Wie wichtig sind auswendig gelernte Licks für's Improvisieren?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 5328, 20.Oktober.2012.

  1. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hallo zusammen,

    wie seht ihr das Thema? Ist es notwenig, um gut Improvisieren zu können, möglichst viele Licks auswendig zu lernen?

    Oder sollte jeder den Weg finden, der am besten zu ihm passt?

    LG

    Dreas
     
  2. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Hallo Andreas,
    ich hatte mir mal so ein Heft mit Licks gekauft und nach einer Viertelstunde in die Ecke geschmissen. Ich finde das ätzend, macht keinen Spaß und lieber improvisiere ich schlecht als meine Zeit mir Auswendiglernen von Licks zu vertun. Merken könnte ich die mir eh nie alle.
    Das einzige was darin hilfreich war, waren die Begleit CDs, die nehme ich gelegentlich zum Improvisieren ohne Licks.
    Gruß Reiner
     
  3. saxhornet

    saxhornet Experte

    Nein Du musst nicht wahnsinnig viele Licks lernen um gut improvisieren zu können.
    Licks können Dir aber hilfreiche Informationen liefern über typische Spielweisen in bestimmten Stilistiken, wie Melodien gebildet werden, wie mit Spannung in Melodien gearbeitet wird, Du kannst von Ihnen typisches Vokabular lernen, wie mit bestimmten Akkorden und bestimmten Skalen Melodien gebildet werden können, wie man zu bestimmten Tönen in Akkorden melodisch hinführt etc. etc. etc.
    Technisch können Dich auch Licks manchmal wachsen lassen wenn Du sie durch alle Tonarten transponierst.

    Es gibt viele Infos die man aus Ihnen ziehen kann.
    Ich persönlich finde es wichtiger Licks singen zu lernen und zu verstehen was in ihnen passiert als sie perfekt spielen zu können. Licks lernen ist so als wenn man nur einen Satz einer Sprache lernt mit Vokabeln bevor man sich an ein ganzes Buch in der neuen Sprache macht (=einem kompletten Solo, das man raushört). Ich empfehle immer das Prinzip aus einem Lick zu verstehen und es dann eher zu üben das Prinzip und nicht das Lick in sein eigenes Solospiel zu integrieren.

    Kann also sinnvoll sein, ist aber allein als einzige Übung beim Saxophonüben nicht zielführend, wenn man improvisieren lernen will. Denn wer viele Licks kann, kann noch lange nicht auch ein Solo vernünftig spielen. Als ein Punkt von vielen aber durchaus sinnvoll.
    LG Saxhornet
     
  4. Gast

    Gast Guest

    Ich spiele seit dem hiesigen Hip Lick-Hype viel mit Buch und CD von Greg Fishman. Es macht Spaß und ist riesig interessant und hilft gewaltig bei der Geläufigkeit über alle Tonarten.

    Aber ich übe Licks NICHT mit dem Ziel, sie irgendwo und -wie "unterbringen" zu können. Schon die Idee finde ich verkrampft und gekünstelt. Aber als Ergänzung zu Tonleitern und Arpeggios sind GUTE Licks sicher geeignet, die improvisationstechnische Fingerfertigkeit zu verbessern.

    Herman
     
  5. Mini

    Mini Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Dreas,

    ich habe noch nie "Licks geübt". Das ergibt sich natürlich zwangsläufig, wenn man Improvisations-Etüden spielt oder irgenwas nachspielt.

    Licks entsthen bei mir automatisch, wenn ich beim Improvisieren irgendeine gute Wendung gefunden habe und diese dann wiederverwende. Das mache ich aber nicht bewußt, das merke ich meist erst, wenn mir meine Aufnahmen anhöre. Bewußt versuche ich oft, wiederkehrende Licks zu vermeiden, um nicht immer das gleiche zu spielen und wieder Raum für neue Ideen zu öffnen.

    Gruß
    Mini
     
  6. Rick

    Rick Experte

    Hallo Florian!

    Genau, man kann von ihnen viel lernen.
    Vor allem sind sie eine Art stilistisches Vokabular, diese Bedeutung darf man nicht unterschätzen.

    Sie entsprechen den "Redewendungen" in der Sprache, anhand derer man sofort merkt, welche landschaftliche oder soziale Herkunft jemand hat, wo er sich selbst gesellschaftlich orientiert.

