Synästhesie

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von GelöschtesMitglied3606, 6.Januar.2021.

  1. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Ich versuche mal die Fragen an mich und generell für meinen speziellen Fall zu beantworten, es ist und bleibt ein heikles Thema, was man sehr schnell ad absurdum führen kann.

    Ich habe meine Synästhesie zu erst außermusikalisch "bemerkt" bei mir sind Zahlen mit Farben und Größenverhältnissen verbunden, seit dem ich denken kann. Die 4 ist für mich bspw. die größte (räumlich) Zahl zusätzlich ist sie das schwärzeste Schwarz, was ich mir vorstellen kann. Das führte bei mir unweigerlich zu schlechten mathematischen Kenntnissen. 7 ist für mich von der Wahrnehmung kleiner als 4. Wozu das führt kann man sich sicher denken. Nur konnte ich das in der Grundschule nicht verbalisieren. Woher soll man da bspw. wissen, dass man da anders funktioniert als andere. Das "Auswendiglernen" des kleinen Einmaleins lässt mir immer noch einen Angstschauer über den Rücken treiben (meiner Mutter übrigens auch) Es er gibt für mich einfach überhaupt keinen Sinn. Wenn ich die Zahlen nach meinem System ordnete käme übrigens folgendes bei raus (von klein nach groß): 1(hellblau), 5(grün), 2(dunkelblau), 3(grau), 6(hellgrau), 9(orange), 7(gelb), 8(schwarzgrau), 4(schwarz)

    Helfen tut mir das da also so gut wie überhaupt nicht und kommt mir eher einer "Behinderung" gleich.
    Etwas später kam für mich auch die Assoziation mit Buchstaben und Farben dazu. a (blau), e (graugrün), i (gelb), o (dunkelrot) u (dunkelblau)

    Immer mehr kommen in letzter Zeit auch Farben bei Klängen. Es sind keinen einzelnen Töne, die Farben zeigen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Klangfarben. Da für dich die Holzblasinstrumente eher im warmen, orangenen, und gelben/ocker Spektrum liegen, mag ich sie am liebsten. Blechblasinstrumente sind immer kalt, klingen nach A und sind dadurch blau. Ich finde es total anstrengend nen Blechensemble zu hören. Streicher gehen auch in die kalte blaue Richtung haben aber zwischendrin grün, rot und gelb weswegen das noch angenehm ist. Es ist bei mir ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren, die die Farben aufkommen lassen. Ich sehe sie nicht direkt als Sinneswahrnehmung, sondern hab sie vor meinem inneren Auge.

    Andere Synästheten kenn ich leider nicht persönlich, aber habe durchaus gehört, dass das bei denen ganz anders sein kann. Olivier Messiaen bspw. soll sich in seinen Vorlesungen wohl darüber aufgeregt haben, dass seinen Studenten seine Farbwahrnehmungen nicht teilen konnten, oder andere hatten.

    Dadurch, dass ich Klänge als Gesamtkonstrukt wahrnehme und eher das Tonspektrum eines Instrumentes als einen Farbe wahrnehme, kann ich zu Oktaven sagen, dass es gleich bleibt. Eine Klarinette auf ihrem tiefsten Ton klingt genauso orange wie auf ihrem höchsten Ton. Ein Saxophon klingt übrigens ebenfalls orange mit einer kleinen Beimischung von Gold (vllt. lenkt mich da der Lack in die Richtung :) ) Und es ist übrigens auch egal ob Sopran oder Bariton. Wichtig ist zu wissen, dass das die Farbe ist, wo ein Saxophon oder eine Klarinette so klingt, wie sie für mich klingen müssen. Klar kann ein Saxophon auch ne andere Farbe haben, das ist aber nicht das, was ich dann präferiere. Ich rede hier übrigens auch nur von klassischem Saxophon. Ein Saxophon in einer anderen Stilrichtung klingt ganz anders, soll es auch, mag ich meist aber nicht gerne hören.

