Vorstellung von Intervallen, Akkorden, Skalen etc.

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Hans, 3.September.2008.

  1. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    was läuft eigentlich vor euerem geistigen Auge ab, wenn ihr improvisiert, Zusammenhänge der Harmonielehre reflektiert oder sonstige geistige Arbeit mit Intervallen, Akkorden, Skalen etc. verrichtet?

    Ich brauche um z.B. eine kleine Terz von Fis zu bestimmen, Bruchteile von Sekunden (leider sehr große), um innerlich die zwei Klaviertasten bis zum A abzuzählen. Entsprechend länger braucht es für Akkorde oder gar Skalen. Dauert alles irgendwie zu lange. Sicher eine Frage der Übung und der Konzentration, aber ich will nach Möglichkeit gleich den kürzesten Weg trainieren.

    Könnt ihr euch noch erinnern, wie sich das bei euch entwickelt hat, wie machen das die Profis unter uns, und wie sieht es bei denen aus, die gar nichts mit Klavier am Hut haben?

    Tschüss
    Hans
     
  2. axelmario

    axelmario Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Hans,

    erst die blöde, aber unvermeidbare Antwort: ÜBEN!

    In der Tat, hat man bei Spielen gar keine Zeit zu "rechnen". Also sollte man alle Haupt Akkorde, aber natürlich vor allem alle Skalen in allen Tonarten im Kopf haben. Es ist mühsam aber machbar.
    Z.B. nehmen wir erst eine einfache Skala, sagen wir eine pentatonische. Man spielt sie auf dem Bb als Grundton auf dem ganzen Ambitus des Saxs. Und das solange bis es "sitzt". Dann das Gleiche mit B (deutsch H), dann mit C usw...
    Nach eine oder zwei Wochen, tut man das Gleiche mit einer anderen Skala und irgendwann hat man sie alle "drauf".
    Das gleiche mit den Akkorden.

    Das schult das "denken" und fällt zunehmend leichter mit der Zeit. Es ist wie Schach spielen :)
     
  3. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin Hans,

    ich bin nun leider überhaupt nicht der begnadete Improvisateur über komplexe Harmonien, aber vielleicht kann ich gerade deshalb was dazu sagen.

    Denn, aufgrund der langjährigen Beschäftigung mit Akkordsymbolen kann ich die meisten davon in einer Art ganzheitlichen Form lesen.

    Sozusagen mit dem Akkordsymbol erfasse ich die akkordeigenen Töne, wie auch eine dazugehörige Skala. Jedenfalls bei den gängigen Typen. Bei den komplexeren muss ich dann auch die berühmte Zehntelsekunde (oder eher länger) nachdenken.

    Einen anderen Weg des Lernens, als sich die Zusammenhänge immer und immer wieder zusammenzubauen und damit zu arbeiten sehe ich allerdings nicht. Es ist wie bei einer Sprache, über die Praxis geht es irgendwann automatisch.

    Ideal wäre natürlich, wenn man den Akkord dazu innerlich hören könnte, wenn man ihn sieht, aber da werde ich wohl nicht mehr hinkommen in diesem Leben.

    Gruß,
    xcielo
     
  4. dereiflerinbayern

    dereiflerinbayern Ist fast schon zuhause hier

    Nun, da ich gerade auf dem Wege bin die graue Theorie zuverinnerlichen, kann ich dir nur sagen wie ich es mache.

    David Liebman sagte mal, Das Harmonielehre das Alphabet der Musiker sind. Daher lerne ich sie auswendig. Das klingt einfacher als es ist, aber ich denke es wird funktionieren. Wenn ich alle Dreiklänge auswendig drauf habe, kann ich sehr schnell Dur und Moll unterscheiden...auch während der Improvisation.

    Als nächstes kommen dann die 7er Akkorde (major und minor) dran. Aber da bin ich noch nicht.
     
  5. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    ihr habt ja sicher Recht, was Üben und Verinnerlichen angeht. Vor allem auch das motorische Gedächtnis für komplexe Abläufe beim Spielen, wie es Axel Mario erwähnt hat. Aber man weiß doch z.B. nicht a l l e Intervalle von a l l e n Tönen auswendig. Wenn ich frage: "Was ist eine kleine Sexte von Gis?" findet doch irgend ein kurzer geistiger Ablauf statt, oder? Der würde mich interessieren.
     
