Auswendig spielen....immer wieder Thema...

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Dreas, 28.Juli.2016.

  1. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Sorry Dreas, aber ich mache jetzt schon seit gut 16 Jahren Musik, immer mit Unterricht, und habe an Auftritten von Solo über Duo, Jazzcombo und kleiner Bigband alles absolviert, sowohl nach Noten als auch auswendig. Ich weiß dann doch ein bisschen, wovon ich rede und habe schon viele motivierte Anfänger gesehen, die das auch von sich glaubten, durch ihre Aussagen aber das Gegenteil zeigten.
    Wenn man sich intensiv mit einem Stück auseinandersetzt, also speziell im Jazz das Harmonieschema analysiert, das Thema einstudiert (z.B. sich Gedanken zur Artikulation und Phrasierung macht) und dann Improvisation übt, durch Spielen des gesamten Stücks und Herausarbeiten bestimmter Stellen, dann verwendet man soviel Zeit darauf, dass man schon ein ziemlich löchriges Gedächtnis haben muss, wenn man es danach nicht auswendig kann.
    Diesen Aufwand braucht es aber schon, wenn man behaupten will, dass man das jeweilige Stück verstanden hat und beherrscht. Klar, ich kann auch einfach mal ein Realbook aufschlagen, die Melodie vom Blatt spielen und im Anschluss mit dem ein oder anderen Chorus durch das Schema huschen. Wenn mir Stück und Schema vorher unbekannt waren, würde ich danach dann aber nie und nimmer behaupten, diese Nummer jetzt drauf zu haben. Jedenfalls ist bei mir als fortgeschrittenem Amateur die Lernkurve nicht so steil, weil Erfahrung und Repertoire nicht so groß wie bei einem Profi sind. Und ich unterstelle einfach mal, dass es da allen Amateuren so geht. Ich hab schon Profis gesehen, die im Konzert einen Realbook-Standard nach Noten gespielt haben, weil es ihnen unbekannt war, der Kollege es aber machen wollte. Auch bei denen scheint es mit einmal draufgucken auch nicht getan zu sein.
     
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  2. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Für mich besteht schon ein Unterschied, ob ich ein Stück drauf habe oder ob ich es live auswendig spiele.

    Und nochmal, ich habe viele hervorragende Jazz-Konzerte gesehen, wo nach Noten gespielt wurde.

    Und nicht jeder, der eine Melodie auswendig spielt, hat das Stück drauf.

    Wenn ich mich intensiv mit einem Stück beschäftige, bleibt aber vieles im Gedächtnis. Das stimmt schon.

    Ich kann deine Fähigkeiten nicht beurteilen, aber deine Erfahrungen sind deine und gelten nicht für alle.
     
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  3. Bernd

    Bernd Gehört zum Inventar

    Während meiner aktiven Zeit als Musiker (Gitarre und Bass) konnte ich alle Stücke auswendig. Und ich behaupte mal, dass ich zumindest in den letzten 20 bis 30 Jahren auch alle Stücke "drauf" hatte.
    Trotzdem hingen überall "Spickzettel". Waren an die Rückseite der JBL-Türme geheftet, lagen auf dem Bühnenboden oder auf den Bühnenmonitoren. Einfach zur Sicherheit.

    Mit dem Saxophon kann ich auch einige Stücke auswendig spielen. Aber "drauf" habe ich kein einziges. Dazu kämpfe ich nach 11 Jahren immer noch zu sehr mit dem Instrument.
    So lange ich mit dem Saxophon nicht in der Lage bin, eine Melodielinie nachzuspielen, die ich im Kopf habe, habe ich es nicht "drauf".
    So lange ich nicht in der Lage bin, eine spontane Idee mit dem Instrument umzusetzetn, habe ich es nicht drauf.

    Etwas auswendig in einer Tonart spielen zu können, heißt m.E. noch lange nicht, es "drauf" zu haben.

    Hat viel mit RSE zu tun.

