Tenuto Verwirrung

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von malocher, 23.Dezember.2009.

  1. malocher

    malocher Schaut öfter mal vorbei

    Hallo zusammen,

    gestern hatte ich Saxunterricht und das Thema Tenuto (Kap. 12 aus Klaus Dapper/Das Saxophonbuch) spielen war dran. Ich also die Töne lange gespielt und nur ganz kurz beim Wechsel mit der Zunge gestoppt. Mein Saxlehrer meinte daß normal gespielte Saxmusik immer Tenuto ist und "nur" klassische Musik eine kleine Pause zwischen den Tönen hat. Er hat mir dann zur Demonstration kurz Autum Leaves
    1.) "gebunden/Tenuto" und
    2.) mit kurzen Abständen
    zwischen den Tönen vorgespielt.
    Zu erstem meine er, so spielt man es, zu zweitem meinte er, so würde man es spielen wenn man es klassisch spielen würde.
    1.) hat sich gewohnt angehört, 2.) sehr ungewöhnlich.

    Da die erste Übung in Kap. 12 exakt den Unterschied zwischen Tenuto und normal gespielt (nicht Tenuto) ausprägen soll, weiss ich nun nicht mehr so richtig weiter.

    Heute habe ich ein wenig das Forum und das Internet gestöbert um Hörbeispiele von Tenuto, Legato, Staccato, kurzer Aktzent ect. zu finden. Leider ohne Erfolg.

    Hat ev. jemand einen guten Link wo ich mir diese Thematik insbesondere einen ev. bestehenden Unterschied zwischen "normal gespielt" und Tenuto anhören kann.

    Grüße
    Harald
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Hallo Harald,

    was ist denn bitte "normal gespielte Saxmusik"?? :-?

    Das Problem bei solchen Fragen liegt meiner Ansicht nach darin, dass es ganz viele Musikstile und individuelle Spielweisen gibt, nicht bloß zwei Bereiche.

    Genauso wenig wie "DER Jazz" existiert "DIE Klassik".
    Wenn man unter "Klassik" allgemein "europäische Konzertmusik zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert" versteht, subsumiert man damit schon hunderte einzelner Spielarten.
    Ein Musiker, der ein Stück von Johann Sebastian Bach genauso artikuliert, phrasiert und dynamisch interpretiert wie eines von Debussy, zeigt damit in erster Linie seine musikhistorische Ahnungslosigkeit.

    Doch selbst DAS kann man machen.
    Erlaubt ist, was gefällt - das haben eigenwillige "Stars" wie der Cellist Pablo Casals oder der Pianist Glenn Gould in der Vergangenheit eindrücklich unter Beweis gestellt.
    Keiner der klassischen Interpreten, über die man heute noch spricht, hat so gespielt, wie es zu ihrer Zeit allgemein üblich war. :cool:

    Das betrifft selbstverständlich auch Artikulationen wie Tenuto und Staccato. Man könnte sogar sagen, dass man einen bestimmten Saxofonisten an der Art erkennen kann, wie er seine Zunge einsetzt.
    Gerade im Jazz gilt, dass jeder seine ganz individuelle Art der Phrasierung herausarbeiten sollte. Nichts ist langweiliger als zwei Jazzer, die absolut gleich artikulieren und phrasieren. :idea:

    Ich besitze díe Dapper-Schule selbst nicht, musste aber früher mal damit unterrichten.

    An dem Punkt des Sax-Lernens, wo Du jetzt stehst, geht es eigentlich darum, die "Zungenfertigkeit" zu üben, indem man diese ganz bewusst einsetzt.
    Dazu kann man verschiedene Möglichkeiten ausprobieren und trainieren, wie etwa
    Legato (ohne Zunge bzw. nur zu Beginn und Ende einer Phrase),
    Staccato (jeder Ton angestoßen und abgestoppt)
    Portato (eine Art "langsames" Staccato, wobei die Töne breiter gespielt werden) und
    Non Legato, wobei man alle Töne quasi legato in einem Luftstrom spielt, dazwischen aber kurz mit der Zunge "trennt", um sie deutlicher hervortreten zu lassen (typisch für Modern Jazz ab Mitte der 1940er).