  6. Sax_Addict

    Sax_Addict Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Hans,
    ich steh noch ganz am Anfang der Improvisation und bin technisch gesehen auch kein Profi. Trotzdem versuch ich hier mal, meine Vorgehensweise zu erklären:

    Den funktionsharmonischen Ablauf eines Stücks sollte man .E. schon kennen, um zu wissen, wie der Spannungsverlauf des Stückes ist.
    Basierend auf den Harmonien des Stücks und dem funktionsharmonischen Ablauf, leite ich mir (zusammen mit meinem Lehrer) das Tonmaterial her (also Akkorde, Skalen, je nachdem, was wo passt).
    Dieses Tonmaterial wird dann geübt auf Teufel komm raus, um es möglichst automatisiert abrufbar zu haben.

    Wenn es dann ans Improvisieren geht, versuche ich den kompletten Theoriekram auszublenden (und vertraue darauf, dass ich ihn durch die häufige Wiederholung während der Vorbereitung "automatisch" parat habe) und konzentriere mich auf die Melodien, die an meinem "geistigen Ohr" vorrüberziehen.
    Und das versuche ich dann spieltechnisch umzusetzen. Naturgemäß klappt das momentan eher schlecht als recht...
    Es funktioniert auch nur in einem einigermaßen langsamen Tempo und mit einigermaßen "ruhigen" improvisierten Melodien. Wildes Skalenreiterei is einfach (noch?) nicht drin: zum einen höre ich das nicht mit meinem inneren Ohr, zum anderen spielen da auch die Finger nicht mit...


    Schöne Grüße
    Sax_Addict
     
  7. Gast

    Gast Guest

    Zu den Inhalten: ich habe einen pdf-Ausdruck der "Saxophone Necessities" immer hier herumliegen zum hin und wieder mal draufschauen und feststellen, was ich so alles noch nicht "under my belt" habe. Diese Übersicht ist genauso gnadenlos wie überzeugend!

    Zum Weg: Ich weiß auch keinen anderen als Axel M. - üben halt, immer wieder und so effektiv wie möglich.

    Klar - in den ungewohnten Tonarten mehr und in den geläufigeren weniger. Und diesen "kurzen geistigen Ablauf" gilt es eben mit der Zeit zu minimieren - durch üben :-o .

    Gruß, Jürgen
     
  8. Sax_Addict

    Sax_Addict Ist fast schon zuhause hier

    Mich interessiert in dem Moment aber doch nicht, wie dieser Ton HEISST sondern vielmehr, wie er im Kontext KLINGT oder?

    Stellt man sich solche Fragen ("Was ist eine kleine Sexte von Gis?") nicht bei der Vorbereitung auf ein Solo??? Also bei der Herleitung des Tonmaterials?

    Ich seh schon, ich mach da was falsch... :cry:
     
  9. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Das Beispiel ist gut. Bei einer solchen Frage muss ich mindestens 1 Sekunde nachdenken. Am Schreibtisch, beim Notieren, oder komponieren braucht man auch eine Antwort, nicht aber beim Saxophon spielen (Ist das eine sehr gewagte These ?).

    Beim Saxophon spielen siehst du vielleicht G#-7 auf dem Noenblatt und dann solltest du unmittelbar und ohne viel nachzudenken den Akkord dazu spielen können, und eine Skala.

    Wenn man gut ist (was ich nicht bin), dann noch licks zu allen möglichen im Zusammenhang mit G#-7 üblichen Akkordverbindungen.

    Nochmals: Stete Beschäftigung führt zu Automatismen, und auf die kommt es an. Denn Musik machen kannst du m.E. mit dem ganzen Material erst richtig, wenn du nicht mehr nachdenkst. Wohlgemerkt, beim Üben ist Nachdenken nicht nur erlaubt, sondern Pflicht, beim Musizieren ist nur noch Hören angesagt.

    Bei der Gelegenheit mal ein Seitenhieb auf einen früheren Musikerkollegen von mir, der bei einem Stück mal sagte, dass, ab einem gewissen Tempo er Probleme hätte, weil er nicht mehr schnell genug denken könne. In meinen Augen der falsche Ansatz zu Musik.

    Gruß,
    xcielo
     
  10. Morello

    Morello Ist fast schon zuhause hier

    ...nur ohne Würfel! :cool:
     
  11. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    "ihr habt ja sicher Recht, was Üben und Verinnerlichen angeht. Vor allem auch das motorische Gedächtnis für komplexe Abläufe beim Spielen, wie es Axel Mario erwähnt hat. Aber man weiß doch z.B. nicht a l l e Intervalle von a l l e n Tönen auswendig. Wenn ich frage: "Was ist eine kleine Sexte von Gis?" findet doch irgend ein kurzer geistiger Ablauf statt, oder? Der würde mich interessieren."

    12 Grundtöne mal 12 Töne = 144 prinzipielle Intervallmöglichkeiten, wenn ich die Oktavierungen weglasse. In der schule hat man pro Tag ca 10, 15 Vocabeln gelernt.

