Auswendig spielen....immer wieder Thema...

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 5328, 28.Juli.2016.

  1. Mcsax

    Mcsax Schaut öfter mal vorbei

    Ich hab vor ca. 5 Jahren mit dem Alt-Sax spielen begonnen und hab in diesem Zusammenhang auch das Noten lesen und natürlich auch das spielen danach (ausschließlich) gelernt. Ich war erstaunt das ich das trotz fortgeschrittenen Alters doch relativ gut hin bekommen habe. Allerdings ist mir dann irgendwann aufgefallen, das bei mir ohne Noten gar nichts läuft (oben hat das schon mal jemand erwähnt: spiel mal Happy Birthday!....Ohne Noten?). Ich spiele in verschiedenen Ensembles mit. Mit einer Truppe spielen wir u. a. bei diversen St. Martinsumzügen mit. Das findet dann naturgemäß im November draußen und im dunkeln statt. Neben dem Zeug mit welchem man sich wegen der Witterung ausrüsten muss, benötigt man - wenn man nach Noten spielt - eine Marschiergabel, Beleuchtung und einen Regenschutz für die Noten. Das habe ich dann 2 mal mitgemacht und nachdem ich dann Notenlesend und Saxspielend ein paar mal ins stolpern gekommen bin (von wegen Multitasking) habe ich mich gefragt ob das nicht etwas bescheuert ist was wir da so treiben. Dann hab ich in diesem Zusammenhang meinen Lehrer mal zum Thema effizientes auswendig lernen gefragt und seine erste Handlung war, das er das Notenblatt umdrehte und sagte: spiel mal.
    Und siehe da: wenn auch sehr holprig bei den ersten malen, es funktionierte. Ich hatte die Melodie im Kopf und wusste die Tonart. Mein Lehrer sagte mir, das ich ein Gefühl dafür entwickeln muss für das was rauskommen soll (mitterlweile verstehe ich was er damit meint). Insoweit ist die Tonfolge nicht unbedingt entscheidend (außer Bläsersätze oder wie oben erwähnt auskomponierte Sachen). Wichtig ist das man die Melodie im Kopf hat und man weiß in welcher Tonart man sich bewegt. Deshalb ist das sklavische auswendig lernen nach meiner Einschätzung oft nicht nötig. Hilfreich finde ich auch die Eartrainings, wo man bestimmte Tonfolgen nachspielt die man hört (hatten wir auch schon mal auf Sommerworkshops).
    Eine Kollegin von mir spielt seit 30 Jahren Oboe. Mittlerweile semiprofessionell. Soweit ich das beurteilen kann ist sie von der Technik und vom Ausdruck gut, aber ohne Noten läuft bei ihr nichts. Das scheint mir aber im Klassik Bereich stark verbreitet zu sein.
    Einige haben geschrieben das sie zur Sicherheit die Noten mit auf die Bühne nehmen, wobei ich mich frage wie ihr da reinkommt, wenn ihr quasi "auswendig" beginnt und dann ein Problem bekommt. Bei vielen Noten die ich habe gibt es viele Wiederholungen, Querverweise, Abkürzungen usw. die es erforderlich machen, ständig einen Blick drauf zu werfen um zu sehen wo man gerade ist. Einen plötzlich einstieg bei Bedarfhalte ich da für fast nicht möglich.
    LG
    Mcsax
     
  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Stücke auswendig zu lernen, hat ganz entscheidende Vorteile. Eine gelesene Note klingt nicht. Das ist in etwa spielen nach Farben, also nach Symbolen. @Mcsax schrieb es schon. Die Melodie muss im Kopf sein. Das alles Entscheidende ist also zuerst einmal, dass man die Melodie singen können sollte.

    Zweitens sollte man lernen, das Gesungene direkt auf die Finger zu übertragen. Eigentlich übt man beides, wenn man Melodien auswendig lernt.

