Swing-Phrasierung in schnellerem Tempo

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Mugger, 1.November.2014.

  1. Mugger

    Mugger Guest

    Guten Abend Gemeinde,

    zusätzlich zu meinen Studien die Improvisation betreffend möchte ich mich besonders mit Phrasierung in schnellen Tempi befassen.

    Wäre schön, wenn wir ein bisschen darüber diskutieren könnten, für Tips oder Meinungen bin ich dankbar. Ich bin sicher, dass das Thema für die meisten recht interessant ist.

    Mein Gefühl ist, dass ich dann (nach Noten) recht schnell spielen kann, wenn ich besonders den Bereich des weichen Gaumens "unter Kontrolle" halten kann.

    http://www.wattsandwatts.co.nz/tips.php?qid=anytime4845b93cab0ac&id=anytime488eda75f357f

    Saxophon spielen soll ja angeblich viel mit Singen gemeinsam haben.
    Was die Zunge vorne am Blatt macht, erscheint mir nebensächlich, je mehr ich mich darauf konzentriere, desto langsamer werde ich.

    Ich hab mal einen Versuch mit einigen Schnipseln einer Etüde über einen Jazzstandard gestartet, einmal auf 220, dann auf 260 und schließlich auf 300.

    220
    260
    300

    Die Sinti von BiaB haben mich unterstützt, waren die einzigen, die das Tempo mitgehen wollten :)

    Wer Fehler findet, darf sie behalten, wer Tips, Meinungen, Kritik abgeben möchte oder wem was auffällt ist herzlich eingeladen, mitzubabbeln.

    Cheers,
    Günter
     
  2. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Hi Günter, ich bin immer wieder überrascht, was du für Quellen aus den Tiefen des Netz fischt. Hübscher Artikel, danke.

    Wenn du schnell spielst, hälst du dann den Gaumen hoch oder wie?



    http://swing-jazz-berlin.de/weihnachtsmusik.htm
     
  3. Mugger

    Mugger Guest

    Hey Werner,

    "unter Kontrolle halten" ist eigentlich ganz, ganz schlecht ausgedrückt.

    Im Endeffekt kommt es auf das raus, aber es geht nicht drum, dass ich es versuche zu machen, sondern dass der "Reiz" des Schnell-spielen-müssens nicht dahin bringt, dass ich in diesem Bereich fest und unflexibel werde.

    Im Prinzip braucht doch jeder Ton "eine andere Luft", anderes "Voicing".
    Zu versuchen, das auf jeden Ton bewusst einzustellen, zu halten, ist IMHO nicht möglich oder zumindestens nicht sinnvoll.

    Größtmögliche Flexibilität ist IMHO gerade in diesem Bereich notwendig, und die Anpassungen bestmöglich "passieren zu lassen".

    Ich spüre auch, dass das Festwerden des Kiefers und der Zunge ein Festwerden der Arme und Finger bewirkt, eine Lockerheit in diesem sensiblen Bereich im Gegensatz bewirkt, dass recht beachtliche Tempi möglich sind.

    "The art of non-doing" sozusagen.

    Ich hoffe, ich habe mich halbwegs verständlich ausgedrückt :)

    Cheers,
    Guenne

     
  4. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Ja.

    Ich hab den Eindruck, dass Du bei 300 lockerer bist als bei 260.

    LG Helmut
     
  5. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    zumindestens klingt es so, stimmt.
    Es geht dann nicht um Metronomschläge, sondern um das, was ich mache, was im Kopf vorgeht und wie der restliche Körper drauf reagiert.

    Das genau versuche ich ja zu kontrollieren, ist nicht ganz leicht, hehe....

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  6. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Meine Beobachtungen beim Thema schnell Spielen sind, dass ich nicht cool bleibe und dadurch verspanne, was sich am am deutlichsten bei der Luftführung und der Zunge niederschlägt. Natürlich stolpern meine Finger auch rum, aber nur wenn ich die Töne anstosse, Legato klappt es fast immer besser. Ich versuche mich dem Thema Geschwindigkeit mit Jazzetüden zu nähern. Ich hatte schon ein paar mal Tage an denen es auf einmal geklappt hat und ich plötzlich die Etüde im Endtempo spielen konnte, den nächsten Tag, oder auch schon eine halbe Stunde später war der Flow wieder weg und ich war wieder 40 Bpm langsamer. Ich hoffe, dass irgendwann mal ein Schalter umfliegt und diese Blockade verschwindet.
     
