Absteigendes Kulturgut?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Blofeld, 12.März.2023.

  1. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Der Grund liegt doch eigentlich auf der Hand: Es ist doch offensichtlich, dass schlichtweg die Digitalisierung der Freizeit seit 10,15 Jahren richtig begonnen hat, durchzuschlagen. Digitale Mediennutzung frißt seitdem einen Großteil der Zeit, die die Menschen vorher für andere Dinge aufgewendet haben. Und das Musikmachen fordert, wie wir alle wissen, ziemlich viel Zeit, noch dazu regelmäßig bis täglich. Insofern wundert es mich nicht, dass sie eines der ersten Opfer geworden ist.
     
    Zuletzt bearbeitet: 12.März.2023
  2. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Das interessiert die meisten Zuhörer nicht im Geringsten. In meiner letzten Coverband hatten wir kein Saxophon. Spielten jedoch durchaus Titel, in denen markante Saxophonpassagen einfach dazugehörten. Spontan fällt mir da „Jraduss“ von BAP ein. Da kam das Sax eben vom Keyboard. Das hat nie irgendjemandem gestört.
     
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  3. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Was @Roland sagt, stimmt schon, wobei die Kinder ja auch nicht in der Schule lernen, mit DAWs oder MIDI umzugehen. Das eine ist die Veränderung von Instrumenten mit der Zeit, dass andere ist die unzureichende kulturelle Bildung per se.

    Ich finde das insgesamt wenig verwunderlich und bei den Ursachen muss man differenzieren.

    Zum eine ist Kulturbudget eine Frage von Wohlstand und ohne Budget geht halt nichts. In der Nachkriegszeit Zeit gab es wenig davon, in Boomjahren ist es gewachsen, in Krisenjahren wird es zusammengestrichen.

    In England hat die Krise halt 5 Jahre vorher angefangen, weil große Bevölkerungsteile einer Clique sehr wohlhabender Ewiggestrigen dabei geholfen haben, durchzusetzen, dass sich jetzt mal alle selber einen Fuß abzuhacken.

    Im Detail sehe ich aber länderspezifische Unterschiede. In Amerika und ich vermute traditionell auch in England ist Kultur nahezu ausschließlich an privaten Wohlstand gekoppelt. Das Museum kostet häufig mal so viel Eintritt, wie es tatsächlich kostet es zu betreiben, wenn nicht eine große Metropole subventioniert. Da kann man als Europäer in den USA schon mal ins Staunen kommen.

    Bei uns ist die Kultur traditionell zu großen Teilen vom öffentlichen (kommunalen) Wohlstand abhängig, entsprechend zahlt man in guten Zeiten weniger und in schlechten Zeiten ist es plötzlich einfach weg.

    Was etwas bedenklich ist, ist wenn aufgrund bestimmter wirtschaftspolitischer Modeerscheinungen und daran gekoppelter Bildungspolitik die werthaltigen nicht-pekuniären Säulen unserer Gesellschaft auch in fetten Jahren gestutzt werden.
     
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  4. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    An der Schule mit der ich kooperiere und wo jedes Jahr die Instrumente von Instrumentallehrern vorgestellt werden, damit neue Schüler vielleicht Interesse für das Instrument zeigen und Nachwuchs für die AG's generiert wird war es dieses Jahr so übel wie selten. Kein Schüler, der einen Schnupperkurs für Bass, Trompete, Posaune, Klarinette etc. machen will. Immerhin 3 die mal bei Sax reinschnuppern wollen (meist bleibt dann von 3 Schülern nur einer dabei). Schulen, die stark musikalisch geprägt waren finden für die Musikklassen kaum noch Schüler.
     
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  5. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    + der Trend zu den Ganztagsschulen.
     
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  6. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Mein Klavierlehrer berichtete mir, dass er einen deutlichen Zuwachs an erwachsenen Schülern hat. Evtl spielen die Latebloomer ja nochmal eine wichtige Rolle für den Kulturerhalt.
    Zumindest dann, wenn sie selbst Kinder bekommen und Musik bei ihren Kindern eher fördern wollen.
     
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  7. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ja kann ich bestätigen. Ich spiele mit einem Sänger öfters, der früher mit grosser Liveband gespielt hat und jetzt nur noch mit Halbplaybacks auftritt. Hat sich noch nie ein Kunde drüber aufgeregt oder beschwert. Doof nur wenn das Saxsolo mit drauf ist bei dem einen oder anderen Song.......
     
  8. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Quereinsteiger werden gerne vom Lehrerkolleg gemobbt oder als Vollidioten dargestellt. Ich erlebe bei Musiklehrern dann aber Leute, die das Saxophon als Holzblasinstrument bezeichnen, weil das Mundstück ja aus Holz ist, nicht wissen wie man improvisiert, Jazzharmonik nicht checken aber angeblich Schülern Funktionsharmonik beibringen sollen und AG's leiten, wo sie weder von der Musik, noch von der Arbeit im Ensemble (wenn es keine Klassik ist) etwas verstehen. Was ich da schon alles erlebt habe auch an herablassenden Kommentaren und Einstellungen, ohne daß die Personen dann selber was drauf haben und dauernd didaktischen und pädagogischen Mist bauen erschüttert mich immer wieder.
    Allein wenn die Hausaufgaben in Musik so gestellt werden, daß Niemand verstehen kann, was denn eigentlich die Aufgabe ist oder die Kinder nach dem Unterricht immer noch nicht verstanden haben wie eine Sonatenhauptsatzform funktioniert lässt einen fragen was da in der Ausbildung schief geht. Und wenn man sich als Schule herablässt einen Externen zu holen für AG's dann als Assistent (der aber die ganze Arbeit macht und niemals Lob bekommt für seine Arbeit).
    Ja im Schulbereich läuft vieles schief.
     
  9. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Na Hilfe !!

    Mich sorgt in diesem Zusammenhang weniger,
    das dadurch später vlt. "Nachrücker" in den Orchestern fehlen.

    Da hilft allein schon die Globalisierung.

    Aber was ist mit dem Kontext, .....
    mit der Tatsache, dass aktives Musizieren, egal auf welchem Niveau,
    bei jungen Menschen allgemein einen riesigen, positiven Neben-Effekt haben soll ?!

    Kann der ersetzt werden, wenn ja, wodurch ?

    VG
     
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  10. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Falsch, es wird gerne mal ein Synthetisches (oder Samplers) einfach genommen, weil die Zuhörer den Plastesound schon gewöhnt sind.
     
  11. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Hmm, die Jazzer mit denen ich zu tun habe, fragen nicht, ob Jemand studiert hat oder nicht und es interessiert auch keinen. Was zählt ist, ob das Zusammenspiel klappt, man was verdienen kann und ob es Spaß macht. Ich kenne etliche richtig gute Musiker, die mit Kollegen, die nicht studiert haben, immer wieder zusammenspielen, oft auch wenn diese weniger fit sind. Und eine Jamsession bringt eh keinen Job, da geht keiner mehr wegen materiellen Interessen hin, das ist schon seit Ewigkeiten vorbei.

    Ich bin auch schon zu solchen Sessions hin aber nicht weil ich zeigen will wie gut ich bin, sondern weil ich Spaß am Zusammenspiel habe, auch mit mir unbekannten Musikern unterschiedlicher Genres und Qualitäten. Oft konnte ich da auch was dazulernen (z.B. Songs, die ich noch gar nicht kannte).

    Ehrlich gesagt erlebe ich es eher andersrum. Es gibt mehr für Amateure als für die Profis.
     
  12. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Wir reden hier nicht von Profiorchestern, sondern AG's. Schulensembles, in denen die Kinder Musik kennenlernen können, die sie so sonst selten hören würden und wodurch Ihnen neue Welten geöffnet werden.
     
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  13. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich auch. Z.B. gestern in einem dörflichen Gemeindehaus mit engagiertem jungen Pastor:

    Hammond-Trio mit 60er-Mucke, ca. 40 Gäste ohne Eintritt mit Toast-Hawaii und Einbecker Brauherren. Der Hut und das freundliche Labern des Pastors brachte die Gage zusammen. Für Profis wär das nichts.

    Seit etlichen Jahren spiele ich jeden Sommer mit meiner 5er-Amateur-Combo Kurkonzerte. Gage 300 € = 60 € pro Nase. Ein befreundeter Gitarrist, den ich fragte, ob das für ihn im Trio nix wäre (da gibts auch 300), schüttelte mit dem Kopf - zu wenig, was ich gut verstehen kann.
     
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  14. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Mein Sohn (Streicherklasse) sollte neulich Durtonarten, Vorzeichen und parallele Molltonarten lernen. Auswendig, einfach so, Quintenzirkel hatten sie noch nicht. Hab natürlich ne schlechte Note, bei vielen in der Klasse. Ich hab mich dann mit ihm ans Klavier gesetzt und ihn von jedem Ton aus nach Gehör eine Dur- und dann eine reine Molltonleiter bauen lassen. Hat ne halbe Stunde gedauert, Quintfall, Kadenz und Quintenzirkel haben wir im Vorbeigehen angerissen. Jetzt sitzt das alles und ist schmerzfrei abrufbar oder herleitbar. Da frage ich mich auch, wo da was klemmt.
     
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  15. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @giuseppe
    Ha super ..... wir verstehen uns !!:D

    Ich hatte grade vor einer Minute in dem anderen Tread "Intionations"
    von meiner überaus erfolgreichen Erfahrung mit Klavier geschrieben.

    VG
     
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  16. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Es könnte sein, dass sich da bei mir eine Wahrnehmung im Spannungsfeld zwischen Hamburg (teilweise recht hohes Niveau aber in sich geschlossene Szenen) und den Käffern im Speckgürtel gebildet hat...

    Wobei ... in Osnabrück sind fast ausschließlich Studis auf den wenigen Sessions und in Berlin habe ich bei den (wenigen) Sessions, die ich mir bei Besuchen angesehen habe, auch nichts "amateurtaugliches" erlebt. Aber die Hauptstadt ist mit Sicherheit reichhaltiger, als das, was ich sehen konnte.
     
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  17. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Gerade in Berlin bin ich oft zu Amateursessions gegangen. Es gibt da solche und solche. Es gibt in Berlin auch welche wo du ganz klar ein bestimmtes Einstiegslevel haben musst aber die finde ich meist nicht so spannend.
     
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  18. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Äaaahm.. Vielleicht sehe ich das falsch. Aber könnte es auch sein, dass die Anzahl verkaufter Kannen nicht zwingend der Anzahl von neuen Spielenden widerspiegeln muss? Während die Spielenden ein Ablaufdatum haben, können gut gepflegte und instand gehaltene Saxes über mehrere Generationen weitervererbt werden. Was man von Sneakers nicht unbedingt behaupten kann... :D
     
  19. Gelöschtes Mitglied 15173

    Gelöschtes Mitglied 15173 Guest

    Die meisten Sessions in Berlin werden schon von Profis bespielt, wo man als Amateur von der Jazzpolizei verhaftet und von der Bühne abgeführt wird.
    Allerdings so ein paar gallische Dörfer gibt es schon. Ich habe aber auch schon beobachtet, dass Amateursessions von den Profis peu a peu gekapert wurden und dann die Jazzpolizei dort einen neuen Standort errichtet hat. So zieht die Amateur-Karawane halt weiter zum nächsten Event :):cool:.
    Z.Z. bin ich eher bei FreeJazz-Sessions unterwegs, da ist das alles (noch) etwas heimeliger. Die Jazzpolizei schreitet hier erst dann ein, wenn man seine Ohren nicht auf macht oder Hänschen klein und Akkordfolgen spielt :D.
     
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  20. Rick

    Rick Experte

    Genau, deshalb sind für mich manche Freejazzer quasi die neuen Spießer.
    Das Spießertum ist nun mal dem Menschen immanent, Regelverstöße werden empört abgelehnt - deshalb spiele ich bei Free Jazz gerade provokativ "Hänschen klein". :-D

    Ich habe ja die ganze Entwicklung mitgemacht, vom tonalen zum atonalen Jazz und wieder zurück.
    Mein Fazit: Wenn ich nicht ausdrücklich für eine bestimmte Ästhetik gebucht und bezahlt bin, mache ich, was ich will. :cool:
     
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