    LG Bernd

    Edit: Mein erster Saxlehrer, ein genialer Musiker und genau so lausiger Pädagoge hat versucht, mir "Take Five" beizubringen. Da spielte ich gerade einmal ein paar Wochen Tenor. Seine Aussage: Wenn Du dieses Stück in allen 12 Tonarten auswendig spielen kannst, dann kannst Du Saxophon spielen. Ich hab mich an Take Five nie mehr versucht.....
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.August.2016
  4. saxology

    saxology Ist fast schon zuhause hier

    Rhein-Sieg-Eisenbahn?
    Rheinisch-Schwäbische Energie GmbH?
    Regionale Schulentwicklung?
     
  5. Bernd

    Bernd Gehört zum Inventar

    Realistische SelbstEinschätzung
     
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  6. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Habe ich ja auch nicht behauptet. Die Melodie ist nur ein - im Jazz meistens untergeordneter - Aspekt. Explizit habe ich z.B. auch auf das Harmonieschema hingewiesen. Von vielen Profis habe ich schon gehört, dass man nur wirklich gut über ein Stück improvisieren kann, wenn man das Schema auswendig kennt und immer im Voraus weiß, was als nächstes kommt und wie der große Bogen aussieht. Ich denke, dem würden auch die Meisten zustimmen.
    Ich sage ja auch nicht, dass man ein Stück durch reines Auswendiglernen meistert, das wäre ja wirklich abstrus. Aber umgekehrt denke ich sehr wohl, dass mit der ausführlichen Auseinandersetzung mit einem Stück das Auswendiglernen einhergeht, egal ob ich es aktiv lerne oder mir nebenbei unbewusst einpräge.
     
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  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Nur hörst Du als Profi auch das Schemata oft voraus, wenn Du auf die Noten schaust und den Song noch nicht kennst und ihn noch nicht erarbeitet hast.
     
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  8. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Das ist natürlich der Vorteil, den ein Fachmann hat, der auch auf große Erfahrung und Repertoire zurückgreifen kann. Klar, es gibt so einen Bereich, wo sich Vorwissen und Vorahnung treffen und man sich dann super schnell gut zurechtfindet. Vermutlich braucht es dann auch weniger an intensiver Arbeit, um sich ein Stück zu erschließen. So stelle ich mir das hohe Niveau vor, auf dem sich Profimusiker bewegen.
    Auf dem Weg dahin braucht es doch aber bestimmt viel Übung und Detailarbeit, also insgesamt viel Zeit mit der Materie, sodass man sich die Dinge zwangsweise verinnerlicht. Darum ging es mir ja: Auswendiglernen sowohl als Nebeneffekt intensiven Übens als auch Voraussetzung für das Beherrschen eines Stücks.
    Wie schnell das jeweils vor dem Hintergrund des jeweiligen Kenntnisstands geht, habe ich ja gar nicht groß thematisiert.
     
  9. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Abgesehen von dem sehr interessanten Thread - ich freue mich wieder etwas von Dir zu lesen Florian!
     
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  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Auswendiglernen ist sinnvoll und hat positive Effekte im Rahmen des Lernens. Auswendig, ohne Noten zu spielen bei Auftritten, ist aber keine Grundvoraussetzung für einen guten Sound, gutes Zusammenspiel oder eine gute oder lockere Performance. Auch lässt sich trotz Noten eine Bühnenshow machen.
    Probleme sind da zu finden, wo die Abhängigkeit der Noten so extrem ist, das die ganze Zeit nur stark verkrampft auf die Noten geschaut werden muss, wie man es manchmal bei Anfängern sieht, wo dann auch der Rhythmus bei einem Standard ganz genau wiedergegeben wird wie er im Realbook notiert wurde (was einen Song wie Autumn Leaves oder All the things you are nicht gut klingen lässt). Ein Profi wird auch mit Noten keine schlechte Performance von so einem Titel hinlegen und durch ein Leadsheet auch nicht weniger gut klingen oder weniger mit den Kollegen interagieren.
    Auch gibt es genug Musik und Situationen wo Noten auf der Bühne einfach Sinn machen.
    Mir ist es auch lieber wenn ein Anfänger sich Noten auf die Bühne legt, wenn er dadurch etwas lockerer wird, weil er nicht die ganze Zeit Angst haben muss, er vergisst etwas oder kommt nicht wieder in die Form wenn er rausfliegt (wenn der Notenständer dann zumindest nicht auf Kopfhöhe hoch gezogen wird). Was allerdings gar nicht hilft, ist, wenn Leute sich die Akkorde und Skalen als Noten für ihr Solo als Hilfe notieren, denn wenn die nicht wirklich in und auswendig beherrscht werden, gibt es wirklich Probleme worunter die Performance leidet.
     
