Nach außen hören

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Mugger, 17.November.2013.

  1. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ich muss Euch in meiner Stunde Pause, die ich heute zwischen erstem und zweiten Gig hab, was schreiben, weil es mich sehr beschäftigt.
    Der zweite beinhaltet leider 330km Fahrt......

    In meiner letzten Saxophonstunde habe ich mit meinem Lehrer darüber gesprochen, dass ich vermeiden soll, beim Spielen sozusagen in mich reinzukriechen, nur auf den Sound zu hören, der aus meinem Horn kommt, nur auf den "Kickback", den das Horn liefert.

    Anstatt dessen solle ich versuchen, meinen Sound im Raum wahrzunehmen, wie er von den Wänden, vom Boden zurückkommt, also sozusagen "aus mir heraus" zu spielen.

    Ich hab heute bei meinem Sologig am Morgen mal wirlich bewusst drauf geachtet (neben zwei, drei weiteren Dingen), und es war wirklich ein Unterschied wie Tag und Nacht.
    Punkt eins habe ich mich gefreut, wie gut ich klinge, Punkt zwei ist es mir viel leichter gefallen, stimmige Improvisationen zu spielen, "auf meine Muse" zu warten, mehr Pausen zu lassen.
    Außerdem habe ich mich signifikant "entkrampft", ich hab jetzt zweieinhalb Stunden solo gespielt und fühl mich fit wie ein Turnschuh (naja, fast), hatte das Gefühl, dass ich weniger machen muss.
    Vielleicht kann ja der/die eine odere andere mit dem Gedanken was anfangen :)


    Schönen Sonntag,

    Guenne



     
  2. Gast

    Gast Guest



    Mugger schrieb:
    Moin Mugger!

    Vielen Dank, dass du uns teilhaben lässt an deiner "Entwicklung" hin zum total entspannten Musiker! :-D

    Es wird bestimmt Situationen geben, in denen ich mich an das von dir Erfahrene, erinnern werde!

    Dann muss ich es nur noch umsetzen!

    Liebe Grüße,
    Ww.




     
  3. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Moin Mugger,

    ohne dass es mir bisher so bewusst war, teile ich Deine Erfahrung. Wir haben vor einigen Jahren zwei Gigs "Jazz meets Organ" gehabt, Aufführung in zwei sehr unterschiedlichen Kirchen. Die eine der traditionelle Stein-Hallenbau (mit ganz viel Hall), die andere eine Holzkirche mit Superakkustik. Abgesehen davon, dass das Spielen in der nicht überakkustischen Holzkirche viel weniger Aufmerksamkeit auf die Mitmusiker (vor allem Orgel) forderte, spielten wir in der besseren Akkustik völlig anders. Dazu kamen dann noch die Dinge, die man unter Atmosphere zusammen fassen könnte (empfundene Temperatur, verfrorenes vs. entspanntes Publikum etc.)

    Aber, wie machst Du das, dass der Kickback für Dich nur aus dem Horn kommt? Das kann ich gar nicht so trennen; für mich kommt da immer ein Sound zurück, der stark vom Raum abhängt. Deshalb übt man ja auch gerne vor großen Fenstern - gut das ist dann der Kickback vom Horn fast pur :)

    Das was Du im Feinen (Rückgabe des Raums) beschreibst, gilt für mich auch ganz extrem im Groben: Das ist mein Problem mit Playalongs, die reagieren überhaupt nicht, da kannst Du aus dem Rhythmus fallen oder sie mit gewagten Tönen anhupen ...... nix, die machen weiter, als sei nix geschehen :-(


    keep swingin´




    Dein Saxax

     
  4. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ja, das Problem mit dem Play-Alongs kenne ich :)

    Als ich mit meinen Lessons begonnen hab (da war es recht extrem) und auch jetzt noch manchmal - wenn ich nicht aufpasse - "versinke" ich sozusagen in mich, statt präsent zu bleiben.

    Das äußert sich körperlich in einem recht starren Blick :), und passiert auch manchmal beim Üben.
    So eine Art "Geistiges Versteifen".