    Hierbei sind die üblichen Blues-Licks gewissermaßen der Straßenslang, mit dem man sich sofort anbiedert, den jeder versteht: "Yo Mann, echt krass, Alder, isch schwör'!"

    Parker-Licks oder Coltrane-Anklänge entsprechen dem anderen Extrem: "Wie schon Goethe wusste..." :cool:

    Unter Kennern beliebt sind Zitate bekannter Stücke von Klassik bis Pop-Song, da hebt der Eingeweihte distinguiert eine Augenbraue. :-D

    Vorwiegend helfen Licks eigentlich bei der Einordnung in einen Stil, es gibt meiner Ansicht wenig bis gar keine komplett "neutralen" Licks.
    Deshalb habe ich starke Probleme mit solchen erwähnten Sammlungen undifferenzierter "Jazz Licks", denn Jazz ist ein Oberbegriff für zahlreiche Stile in über hundert Jahren, von Ragtime bis Ethno - welche Licks sollen da bitte gemeinsame Nenner bilden? :-o

    Ganz klar dienen Licks also der Kommunikation mit dem Zuhörer, sie stellen Vertrautheit her und helfen bei der stilistischen Orientierung.
    "Don'ts" sind deshalb natürlich stilistische Brüche, wie Modern-Jazz-Klischees beim Dixieland-Auftritt, Blues-Phrasen bei Bossa Nova oder Louis-Armstrong-Anklänge bei Rock und Soul (wobei diese andererseits, geschickt eingesetzt, auch wieder ihren Reiz haben können, ein offenes Publikum vorausgesetzt).

    Genau - man sollte sich schon etwas damit beschäftigen, wie sie aufgebaut sind, vor allem natürlich, WARUM sie so klingen, nur dann kann man auch den zugrunde liegenden Stil tatsächlich authentisch nachahmen.

    Das ist ein wichtiger Punkt!

    Es gibt Solisten, gerade im Pop-Rock-Fusion-Bereich, die einzig und allein Lick-Sammlungen abspulen, das ist dann wie jemand, der eine Rede ausschließlich aus Versatzstücken anderer Redner hält (oder eine Doktorarbeit aus Zitaten zusammenbastelt...). ;-)
    So etwas mag den musikalischen Neuling vielleicht beeindrucken, doch wem Originalität etwas bedeutet, der wendet sich mit Grausen ab. :roll:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    +1 :lol: :lol: :lol: Klasse Vergleich, Danke, hat mich zum Lachen gebracht.
    Paul Desmond war bekannt dafür, daß er die Themen und Texte von Songs gut kannte, so konnte er mit Zitaten ganze Geschichten erzählen (die nur von Eingeweihten, die die Texte und Melodien gut kannten verstanden wurden). So gab er auf diese Art aber auch Informationen an seine Kollegen und Mitstreiter weiter, wenn er sich z.B. durch das Spiel von Brubeck am Klavier zu eingeengt fühlte für sein Solo spielte er entsprechende Stellen aus dem Song: Don't fence me in in seinem Solo.

    LG Florian
     
  8. Gast

    Gast Guest

    JEP !!

    Eigentlich ist hier in erstaunlich wenig Postings fast alles wichtige gesagt, was es dazu zu sagen gibt.

    Man könnte höchstens noch einen draufsetzen mit dem Film : Entwickele Deine eigenen Licks, variiere sie , verkompliziere sie und entwickele DADURCH eine eigene Sprache / Improvisation.
    Dazu ist in meinen Augen ...pardon OHREN....eine eigene Phrasierung, Tonbildung, Modulation weitaus wichtiger, als die Aneinanderreihung verschiedener Noten und / oder Rhythmen.

