Wie spielt man Ghosted Notes richtig?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Silbermöwe, 21.Juli.2014.

  1. Silbermöwe

    Silbermöwe Kann einfach nicht wegbleiben

    Liebe Leute,

    der Titel verrät bereits mein Anliegen.
    Ich möchte gerne Ghosted Notes richtig spielen können. Dabei würde mich vorrangig interessieren, welche Technik ihr dabei verwendet. Bei youtube habe wenige Videos gefunden, die leider auf Englisch sind und ich sie daher nicht verstehe.
    Ich meine, dass ich bei den Ghosted Notes ein sogenanntes Plobgeräusch höre. Stimmt das?...und wie wird das erzeugt?

    Ich würde mich freuen, wenn ihr mir ein paar hilfreiche Tipps an die Hand geben könnt.

    VG Susi
     
  2. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem


    Also mir wurde von meinem Lehrer erklärt, dass diese Noten "leer zu greifen" sind. Dabei werden die Klappen wenn möglich hörbar geschlosen, so dass ein Nachhall mit der entsprechenden Tonhöhe im Rohr entsteht. In der Praxis habe ich aber noch nie zusammen gebracht, dass das im Spiel überhaupt erkennbar anders ist als die Note einfach ganz auszulassen. Das Gehirn des Zuhörers ergänzt den fehlenden Ton ganz automatisch, weil das bisher immer eine Note war, die im Zusammenhang zwingend zu erwarten ist.

    Ich vermute ja, dass es eben diese Spannung ist, die den Effekt erzeugt. Der Ton wird erwartet, fehlt aber.
     
  3. Silbermöwe

    Silbermöwe Kann einfach nicht wegbleiben

    Genau bebop99, das ist der Punkt. Spielt man sie nun aktiv oder tut man nur so. Da muss es ja eine Erklärung dafür geben.
    Ich habe mal dieses Beispiel bei youtube gefunden. Der erklärt irgendetwas, was sich auf das Blatt bezieht und man hört bei ihm auch ganz deutlich diesen Plob.
    Hmmm...grübel
     
  4. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Moin,

    ..als "Ungelernter" hatte ich nie eine Ahnung was das bedeutet.

    Danke für die Aufklärung...jetzt weiß ich auch, was ich immer da treibe, bei meiner unbewußter Noten-Verschluckerei.

    Machmal schon zu heftig, aber mein Bauch macht halt sowieso was er will.:)

    Anlaß, da mal zukünftig gezielt darauf zu achten.

    Gr Wuffy

     
  5. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    die Note wird nicht einfach weggelassen, sondern, wie in dem video gut erklärt gedämpft gespielt, bis fast zur Unhörbarkeit, je nach Laune und Geschmack. Aber sie muss gefühlt noch da sein, sonst geht der Effekt völlig verloren.

    Wie immer gibt es verschiedene Möglichkeiten dazu. Ich dämpfe das Blatt mit den Lippen, nicht mit der Zunge.

    Gruß,
    Otfried
     
  6. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Ich dämpfe das Blatt mit der Zunge, das geht aber nur, wenn ich es nicht frontal, sondern eher seitlich berühre. Schwierig, wenigstens für mich.
     
  7. chk

    chk Nicht zu schüchtern zum Reden

    Ich dämpfe die ghost notes, indem ich die Zunge leicht vorne ans Blatt lege. Lange habe ich den Fehler gemacht, auch weniger Luft durchzuschicken. Das ist genau falsch. Man muss mehr Luft nehmen, damit der Ton trotzdem noch kommt.

    LG
    Christiane
     
  8. philipp_b

    philipp_b Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,
    Ghst Note ist meiner Meinung nach eine Artikulation, d.h. das macht die Zunge. Kannst ja mal probieren, glecihzeit zu pustenund die Zunge ans blattzu legen. Bei ersten, ganz leichten Kontakt schwingt das Blatt noch weiter,aber der Ton klingt nicht mehr frei, sondern gedämpft, weil die Zunge es ja daran hindert. Wenn man das dann gezielt und kontrolliert einsetz, z.B. bei Offbeat Achteln spricht man vom Ghostnotes, sie sind nihct weg, aber auch nciht ganz da.
    Grüße
    Philipp
     
  9. ppue

    ppue Mod Experte

    Hehe, eine Ghostnote war vor 70 Jahren mal ein Phrasierungsfehler und heute scheinen sie ein beliebtes Stilmittel. Aber warum nicht.

    Wer schnellen Swing spielt, übt sich mit verschiedenen Phrasierungen. Irgendwann kann man nicht mehr alle Achtel anstoßen. Um weiterhin zu swingen stößt man jeweils die Achtel auf der 'Und' an und bindet über zur nächsten vollen Viertelnote.
    Kommt man in Versuchung, in einer Phrase eine volle Viertel auch anzustoßen, so kriegt man die Zunge nicht mehr schnell und weit genug vom Blatt bei der letzten Und-Achtel und sie vergeistert.

    Witzig, dass man den Fehler nun lernen will.

    Ich bin sicher, dass die Ghostnotes (als Begriff) mit dem Transkribieren geboren wurden. Man hört ab und zu eine in verschiedenen Soli, der Transkribist schreibt solche dann z.B. mit einem Kreuz als Kopf auf und die Schüler fragen dann ihre Lehrer, wie so etwas zu spielen sei.

    Später bauen die Schüler wiederum Ghostnotes als Stilmittel sogar in Kompositionen ein. Ja, so geht Evolution.

    Dass sie ploppen, kenne ich allerdings nicht. Das scheint mir ein anderer Effekt zu sein. Da wäre ein Beispiel hilfreich.
     
  10. Gast

    Gast Guest

    In Nesticos "The Complete Arranger" von 1992 ist die "Ghost Note" in der "Articulation Chart" aufgeführt - "a swallowed sound - pitch may be implied".

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das schon lange ein bewusstes Stilmittel ist und kein Nebenprodukt des Transkribierens.

    Herman
     
  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja ja, aber 1992 ist nicht so lange her. Ich spreche von den Zeiten des Bebop, also 1940. Kann mich nicht erinnern, in Aufnahmen einer früheren Epoche Ghostnotes gehört zu haben, werde aber da gerne verbessert.

    Wäre nun interessant, wann sie zuerst in der Literatur und dann im Lehrmaterial auftauchten.

    In unseren Hochschulen wird Jazz seit Mitte der 1970er Jahre angebaut, Zeit genug, das Pflänzchen bis in die 90ger groß zu ziehen.

    Es ist kein Nebenprodukt des Transkribierens, denn sie wurden ja so geblasen. Beim Transkribieren aber wurden die "Fehler" dingfest und zu Literatur gemacht.

    Ich habe aber wirklich nichts gegen die Entwicklung, muss aber dennoch ein wenig grinsen.
     
  12. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Moin ppue,

    oh, das hab´ ich deutlich anders im Kopf.

    Ich erinnere mich dabei an Transkriptionsversuche einer Pres (Lester Young) Version eines Swing Titels: Unser Bassist und ich waren absolut sicher, diese Note gehört zu haben. Per EDV haben wir das Ganze dann immer mehr verlangsamt....... aber da war nix, außer einer betonten Pause bei der wir uns bzgl. der Tonhöhe völlig sicher waren. ;-)

    Ähnliches meine ich auch bei Hawk häufiger gehört zu haben.



    keep swingin´


    Dein Saxax
     
  13. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    soweit ich weiß, hat Benny Goodman erzählt, dass einige seiner Musiker manche Noten derart verschluckten. Er ließ das dann kollektiv üben, damit es alle gleich spielten.

    Gruß,
    Otfried
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Ah, interessant, also schon im Swing.

    ((-:
     
  15. saxhornet

    saxhornet Experte

    Bei der Erklärung fehlt der wichtigste Ansatz: Die Zunge berührt nicht das ganze Blatt an der Spitze, sondern nur einen Teil, so daß die andere Hälfte noch schwingen kann. Dafür wird die Zunge meist schräg an die Blattseite gelegt. Der Ton erklingt gedämpft ist aber nicht komplett weg.
    Anders die Deadnote, die wirklich nur impliziert ist und man eher die Klappe bewegt aber den Ton nicht spielt/bläst.
    Ist bei jeder Note möglich.

    Lg Saxhornet
     
  16. saxhornet

    saxhornet Experte

    Mag sein daß das mal Jemand durch Zufall aus einem Fehler heraus entdeckt hat. Ich habe aber gelernt, daß schon zu Swingzeiten das ein bewusstes Stilelement war, das gezielt auch von Komponisten und Arrangeuren benutzt wurde. Zumindest wurde mir das in der Uni beim Big Bandunterricht so beigebracht und die Dozenten hat da das Thema Pädagogik etc. nicht interessiert, sondern nur was sie tun müssen, damit die Band möglichst einen alten Originalsound hinbekommt, abhängig davon welche Arrangements gerade gespielt wurden. Da wurde sogar der 1. Altist angehalten so wie Hodges zu spielen.