    Mit Kickback (ich hab den Begriff vielleicht gedankenlos verwendet, es gibt eine Passage im Buch "The Devil's Horn", wo John Handy ihn verwendet und über Saxophon und Gesundheit spricht) meinte ich das, was das Horn an Inforumation direkt liefert, ohne Umweg über den Raum.

    "When a player blows into a saxophone, he sets off a continual process of vibratory call and response between him and the hunk of metal in his hands, John says.
    The "kickback" travels back through the cranium into the inner ear, which determines whether the sound is flat or sharp, enabling the player to make minor adjustments in embouchure to bring the horn into tune. But the kickback also travels through the rest of the body.
    And because the body is already vibrating from the simple act of breathing and being alive you hae these two vibrating entities that have to be connected. When they're out of phase, it's like a differential tone is produced and you stress the body."

    Liebe Grüße,
    Guenne





     
  5. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Mugger,

    ist das "Geistiges Versteifen", oder eher eine Art Meditation von der mit mein Lehrer berichtet, und die ich allmählich beim Üben von manchen Etüden vermeine zu verspüren?

    Geistiges Versteifen belege ich negativ.
    Meditation, Versinken im Spiel belege ich positiv.

    Grüße,

    Rüdiger
     
  6. Toffi

    Toffi Strebt nach Höherem

    Guten Morgen,

    so eine Aufgabe mussten wir gestern mit dem Saxophonquartett auch bei einem Konzert in einer sehr halligen Kirche bewältigen:

    Beim Einspielen taten wir uns zunächst sehr schwer mit dem gegenseitigen Hören, erst nach einer gewissen Gewühnungszeit und vor allem bewusstem Umschalten des Hörens auf eine weitere Klangumgebung wurde es einfacher.

    Vor einigen Jahren las ich aus einem WDR-5-Report sehr interessante Ausführungen darüber, dass auch beim Singen die Resonanz des eigenen Körpers wie eine Art "Aura" ca. 50 cm um den Körper schwingt.
    Mir fällt jetzt keine bessere Formulierung ein, ich hoffe, das ist so verständlich - jedenfalls habe ich seitdem in meinen Chören immer wieder die wunderbare Erfahrung gemacht, dass das Klangvolumen der gesamten Gruppe enorm vergrößert wird, wenn sich alle über diese erweiterte Körperresonanz bewusst sind.
    Das ist ja sehr vergleichbar: wenn ich mir klar mache, dass mein Klangkörper nicht mit der Außenhaut endet, sondern dass der Luftraum rundherum noch dazu gehört, dann erweitere ich ja automatisch auch das Gehör...so quasi automatisch hat es jedenfalls bei mir funktioniert...war vielleicht auch einfach nur Glück...

    Herzliche Grüße

    Toffi
     
  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das geht aber nicht immer, manchmal ist das Gegenteil wichtig und notwendig. z.B. bei einem lauten Gig wo Du Dich nicht gut oder fast gar nicht hörst, da musst Du in Dich kriechen um Dich wahrzunehmen und ein paar äussere Einflüsse eingrenzen sonst weisst Du gar nicht mehr was Du tust, denn es gibt nichts vom Raum was zurück kommen könnte.

    Beide Fähigkeiten sind wichtig, gut und hilfreich.

    Lg Saxhornet

     
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Hi,

    Klar, man redet hier von der perfekten Welt der zuhörenden Musiker.
    Was Du erwähnst ist völlig klar, und für mich auch kein Problem.
    Das bin ich ja gewohnt.

    Liebe Grüße Guenne
     
  9. Toffi

    Toffi Strebt nach Höherem

    ja,

    und den richtigen "Filter" zur richtigen Zeit einzusetzen, ist eine ewige Herausforderung :)
     
  10. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Auch wenn ich noch eine Anfängerwanze bin, finde ich das einen sehr inspirierenden Gedanken - wenn ich das so sagen darf.

