Was ist für euch Jazz? Theoretischer Teil der Diskussion

Albert Mangelsdorff hat sich zum Swingen so eingelassen (Originalzitat durch mich gekürzt):

Alfred Lion‘s ikonisches „It Must Schwing“ ist auch nicht als Aufforderung gemeint gewesen, präziser ternär zu spielen...

Und letztlich ist die ganze Latin Jazz / Bossa Nova - Ecke auch nicht Swing-phrasiert, groovt aber streckenweise ungemein. Und ist zweifelsfrei Jazz.

 

Meinst Du kein Solo oder kein improvisiertes Solo? Aber eigentlich egal, kann trotzdem beides Jazz sein - oder auch nicht.

Eine Abteilung des Musikzugs unserer Freiwilligen Feuerwehr nennt sich BigBand und spielt genau einmal im Jahr Stücke, die auch im Jazzrepertoire vorkommen. Jeder Ton ist präzise ausnotiert, auch die Instrument Features (sowas wie Solos...). Swingen kann von den Jungs keiner, die zwei Frauen im Team swingen dagegen eigentlich wie der Teufel, werden aber in diesem Setting gnadenlos untergebuttert. ... Kein Jazz

 

Das ist das Problem bei der Begriffsbestrimmung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung: Jazz ist eine Sammlung von Melodien. Wer die spielt, macht Jazz. Wenn der Musikzug z.B. ein Glennmillermedley einstudiert, wird das als Jazz angesehen, auch wenn die Musik im gleichen Stil rumpelt wie ein Marschpotpurry.

 

Kommt darauf an, WIE Ihr es spielt, außerdem gibt es viele Pianisten, Gitarristen, Bassisten und Drummer, die sich nicht sklavisch an die Noten-Vorgaben halten, sondern ihre Begleitung ganz im Sinn des Jazz er-improvisieren.

In den Ursprungszeiten des "Jazz" ging es nicht darum, WAS man spielt, sondern WIE man mit dem Tonmaterial, das sich nicht wesentlich von dem der damaligen Unterhaltungsmusik unterschied, umging, das nannte man "HOT playing":
Rhythmisch akzentuierter, mit größeren Freiheiten in der Interpretation, also mit Variationen der Melodien.

Improvisieren war damals allgemein üblich in der Begleitung, die wenigsten Musiker konnten Noten lesen, dafür konnten sie sich die verabredeten (oder gängigen) Arrangements gut auswendig merken und hatten zumeist ein geübtes Gehör, das gilt aber praktisch für alle "Volksmusik auf der ganzen Welt, das Wenigste davon ist notiert.
Richtige Solos mit ganzen spontan im Moment "erfundenen" Passagen kamen erst später auf, zuerst war es üblich, dass man sozusagen "sein Solo" irgendwann mal erarbeitete, auswendig lernte und dann immer wieder spielte.
Das hat sich ja alles entwickelt, wurde nicht von genialen Köpfen "am Reißbrett" entworfen.

Um diesen "Spirit of Jazz" wiederzubeleben, machen wir das in meiner Big-Band ganz gezielt:
Arrangements verändern, unseren Bedürfnissen anpassen, Platz für Solos einbauen, die Begleitung hält sich kaum an die Noten, wir machen sogar spontane "Head Arrangements" ganz ohne Noten.
Das hat in der Vergangenheit zu einigen Konflikten und sogar Austritten von weniger spontanen Mitspielern geführt, aber insgesamt hat es meiner Ansicht nach der musikalischen Qualität sehr gut getan und einige unserer "Cats" sind dadurch zu einer beruflichen Karriere als Jazzmusiker gekommen.

 

guter thread. man lernt viel über das thema jazz und wie es jeder für sich verwirklicht.

passt nicht ganz zum Thema, aber ich wünschte, ich könnte improvisieren, wenn bei der Seite 8notes beim „umblättern“ für Sekunden keine Noten zu sehen sind. nicht dass ich einen takt nicht behalten könnte - aber es kommt dann so überraschend