    Lg Saxhornet
     
  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja ja, ich habe es ein wenig überspitzt und provokant geschrieben und nun gelernt, dass es die Geisternötchen schon im Swing gab. Danke.

    Ich glaube dennoch, dass sie aus einer etwas verhuddelten Phrasierung stammen und nicht als Stilmittel erfunden wurden.
     
  18. ArnoB

    ArnoB Kann einfach nicht wegbleiben

    Für mich sind Ghostnotes oder auch " verschluckte Töne" ein unverzichtbares
    Stilmittel, um Swing oder Bebop authentisch und überzeugend zu interpretieren.
    Gerade dieses Mittel ermöglicht eine größere dynamische Vielfalt innerhalb
    einer Achtellinie im Swing.
    Es gibt einige Regeln für die Ausführung:

    1. Ghostnotes tauchen nur bei Achteln auf.
    2. Ghostnotes werden nur gespielt, wenn es danach aufwärts geht.
    3. Ghostnotes tauchen immer auf Offbeats auf .
    4. Der Ton nach der Ghostnote wird stärker betont.

    Ich führe Ghostnotes aus, indem ich mit der rechten Seite der Zungenspitze
    die linke Seite der Blattspitze herunterdrücke.
     
  19. Rick

    Rick Experte

    Hallo ppue,

    gewiss wurden sie nicht absichtlich "erfunden", aber sie haben sich als Stilmittel durchgesetzt.

    Wenn früher europäische Musiker versucht haben, Jazz zu spielen, warf man ihnen von Kennerseite her oft vor, sie würden "zicken", während die amerikanischen Musiker, vorwiegend afro-amerikanischer Herkunft, hingegen "cool" klängen.
    Das lag nicht nur an der Rhythmisierung, sondern auch sehr stark an der "Mikro-Dynamik".

    Nehmen wir das Saxofon-Thema von "In The Mood":
    Europäische Blasmusiker strengen sich bei solchen Stellen an, jeden Ton gleich laut zu erklingen zu lassen, während die coolen Boys von Glenn Miller die unteren Noten einfach leiser spielten, geradezu verschluckten, dafür die oberen akzentuierten. Und schon klingt es "authentisch". :cool:

    Das war aber nicht nur ein Phänomen im Kontrast Europa/USA oder weiß/schwarz - schon Duke Ellington soll in den 1920ern aufmerksam die Musiker aus New Orleans studiert haben, weil sie anders spielten als die Jazzer in Chicago, St. Louis, Kansas City oder New York. Tatsächlich klangen die nördlich beheimateten damals gerne noch etwas "zickig", während es bei den Südstaatlern viel "cooler" swingte.
    Das lag eben auch an der Mikrodynamik, also den größeren Lautstärkeunterschieden innerhalb einer Phrase.

    "Ghost Notes" oder scheinbar mühsam herausgepresste Töne gehörten zu den wichtigsten Ausdrucksmitteln dieser Musiker, besonders schön bei den Trompetern zu hören, etwa Louis Armstrong machte das gern.
    Selbst die Sänger klangen oft "atemlos", verschluckten Silben, stießen andere dafür umso lauter hervor, sodass der Gesang fast perkussiv wirkte.

    Ich denke, das ist auch die wahre Herkunft dieser Artikulation: Das afrikanische Trommeln mit unterschiedlich lauten Schlägen, da gibt es jedenfalls die "gedämpften Schläge" schon sehr lange.

    Letztlich sind also die Ghost Notes meiner Ansicht nach nichts anderes als der Versuch, mehr rhythmische Akzentuierung ins Spiel zu bringen.
    Ob man das nun mittels weicher Zunge, weniger Luft oder einer Kombination aus beidem bewerkstelligt, ist erst mal dem persönlichen Geschmack überlassen.

    Im Bläsersatz, etwa einer Big-Band, sollte man an entsprechenden Stellen die jeweils verwendete Technik während der Probe vereinheitlichen, doch im Solo-Spiel sind (wie im Krieg und in der Liebe) alle Mittel erlaubt.
    Die alten New-Orleans-Jazzer hatten schließlich auch erst mal keine Anleitung zur Hand, sondern haben einfach ausprobiert, was sie und ihr Publikum am besten überzeugte. ;-)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich halte von solchen Regeln bei Ghost Notes nicht viel, denn es begegnen einem dann doch immer Stücke wo es anders ist oder anders gefordert wird. Und diese Ausnahmen können einem dann auch öfters begegnen, bis man dann merkt das solche Regeln doch für die Katz sind.


    Lg Saxhornet
     
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