So funktioniert die geheimnisvolle „Stütze“

Dieses Thema im Forum "Anfänger Forum" wurde erstellt von Batam, 17.Dezember.2014.

  1. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    Hallo Batam,

    auch von mir vielen Dank für Deinen Beitrag; finde ich interessant, gut gegliedert und toll zusammengefasst- Du darfst Dich freuen ;-) :-D

    Grüße
    Dirk
     
  2. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Hallo Batam,

    auch von mir vielen Dank für Deine Mühe, das Ganze aus physiologischer Sicht darzustellen.

    Was für mich vielleicht nicht deutlich genug hervorgeht: das Wichtigste ist, für eine gewünschte Zeit und gegen einen vorgegebenen Widerstand eine genau dosierte und konstante Strömungsgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten. Die eben nicht exponentiell abfällt, wie im ungeregelten Modus. Deshalb finden ja viele auch den Begriff "Luftführung" eingängiger als "Stütze", und deshlab die einschlägigen Übungen.

    Und ein anderer Aspekt: Nicht nur die Zunge ist ein Ventil, das den Auslass steuert, sondern besonders auch der Kehlkopfbereich.

    Nicht notwendigerweiser. Ich kann sogar beim Luftanhalten den Mund öffnen, wenn ich nämlich im Kehlkopf die Luftröhre abschliesse (wie das genau geht, verstehst Du viel besser als ich).
     
  3. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    In meiner jahrelangen Praxis haben sich bei mir einige "Erfahrungen" zu diesem Thema angesammelt, die ich hier gerne hinterfragen möchte:

    Anfänger hatte große Probleme einen stabilen längeren Ton zu blasen. Lösung: Er soll den Hintern "zukneifen", damit die Luft dort nicht entweichen kann. Ich kenne zwei Fälle, wo dies geholfen hatte! Aber was passiert denn da wirklich?

    Mütter kamen nach meiner Wahrnehmung als Anfängerinnen deutlich besser mit der Atmung klar. Ich hatte dies auf die Schwangerschaftsgymnastik geschoben. Kann dies sein?


    Mir hatte damals stark die Vorstellung weitergeholfen, dass ich einatme und nicht gegen irgendeinen Widerstand blase. Ich glaube, dass ich dies indirekt von Steve Lacy gelernt habe. Was passiert da wirklich?

    Ich kann mich an eine Filmdokumentation erinnern, wo nachgewiesen wurde, dass ein Pianist genauso wie ein Bläser eine entsprechende Stütze hat. Kann dies sein?

    Es wäre schön, wenn ihr mir zur Klärung weiterhelfen könntet.

    Danke.

    Gruß
     
  4. Thomas

    Thomas Strebt nach Höherem

    Es geht ja nicht NUR um das Blasen.
    Beobachte mal, wenn DU atmest, wie schön locker Schulter und Arme drauf sind, alles gut beweglich, beste Voraussetzungen für müheloses Spielen.
    Dann hämmerst Du Dir mal eine Ladung Luft in die Brust, und schon wirst Du den Einfluss auf Schulter, Arme, Finger merken.... alles etwas verspannt, angestrengt, nicht die besten Voraussetzungen für ausufernde Virtuosität....
    LG
    Thomas
     
  5. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Hallo Thomas,

    dies ist mir schon klar.

    Aber sag mal einen Schüler: "Jetzt sei mal entspannt!" und schon ist er verkrampft...

    Dennoch würde ich gerne wissen, ob meine "Erfahrungen" stimmig oder eher Mythen sind...

    Gruß
     
  6. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich möchte mich ganz herzlich bei Leuten, die das Instrument schon beherrschen, herzlich
    bedanken – für die kritische Auseinandersetzung mit der Materie. Das hilft mir sehr, auch
    meine physiologische Sichtweise zu revidieren oder, besser gesagt, neu oder präziser zu
    formulieren. Also, meine aktuelle Betrachtung der Expiration:

    1. Die von mir dargestellter 2-Phasen-Ablauf gilt definitiv für die normale Expiration.

    2. Bei dem Spielen von Blasinstrumenten ist es aus physiologischer Sicht nicht als
    Phasen bezeichnen, sondern als zwei parallel laufende Prozesse (Spannung der
    expriratorischen Muskel und gleichzeitig Entspannung der inspatorischen,
    das Zwerchfell als erste.

