Nochmal Mundstückübungen - Erlebnisse und Fragen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von hanssax, 22.Oktober.2021.

  1. hanssax

    hanssax Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Zusammen,

    Wer sich mal mit Mundstückübungen befasst hat, weiss, dass dies in eine akustische Kampfzone führt und das gilt wohl besonders für Sopranmundstücke. Ich hab immer nach wenigen Minuten direkt Belag auf den Trommelfellen. Dazu kam mir die Idee, Gehörschutz anzulegen, und zwar solche Mickeymäuse, die das ganze Ohr abschirmen, wie Kopfhörer ohne Kabel.

    Dadurch wird nicht nur insgesamt der grausame Pegel auf ein erträgliches Maß reduziert, sondern die Zusammensetzung der Schallkomponenten scheint sich zu ändern. Zwei Komponenten sind unterscheidbar:
    1. Das, was das Mundstück in den Raum emittiert. Ein recht greller, schriller, furchtbarer Ton.
    2. Das, was über die oberen Schneidezähne in die Resonanzräume des Schädels gelangt. Ein eher summender, sonorer Ton, etliche Oktaven tiefer als unter 1..

    Das Thema "Mundstückübungen" hat immer etwas Geheimnisvolles, zum einen, weil es kaum Beschreibungen gibt, die Auskunft über das geben, was wirklich dabei vor sich geht und zum anderen, weil man nicht genau verstehen kann, wozu das ganz konkret führen soll. Es bleibt zumindest mir damit alles etwas unklar. Insofern war mein Erlebnis mit den Mickeymäusen interessant, weil nun die oben unter 2. beschriebene Schallkomponente in den Vordergrund trat und ich tatsächlich so, wie es die Anleitungen für Mundstückübungen regelmäßig verlangen, durchaus eine Sexte chromatisch nach unten zu gehen, nur indem ich die Zungenstellung variiere.

    Weiterhin rätselhaft ist allerdings, warum das nicht immer auf Anhieb und zuverlässig funktioniert. Oft muss ich zu Beginn der Übung erstmal in den richtigen Modus kommen, vorher piept und pfeift es wild und unkontrolliert. Plötzlich dann, vielleicht durch eine bestimmte Zungen-/Kiefer-/Schlundstellung kommt der sonore Ton und bleibt dann einigermaßen stabil. Diese Stellung empfinde ich allerdings nicht als natürlich oder entspannt, ich muss mich doch sehr konzentrieren und bemühen und ich kann eigentlich nicht glauben, dass dies wirklich der Modus sein soll, der beim normalen Spielen mit dem Instrument stattfindet. - Vielleicht können die Experten dazu etwas sagen?

    Liebe Grüße
    Hans
     
  2. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Bin kein Experte, aber möchte dir trotzdem meine Meinung mitteilen:

    Piepsgeräusche hatte ich früher auch, aber schon lange gar nicht mehr.
    Ich denke, dass es wirklich daran liegt, wie dein Ansatz/Voicing ist.
    Würde sogar vermuten, dass es für die Profis hier durch die Bank weg auch normal ist, dass sie nicht erst "umschalten" müssen, um auf dem Mundstück allein brauchbare Töne zu bekommen.
     
    hanssax gefällt das.
  3. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Ich habe seinerzeit länger Mundstückübungen (Tenor) gemacht, auch mit diesem Silencer. Gebracht hat das m.E. eigentlich für das praktische Spielen nicht viel- wenn überhaupt. Da waren für mich die Obertonübungen direkt am Horn zielführender. Also Alphornspielen ab tief Bb oder C. Das bringt ganz konkret am Instrument was, punkto Voicing. Aber darüber kann man sich sicherlich trefflich streiten...

    LG
    antonio
     
  4. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Nach langjähriger (mal mehr und mal weniger konsequenter) Beschäftigung finde ich die Mundstückübungen gar nicht mehr ganz so okkult wie am Anfang.
    Ich glaube, die Mundstückübung erfüllt vorrangig zwei Zwecke:

    - Es veranschaulicht einem die Möglichkeiten des Voicings. Denn mit der langen Röhre dran sind die Auswirkungen auf die Tonhöhe ja erstmal nur marginal. Durch die Mundstückübung bekommt man gleich ein viel deutlicheres Feedback über den Einfluss der sonst schwer fassbaren Bewegungen, die Mund- und Rachenraum formen. Dabei kann man sehr gut zwischen Tonhöhenkontrolle durch Ansatzspannung und "dem Zeug weiter hinten und unten" unterscheiden. Und man braucht weniger Stütze, was es nochmal besser trennen lässt als bei Übungen am Horn.

    - Es trainiert enorm die am Voicing und Ansatz beteiligten Muskeln, man spürt es ja auch schon nach kurzer Zeit sehr deutlich, wo es Kraft kostet.