    Viele Musiker spielen in der Tat recht ähnliche Notenfolgen...weil die sich in bestimmten Musikstilen einfach anbieten und erfolgreich sind....dennoch erkennt man viele eben an ihrer eigenen Art der Interpretation der Sache. (ODER eben auch NICHT )

    LG

    CBP
     
  9. cara

    cara Strebt nach Höherem

    ja, ich denke auch, dass es einen großen Unterschied macht zwischen Licks üben (z.B. die Snideros, die ich mir kürzlich alle besorgt habe),
    und
    sie auswendig zu lernen und bei jeder Gelegenheit abzuspulen. Im Übrigen denke ich, dass es gut ist viel und vor allem viel verschiedenes zu spielen, nach Noten, nach Gehör, wie es gerade kommt und was man gerade interessant findet.
    Klar ist es dadurch schwieriger, seinen eigenen Stil zu finden. Dafür ist er dann auch keine platte Imitation. :-D

    Nicht der einfache Weg ist immer der Beste. :-D

    Gruß Cara

     
  10. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Moin Dreas,

    die wichtigen Dinge sind wohl schon gesagt worden, vor allem Ricks Vergleiche finde ich super.

    Trotzdem noch mein Senf dazu, aus Sicht eines Menschen, der nicht wirklich gerne - und wenn überhaupt - dann nicht sehr systematisch übt:

    Zunächst mal der böse (und bequeme) Verdacht: wenn alle die gleichen Licks spielen, klingen alle gleich, das wird dann schnell langweilig. In der Tat geht es mir häufig so, mit den Leuten, die auf dem Konservatorium alle Skalen und Licks gelernt haben, technisch wirklich überragend sind und trotzdem (für mich!) langweilig klingen. Was hat das damit zu tun, dass Lester Young für mich immer noch frisch klingt .... vielleicht weil er keine Licks (von anderen) üben konnte?

    Wenn man in der Ablehnung von Licks nun meint, Improvisation muss immer orginell, absolut neu sein und aus der aktuellen Inspiration des Improvisators stammen, ist das wohl aber auch völlig falsch. Gute Improvisation erzählt eine Geschichte, ist also der Sprache sehr ähnlich. Gut anzuhörende Geschichten werden aber selten in Zungen gebetet, sondern entstehen aus Silben, Worten und sogar ganzen bewährten Satzteilen. Damit sind wir wieder bei den Licks :)

    Stilistisch bin ich eher in Richtungen verhaftet, in denen es noch keine Licks gab. Ich gebe aber zu, eine Zeitlang habe ich durchaus diverse Riffs aus Swing, Blues und Harbop aufgeschrieben und dann in verschiedenen Tonarten geübt. Das hilft der Geläufigkeit beim spielen auch hilft auch, Sprachbausteine für Soli zu sammeln.


    keep swingin´


    Saxax
    (der abschließend noch zugibt, dass durchaus J. Coker u. L Niehaus im Notenschrank stehen)

     
  11. Dr-Dolbee

    Dr-Dolbee Ist fast schon zuhause hier

    Ich kann den bisherigen Ausführungen nur zustimmen und die Gelegenheit nutzen auf ein Werk zu verweisen, dass mir eine ganze Menge Spaß gemacht hat:
    Ultimate Funk Grooves
    http://www.allenoten.de/Ultimate_Funk_Grooves_For_E_Flat_Saxophone-Alt-Saxophon-ADG099_ADG_Productions/0udxch70?lang=de

    Es gibt aus der gleichen Reihe noch Ultra Smooth Jazz Grooves das schon auf der Wunschliste steht ;-)
    http://www.allenoten.de/Ultra_Smooth_Jazz_Grooves_For_E_Flat_%28Alto%29_Sax-Alt-Saxophon-ADG125_ADG_Productions/4wae842l?lang=de


    Gruß
    dr.dolbee
     
  12. saxer66

    saxer66 Ist fast schon zuhause hier

    Moin,
    da die Musik(Melodie und Soli)sowieso bereits im Kopf ist, nützt es mir nichts auswendig Licks zu lernen.
    Wichtig fürs improvisieren m.Mng.nach:
    -viel oder noch besser sehr viel Musik hören
    -und die Musik aus dem Hirn aufs Horn kriegen :roll:
    ...womit wir beim schwierigen Teil der Übung wären!!!
     
  13. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hallo,

    klasse Beiträge!!! Sehr hilfreich. Im Prinzip handhabe und sehe ich es so wie Reiko.

    Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass es was bringt, wenn man sich damit auseinandersetzt. Das ist ja ganz was anderes, als sich
    die Dinge stumpf ins Hirn zu hauen.

    Mal schaun wie ich's angehe.