  7. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Das ist ein extrem spannendes Thema.

    Es geht um "The art of non-doing", wie Guenne gesagt hat.

    Die Verspannungen, die Blockaden, entstehen durch "doing". Oft habituelles doing, wenn der Hals chronisch zu ist, wenn die Finger "steif" sind, wenn die Atmung stockt. So, wenn man versucht, das durch zusätzliche Anstrengungen zu überwinden, geht es nicht. Das ist die Methode "Halt dich gerade, Bauch rein, Brust raus!" oder immer noch mehr "üben".

    Was also tun? Alexandertechnik, Feldenkrais, Zen-Meditation oder was es sonst in der Richtung gibt. Das Saxspielen fordert den ganzen Menschen. Klingt etwas pathetisch um Mitternacht, ist aber so und eine tolle Sache, die man für sich gewinnen kann.

    Liebe Grüße
    Helmut
     
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ein Blogeintrag von meinem Lehrer dazu:

    Non-Doing

    Ein paar Schmankerl zum Nachdenken:
    Aphorismen

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  9. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    die Swing-Phrasierung ist, allerdings in ihrer geraden, also nicht triolischen Ausführung, bei schnellen Tempi die für mich wichtigste Phrasierungsart auf dem Saxophon überhaupt.

    Um so ärgerlicher fand ich, dass mir das keiner meiner sogenannten Lehrer auf diversen Workshops erzählt hatte, aber das nur am Rande.

    Wichtiger als anatomische Betrachtungen zum Gaumen finde ich die Fragestellung, wie üben.

    Basis ist eine saubere Zungenstoßtechnik, von zart bis hart.

    Dann das Metronom heranziehen. Ganz langsam anfangen, ganz präzise spielen, und, ganz locker spielen. Dabei sowohl den härteren als auch den weicheren Anstoß üben. Das Metronom noch langsamer schneller stellen. Das ist ein Prozess von Monaten.

    Ich habe das vor einigen Jahren mal so ca 6 Monate lang gemacht und konnte am Ende ganz leidlich bis 320 ppm spielen. Aber natürlich verlernt man das wieder, soll heißen, man muss das ständig am Leben erhalten, was ich leider nicht tat, tun konnte.

    Du machst das wie ich finde übrigens sehr gut Guenne, allerdings, mal bei 140 neu starten und dann in oben beschriebener Weise langsam das Tempo steigern würde dir glaube ich gut tun.

    Gruß,
    Otfried
     
  10. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ich glaub nicht, dass man die "Zungentechnik" vom Gesamtkonzept trennen kann/soll.
    Ich habe diese Geschichten jahrelang gemacht (mein Lehrer nennt das "Micro-Managing", und richtig weitergebracht hat es mich nicht.

    D'accord was Deine Behauptung zur Wichtigkeit betrifft.

    Das mit dem Gaumen ist von meiner Seite auch ein bisschen falsch rübergekommen, sorry.

    Ich glaub ich verstehe, was Du meinst, Du sprichst von "locker".
    Aber "locker" ist es bei 300+ nicht.


    Ich würde sagen, man sollte versuchen, so wenig unnötige Spannung wie möglich aufzubauen.
    Und die beginnt im Bereich des Nackens, der Halswirbelsäule und hat direkten Einfluss auf Zunge, Gaumen, etc.

    Können wir uns darauf einigen?

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  11. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich finde es ungünstig von Swingphrasierung zu sprechen, da bei dem Tempo es nicht wirklich noch swingt. Offbeatphrasierung trifft es eher.

    Es gehört viel regelmässiges Training dazu und man muss lernen sehr locker zu stossen, ohne zu viel Kraft. Nicht jeder Spieler wird das gleiche Tempo allerdings erreichen, da gibt es Unterschiede.
    Einige renomierte Spieler schwören ab einem bestimmten Tempo darauf, statt mit der Zunge mit Zwechfellstössen Betonungen und damit Phrasierungen zu simulieren. Gut ist wenn man beides kann.


    LG Saxhornet
     
  12. Mugger

    Mugger Guest

    Ok,

    dann verstehe ich "to swing" nicht ganz.
    Ich dachte immer, die Bezeichnung würde auch für das Phänomen entstehen, dass die Linie "nach vorne drängt", was durch die erwähnte "Offbeatphrasierung", "verkehrte Bindung" oder wie immer man es nennen möchte entsteht.

    Edit:
    Hab grad nachgelesen und gesehen, dass "swing" ein vieldiskutiertes Wort ist.

    Was ich meine wäre dann vielleicht "Drive", und der ist auch Bestandteil des "Swing"...

    Egal, vielleicht bringen's nicht alle auf das gleiche Tempo, aber mir würde es auch reichen, 100m in 10,5 zu laufen, obwohl der WR weit unter 10 sec liegt.

    Zwerchfell ist doch immer ein bisschen dabei, oder?

    Garzone schwört drauf, es mit den Klappen zu bewerkstelligen, wie er in diesem Video sagt.



    In bester Mafiaart möchte er seinen Schülern die Zunge rausschneiden.
    Wenn man genau hinhört (0:42) kriegt man mit, wie sein Hals bei der Tongebung mithilft (was nicht so schön tönt).
    Wenn ich mir das Video ansehe komme ich auf die Idee die Töne zu verlängern, auch wenn es sehr schnell wird.

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  13. Mugger

    Mugger Guest

    Ok,

    dann verstehe ich "to swing" nicht ganz.
    Ich dachte immer, die Bezeichnung würde auch für das Phänomen entstehen, dass die Linie "nach vorne drängt", was durch die erwähnte "Offbeatphrasierung", "verkehrte Bindung" oder wie immer man es nennen möchte entsteht.

    Edit:
    Hab grad nachgelesen und gesehen, dass "swing" ein vieldiskutiertes Wort ist.

    Was ich meine wäre dann vielleicht "Drive", und der ist auch Bestandteil des "Swing"...

    Egal, vielleicht bringen's nicht alle auf das gleiche Tempo, aber mir würde es auch reichen, 100m in 10,5 zu laufen, obwohl der WR weit unter 10 sec liegt.

    Zwerchfell ist doch immer ein bisschen dabei, oder?

    Garzone schwört drauf, es mit den Klappen zu bewerkstelligen, wie er in diesem Video sagt.



    In bester Mafiaart möchte er seinen Schülern die Zunge rausschneiden.
    Wenn man genau hinhört (0:42) kriegt man mit, wie sein Hals bei der Tongebung mithilft (was nicht so schön tönt).
    Wenn ich mir das Video ansehe komme ich auf die Idee die Töne zu verlängern, auch wenn es sehr schnell wird.

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  14. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Hallo Guenne

    Dagegen habe ich ja gar nichts gesagt, ganz im Gegenteil, ich gehe noch viel ganzheitlicher daran, indem mir sämtlich anatomische Fragen egal sind, und ich nur danach schaue, wie ich es üben kann, und worauf ich dabei achten muss ;-)

    "Zungenstoßtechnik" war vielleicht nicht das richtige Wort. Ich meinte natürlich "Technik des Anstoßens von Tönen", und das kann ja an sich schon eine Wissenschaft für sich sein. Aber ich bleibe dabei, das ist die absolut notwendige Basis, sonst braucht man sich über off-beat-Phrasierung im up-tempo gar nicht zu unterhalten.

    Noch ein Wort zur Wichtigkeit. Man muss es nicht unbedingt bis 300 bpm schaffen, das Endtempo ist nicht das Entscheidende. M.E. sollte man es immer musikalisch betrachten, d.h. auch im höchsten für einen spielbaren Tempo noch Phrasierungsunterschiede zwischen den einzelnen Tönen machen können, sonst landet man bei einem leicht dudeligen Abspielen.

    Das mit der Lockerheit ist ja so eine Sache.

    Wenn man all zu locker spielt, klingt es perfekt, und meist auch langweilig. Musikalisch charaktervoll wird es ja meist erst, wenn auch eine gewisse Anstrengung dabei ist ;-)

    Trotzdem, so wie ich das Üben beschrieben habe, kann man das Tempo immer mehr steigern, und verliert eben die Lockerheit nicht. An dem Punkt, an dem die Lockerheit verschwindet ist man zu schnell, und man sollte wieder einen Gang zurück legen.

