen.
     
  4. rbur

    rbur Gehört zum Inventar

    Ich hab 7 Jahre studiert und mache jetzt was ganz anderes, für das ich weder eine formale Ausbildung noch einen anerkannten Abschluss habe. Was würdest du mir zahlen?
     
  5. abraxasbabu

    abraxasbabu Ist fast schon zuhause hier

    Würden Musiker sich organisieren dann bekämen sie auch mehr Geld und bessere Bedingungen. Muß ja nicht gleich Bundesweit sein. Einfach mal in einem Ort anfangen. Sich über die Situatiuon auszuweinen bringt keine Änderung.Dazu braucht es eine Organisation welche die leute solidarich unterstützt. Es ist so einfach aber kaum wer traut sich. Dabei bringt es immer Erfolg.
     
  6. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Denke ich auch. In den USA gibt es doch eine recht effektive Musikergewerkschaft.
     
  7. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Abraxas,

    die Gruppe ist zu heterogen und zersplittert. Es dürfte schon schwierig sein ALLE Profimusiker in einer Region zusammenzuschließen.

    Die Amateure, die da unterwegs sind und die Preise "kaputt" machen, wirst Du nie einbeziehen können.

    Außerdem werden Jobs häufig auch im Internet ausgeschrieben. Dann meldet sich eben ein Profi aus der Nachbarstadt und macht es 30% günstiger.

    CzG

    Dreas
     
  8. abraxasbabu

    abraxasbabu Ist fast schon zuhause hier

    Anfangen, einfach anfangen.
     
  9. Gast

    Gast Guest

    Ja, Abraxas, da stimme ich Dir zu!

    Leider aber hat der Organisationsgrad nach meiner Einschätzung bei den Abhängigen (dazu zähle ich jetzt auch die armen Musiklehrer) abgenommen, während die Macht der Arbeitgeberorganisationen nicht rückläufig ist, sondern diese ihre Interessen deutlich wirkungsvoller vertreten.

    Also ist anfangen schon der richtige Ansatz. Muss sich nur immer jemand finden,der anfängt.

    Und wenn Euch die armen Musiklehrer am Herzen liegen, organisiert doch einfach in Eurer Region mal den einen oder anderen Workshop. Dann haben sie ein Zuatzeinkommen. Ich weiß, wovon ich rede. :-D

    Herzliche Grüße,

    ich hatte hier heute tagsüber 25°,

    Joe




     
  10. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Bei uns gibts die hier Musicians Union, eine der ältesten Gewerkschaften im Lande...
    LG Juju
     
  11. abraxasbabu

    abraxasbabu Ist fast schon zuhause hier

    IWW nimmt alle die sich selbst organisiewren wollen mit offenen Armen auf. Es gibt Hilfe beim organisieren aber keine stellvertreterpolitik. Machen müssen das die Leute schon selbst. Gibt allerdings eine gute Schulung wie man organisiert. Einfach anfangen und den ersten Schritt gehen.
     
  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wer glaubt es wäre so einfach eine Art Gewerkschaft zu gründen, der steckt nicht in der Materie. Es gibt bereits Verbände und Vereine, die politisch aktiv sind. Die Resultate sind aber trotzdem gering. Das liegt aber nicht unbedingt an den Verbänden sondern auch an dem mangelndem Interesse in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Leute sehen nur die Kosten aber nicht wie die Kosten entstehen und warum entsprechende Preise notwendig sind.
    Hinzu kommt, daß es eine Sache der Unmöglichkeit ist, alle Lehrkräfte in eine Art Verband zu bekommen, schon weil sich die Frage stellt, wer soll da rein? Die Ausgebildeten oder auch die ohne Ausbildung, auch die, die es nebenberuflich mit oder ohne Ausbildung machen???? Für wen sollte der Verband sein? Wessen Interessen sollten vertreten werden, denn die sind nicht alle gleich. Wenn er offen für alle ist, was sollte das Ziel sein? Wenn es um Lobbyarbeit gehen soll, die kostet richtig grosses Geld und muss für die Angesprochenen attraktiv sein in Folge. Wer will aber schon einen Aufsichtsratposten in einer Band, Musikschule oder Musikverband nach seiner politischen Karriere? :-D Es gibt auch immer genug "Musiker" die das umgehen würden, um mit entsprechenden Preisen sich in eine bessere Position zu bringen. Niemand kann Jemanden zwingen da mitzumachen. Und in anderen Ländern, geht es den Musikern, trotz irgendwelcher Musikergewerkschaften, auch nicht besser.