    (Non Legato und Portato werden auch gerne verwechselt, was im Endeffekt aber wieder fast egal ist, so lange man beides spielen kann.)

    Wichtiger als die Namen ist, wie erwähnt, die grundsätzliche "Zungenfertigkeit", also die Fähigkeit, solche unterschiedlichen Artikulationen zu erzeugen.

    Was Du schließlich wie in welchem musikalischen Zusammenhang einsetzt, bleibt im Endeffekt Deinem persönlichen Geschmack überlassen - das nennt man dann "eigener Stil". ;-)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  3. malocher

    malocher Schaut öfter mal vorbei

    Hallo Rick,

    besten Dank für Deine Antwort.
    Mit der Formulierung der "normal gespielten Saxmusik" habe ich wohl danebengegriffen... :oops:

    Deine Ausführungen kann ich nachvollziehen. Die aufgeführten Artikulationen kann ich mir vorstellen und auch üben.

    Zitat:
    Nur mit Tenuto habe ich so meine Verständnisprobleme.Ich verstehe dies als eine "Art" Non Legato mit sehr kurzer Trennung bzw. kürzerer Unterbrechung als bei Non Legato.

    Wenn jemand hierzu einen Link zu einem Hörbeispiel hätte(idealerweise im Vergleich oder Kontext zu Non Legato) wäre das toll.

    Grüße
    Harald
     
  4. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Tenuto heisst ja "gehalten", die Töne werden breit gespielt, in voller Notenlänge und fast nicht getrennt, so habe ich das zumindest noch aus meinem Unterricht im Kopf. Mach dir nicht zuviele Gedanken über diese Geschichten, sondern höre einfach wie andere spielen und versuche das zu bringen, so wie du es bringen möchtest. Und das zitierte Beispiel über Phrasierung bei Autumn Leaves finde ich mit Verlaub, ziemlichen Mist. Das Stück hört man in den unterschiedlichsten Vortragsarten. Da gibt es weder richtig noch falsch noch klassisch oder sonstwas.

    antonio
     
  5. Rick

    Rick Experte

    Freut mich! :)

    Tenuto (= gehalten) ist eigentlich nur eine Klarstellung: Der Komponist/Arrangeur möchte, dass der Ton so lange gespielt wird, wie sein Wert ist.
    Gerade einzelne Viertel und Achtel werden gerne in der Blasmusik etwas abgekürzt (staccato gespielt), da bedeutet der Tenuto-Strich, dass dies hier nicht geschehen soll.

    Eine eigene Artikulationsweise bedeutet das eigentlich nicht, das ist für mich eine spezielle Interpretation von Herrn Dapper (solche Eigenwilligkeiten hat er noch mehr in seinem Werk - für mich Grund, seine Schule im Unterricht eher zu meiden). :roll:

    Kürzer als non legato geht eigentlich nicht, da hier üblicherweise mit weicher Zunge getrennt wird, was man im schnellen Spiel praktisch eher erahnt als deutlich hört.

    Ich würde mal sagen, nach allem, was Du geschrieben hast, meint Dein Sax-Lehrer (und wahrscheinlich auch Herr Dapper) genau das Non Legato.
    Die "klassische" Spielweise war dann wohl "portato". :cool:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  6. Rick

    Rick Experte

    Nachtrag:
    Ich habe mich inzwischen wieder daran erinnert, dass dieses Thema auch bei meinen Schülern aufkam, die ich nach dem Dapper-Buch unterrichtete. Er meint tatsächlich mit "Tenuto" das "Non Legato".

    Schon damals habe ich mich über die Darstellung in dem Buch aufgeregt - ach ja, und über seine Begründung von "alla breve" ebenfalls! :lol:

    Ansonsten ist das Werk aber durchaus brauchbar, will ihn jetzt gar nicht schlecht machen.


    Schöne Grüße,
    frohe Weihnachten,
    Rick
     
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