Swing, historisch, theoretisch, praktisch

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von ppue, 26.Juni.2016.

  1. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Aber hoffentlich doch bei Aldi Süd.....:cool:

    Schönen Urlaub....;)

    CzG

    Dreas
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Der Verweis auf die Alltagsgeräusche und sonstigen Umweltfaktoren ist sehr wichtig und hier leider etwas zu kurz gekommen, deshalb möchte ich ihn noch einmal aufnehmen.

    Der Ur-Jazz entstammte ohne Zweifel dem Mississippi-Delta, da kann das Getrappel der Schritt gehenden Pferde durchaus auch die Rhythmik geprägt haben, ein ganz anderes Alltagsgeräusch waren die frühen Eisenbahnen - die dürften damals noch wesentlich häufiger als heute "Ta-dapp ta-dapp" gemacht haben, wenn sie über die Schwellen fuhren, was ebenfalls an den späteren ternären Rhythmus erinnert.

    Und für die Entstehung des "Grooves" bzw. des gleichmäßigen Takts im Gegensatz zur Agogik des 19. Jahrhunderts (selbst Tanzmusik wie der Wiener Walzer wurde früher "Rubato" gespielt!) macht man in der Jazz-Geschichte die Industrialisierung mit Dampfmaschinen und Akkordarbeit verantwortlich - gerade in den Industriestädten wie St. Louis, Chicago und New York entwickelte sich ja der Jazz parallel zur Lebenswelt der Industriearbeiter.

    Und nicht zu vergessen: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler" - will sagen, egal aus welchen kulturellen Einflüssen der Jazz ursprünglich entstand, er musste, um erfolgreich zu werden (und das war er damals!) auch etwas in den Zuhörern ansprechen, bei ihnen auf fruchtbaren Boden fallen, sonst wäre er eine regional begrenzte Volksmusik geblieben.
    Deshalb ist es fast hilfreicher, nachzuschauen, wer die ersten Jazz-Fans waren, wer die Musik konsumierte, die Konzerte besuchte (bzw. überhaupt ermöglichte), die Schallplatten kaufte und die Musiker "groß" machte.

    Und siehe da: Landarbeiter (Pferdegetrappel), Industriearbeiter (gleichförmiger Dampfmaschinenrhythmus), aber auch Mafiosi süditalienischer Abstammung, die die Alkohol-Kneipen der 1920er Jahre betrieben (Tarantella) und überall irische Nachfahren, sei es als Arbeiter oder ebenfalls als Gangster.

    Publikum und Künstler müssen sich in einer gemeinsamen musikalischen Sprache finden, sonst wird das nichts mit dem neuen, erfolgreichen Musikstil. ;)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 6.Juli.2016
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  3. ppue

    ppue Experte

    Das ist doch spannend mit den Kavalleriemärschen. War mir noch nicht klar. Also doch die Pferde. Und natürlich die Iren, deren Melodien diese Märsche prägen (-:

    Und natürlich die Süditaliener (-:
     
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  4. gefiko

    gefiko Strebt nach Höherem

    die Irren, die Irren...
     
  5. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Offensichtlich ist Swing für eine Vielzahl von Menschen inzwischen zu kompliziert geworden.
    Das alte Ta-Dapp der Eisenbahnen gibt es längst nicht mehr.
    Und Pferde kennen viele nur aus dem Kino, wo das Getrappel meist künstlich erzeugt wird.
    So erklärt sich vielleicht die Rückkehr (oder der Rückschritt?) zum (Ein-)Gängigen.
    Besonders beim Schlager ist vom Rhythmus bis zur Melodie alles vereinfacht und geschönt: Rhythmus gerade, Melodie mit Terzen bis es schmerzt.
    Und natürlich Hall.. Hall... Hall... oh...oh...oh... ne...ne...ne.. En... En ... En... de... de... de...

    Ist wissenschaftlich nicht fundiert, kann aber zu Gesundheitsschäden führen. ;-)

    Lg
    Mike

    P.S.: Die Milch kommt ja auch nicht von der Kuh, sondern aus dem Supermarkt. ;-) :)
     
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  6. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Spiel mir das Lied vom Pferd.... Im Ernst, das ternäre Element umgibt uns auch in unserer technisierten Welt immer noch vielfältig. Gerade Maschinengeräusche überlagern sich oft zu einer polyrhythmischen Erscheinung, in der mal eine binäre, mal eine ternäre Wahrnehmung dominiert, ähnlich wie in Steve Reich's "Clapping"



    Auch in seinen "Music for 18 Musicians" gibt es diese Momente.



    Leider finde ich kein Beispiel im Netz, aber in jeder industriellen Fertigung (Maschinenhallen) mit nicht synchron arbeitenden Geräten wird diese Spannung zwischen gerade und ungerade empfunden. Ohren auf und lauschen.
     
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  7. melnick

    melnick Kann einfach nicht wegbleiben

    a pro pos Maschinen...alt aber schön

     
  8. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Dazu fällt mir noch ein, als ich das erste Mal in einem Kernspintomografen war, in dieser traumatisch engen Röhre, wo man mit höllischem Lärm beaufschlagt wird, da kam mir sofort der Gedanke, dass genau an dieser Stelle die Technomusik erfunden worden sein muss. Brachiale und stupide Rhythmik, mit martialischer Gewalt in den Kopf gedonnert.

    Gruß,
    Otfried
     
  9. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Ich kenn mich mit der Medizintechnik nicht so aus, ich denke ein MRT ist was anderes, aber die Empfindung war ähnlich.
     
  10. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    @Rubax,
    MRT für Magnetresonanztomograph ist das Gleiche wie Kernspintomograph. Im Gegensatz zu CT = Computertomograph, der nach dem Prinzp der Röntgenstrahlung arbeitet und damit gänzlich was Anderes ist, nämlich leise und dafür mit potentiell gefährlicher Röntgenstrahlung.
     
  11. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Techno ist keine brachiale Rhythmik, und stupide schon gar nicht. Ich empfinde es eher als eine zeitgemäße Essenz der Musik und manchmal kann es auch intellektueller als so manches Saxophonsolo sein. ;-)
     
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  12. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    @mato,
    war klar, dass da Widerspruch kommt :)
     
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  13. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Nachdem ich alle Beiträge gelesen habe, sind folgende Zitate hängen geblieben:

     
    Amadeus, gargamel141 und Rick gefällt das.
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