    Interessant ist vielleicht auch noch die Tatsache, dass die Farbe, die ich bei Instrumenten am schönsten Finde eben orange ist. Orange ist nur sonst in der absoluten Sinneswahrnehmung eine Farbe, die ich eigentlich gar nicht mag. Hab ich selbst noch nicht herausgefunden warum das so ist.

    Soweit so gut. Hoffe, es ist nicht allzu durcheinander geworden, wie gesagt, mir fällt es da nicht sehr leicht, das zu verbalisieren.
     
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  2. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Erst mal ein verfühererische Gedanke, @ppue
    Bin mir nur nicht sicher, ob das dem Phänomen Synästhesie, wie es Betroffene beschreiben, gerecht wird. Auch bei mir löst Musik Gefühle und Vorstellungen aus, ich bin aber höchstens mal Anästhesist. Das Sinneseindrücke überhaupt Gefühle, Gedanken, Reaktionen auslösen, scheint mir Standard zu sein, anders hätten unsere komplizierten Rezeptoren der Umwelt irgendwie auch keinen Sinn.
    Aus Bescheibungen von Synästhetikern scheint hervor zu gehen, dass die Wahrnehmung eines Rezeptors, z.B. des Gehörs, zu erlebten Wahnehmungen eines anderen Sinnesrezeptors führen, ohne dass dort ein adäquater Sinnesreiz dazu Anlass gäbe. Soweit meine dürre Beschreibung einer faszinierenden Fähigkeit.
    Den Bezeichnungen dur, moll, heller-dunkler Klang,... würde ich hier weniger Bedeutung beimessen. Ich verwende diese Bezeichnungen, weil ich es so gelent habe.
    Andere sagen halt flat.
     
  3. Sandsax

    Sandsax Gehört zum Inventar

    @ppue

    wobei man Vieles für uns geläufig Gefühltes, was Du beschreibst, nach der Definition, die sich bei Wikipedia findet, eher als chross-modale Korrespondenzen benennen und von der „reinen“ Synästhesie abgrenzen würde, wenn ich das richtig verstanden hab.
     
  4. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    @Clownfisch
    Danke für die Beschreibung. Ich finde das hoch spannend, auch wenn ich selbst keinerlei derartigen Synästhesismus bei mir feststellen kann.

    Gruß,
    Otfried
     
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  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Das sind halt immer Definitionen und die müssen sich schon aus Pinzip abgrenzen. Ich glaube, dass Synästhetik und cross-modale Korrespondenzen durchaus fließend ineinander übergehen und auch ganz verschiedene Bereiche betreffen können, was eine Festlegung schwierig macht. Schließlich ist die Verknüpfung das alles beherrschende System der Arbeitsweise des Gehirns.

    Dass sich die Zahlen beim @Clownfisch aber neu sortiert haben, finde ich schon krass.
     
  6. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    @ppue das liegt daran, dass Zahlen für mich räumlich sind. Wenn ich in einem Raum schaue und mir da ne 4 reindenke, nimmt sie den ganzen Raum ein, den anderen Zahlen bleibt maximal eine kleine Quetschecke übrig. Dass es eigentlich 123456789 ist musste ich quasi auswendiglernen, und komme ganz gerne immer noch mal durcheinander. Ja, ist peinlich für einen Erwachsenen. Tut mir auch leid, aber kann ich nun mal nicht ändern.
     
  7. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Synästhesie ist übrigens ein Alltagsphänomen. Stellt euch mal alle ein Stück Schokolade vor. Na wer hat den Geschmack auf der Zunge?
     
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  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Sag ich doch: Die grundlegende Arbeitsweise des Gehirns.
     
  9. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Vielen Dank, @Clownfisch , für die offene Beschreibung!

    Auch wenn Du schreibst, dass Du keinen Vorteil darin siehst: Scheinbar erlaubt Dir diese Assoziation, Klangempfindungen sehr genau zu unterscheiden und zu beschreiben.