    Eine große Hürde ist der Umstand, dass jeder zweite von einem beknackten Pädagogen irgendwann mal in der Kindheit gesagt bekommen hat, er könne nicht singen und oft singt man dann sein ganzes Leben nicht mehr, weil man es ja vermeintlich nicht kann.

    Das Auswendiglernen belohnt einen sehr schnell. Meint man am ersten Tag, man könne nur die ersten zwei Takte auswendig lernen, so schafft man am nächsten Tag schon sechs. Am Ende der Woche kann man vielleicht das ganze Stück und ist verblüfft darüber, dass man sich am ersten Tag so schwer getan hat.
    Und so geht es weiter: Desto mehr man auswendig spielt, desto schneller und mehr geht ins Gehirn rein. Für mich immer wieder verblüffend, was da geht.

    Manche Sachen sind allerdings sehr, sehr schwer zu lernen. Z.B. eine sechste Stimme in der Bigband, die nur aus kurzen Einwürfen besteht und viele Pausen hat. Das ist bedeutend schwerer als die Melodiestimme. Ein anderes Beispiel ist Zwölftonmusik oder ähnlich komplexes Material. Da fällt es alleine schon schwer, das zu singen. Was ich nämlich singen kann, kann ich in der Regel auch spielen.
     
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  3. Stevie

    Stevie Ist fast schon zuhause hier

    So isses - ein ganz wichtiger Aspekt finde ich; auch beim Erarbeiten von Stücken. Es muss ja nicht "schön" sein.
     
  4. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Ich spiele die fünfte Stimme in der Bigband. ;-)

    Bleiben wir bei dem Beispiel Bigband:

    Man kann auch mit Noten recht locker spielen.
    Man sollte halt nur nicht so sehr an den Noten kleben, vor allem wenn vorne noch der Leader steht, den man ja auch im Auge behalten sollte.

    Je nach Stück peppt eine kleine Einlage das Ganze optisch auf, z.B.:
    1. Einwurf alle Saxe nach links, 2. Einwurf alle Saxe nach rechts oder so.
    Bei uns spielen wir Saxer z.B. auch deshalb fast nur noch im Stehen!
    Wirkt einfach weniger steif als im Sitzen.

    Je häufiger man ein Stück spielt, desto mehr spielt man seine Einsätze eher instinktiv.
    Die Noten bzw. Pausen sind dann fast nur noch Anhaltspunkt.
    Natürlich nur wenn sie einfach gehalten sind.

    Bei einem Solo sollte man gar nicht mehr auf den Notenstände starren (müssen).
    Wobei wir bei längeren Soli eh nach vorne gehen an ein Extra-Mikro.
    Den Notenständer nehmen wir natürlich nicht mit. Das sähe sonst wirklich blöd aus.

    Lg
    Mike
     
  5. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Noten haben schon ihren Sinn und sind ein gutes visuelles Hilfsmittel. Und ich bin nicht der Auffassung, dass mal alles auswendig spielen muss, damit es klingt.

    Hatte ich auch...

    Ja, aber wenn es nicht regelmäßig abgerufen wird, verschwindet es aber auch wieder.

    Auch ist das Stück auswendig spielen zu können, nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal; denn ich habe schon öfter erlebt, das es falsch auswendig gelernt bzw. erhört wurde.
     
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  6. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Der Solist der WDR-Big-Band nimmt die Noten mit nach vorne...
     
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  7. Amopehe

    Amopehe Ist fast schon zuhause hier

    Mir ganz persönlich geht es so, dass ich z.B. auf dem Klavier immer sehr schnell auswendig spielen konnte, wahrscheinlich weil durch den Blick auf die Tasten eine visuelle Brücke geschlagen wird. Ich konnte auch früher improvisieren auf dem Klavier, obwohl ich das Instrument schlechter beherrscht habe als das Saxophon. Aber dort liegen alle "Töne" (auf den Tasten) sozusagen bereit, man muss sie sich nur nehmen. Egal ob Akkorde oder Bluestonleiter o.ä., ich habe die notwendigen Töne immer auch gesehen und das fand ich so ziemlich einfach.