    LG

    Dreas

    P. S. Ich glaube wir sind diesmal die einzige Ecke in Deutschland, die die
    Sonne heute nicht gesehen hat. Aber warm war es wenigstens.
     
  14. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Das meiste ist ja bereits gesagt. Hier doch noch ein Hinweis: ich finde, es geht weniger darum, Licks auswendig zu lernen, als darum, sich Licks wirklich zu eigen zu machen.

    D. h. sie spielerisch zu verändern und umzubauen (am besten mit Playalong), bis sie einem nicht mehr fremd vorkommen, sondern zum eigenen Vokabular dazukommen.

    Beim Üben versuche ich schon, bestimmte Licks an passender Stelle unterzubringen. Beim Performen denke ich nicht an Licks, die tauchen in meinem Spiel nur zuviel auf ...
     
  15. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hier mal noch ein Beispiel wie und wo ein Standardlick überall Anwendung findet:



    :)


    LG

    Dreas
     
  16. Gast

    Gast Guest

    Aus meiner Sicht ist es wichtig - bei einer Fremdsprache, im Sport und in der Musik - bestimmte Abläufe zu speichern und diese abrufen zu können. Beim Sport und in der Musik sollten diese Abläufe auch im "Muskelgedächtnis" gespeichert sein, so dass sie abruf- und kombinierbar sind.

    Ob man diese Abläufe Licks nennt oder Melodien (meinetwegen auch Kurzmelodien) spielt m.E. keine wesentliche Rolle.

    Herzliche Grüße,

    Joe
     
  17. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Ich auch nicht!

    Hätte ich es mal besser getan, dann wäre mir vielleicht in früheren Zeiten die eine oder andere große Unzufriedenheit und Niedergeschlagenheit über das eigene Spiel nach Auftritten mit meinen Bands erspart geblieben.

    Denn als einer von zwei Hauptsolisten in einer Jazz-Band - lässt man mal das obligatorische Bass-Solo weg - muss man in fast allen Stücken ran.

    Wenn man dann jedoch nicht aus einem großen Fundus an eigenen Phrasen oder Licks schöpfen kann, dann bleibt einem nur die Hoffnung, dass man am Tag X besonders einfallsreich, motiviert oder inspiriert ist, um nicht mit den Ansprüchen an sich selbst baden zu gehen.

    Eine kleine, besser große Lick-Sammlung, die man nicht mechanisch, sondern an besonderen Stellen anzapft, kann einem da sicherlich über die eine oder andere Leere beim Improvisieren hinweghelfen und neue Ideen bewirken.



     
  18. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier

    hallo zusammen,

    hatte was zum thema grade unter dem greg fishman thread gepostet:

    "nebenbei: fast alle ganz grossen musiker empfehlen, sich licks von anderen rauszuhören, zu transponieren und zu üben und diese damit ins unterbewusstsein zu bekommen. ich halte das für äusserst sinnvoll."


    das meine meinung zum "Lick üben".

    grüsse

    mixo
     
  19. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Falls du mit Coker "Patterns for Jazz" meinst, muss ich aber einwerfen, dass das eher eine knallharte Schule ist um nicht auf Licks angewiesen zu sein.



    Zm Thema Licks in der Improvisation bin ich für mich zum Schluss gekommen, dass ich gar nicht der Typ für sowas bin. Ich versuche eher Systeme zu finden zu improvisieren...zum Beispiel chromatische Durchgänge, Annäherungen und Umspielungen.
    Um das Vokabular zu erlernen finde ich es aber durchaus sinnvoll, sich mit Licks zu beschäftigen.
     
  20. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Nein, auswendig gelernte licks für die Jamsession, das wäre sicher zu kurz gesprungen.

    Aber man sollte sich auch klar machen, dass eine gute Licksammlung die Essenz hunderter Imrovisationen darstellen kann.

    Natürlich ist es sinnvoll sich damit zu beschäftigen, man lernt doch auch gute Songs.

    Nimm Dir 100 licks und wähle die für DICH besten 10 aus. Dann in allen Tonarten spielen.

    Noch besser ist es sicher, sich das Material aus den Originalaufnahmen zu holen.

    Licks sind aber nur 1 Teil von vielen, aus denen Musik wird.

    Schönen Abend!

    Chris
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden