Absteigendes Kulturgut?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Blofeld, 12.März.2023.

  1. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Sportbekleidung kann Funktionskleidung und/oder Schutzkleidung sein. Je nach Sportart gibt’s eben verschiedene Arten von Sportkleidung. Ein Skispringer z.B. wird eher selten in einer Badehose springen.
    Und die Trikots bei Mannschaftssportarten haben noch die zusätzliche Funktion, Namen und/oder Nummer des Spielers zur Unterscheidung von anderen Spielern zu tragen. Mit Uniform, die ja keinerlei derartigen Zweck erfüllt, hat das nichts zu tun.
     
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  2. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Stimmt! Muss wohl an meinen Judoanzug in den 1970ern gedacht haben.:cool:
     
  3. Badener

    Badener Strebt nach Höherem

    Unser Musikverein hat auch Uniformen.
    Am Jahreskonzert am 1. 4. bleiben sie im Schrank und werden durch schwarze Hemden / Blusen ersetzt.
    Soll moderner sein.Na ja, man muss ja nicht gleich schwarzsehen....
    Nur Fotos für die Zeitung werden schwerer, da der Bühnenhintergrund aus schwarzem Samtstoff besteht.
     
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  4. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Doch, das ist genau der Punkt! Und die Musikvereine verhungern und überaltern und beschweren sich seit 30 Jahren darüber, dass es immer weniger wird. Das ist der andere Punkt und ich muss mir die Augen reiben, wenn ich hier lese, dass es ja gar kein Nachwuchsproblem gibt. Habe ich was verpasst?
    Man kann 1 und 1 zusammen zählen oder halt nicht. Beschweren darf man sich dann aber nicht.

    Die Trachten-, Schützen-, Feuerwehr- und Blasmusikszene hatte z.B. im bayerischen Dorf, neben dem Feuerlöschen, Gemeinschaftsgefühl, Ausrichten von Festen und Anbandeln mit den “Richtigen” (die dazugehören) und “regionalpolitischen Aufgaben” natürlich immer einen militärischen Bezug. Dort lernten die Kinder früher marschieren, schießen, musizieren und bei den Alten war es ein behütetes Auffangbecken für die Veteranen, auch wenn die traumatisiert und nur noch eingeschränkt gesellschaftsfähig waren.

    Ich sehe diese Vereinsformen in dieser Form übrigens komplett wertfrei. In einer weniger überregionalen Zeit erfüllte das lebenswichtige Funktionen für die Gemeinde und zum Teil ist das vielleicht heute mancherorts noch ein wenig so.

    Es ist nun aber so, dass sich große Teile der Nachkriegsgenerationen, bei den meisten von uns die Eltern, bewusst davon abgewandt haben, und die Vereine in vielen Fällen nur noch Auffangbecken wurden und zunehmend aus der Zeit gefallen wirken.

    Die Behauptung, die Uniformen seien nichts als eine völlig wertfreie Einheitskleidung, traditionell nur im lieblichen und nostalgischen Sinne, völlig losgelöst von alten politischen Bedeutungen, ist genauso herzerweichend wie die Vorstellung, die mittlerweile milliardenschwere institutionalisierte Trachtenmaskerade, in Bayern keine 200 Jahre alt, sei in Wirklichkeit nur die Kleidung, die man hier “schon immer” getragen hat.

    Vielleicht würde etwas Ehrlichkeit mit der Tradition dazu führen, dass die Vereine weniger in die Schubladen gesteckt werden, aus denen sie so vehement rauswollen.
     
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  5. Lagoona

    Lagoona Ist fast schon zuhause hier

    Hier bei uns in Frankreich gibt es auch Musikvereine, die Bandas. Zu gewissen Festlichkeiten versammeln sich alle Gruppen uniform im Sinne von "gleich gekleidet" um eine Zugehörigkeit gepaart mit (National) Stolz auszudrücken. Sie unterscheiden sich durch andere Farben der Halstücher, der Gürtel usw.. Wie bei den Pfadfindern.
    Ich bin jedesmal wieder begeistert von dem Spektakel.

     
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  6. Ôkami84

    Ôkami84 Ist fast schon zuhause hier

    Ich möchte ich noch mal einen Versuch starten, meinen Standpunkt mit der Diskussion abzugleichen, bzw. klarer werden zu lassen:

    1) Musik kann man nur zu Analysezwecken vom Gesamtauftritt der Band trennen. Livemusik ist immer ein Erlebnis und Menschen sind akkustische, aber auch visuelle Wesen. Deshalb bleibt die Kleidung einer Musikgruppe wichtig; gerade auch für Leute, die sich unsicher sind, ob sie mal bei einem Verein reinschnuppern wollen.

    2) Die Kleidung einer Musikgruppe sagt IMMER etwas über deren Gruppenidentität aus. Wenn eine Gruppe einheitliche und eher altmodische Kleidung vorschreibt, sendet sie das Signal, dass sie Einheitlichkeit und Tradition höher schätzt als Individualität. Wenn sich eine Gruppe in etwas altertümlich anmutenden Trachten vor einer Bergkulisse und einem Traktor präsentiert, erwarten Menschen von ihr in der Regel keinen Free-Jazz oder Avantgarde-Blasmusik. Und diese Erwartung täuscht sie in den meisten Fällen nicht. Was für einen Sinn hätte es, wenn sich eine Pop-Gruppe in der Tracht zeigen würde, außer sie verwenden Ironie?

    3) Vereine sollten sich die Frage stellen, welche Konformitätsregeln sie an ihre Mitglieder stellen. Ich trete als Verein gegenüber Neulingen und jüngeren eher ausschließend auf, je mehr Anpassung ich von ihnen erwarte. Dies berührt NICHT allgemeine menschliche Regeln wie respektvolles Auftreten, Pünktlichkeit und das musikalische Einfügen in die Gruppe. Ich persönlich fühle mich eher unwohl, wenn zu viel Anpassung erwartet wird.

    4) Ich denke, dass es vielen Musikvereinen, die mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben, sehr gut tun würde, wenn sie manche 70-100 Jahre alte Traditionen zumindest mal überdenken würden. Selbst im Altersheim wünschen sich die Menschen nicht mehr Polka und Marsch, sondern eher die Beatles. Es gibt Menschen, die der örtliche Musikverein zum Musizieren gebracht hat. Meiner Erfahrung nach sind das aber eher meist Leute aus den Familien diejenigen, die schon seit Generationen im Verein tätig sind.
     
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  7. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    @giuseppe: ich sehe das genauso.
    Kleidung wie auch Frisuren, Tatoos etc. sind Teil des Ausdrucks der individuellen Persönlichkeit. Eine Projektion des Selbstbildes in der Erwartung, ein entsprechendes Fremdbild zu erzeugen.
    Und es kommt ja nicht von Ungefähr, dass ein Musikverein, der sich mit einer Tracht präsentiert, die den Eindruck einer volkstümlichen Tradition vermitteln soll, als „Ufftata“-Blaskapelle wahrgenommen wird. Immerhin haben die Vereine über Jahrzehnte an diesem Image gearbeitet.
    Wenn sie heute moderneres Liedgut präsentieren, wäre es höchste Zeit, auch die Kleiderordnung entsprechend anzupassen.
     
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  8. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Kleidung ist doch immer ein Statement und sendet eine Botschaft, nicht nur bei Musikern.

    Als ich meine Agentur hatte, habe ich mich bewußt unterschiedlich gekleidet je nachdem ob ich zu Nestle oder Thyssen oder zu E-Plus oder einem IT Startup gegangen bin.

    CzG

    Dreas
     
  9. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Liebe Leute!

    Die Anpassung ist im Kopf, nicht in der Kleidung. Ich bin durch 4 Jahre tragen einer Uniform kein Soldat geworden, und habe auch bei den Offizieren und Unteroffizieren viele kennengelernt, für die diese Kleidung nicht mehr als Optik bedeutete.
    BTW: Ein großer Teil unserer Jazzszene kommt ursprünglich aus den Blaskapellen!
     
  10. rbur

    rbur Mod

    Das habe ich nicht geschrieben. Ich habe geschrieben, dass es nicht an der Kleidung liegt.

    Um das zu wissen muss man nur nachschauen. Tatsächlich haben zB die trachtentragenden Vereine im Elztal Jugendorchester, die deutlich größer sind als unser ganzer Verein, der seit 15 Jahren im Polohemd unterwegs ist. Und so viel Zulauf, dass sie von den Jugendlichen das Silberne Leistungsabzeichen verlangen können, wenn sie im Hauptorchester mitspielen wollen.
     
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  11. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Sollte nicht eher die Kleidung dem entsprechen, was im Kopf vorgeht?:cool:
     
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  12. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Besser nicht ... in meinem Fall. :)

    Grüße
    Roland
     
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  13. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Frage mich dann, wie Eure Landesverteidigung funktionieren soll, wenn die Soldaten dann doch keine Soldaten sind.:cool:
     
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  14. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ich hab in der Zeit in der Kaserne (aus Platzmangel im Pissoir) das Omnibook rauf- und runtergespielt.
    Da hätte sich keiner getraut.
     
  15. Ôkami84

    Ôkami84 Ist fast schon zuhause hier

    Interessant wäre ja (z.B. durch Nachfragen) zu erfahren, ob die Neueinsteiger den Verein ohne die Trachten nicht noch besser finden würden, oder ob er nicht ohne sie noch mehr Zulauf hätte. Ich glaube kaum, dass die Trachten irgendeinen positiven Effekt auf Neumitglieder zeitigen, und ich vermute, dass es eher ein negativer ist.
     
  16. Moritz.M

    Moritz.M Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich finde die Diskussion müßig, da lediglich Meinung gegen Meinung steht. Wir wissen letztlich nur, dass viele Vereine über Mitgliederschwund klagen, während andere eine hervorragende Jugendarbeit leisten. Auch in Kooperationen mit Schulen.
    Klar scheint zu sein, dass sich von Seiten vieler Vereine etwas ändern muss. Warum nicht bei der Kleidung anfangen und den Jugendlichen die Entscheidung überlassen, was sie anziehen wollen? Das kostet zumindest nichts und ist neben überfälligen Strukturänderungen in den Vorständen einen Versuch Wert.
    Wie alt, wie pädagogisch und fachlich qualifiziert sind beispielsweise die Jugendwarte?
     
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  17. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Ich vermute mal, dass der Verein trotz (!) der Tracht guten Zulauf hat.:cool:
     
  18. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    "...
    Vertraglich verankert ist die Verpflichtung der Konfliktparteien, ihre Kombattanten äußerlich von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden, Art. 44 Abs. 3 ZP I. Für die regulären Streitkräfte bedeutet dies das Tragen der Uniform ihrer Konfliktpartei, Art. 44 Abs. 7 ZP I. Wie die anderen, nichtuniformierten Kombattanten dem Unterscheidungsgebot nachkommen, bleibt der jeweiligen Konfliktpartei überlassen.
    ..."
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kombattant

    Also, Du musst im Prinzip als Kombattant erkennbar sein, oder?

    Grüße
    Roland
     
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  19. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Aber genau darum geht es doch. Die ausgeweidete Militärsymbolik wird doch ohne Inhalt nicht attraktiver als mit, wenn man ihre Anwesenheit in Musikerziehung grundsätzlich kritisch sieht. Was übrigens keineswegs bedeutet, dass man deswegen das Militär kritisch sehen muss. Es ist dessen Rolle in der Pädagogik, die sich hier geändert hat.

    Im Übrigen fordert hier eigentlich niemand, dass die Musikvereine dies in irgendeiner Art ändern müssen. Jeder wie er mag und kann. Nur wenn auf der einen Seite der Nachwuchsmangel beklagt wird und auf der anderen Seite dieser nichts mit den Klamotten zu tun haben DARF, und allein die Feststellung der eigenen Wahrnehmung diesbezüglich als arrogant und vorurteilsbehaftet degradiert wird, dann ist das für mich eher realitätsfern. Da helfen auch ein paar Ausnahmen nicht.
     
  20. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Und ich empfinde es als selbstverständlich und authentisch, dass sich ein Mitglied mit dem Statement seiner Uniform/Tracht identifiziert.

    Die Identifikation mit Kuckucksuhr, Großmütterchen, Landidylle, Heimatfesten...ist doch auch in Ordnung, wenn man es mag.

    Ob es der jugendliche Nachwuchs wirklich 'cool' findet, steht auf einem anderen Blatt.:cool:
     
    Zuletzt bearbeitet: 18.März.2023
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