    3. Inspiratorische Brustmuskulatur und Zwerchfell entwickeln seine Spannung und
    Entspannung in gegengesetzte Richtung.

    4. Als Fakt muss man festhalten, das beim Blasen die Anspannung der Stütze immer
    gleichzeitig mit Entspannung von expir. Muskeln (Zwerchfell)einhergeht. Sonst ist keine
    Druckaufbau möglich. Wenn wir Bizeps und Trizeps gleichzeitig anspannen,
    bleibt der Arm unbeweglich.

    Wahrscheinlich überarbeite ich irgendwann mein Konzept, wenn das noch
    gewünscht ist…

    Gruß
    Johannes

     
  7. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    Weil entspannt in dem Zusammenhang einfach nicht passt.

    Entspannung, wie man sie dann beobachten kann passiert dann leider mit Kompression nach unten und innen anstatt einer Weitung.

    Cheers,
    Guenne


     
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    Weil entspannt in dem Zusammenhang einfach nicht passt.

    Entspannung, wie man sie dann beobachten kann passiert dann leider mit Kompression nach unten und innen anstatt einer Weitung.

    Cheers,
    Guenne

     
  9. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Hi,

    zum Entspannen-Wollen fällt mir eine Anekdote ein.

    Ich war mal Patient bei einem Zahnarzt, der immer sagte: "So, jetzt nicht mehr schlucken!" Da setzte bei mir sofort der Schluckreflex ein. Darauf er: "Ich verstehe das nicht, immer wenn ich sage "nicht mehr schlucken" fangen die Leute damit an."

    LG Helmut
     
  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Vielleicht hat das was für deren Vorstellung gebracht. Physiologisch halte ich es für kontraproduktiv, da fast immer zusammen mit dem PO auch der Bauch irgendwie angespannt wird und man genau das nicht will.

    Kann ich nicht bestätigen im direkten Vergleich


    Prozesse des Denkens und des Gegenstromprinzips sind schon sehr alt und trifft man häufig, mach ich auch. Dem einen hilft es, dem anderen nicht. Deine Vorstellungskraft unterstütz so die Stütze anders.

    Da geht es eher um Atmung aber nicht wirklich um das was wir als Stütze bezeichnen. Das wird aber gerne auch in solchen Dokumentationen alles gerne in eine Schüssel geworfen, gerade wenn die Filmemacher selber sich da nicht so auskennen.



    LG Saxhornet
     
  11. Thomas

    Thomas Strebt nach Höherem

    "ber sag mal einen Schüler: "Jetzt sei mal entspannt!" und schon ist er verkrampft..."

    SO, liebe Schüler, und heute Abend beim Auftritt konzentriert Euch bitte und seid nicht nervös, denkt dran, ich bin ja dabei ....:) :)

    LG
    Thomas
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, das kommt der Sache näher. Ich könnte mir dennoch vorstellen, dass man tatsächlich beide gegenläufigen Muskulaturen anspannt, die Kraft der einen aber überwiegen lässt. Nur so scheint mir Kontrolle möglich. Wenn ich den Arm anwinkele, kann ich ihn ganz langsam strecken. Das braucht kaum Kraft. Ich kann ihn aber in der gleichen Art und genau so langsam strecken, nur stelle mir nun vor, an der Hand hingen noch zehn Kilo Gewicht. Dann arbeiten unter Garantie beide Muskeln. Genau das Gefühl habe ich bei der Stütze.

    Wie dem aber auch sei, die korrekte medizinische Beschreibung ist dann so weit von der Praxis entfernt, dass der Laie wiederum nichts damit anfangen kann.

    Deshalb benutzen die Atemtrainer (und Lehrer) meistens Tricks und Bilder, lassen fühlen, die Flanken halten, den Bauch halten, arbeiten mit "ffffft" und "schschschscht", fügen an die Enden der Sätze ein "t" an, das ein intuitives Einatmen hervorruft, probieren verschiedene Ansätze, um heraus zu finden, mittels welcher Methode der Probant am ehesten weiter kommt.

     
  13. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Im Gesangsunterricht an der Uni war die Stütze der erste Schritt. Dabei half mir die Gesangslehrerin mit der Kontrolle der Atmung durch Handauflegen auf die Flanken und gezieltes Aus- und Einatmen ohne Einsatz der Schultern und oberen Brustmuskulatur.
    Später war das wirksamste Übungs-Mantra ein Bild, das ebenfalls meine (gute) Lehrerin "in mich pflanzte":

    Stell dir vor, von der Stirn bis zum Nabel ist eine Saite gespannt, aber nicht überspannt. Bringe nicht nur deine Stimmbänder (respektive das Blatt beim Sax), sondern diese ganze Saite zum Schwingen.

    Dieses Bild hilft mir immer noch, weil die Saite ja unter Spannung steht, aber nicht der Korpus, der stützt nur.

    Mir half das Bild, die Stütze zu erreichen, ohne zu verkrampfen.
     
  14. Mugger

    Mugger Guest

  15. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    @ppoe

    Zitat:
    Ich könnte mir dennoch vorstellen, dass man tatsächlich beide gegenläufigen Muskulaturen anspannt, die Kraft der einen aber überwiegen lässt. Nur so scheint mir Kontrolle möglich. Wenn ich den Arm anwinkele, kann ich ihn ganz langsam strecken. Das braucht kaum Kraft. Ich kann ihn aber in der gleichen Art und genau so langsam strecken, nur stelle mir nun vor, an der Hand hingen noch zehn Kilo Gewicht. Dann arbeiten unter Garantie beide Muskeln. Genau das Gefühl habe ich bei der Stütze.

    Das hast Du sehr gut gemerkt, danke…Daran habe ich auch gedacht, aber ich wollte die Sache nicht
    komplizierter machen. Aber der Vergleich mit dem Gewicht im Arm trifft hier nicht zu, weil wir
    hier nicht mit statischen Kräften zu tun haben (Gewicht) sondern mit elastischen. Ich betone
    noch mal, dass Expiration spannt das Zwerchfell und Thorax an. Bei Expiration wirken unsere
    Stütze und angespannter Thorax in einer Richtung, Um der Flow und Druck zu dosieren muss
    nur weniger pressen und die „Feder“ von Thorax los lassen. Sind die Thorax und Zwerchfell
    entspannt – wirkt nur die Stütze.

    Ich versuche das nochmal mit einfachem Beispiel. Wir öffnen Ventil bei der prall gefülle Luftmatratze und drücken drauf. Es fließt die Luft und mit dosiertem Druck kann man Flow
    steuern. Ist die elastische Kraft vom Stoff erschöpft, hält die Matratze noch seine Form, aber
    das Flow kann man nur mit unserem Druck erhalten (Stütze)

     
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Es ging nur um die Vorstellung, nicht wirklich um eine statische Kraft.

    Zur Luftmatratze: Das ganze funktioniert nur mit dem engen Ventil. Das hat der Bläser am Blatt und auch der Sänger verengt den Hals auf der Höhe der Stimmbänder, auf dass sie anspringen.

    Die Stütze, die ich mache, kann ich aber genau so erhalten, wenn ich die Atemwege voll öffne. So, als würde ich hauchen. Würde bei der Matratze heißen, ich schneide sie mit einem langen Schnitt auf. Dann macht die aber nur kurz "pft". Ich brauche Druck und Gegendruck, um das nach Belieben steuern zu können.

    Dass es sehr kompliziert wird, ist mir klar. Deshalb auch meine Bedenken, das in dieser Form vermitteln zu können.

    Henblower hat den Prozess des Lernens sehr persönlich beschrieben. Bei ihm wirkte ein besonderes Bild, das zu erlernen. Bei anderen werden es andere Assoziationen sein, die helfen können.
     
  17. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    @ppoe

    Du bist aber ganz schön hartnäckig..;-) .Das finde ich sehr angenehm, weil Du das wirklich
    wissen willst und nicht nur das Recht haben (gehe ich davon aus)

    Zitat:

    Zur Luftmatratze: Das ganze funktioniert nur mit dem engen Ventil. Das hat der Bläser am Blatt und auch der Sänger verengt den Hals auf der Höhe der Stimmbänder, auf dass sie anspringen.

    Die Stütze, die ich mache, kann ich aber genau so erhalten, wenn ich die Atemwege voll öffne. So, als würde ich hauchen. Würde bei der Matratze heißen, ich schneide sie mit einem langen Schnitt auf. Dann macht die aber nur kurz "pft". Ich brauche Druck und Gegendruck, um das nach Belieben steuern zu können.

    1. Beispiel Luftmatratze. Ob in der Matratze ein Loch 5 oder 50 mm ist, die Physik
    funktioniert gleich, geht halt viel schneller.

    2. Was Du mit dem „Druck und Gegendruck“ meinst, kann ich nachvollziehen.
    Ab besten verstehen kann man das Ganze bei einer Momentaufnahme.
    Du atmest tief ein, Atemwege voll offen (als würdest Du hauchen) und Du hältst die Luft an. In diesem Moment ist kein Druck in den Atemwegen (genau Null atmosph.).
    Was passiert, wenn Du deine Stütze so „einfrierst“? Du hast genug Spannung (das
    fühlst Du auch) und alle beteiligte Kräfte (inspir.+ expir. + Elastizität) stehen im
    im statischen Gegenzug. Das ist eine Muskelarbeit für alle beteiligten Muskelgruppen (also mit Energieverbrauch) Du kannst jetzt den Thorax dosiert „loslassen“, dazu noch
    aktiv ein Druck ausüben. . .Je nach Bedarf von Druck und Flow, Pausen usw.
    werden diese Verhältnisse immer dynamisch. Ob eine Muskelgruppe nur nachgibt
    oder dagegen arbeitet, entscheidet der Körper mit seinem perfekt ausgereiften
    Mechanismus nach ökonomischem Prinzip - die größte Leistung beim minimalen Energieverbrauch. Aber darüber müssen wir uns richtig keine Gedanken machen.

    Vielen Dank für deine produktive Beteiligung an dieser Diskussion

    Gruß
    Johannes
     
  18. hpesch

    hpesch Kann einfach nicht wegbleiben

    Hallo Batam,
    alle Antworten habe ich nicht gelesen. Auch ich bin der Meinung, ohne aktives Ausatmen bzw. Singen kommt aus dem Sax kein vernünftiger Ton. Als Arzt hättest Du vielleicht die Möglichkeit, einen Saxophonspieler beim Spielen mittels MRI zu scannen. Dann würde man sehen, was in der Muskulatur vorgeht.
    Aber ich glaube kaum, dass ein genaues Wissen uns helfen kann. Man muss es "im Bauch" haben, und das braucht seine Zeit. Bei Opernsängern dauert es auch Jahre, bis die Bühnenstimme sich einstellt, die einen ganzen Konzertsaal ausfüllen kann. Ich vergesse nie, wie Dmitri Chvorostovski die Arie aus Eugen Onegin ganz ganz leise intonierte, aber 2000 Zuhörer waren sofort im Bann!
    Ganz bestimmt hat auch die Anatomie im Kehlkopf "ein Wörtchen mitzureden".
     
  19. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    Zitat:
    Aber ich glaube kaum, dass ein genaues Wissen uns helfen kann.

    Da hast Du absolut Recht. Die Abläufe von diesen Prozessen werden auch nicht
    bei gesunden Personen untersucht, weil das auch in der Medizin keine
    klinische Relevanz hat. Möglich wäre das schon, nur aus Neugier macht man solche
    Untersuchungen nicht. Die Musikpedagogik hat über Generationen seine Tipps
    entwickelt, die auch gut funktionieren. Allerdings denke ich, dass genau bei der
    Atmung konnte man aus dieser Information lernen. Beim ersten Unterricht
    hat mich mein Saxlehrer gefragt, wer mir die Atmung beigebracht hat. Für mich
    war das sofort klar, als ich von der Bauchatmung gelesen hat, wie ich das umsetze.
    Weil ich wusste genau, was damit gement ist, und außerdem kenne ich einige
    Meditationtechniken, wo die Atmung als "Anker" und Ausgangpunkt für die
    Konzentrationschulung genutzt wird. Mir war gar nicht bewusst, dass die
    Atmung so schwer beizubringen ist, wie von Spieler hier im Forum berichtet
    wurde.
    Die andere Information sind rein informativ, für mich vergleichbar mit dem
    Wissen über Sax-Konstruktion, Metall, Materiale für Munstücke, Blätter usw.
    Das bringt mich spieltechnisch nicht weiter, aber ist einfach interessant etwas
    mehr über die Materie erfahren...

    Gruß
    Johannes
     
  20. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    Hallo, lieben Forenmitglieder…

    Jetzt, wenn die Diskussion über dieses Thema naturgemäß abklingt (schon genug gesagt) möchte ich
    zum Schluss nochmal herzlich bedanken für die positive Aufnahme und produktive Teilnahme an
    Diskussionen. Viele Anregungen von erfahrenen Spielern haben meine Vorstellungen noch mehr präzisiert, viele habe ich überdacht und einige von meiner Meinungen revidiert (z.B. bezüglich Yoga-Techniken etc.) Heute würde ich den Betrag ganz anders schreiben, vielleicht mache ich das irgendwann. Es kamen einige Fragen an mich, auch kritische Bemerkungen und es wäre unhöflich,
    diese nicht zu beantworten. Und gerade hier habe ich ein Problem. Ich bin hier als Anfänger zum
    Lernen (habe schon vieles gelernt ) und auf keinem Fall um jemanden zu belehren. Obwohl ich die Leute hier nicht persönlich kenne, ist ein großer Respekt (und weißer Neid) zu Leuten, die Sax spielen können, bei mir schon vorinstalliert. Zum Saxophonspiel habe ich nicht zu sagen, mein Betrag hat zu 99% kein praktisches Nutzen und ist rein informativ. Ich wollte nur zeigen, wie ein Saxophonist funktioniert , ohne selbst ein Spieler zu sein. Auch ich kann das Spiel nicht schneller lernen, nur weil ich weiß, was da biomechanisch abläuft. Ein Sportmediziner ist nicht unbedingt ein Sportler.
    Das ist offensichtlich. Von der anderen Seite, ist mein Betrag keine Improvisation, sondern beruht sich auf Fakten, wissenschaftlichen Daten und elementare Physik. Jedes Forum lebt von Diskussionen, aber gerade im Bereich von physikalischen Naturgesetzen oder längst nachgewiesenen
    Fakten gibt es keinen Diskussionsstoff. Ich kann nicht eine andere Meinung zur Gravitation haben und ich kann nicht an C-Dur Tonleiter zweifeln. Ich kann nicht „glauben-nicht glauben“ an Quinten-Zirkel. Entweder habe ich das verstanden oder nicht. Das gleiche gilt für Druck-Flow-Widerstand,
    Biomechanik, Anatomie, Physiologie und Neurophysiologie. Und wenn behauptet wird, das ein
    Blaseninstrument während des Spiels immer den gleichen Widerstand hat, was soll ich dazu sagen?
    Natürlich, ist dieses Wissen für die Spielpraxis irrelevant.
    Ich werde jetzt einige Fragen beantworten, aber die meisten Fragen und Unklarheiten sind schon
    In vorherigen Beträgen abgehandelt worden.

    Zitat:
    Anatomisch kann man da viel erklären, das Gefühl dafür zu bekommen ist ein anderes Problem, selbst wenn man weiss was anatomisch abläuft. Das dann zu vermitteln wieder ein anderes. Wie lange spielst Du schon?

    Diese Zitat übersetzt:
    „Ok, Du weiß das alles, spielen kannst Du trotzdem nicht“

    Da hast Du 100% Recht. Kann noch nicht spielen. Meinen Sax habe ich vor 1 Monat gekauft. Muss ich genau so üben, wie die anderen Anfänger. Es kann auch sein, dass mit meinen 68 Jahren überhaupt nichts mehr wird. Ein Saxbauer ist auch nicht unbedingt ein Virtuose. ABER! Kein Saxlehrer auf der Welt muss mir die Bauchatmung beibringen und erklären was eine Stütze ist.

    Zitat:
    Auch eine Pumpe lässt sich mit Gefühl oder grobmotorisch benutzen. Auch die Atemmuskulatur kann man lernen genauer und feiner zu erspüren und zu nutzen.

    Aber nicht ohne sehr langen Training! Die Muskeln kennen keine Gefühle. Gefühl in diesem Sinne ist antrainierte Fähigkeit die Muskeln fein und bewusst zu kontrollieren, d.h. diese Gefühle haben ganz konkrete Menge von Nervenzellen (also Hirnmasse) die vor dem Training diese Funktionen nicht hatten! Sonst wären noch nur Griffe zu erlernen.

    Zitat:
    Noch was zu Yoga etc. Ich glaube, viele Leute verlernen die natürliche Atmung teilweise, weil sie meinen, immer den Bauch einziehen zu müssen, weil sie habituell die Schultern hochziehen usw. Wer aber von Haus aus eingeschränkt atmet, oder wer gar nicht spürt, was wo beim Atmen passiert, hat Schwierigkeiten, die "Stütze" zu begreifen. Ich glaube, dass da Yoga oder andere Techniken, die das Körperbewusstsein stärken, hilfreich sein können.

    Mich würde sehr interessieren, wie Du das aus Deiner beruflichen Perspektive/Erfahrung siehst.

    Die natürliche Atmung muss man nicht lernen, das ist vor Natur schon angelegt und sofort nach
    der Geburt eingeschaltet. Deswegen kann man das nicht verlernen. Zusammen mit dem Kreislauf
    hat die Atmung die einzige Aufgabe, den Körper mit Sauerstoff zu versorgen und abgearbeitete
    Kohlendioxyd zu eliminieren. Das funktioniert bei uns genau so perfekt, wie bei anderen Tieren.
    Die Patienten im Wachkoma (d.h. ohne Kortex, „ohne Gehirn“) atmen ganz auch normal .
    Die Atmung dann aber für das Spielen von Blasinstrumenten einzusetzen muss gelernt werden, weil
    das von der Natur nicht „vorgesehen“ ist. Und da kommen die Probleme, die Du schilderst. Die
    meisten haben sich nie um die Atmung Gedanken gemacht und sind nicht gelernt , die zu kontrollieren. Das Einatmen kann man vielleicht mehr oder weniger zeigen und beibringen.
    Aber gerade die sog. Stütze wird viel schwieriger zu vermitteln aus ganz einfachem Grund.
    Die expiratorische Muskulatur, die diese Stütze bildet, wird bei normaler Atmung überhaupt
    nicht benutzt. Normale Expiration ist immer passiv und die expiratorische Muskulatur bei uns
    (und anderen Säugetieren) im “ normalen Leben“ nur in 2 Situationen zum Einsatz :

    1.Für sozusagen Notfall - es kommt nur beim Husten zum Einsatz, um
    die Atemwege von einem Fremdkörper zu befreien. Ein Hustenreflex (Automatismus) läuft so ab:
    Nach einer tiefen Expiration werden die Stimmbänder dicht geschlossen, die expiratorische
    Muskeln (unsere Stütze) drucken den Thorax zusammen, es entsteht in den Atemwegen ein
    Hochdruck ( bis zu 80-100 cm Wassersäule!), das ist Kompressionsphase, dann öffnen sich die Stimmbäder und es folgt eine schussartige Expiration. Warum sollen wir diese Muskeln kennenlernen, wenn die immer nur in unangenehmen Momenten des Lebens aktiv sind?

    2. Bei gebärende Frau. Was die da für eine Leistung bringen an Stütze! Recht für einige Stunden
    Musik von Militärorchester…Allerdings „pressen“ die nach unten auf die Gebärmutter.

    Zu Yoga & Co.
    Zuerst muss ich betonen, das Yoga-Techniken und andere meditative Techniken aus verschiedenen
    Philosophien und Glaubensrichtungen gehören nicht zu der Schulmedizin. Ich kann diese Techniken
    aber nachvollziehen und habe eigene Erfahrungen mit autogenem Training und Meditation.
    Man muss zuerst festhalten, dass alle Lehren die in dieser Richtung gehen, sind vor allem die
    mentale Techniken . Die Atmung wird als mentaler „Anker“ benutzt, weil schon vor 2-3 Tausend Jahre die Menschen gemerkt haben, dass man sich auf der Atmung leicht konzentrieren kann, weil die immer präsent ist. Praktisch ist das immer Ausgangpunkt für die weitere mentale
    Übungen, Erweiterung der Konzentration auf die anderen Körperteile und vor allem auf den Geist.

    Inwieweit diese Techniken in diesem Fall einsetzen kann, ist schwer zu sagen. Ich habe geschrieben,
    dass diese Techniken nichts bringen, weil die auf die normale und nicht forcierte Atmung ausgelegt
    sind. Inzwischen habe ich meine Meinung revidiert, nachdem ich hier erfahren habe, wir schwer
    die Atmung beizubringen ist. Für die Leute, die seine Atmung noch nicht richtig wahrnehmen,
    wären Konzentrationsübungen auf Atmung wahrscheinlich nicht verkehrt. Aber die aktive forcierte
    Expiration, soviel ich weiß, kommt bei keiner Technik vor, da müssen schon die bekannten Tipps
    von Musikpädagogen zum Einsatz kommen.

    Zitat:
    In meiner Arbeit hab ich es täglich mit mehreren Patienten mit Zwerchfelldysfunktionen zu tun, aus unterschiedlichsten Gründen. Darunter waren auch schon Sänger und Saxophonisten. Der natürlich-physiologische Atemvorgang, der vom Hirnstamm gesteuert wird, verändert sich aber auch bei vielen Menschen, Stress- Krankheitsbedingt etc. Dann kann es m.E. durchaus sinnvoll sein, Atemübungen durchzuführen. Kaum bis wenig Erfolg werden Atemübungen m.E. erzielen, wenn man versucht, gegen die individuelle Körperphysiologie zu arbeiten.

    Ich habe natürlich die Vorgänge beim gesunden Menschen beschrieben. Wenn die Menschen Krankheiten haben, die irgendwie die Atemmechanik oder Gasaustausch einschränken, springen
    verschiedene Kompensationsmechanismen an, um eine optimale Versorgung des Körper zu
    gewährleisten. Natürlich sind dann die Reserven eingeschränkt. Da hast Du Recht mit Übungen
    natürlich, die werden allerdings ganz anders aussehen, als beim Gesunden.
    Wenn z.B. die Zwerchfellfunktion eingeschränkt ist, was unsere Hauptatemmuskel ist, dann muss
    man die Thoraxmuskulatur trainieren, da kann derjenige überwiegend nur mit dem Thorax atmen,
    und diese Muskeln werden dann mehr und mehr die „ehemalige“ Leistung vom Zwerchfell übernehmen. Aber mit der konkreten, effektiven Übungen für eine bestimmte Person muss man sich
    richtig beschäftigen, einfach wird das nicht...Ist keine normale Atemgymnastik. Ohne speziellen
    Geräten kann ich das nicht vorstellen, die gibt es aber…

    Zitat:
    Und noch was zum in den Rücken atmen. Natürlich geht das nicht, wenn mans genau nimmt atmen wir ja nur in die Lunge. Aber es geht ja auch darum die Resonanzräume im Körper zu aktivieren und das kann man im Rücken und in den Flanken spüren.