    "Was ist eine kleine Sexte von Gis?" findet doch irgend ein kurzer geistiger Ablauf statt, oder? Der würde mich interessieren."
    Bei mir kommt zuerst die quinte, dann 1 kl Sec dazu.
     
  12. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Sax_Addict,

    danke für deinen Bericht, so ähnlich gehe ich in der Praxis mit meinem Lehrer auch vor. Mir geht es hier aber um die rein geistige Operation noch eine Schritt vorher, durchaus auch reduziert auf einfache Intervalle zwischen beliebigen Tönen wie ich oben schrieb.

    Oh, ich bin wohl wirklich etwas langsam, da stehen ja schon wieder jede Menge Antworten dazwischen, sorry.
     
  13. SAIII

    SAIII Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hallo Hans,

    deine ursprüngliche Frage war
    Allgemein zu Intervallen:
    Da ich auch vom Klavier komme, denke ich in Tasten. Jedoch zähle ich die Intervall nicht ab, sondern denke in Akkorden. Wenn man alle Dur Akkorde kennt (11 Stk) und sie vor dem inneren Auge auf der Tastatur sieht, dann hat man sofort die Terz und die Quinte. Die 2 und 4 liegen dazwischen, die 6 einen über der 5 und die 7 einen unter der 8. Fertig! Große und kleine Intervalle lassen sich dann ableiten.

    Zum Improvisieren:
    Ich habe mal irgendwo gelesen (ich glaube es war ein Buch über Bar-Piano), das der Improvisierende die Akkorde vor dem inneren Auge ablaufen sehen soll.
    In dem Moment, wo er den Akkord sieht, sollte er dann die einzelnen Akkordtöne und/oder eine Skala parat haben.
    Akkordtöne und Skalen lassen sich üben, wie z.B. von Aebersold beschrieben.
    Welche Skala dann über einem Akkord gespielt wird, ist Ergebnis der Analyse des Songs. Da im Jazz häufig bekannte Wendungen vorkommen z.B. II-V-I, kann so eine Analyse mit viel Übung wahrscheinlich auch ziemlich schnell gehen. Jedoch müssen die Akkorde des Songs auswendig gelernt werden.
    An spontane Super-Improvisationen ohne Kenntnis des Songs glaube ich schon lange nicht mehr.

    MfG
    Markus
     
  14. axelmario

    axelmario Ist fast schon zuhause hier


    Kann es sein, dass du Schach mit Mensch ärger dich nicht verwechselst? :-D
     
  15. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Ok, also nochmal vielen Dank für die bisherigen Antworten. Ich hätte wahrscheinlich aus meiner Frage das Wort "improvisieren" weglassen sollen. Mir ging es eher um die Phase der Erarbeitung von Theorie noch vor dem Spielen, was damit zusammenhängt, dass ich mich seit geraumer Zeit mit diverser Literatur über Harmonielehre (speziell Sikora) rumplage. Da taucht dann bei mir immer wieder die Frage auf, wie sich wohl bei Nicht-Klavierspielern oder völlig routinierten Musikern diese Strukturen beim gedanklichen Reflexieren abbilden.

    Für die Praxis ist sicher (noch vor dem motorischen Einschleifen) nur ein direktes Abspeichern aller einzelnen Zusammenhänge wirklich brauchbar. Zuordnungsvorschriften (wie z.B. Eselsbrücken für Vorzeichen, Quintenzirkel, Herleitung der restlichen Modi aus Ionisch etc.) muss man zwar nur einmal verstanden und gelernt haben, um sie allgemeingültig anwenden zu können, aber sie brauchen eben beim Spielen zu viel Zeit.
     
  16. axelmario

    axelmario Ist fast schon zuhause hier

    Man sollte nicht vergessen, dass die Theorie nur ein Mittel zum Zweck ist. Ich versuche mit meinen Schülern die Theorie anhand der Praxis, also beim spielen zu erörtern.


    Diese Zeit wird immer kürzer wenn man weiter kommt. Ein Kleinkind braucht 5 Minuten für 10 Meter; ein Monat später läuft er in der ganzen Wohnung. (70 Jahre später ist es umgekehrt, aber es ist eine andere Geschichte) :-D
     
  17. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    Zitat:

    Morello schrieb:
    Zitat:
    Es ist wie Schach spielen

    ...nur ohne Würfel!

    Kann es sein, dass du Schach mit Mensch ärger dich nicht verwechselst? "

    das war ein zitat.das hat vor kurzem ein nicht so arg gescheiter mensch über fussball gesagt.
     
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