    Davon abgesehen müssen Pianisten ja häufiger auch mal von den Noten weg auf die Tastatur blicken, da gewöhnt man sich das auswendig spielen schnell an (und später hilft es wegen des Umblätterns natürlich).

    Beim Saxophon allerdings fehlt mir die visuelle Unterstützung und es dauert deutlich länger, bis ich etwas auswendig kann - leider...
     
  8. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Der ist musikalisch auch ein ganz anderes Kaliber!
    Die proben wahrscheinlich auch viel weniger oder gar nicht, treffen sich kurz zum Soundcheck und spielen im Konzert dann vom Blatt.
    Und bei den Soli wechseln die Akkorde wahrscheinlich bei fast jedem Taktschlag, so dass Draufgucken auch für einen Topprofi empfehlenswert ist.

    Lg
    Mike
     
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  9. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Ist vielleicht eher so gemeint, dass die Noten nicht komplett aus den Augen gelassen werden. Auch mir fällt es mit zunehmendem Alter immer leichter ;-) etwas auswendig zu lernen. Irgendwann ist das Stück aber doch so verinnerlicht, dass die Noten nur noch eine eher lockere Sicherheitsleine darstellen, besonders für den Ablauf des Stückes.
    Klingt, als hättet ihr unterschiedliche Sortieralgorithmen:)
    Ein berühmter literarischer Detektiv konnte anhand der Staubdicke auf seinen Akten, deren zeitlichen Zusammenhang herstellen. Brillant...:)
    LG quax
     
  10. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Mich nerven Leute, die sagen ich MUSS alle Stücke auswendig können.
    Der Schlafzeuger meiner früheren Jazzband forderte das von mir in fast jeder unserer eher seltenen Proben.
    Er spiele schließlich auch alles auswendig, dann müsse ein Saxophonist das ja auch können.
    Die Pointe: Er konnte (und kann bis heute) keine Noten lesen.
    Und wehe der A- oder B-Teil eines Jazz-Standards hatte plötzlich 10 statt 8 Takte.
    Es gibt da noch andere lustige Geschichtchen.

    Lg
    Mike
     
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  11. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Wer ständig nur die erarbeiteten Stücke vom Blatt spielt, fährt auch als Erwachsener sein "Kinderfahrrad" mit Stützrädern. Die letzte Formation, in der ich gespielt habe, habe ich (unter anderem) aus dem Grund verlassen, weil sich die Gemeinschaft dort eher darin bestärkte, schlechte Angewohnheiten zu zementieren als sie anzugehen, und dazu zählte der Musikschul-Charme von 20 Notenständern bei Proben und auf der Bühne. Das soll sich aber, wie ich höre, in dieser Formation geändert haben, also hatte mein Ausstieg letztendlich einen Erfolg zu verzeichnen.
    Der ständige Blick auf den Notenständer ist kontra-kommunikativ. Es gehen Prozesse verloren, die für mich in einem kleinen Ensemble unverzichtbar sind: der Blick zum Kollegen, das Lächeln oder visuelle Ermuntern oder Bestätigen, das alles bleibt dem Notenständersüchtigen versagt. Klar, bei neuen Stücken in der Erarbeitungsphase oder in sehr komplexen Strukturen auf hohem Niveau (Big Band z.B.) kann man nicht alles auswendig lernen, aber davon spreche ich hier nicht.
    Dazu zwei Aphorismen, der eine sinngemäß, der andere wörtlich:

    Die meisten Menschen arbeiten hart daran, ihr Unglücklichsein zu erhalten, auch wenn sie mit geringem Aufwand ihr Glück finden könnten.