    Gruß,
    Otfried
     
  15. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Hi,
    wie hast du das über die Monate trainiert? Mit Tonleiter, Etüden oder alles was dir zwischen die Finger kam? In was für Temposchritten (pro Woche) bist du voran gekommen?
     
  16. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Hallo mato,

    Ich habe bei etwa 90 (Allabreve) gestartet und mich den Abstufungen des mechanischen Metronoms entsprechend hoch gearbeitet.

    Am Anfang war ich natürlich immer viel zu ehrgeizig und hab das Tempo viel zu schnell erhöht. Dann habe ich es eingesehen, und penibel darauf geachtet, dass ich sauber spiele, präzise phrasiere und dabei eben locker bleibe.

    Nach ca 6 Monaten war ich dann bei 160 angekommen.

    Das Material war eher einfacher Natur. Skalen und Arpeggi, die ich so mehr oder weniger gut drauf habe. Ich wollte mich nicht noch mit Fingerakrobatik belasten, oder gar Notenlesen. Mir kam es nur auf das Phrasieren an.

    Man kann es übrigens nicht üben, indem man einfach einen Ton spielt und versucht, möglichst schnell mit der Zunge zu stoßen. Durch die Tonänderung bzw. das Klappenschließen/öffnen gibt es eine kleine Stoßwelle im Rohr. Diese benutzt ja Garzone gänzlich für seine Art zu spielen.

    Diese im Zusammenwirken mit dem Tonanstoßen ergibt irgendwann so etwas wie ein Resonanzgefühl im Mundraum und man kann deutlich schneller die Töne anstoßen als wenn man einen einzigen Ton mehrfach anstößt.

    Was der für mich letztlich entscheidende Nebeneffekt war, ich habe durch diese Übung das erste Mal in meinem Saxophonleben schnell, dabei aber rhythmisch präzise spielen gelernt. Mir ist dann klar geworden, dass das gerade in der für mich so geliebten afrocubanischen Musik von grundlegend wichtiger Bedeutung ist.

    Dass man dies aber nicht einmal lernt, und dann auf immer kann, sondern auch sehr schnell wieder verliert, wenn man sich nicht ständig darum bemüht habe ich ja schon gesagt. Soll heißen, heute bin ich wieder meilenweit von den 160 entfernt ;-)

    Gruß,
    Otfried
     
  17. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Vielen Dank für deine detailierte Ausführung! :)
     
  18. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ein paar Beispiele aus verschiedenen Stilrichtungen:

    Mintzer:


    Eddie Lockjaw Davis:


    Brecker:


    Ernie Watts Tom Scott


    Chris Potter zum mitlesen:


    So wie der Potter es gemacht gefällt es mir.

    Ich hab mal den Jeff "Tain" Watts gefragt, ob er via Audiobus am iPad mit mir spielen würde (seine Drums von "Cherokee" auf "Standard Time" mit Wynton Marsalis), und er hat zugestimmt.

    Das mit der "Schockwelle" hat was für sich, wenn ich mich mehr auf "langsame Finger" konzentriere funzt es ganz gut.

    Ein wenig zu "abgedämpft" klingt es, aber das krieg ich hin.

    Im Endeffekt geht es natürlich nicht um das "Stoßen", sondern wie störe ich den Luftstrom am wenigsten.

    Hier mal das Sample:

    Guenne und Jeff

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  19. Gast

    Gast Guest

    Lockjaw Davis und Potter sind unglaublich gut in diesem Tempo. Sie spielen sauber, phrasieren präzise und swingen gewaltig. 300 scheint eine Grenze zu sein, entweder im Phrasierungsvermögen der Bläser oder vielleicht auch nur in der Wahrnehmung des Hörers. Mintzer ist für mein Gefühl zu schnell (340) - er phrasiert fahriger, klingt nur artistisch und swingt nicht.

    Dir (Günne) fehlt noch die Artikulation an den Scheitelpunkten, die solche runs erst interessant machen. Ich kann es selber längst nicht in diesem Tempo, höre aber gern und viel Basie und vor allem auch Sonny Stitt und staune immer wieder über die Sicherheit und Coolness im hohen Tempo.

    Herman
     
  20. last

    last Guest

    @guenne
    :sensatio:
    Sowas werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr hinbekommen....

    LG

    lastvisitor
     
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