    Lg Saxhornet
     
  13. Ginos

    Ginos Strebt nach Höherem

    Hi Saxhornet,

    auch hier gebe ich dir uneingeschränkt recht.

    Als bei mir die Berufswahl anstand hatte ich auch überlegt Musik zu studieren.
    Glücklicherweise habe ich mich auf etwas anderes konzentriert und kann jetzt Musik als mein Hobby geniessen.

    Wenn ich gefragt werde, soll ich es tun" Musik studieren", rate ich folgendes.

    Wenn du unbedingt Musik mit Prio machen möchtest, vesuche Lehrer oder Lehramt zu studieren mit Schwerpunkt Musik (falls es das gibt). Lehrer werden in Deutschland ausgezeichnet entlohnt. ... nebenbei bleibt genügend Zeit für das schönste Hobby der Welt.

    Nur so mal als Ansatz ...

    Gruß
    Ginos
     
  14. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich weiß zwar nicht, wie man sowas gründet, wenn es nicht schon existiert, aber ich denke schon, dass die MU hier doch einiges bewirken kann. Hier z.B. kürzlich in Bezug auf den Licencing act oder der Erfolg bei den Verhandlungen bei den Airlines und Musikinstrumenten. Hier gibt es z.B. auch eine Art schwarze Liste mit Veranstaltern/ Venues, die in der Vergangenheit Probleme bereitet haben, z.B. Gagen nicht bezahlt haben, und bei denen man unbedingt die MU kontaktieren soll, bevor man da irgendwas unterschreibt. Die MU hilft auch mit Anwälten beim Einklagen einer Cancellation Fee, wenn z.B. einem Musiker eine Tour kurzfristig abgesagt wird und er dadurch einen Riesenverdienstausfall hat. Es gibt viele nützliche Dinge, die die MU macht, ich halte sie für eine sehr wichtige Institution.

    Lg Juju
     
  15. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Frag mal einen angestellten (nicht verbeamteten) Lehrer in Berlin Neukölln nach Verdienst und Arbeitsbelastung. Ich glaube, du hast ein nicht ganz differenziertes Bild dieser Berufsgruppe.
     
  16. Gast

    Gast Guest

    hmmm. bin in einem musikerhaus geboren worden, paps machte bei den amis musik und eigentlich gutes geld, arbeitete aber tags in einem kfm-beruf.

    was bin ich froh dass ich mich auch seinerzeit dafür entschieden habe NICHT musiker zu werden und es aus freude zu betreiben.

    meine sammlung wächst - als musiker müsste ich mich womöglich entscheiden, ob ich mal wieder das pfandleihhaus besuche und für den nächsten gig, mit kohle eines freundes das teil wieder auslöse um es dann WIEDER abzugeben.

    ich gehe eigentlich bei keinem strassenmusiker vorbei, ohne den berühmten wurf zu machen.
     
  17. abraxasbabu

    abraxasbabu Ist fast schon zuhause hier

    Seit meiner Lehre bin ich organisiert. Und immer konnte ich die Bedingungen zum guten ändern. ist doch ganz leicht.
    Mann mus es nur machen. Aber Menschen sind halt merkwürdig. Lieber gehen sie unter anstatt schwimmen zu lernen.
     
  18. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ Abraxas

    Ich stimme Dir zu. Organisieren ist wichtig. Machtbalance schaffen.

    Es braucht eine Gallionsfigur, um gehört zu werden. Dann viele Mitglieder,
    über die, für jeden überschaubar, genügend Mittel zusammen kommen, um in dem Kommunikationsoverkill durchzudringen....

    CzG

    Dreas
     
  19. Rick

    Rick Experte

    Für klassische und studierte Musiklehrer gibt es den Tonkünstlerverband (dort ist meine Frau Mitglied, deshalb bekomme ich da einiges mit), für "Popularmusiker" den Deutschen Rockmusikerverband, dem ich angehöre.

    Beide sind recht aktiv, wenn es um die Wahrnehmung von Rechten, die Unterstützung von Mitgliedern (z. B. bei Rechtsstreitigkeiten) oder Lobbyarbeit in der Politik (z. B. DRMV zur GEMA-Reform oder DTKV gegen die Schließung von Musikhochschulen) geht.

    Aber eine GEWERKSCHAFT ist nur sinnvoll, wenn ihr alle Musiker angehören MÜSSEN, denn nur so kann man wirklichen Druck ausüben.
    Sobald es eine Gruppe drinnen und eine draußen gibt, können Absprachen ausgehöhlt oder ganz ad absurdum geführt werden.