    Robert Fripp, der Gitarrist von King Crimson und Chairman seiner "Guitar Craft" Gesellschaft, zu einem Schüler, der beim Spielen ständig auf seine linke Hand blickte:

    "Schaust du auch dauern hin, wenn du dir den A.... abwischst?"

    Zum Thema deutsche Sprache: der Niedergang ist unaufhaltsam, da die Prozesse, in denen Sprache früher unverzichtbar waren, heute generell vereinfacht oder verkürzt worden sind. Generell ist unsere Kultur im Abschwung, in der Dekadenz (Ich hau dich Krankenhaus, dann siehst du sch.... aus)

    Genug der Fäkalorientierung: Auswendigspielen macht glücklich und vor allem kommunikativ.
     
  12. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Das mit dem Notenlesen ist so eine Sache...
    Ein Stück wie "Song for my Father" kann ich auswendig, nachts um halb drei nach einer Kiste Bier ;-)
    Letztlich ein Auftritt mit dem Ensemble, und ich hatte die Noten auf meine Pad. Also denk ich les doch
    zur Sicherheit mit. Fehler. Grosser Fehler. So viel Sch... auf ein mal hab ich noch nie gespielt. Ohne Bier.

    Also wenn man ein Stück drauf hat - Finger weg von den Noten. Vielleicht vor dem Gig mal ein mal querlesen
    um das Gedächtnis aufzufrischen. Speziell bei solchen Titellegasthenikern wie mir. Ich hab die Stücke meist
    im Kopf, komme aber ums Verrecken nicht auf die Titel. Da hilft ein mal kurz vorher auf die Noten schauen schon.

    Just my 2 ct.
     
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  13. Nordstern

    Nordstern Ist fast schon zuhause hier

    Haha, das stimmt so nicht.
    Die Kommunikation findet trotzdem statt.
    Sie findet u.a. statt über das Aufnehmen von Bewegung (Saxophon und Mensch :)) über das Gesichtsfeld und über die Ohren.
    Man sensibilisiert halt andere Sinne...

    Ich bekomme alles mit, auch was im Publikum passiert.


    Und das Wort "notenständersüchtig" finde ich negativ...:(
     
  14. GelöschtesMitglied11207

    GelöschtesMitglied11207 Guest

    Ich habe mir auch immer Noten zur Hilfe genommen.Merkte aber,dass man ohne Noten viel freier und kreativer wird,was Improvisationen sehr zu gute kommt. In Zukunft werde ich versuchen alles auswendig und nach Gehör zu spielen und wenn ich bei einem Stück mal nicht weiter komme,dann nehme ich mir die Noten als Stütze.
     
  15. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Eine gewisse Kommunikation mag ja stattfinden, aber z.B. ein Problemfeld in vielen Formationen, die Dynamik, kann m.E. nicht angemessen kontrolliert werden, wenn man einen Hauptsinn, das Visuelle, ständig nach vorne schiebt und im fortgesetzten "Dialog" mit seinem Notenständer steht. Ich finde "notenständersüchtig" prima ;-). Ein bisschen Zickeln muss erlaubt sein.
     
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Das ist leider nicht ganz korrekt, wie man hier sieht:

     
  17. GelöschtesMitglied11207

    GelöschtesMitglied11207 Guest

    Hahaha zu gut. Danke dafür :-D
     
  18. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Aaalder, hau sich disch ..... (guter Anfang, oder?)
     
  19. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Also bin ich heute Abend (Bluesband) kommunikativ und morgen Abend (Bigband) nicht. ;-)
    Ich freue mich trotzdem auf beide Gigs.
    Beides Open Air und das Wetter macht auch mit.

    Lg
    Mike
     
    Bereckis gefällt das.
  20. ppue

    ppue Mod Experte

    @henblower

    Ja, ganz gut (-:

    Ich denke aber, die gebildeteren ü50er haben sich zu allen Epochen über den Verfall der Kultur beschwert.
     
    Roman_Albert gefällt das.
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