    Mir fallen dazu spontan zwei Dinge ein :
    - Mein Lehrer hat mal eine Übung erwähnt, bei der man [d]sich bemüht[/d] nee falsch, bei der man seinen Ton einfach mag. Sich selbst zuhört und seinen Sound gut findet. Ich kann mir vorstellen, dass so eine Übung enorm hilft, aus sich herauszugehen. (Kein Ton klingt schlechter, als wenn ich so schüchtern in mein Horn puste.)
    - Heute war ich bei meinem Sohn (9 J.) dabei, der hat ebenfalls bei meinem Lehrer Unterricht. Dabei ist mir wieder aufgefallen, wie gut er (der Lehrer, nicht mein Sohn) klingt, auch wenn er ein einfaches Kinderlied vorspielt. Ich will nicht sagen, dass er sich um einen guten Ton bemüht, aber er kultiviert einen guten Ton, auch in Situationen, in denen es eigentlich nicht notwendig ist. Ich glaube, das zu können, zu hören und zu praktizieren bringt einen unglaublich vorwärts.

    Grüße,

    Wanze
     
  11. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    http://billplakemusic.org/2013/08/03/your-sound-hearing-what-is-there-instead-of-listening-for-what-is-not/

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  12. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Bingo!
    Nur dass ich mein zweiter-Hand-Wissen nicht so gut ausdrücken kann.
    Wenn mein Lehrer nicht bei Deinem Lehrer Unterricht gehabt hat, dann muss Dein Lehrer bei meinem in die Schule gegangen sein :-D

    Wanze

    PS: Danke für den Link! Ich lese immer wieder gerne solche Gedanken, auch wenn ich es für mich bei weitem noch nicht gut umsetzen kann.
     
  13. noten-schussel

    noten-schussel Ist fast schon zuhause hier

    Ich kenne den Unterschied, wenn ich einen Ton im Körper halten will, oder wenn ich versuche, alles auf dem direktesten Weg nach außen zu transportieren.

    Bei ersterem bildet sich eine Art von Latenz, die alle Abläufe verzögert und gegen die man ankämpfen muss. Der Ton wird kleiner. Improvisationen wirken dann z.T. eher gequält, bzw. sind von geistiger Anstrengung anstatt Spiellust geprägt.

    Im zweiten Fall wird, quasi latenzfrei, alles sofort herausprojeziert und alle Abläufe funktionieren automatisch. Das Gehirn scheint schneller und stöungsfreier zu arbeiten. Man spielt deutlich inpirierter.

    Problem: durch gewisse technische Unzulänglichkeiten, z.B. ein Altissimo-Ton kommt dreimal hintereinander nicht, o.ä., fällte man schnell in den ersten Modus und tut sich schwer wieder in den zweiten, besseren Modus zu kommen.
    (Man bewegt sich dann quasi im "abgesicherten Modus", bei dem nicht alles verfügbar ist)

    LG, Norbert
     
  14. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ja, schön gesagt.

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  15. ppue

    ppue Mod Experte

    Jipp, sich im Raum zu hören ist ne gute Sache, aber das

    ist ein wenig untergegangen und liegt mir immer sehr am Herzen: Nur wer Pausen zwischen seine Tönen und Phrasen macht, Zeit für sich selbst (und auch das Publikum) lässt, dem Gespielten nachzuspüren, kann in einen Dialog mit sich selbst kommen.
    Weniger ist also oft mehr. Spiele erst, wenn du was zu sagen hast und höre darauf, wie es wirkt. Dann lässt du dich von der Muße ziehen. "Datt" ..., ein Ton auf die Eins und warten, was er mit dir macht. Kann man locker zwei Takte durchstehen die Spannung, die dieser eine Ton im Raum hinterlässt. Je länger die Pause danach, desto mächtiger wird der eine Ton und alles, was man danach auch spielt, wird sich unweigerlich auf diesen ersten Ton beziehen.
     
  16. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Die Muse namens Miles lässt grüßen.
     
  17. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    diesen an und für sich guten Gedanken (den ich auch übenderweise verfolge) würde ich aber in jedem Fall im Proberaum lassen.

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
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