    Ein gerne von mir erwähntes Beispiel:
    Im Rahmen der Mannheimer IG Jazz wurden in den 1990er Jahren Mindestgagen ausgehandelt, die kein Mitglied unterbieten wollte.
    Trotzdem gab es nach einiger Zeit plötzlich im "Jazzclub 2000" Konzerte, bei denen Quartette eine GESAMTgage von lediglich 200,- DM verlangten - es handelte sich um Studenten des damals neugegründeten Fachbereichs Jazz der örtlichen Musikhochschule.
    Auf die empörte Frage des IG-Jazz-Vorstands, was dieses Preisdumping denn solle, hieß es seitens eines Saxofon-Dozenten (ich mag den Namen nicht nennen), es handele sich ja um keine "fertigen" Ensembles, sondern um Projekte fürs Studium, die einfach Auftrittserfahrung sammeln müssten.
    Der Hinweis, damit würden allen ansässigen Jazzern die Gagen verdorben, wurde mit dem tollen "Argument" abgeschmettert, für ihn, den festangestellten Hochschulprofessor, seien sowieso alle Musiker mit einem Jahresverdienst unter 40.000 DM keine Profis, sie sollten sich lieber einen anderen Job suchen, anstatt selbstmitleidig rum zu heulen. :roll:

    Das zeigt meiner Ansicht nach sehr schön, dass die Probleme, die Musiker heutzutage haben, sehr oft selbst gemacht sind, und zwar von ignoranten "Einzelkämpfern", die nur an sich und ihren kurzfristigen Vorteil denken, nicht aber an die Auswirkungen auf Kollegen, den Markt und letztlich die Gesellschaft.
    So lange Musiker sich vorwiegend um sich selbst kümmern, kann und wird sich nichts verbessern, sondern nur alles verschlimmern.

    Das Problem liegt sicher auch an der zu großflächigen Hochschulausbildung.

    Wer nahm früher ein solches Studium in Anspruch?
    Zumeist derjenige, der dann später mit dem entsprechenden Diplom an einer staatlichen oder zumindest offiziellen Einrichtung tätig sein wollte, wie einem Rundfunkorchester, einem Opernhaus, einem städtischen Theater, einer Musikschule, einem Konservatorium.
    Zu keiner Zeit benötigte man ein Diplom, um in Jazzclubs aufzutreten oder mit Rockbands zu touren.

    Heute hingegen rennt fast jeder junge Nachwuchsprofi mit einem Studienabschluss in der Tasche rum, doch gleichzeitig wurden weitgehend die Rundfunkorchester abgeschafft, die kommunalen Musikeinrichtungen begrenzt und fast alle Festanstellungen gestrichen.
    Mehr Hochschulen, mehr Ausbildungsplätze bei gleichzeitigem Abbau der Profi-Jobs, was soll der Schwachsinn? :-o

    Jetzt streiten sich mehrere überqualifizierte Bewerber mit Diplom und umfangreicher Weiterbildung um eine Honorarstelle an einer popeligen Mini-Musikschule, virtuose Solisten tingeln durch die ländlichen Festivals zu Hungerlöhnen, gefeierte Opernsänger müssen in der oft mehrmonatigen Übergangszeit zwischen ihren kurzfristigen unterbezahlten Engagements ALG II beantragen.

    Das ist eine gigantische Fehlentwicklung, es brennt an allen Ecken und Enden!

    Wenn Staat, Länder und Kommunen kein Geld mehr für Kulturstellen ausgeben möchten, dann sollten sie auch konsequent die Musikhochschulen schließen, anstatt weiterhin jedes Jahr hunderte Absolventen ohne reelle Zukunftsperspektive auf den Markt zu schmeißen.

    Dann wär's irgendwann wieder wie früher, als nur derjenige Berufsmusiker wurde, der in sich wirklich das heiße Drängen, die künstlerische Flamme spürt, der nicht anders leben kann und will.
    Und nicht derjenige, der vor allem auf eine nette Anstellung mit regelmäßigem Einkommen und Rentengarantie spekuliert, der aber auf der freien Wildbahn als selbstständiger Künstler keine echten Überlebenschancen hat... :-(


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  20. Gast

    Gast Guest

    danke Rick, für den bericht aus erster hand.


    mir fällt, leider nur ein wort gleich mehrfach ein, das mit A beginnt zu den herren. - sorry
     
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