    Vom Resonanz habe ich auch schon mal gesehen…Das würde mich brennend interessieren, was
    da physikalisch abläuft. Wahrscheinlich wird das vom Thorax weitergeleitet (im Thorax spürt man
    das, aber ich nur beim tiefen Tönen). Kommen da am Rücken alle Frequenzen an? Wie füllt sich
    das Ganze?

    Zitat:
    Deshalb finden ja viele auch den Begriff "Luftführung" eingängiger als "Stütze", und deshlab die einschlägigen Übungen.

    Ich finde auch den Begriff „Stütze“ überholt, weil das Wort schon ein statischer Begriff ist.
    Die „Luftführung“ ist viel näher zur Prozessbeschreibung. Aber das wird wahrscheinlich
    Jahrzehnte dauern, bis das sich durchsetzt… Aber womit die „Luftführung“ gemacht wird
    Ist wahrscheinlich wieder „Stütze“ ;-)


    Zitat:
    Mütter kamen nach meiner Wahrnehmung als Anfängerinnen deutlich besser mit der Atmung klar. Ich hatte dies auf die Schwangerschaftsgymnastik geschoben. Kann dies sein?

    Tolle Beobachtungsvermögen! Trifft 100% zu. Vor allem nicht nur Gymnastik, auch beim Geburtsvorgang pressen die so, dass bei einigen die Adern in Augen platzen. Wie schon oben
    Erwähnt, geht der Druck in andere Richtung, die Muskulatur dafür ist aber auch die Stütze.

    Zitat:
    Anfänger hatte große Probleme einen stabilen längeren Ton zu blasen. Lösung: Er soll den Hintern "zukneifen", damit die Luft dort nicht entweichen kann. Ich kenne zwei Fälle, wo dies geholfen hatte! Aber was passiert denn da wirklich?

    Klingt sehr mysteriös…meine Vermutung, keine Feststellung! Der Anusschließmuskel ist zwar kontrollierbar, aber der ist ja immer zu (sonst hätten wir immer was in den Hosen). Also auf
    Auf die Aufforderungen „Hinter zukneifen“ wird der Sphinkter zwar etwas zusätzlich kontrahiert,
    aber da werden zuerst die Po-Backen zusammengezogen und dazu nach bei der Anstrengung
    noch die Beckenmuskulatur . Es wird man etwas „steifer“. Und darauf muss man sich auch
    konzentrieren. Vielleicht wird der Bauch etwas strammer und unterstützt dann teilweise „die Stütze“
    im Sinne stabilisiert (macht gleichmäßiger) das gesamte Kontrahieren. Ich aber mehr Spekulation.
    Aber kann sein, dass das nur Kopfsache ist.

    Zitat:
    Als Arzt hättest Du vielleicht die Möglichkeit, einen Saxophonspieler beim Spielen mittels MRI zu scannen. Dann würde man sehen, was in der Muskulatur vorgeht.

    Das wäre ja ein großes Kino! Erstes was einem Saxophonisten in MRT Raum passieren würde –
    Der Saxophon wird wahrscheinlich vom Hals gerissen und gegen Wand geschleudert…
    Das Magnetenfeld ist ja enorm da…Haben wir schon erlebt, das ein 20 Kilo Gerät in der Luft
    schwebte…Metall ist da strengst untersagt…


    Liebe Grüße uns schöne Weihnachtstage.
    Johannes
     
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