    Der Anlass zur Frage war ja gewesen, dass jemand Klangvergleiche mit verschiedenen Mundstücken eingestellt hatte. Die meisten hatten dann schreiben müssen "klingt für mich alles recht ähnlich". Auch mir geht das so: selbst wenn ich gewisse Unterschiede heraushöre, finde ich kein adäquates Vokabular dafür. Und wenn man Adjektive nennt (z.B. "fokussiert", "zentriert", "kompakt", "hohl", "schrill" ...), verstehen andere nicht unbedingt dasselbe darunter. Du hattest aber für jedes Klangbeispiel Deine ganz konkreten Farben.
     
  10. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Nada.
     
  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Hast du dich mal auf Covid 19 testen lassen?

    (-;
     
  12. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Keiner hat gesagt, dass es so sein muss. Dies ist nur ein Beispiel was normalerweise viele Leute anspricht. Hör mal ein Lied von vor 30 Jahren, was kommen dir für Bilder?
     
  13. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Das stimmt bringt mich aber nur auf mich bezogen weiter. In einem Kontext außerhalb von meinem Gehirn, bringt mir das nichts. Denn wie soll ich das kommunizieren? Es ist als spräche ich Chinesisch mit den Menschen in den Anden.
     
  14. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Welcher ist da der zweite Sinn, der auslösende?
    (ich hab noch den Geschmack vom Limoncello auf der Zunge, den ich getrunken habe...)

    Assoziation <> Synästhesie.
    Mit einem Lied kann eine Erinnerung verknüpft (assoziiert) sein, aber Erinnerung ist kein Wahrnehmungssinn.
     
  15. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Ok ich formuliere mal anders. Schaut euch ein Stück Schokolade an: Sehen gleich Sinn --> Geschmack auf der Zunge = Synästhesie. Das ist übrigens eine, ich würde mal sagen, recht nachvollziehbare Art von Synästhesie. Warum manche Klänge plötzlich Formen darstellen ist was anderes und schon weniger vorstellbar.

    Warum schmecke ich z.B. den Wein, den ich an dem bestimmten Tag getrunken, an dem jenes Lied lief? Nur ein Beispiel. Ich sagte ja bereits es ist ein sehr schwammiges Thema.
     
    ppue gefällt das.
  16. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    Spannendes Thema! Skrijabin hat ja angeblich an einem Farbenklavier gearbeitet.
    Und Boris Vian beschreibt in seinem Roman "Der Schaum der Tage" ein Klavier, das verschiedene Cocktails mixt, je nachdem, was darauf gespielt wird.
     
    Kristina Bossanova gefällt das.
  17. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Der "Geschmack" ist eben eine Erinnerung. Wie Du Dich an gehörte Wörter, gesehene Bilder oder gerochenen Mief erinnerst.
     
  18. visir

    visir Gehört zum Inventar

    OT, aber ich hab ja beim Umbau meines Klavieres überlegt, ob ich die Klaviertasten mit Dosierspendern, wie sie in Bars verwendet werden, verbinden soll...
     
  19. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Ist ja gut. Wollte nur sagen, dass es bei mir keine Geschmacksempfindung auslöst. Es ist wohl in beiden Richtungen schwer, sich das jeweis andere vorzustellen.
    Vorstellungen und Einnerungen zu einem alten Lied sind bei mir genau das. Ich empfinde dabei halt keinen Sinneseindruck. Auch in diese Beziehug mehr Anästhesist.
     
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  20. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    So schwammig ist das für mich gar nicht, so arbeitet nunmal unser Gehirn, und im Einzelfall höchst individuell. So ist für mich In-A-Gadda-Da-Vida von Iron Butterfly mit dem langen Schlagzeugsolo untrennbar verbunden mit den Sinneseindrücken, dem Geschaukel und dem Geruch einer kurvenreichen Fahrt durch das Wellritztal im Bulli. Damals.

    Hat vermutlich mit Synaesthesie im engeren Sinne wenig zu tun, sondern zeigt, was das Hirn so alles im Zusammenhang abspeichert.
     
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