    Ein unerwünschter Nebeneffekt ist, dass man taub wird. Den Silencer finde ich da relativ hilfreich.
    Die Obertonübungen sind für mich dann der nächste Schritt, wenn man es am Mundstück "gecheckt" hat. Jetzt tritt nämlich die Stütze bzw. der "air support" in den Vordergrund neben das Voicing.

    Das mit dem Quietschen könnte damit zu tun haben, dass das Mundstück allein halt einen ganz anderen Widerstand hat. Ich kenne das Problem aber nicht und kann daher nur mutmaßen.
     
  5. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    "From the inside out", Dr.Mark Watkins:

    Bildschirmfoto 2021-10-22 um 12.25.06.png

    Wobei ich das Gefühl habe, dass mir das Erarbeiten einer Dezime oder Undezime schon was gebracht hat - wie gesagt grad im Umgang mit den verschiedenen Holzblasinstrumenten.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 22.Oktober.2021
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich gebe zu, dass die Sache auf dem Sopranmundstück nicht ganz so einfach ist. Dennoch wäre z.B. die erste Baustelle, den Ton weniger schrill und laut zu produzieren. Wenn alle Ansatzparameter und entspechende Stütze stimmen, sollte das gehen. Das heißt nicht, dass du nicht auch laut spielen sollst. Immer nur leise bringt es auch nicht.

    Am besten ist größtmögliche Flexibilität, nicht nur zwischen laut und leise, sondern auch in den verschiedenen Tonhöhen. Das Spielen auf dem Mundstück zeigt einem grundlegende Fehler im Ansatz auf, z.B. wenn es nur quietscht (-:

    PS.: Vielleicht hast du einen abnehmbaren S-Bogen am Sopran? Kannst ja den mal vors Mundstück nehmen. Könnte dann etwas einfacher sein.
     
  7. hanssax

    hanssax Ist fast schon zuhause hier

    Danke bis hierhin für die erhellenden Kommentare.

    Mir ist aber immer noch unklar, ob die bei der Mundstückübung im Kopf entstehenden Resonanzen (lt. meinem ersten Beitrag unter 2.) entscheidend sind und ob man damit dann arbeitet oder ob sämtlich entstehender Schall zu betrachten ist.

    Vielleicht sollte ich noch eine weitere Beobachtung ergänzen: Es kommt öfter vor, dass ich beim Spielen die oberen Schneidezähne vom Mundstück löse, weil mir ein Ton irgendwie nicht gefällt, meistens von der Intonation her, er mich vielleicht in seiner Zusammensetzung nervt oder sonst was, jedenfalls wenn ich die Zähne dann gelöst habe, klingt der Ton meistens so, wie ich ihn haben will. Ich hab also den Eindruck und die Idee, dass die beim Spielen im Kopf entstehenden Resonanzen sich nicht mit dem gespielten Ton vertragen und die Mundstückübung wesentlich dazu dient, zwischen den beiden zu "harmonisieren".

    Oder ist das Quatsch?
     
  8. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Ich persönlich beachte sämtlichen entstehenden Schall.
    Daa mit den Zähnen ist nach dem, was ich weiß recht unorthodox, aber deine Schlussfolgerung am Ende leuchtet mir ein.
     
    hanssax gefällt das.
  9. hanssax

    hanssax Ist fast schon zuhause hier

    Aber dann ist ja gleich die nächste Frage, wieviel "harmonisierter" Ton das Instrument auch wirklich verlässt, oder ob die ganze Arbeit nur dazu dient, dem/der Spielenden den eigenen Ton erträglich zu machen.
     
  10. monaco

    monaco Ist fast schon zuhause hier

    Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Schneidezähne auf dem Mundstück den Ton stabilisieren und gerade am Anfang auch die Kontrolle über das Mundstück erleichtern. Ich denke, dass das auch mit einer „stiff upper lip“ (AC/DC lässt grüßen) zu bewerkstelligen ist. Aber bei mir wird der Ton so etwas schwammiger, weniger akzentuiert. Als Stilmittel vielleicht mal gut, aber auf Dauer wäre mir das zu anstrengend.
     
  11. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Keine direkten Antworten, aber ...

    Da ich (gerade jetzt) täglich zwischen unterschiedlichen Saxophonen und Klarinetten wechseln muss, finde ich die Mundstückübungen zum allerersten Einspielen sehr gut:

    - ich bekomme ein intensives Gefühl für das jeweilige Mundstück
    - sehr gut für die Ton- und Intonationskontrolle, weil ja viel schwieriger als mit längerem Rohr vorne dran. Besonders wenn man versucht, eben kein schrilles Fiepen zu produzieren, sondern einen manierlichen Ton. Das kriege ich auch auf dem Sopran hin, auch ohne Ohrenschutz. Allerdings habe ich da auch sehr klassische Mundstücke.
    - den maximalen Tonbereich auszuloten ist eine gute Übung fürs Voicing. Dabei habe ich für mich folgendes festgestellt: je offener das Mundstück ist, desto größeren Tonbereich schaffe ich.
     
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