  11. last

    last Guest

  12. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!


    Langverison:

    Die Begabungen an dieser Stelle sind aber total unterschiedlich verteilt.

    Ich habe nie sonderlich viel Klavier geübt, aber habe genau einmal ein Stück auswendig aufbekommen, nach dem Motto "Dann haben wir das mal gemacht." Üblicherweise konnte ich die Stücke immr auswendig.
    Ich hatte die Stücke im Ohr, in den Fingern und nur eine vage Vorstellrungen von den Noten, mein Lehrer muss im Kopf umblättern, sonst bleibt er hängen. (Als Opernsänger musste er auch eine Menge Zeuch im Kopp haben.)
    Seine Klavierschülerin eine Etage höher hat viel mehr geübt als ich, tat sich aber schwer mit auswendig spielen.
    Cyprien Katsaris kann sich im Flugzeug Noten durchlesen und sie dann 14 Tage später aus dem Kopf erstmalig spielen.
    Ich kenne um eine Ecke einen Kantor, der spielt sämtliche Mozartsonaten auswendig. In jeder Tonart.
    Der Orgellehrer meines Klavierlehereres war fast blind. Der scannte sich im Augenwinkel ein Blatt Noten ein, kegte es weg und spielte es dann. (Der konnte auch nocht dreistimmige Fugen improvisieren.)
    Im einem Ensemble haben wir mindestens drei Jahre Blues in A gespielt, immer wieder zwischendurch. Immer wieder aufgefrischt und thematisiert. Aber nicht jeder weiß auf Anhieb, welche Akkordtöne im fünften Takt angesagt sind.
    Meine jüngere Stieftpchter hört ein Lied ein- oder zweimal, dann kann sie es - wenn es sie interessiert - auswendig mitsingen, incl. Text. Meine ältere versteht das nicht, versteht aber auch nicht, dass die jüngere Probleme hat, sich geschriebenen Text zu merken.
    Ich habe mal aus Spaß an einem Programm mit Liedern der 20er und 30er mitgemacht. Der eine hatte massive Probleme, sich die Tanzschritte zu merken, obwohl nicht zum ersten mal dabei. Ich konnte bei Bedarf auch meiner Tanzpartnerein sagen, was angesagt ist.
    In unsrer Firma bekamen wir ein neue Alarmanlage, jeder bekam eine PIN. Natürlich jeder eine verschiedene, sonst wäre das P in PIN ja falsch. Ich bekomme also diesen kleinen Zettel in die Hnad gedrückt, schaue drauf. Schaue nach oben, shcaue drauf schaue nach oben, schaue drauf und schiebe des Zettel in den Schredder. Zteelverteiler: "Das sollse auswenig lernen!" Ich: "Das habe ich gerade gemacht." Zettelverteiler: "!?!!". Photografisches Gedächtnis für Zahlen und kleine mathematische Formeln, wenn ich will. Ich schreibe PINs nie auf. :)

    Wir sind alle in unseren Begabungen und Merkfähigkeiten total unterschiedlich: Geschwindigkeit, primärer Kommunikationskanal, Art der Informationspräsentation ... das ist, was ich so erfahren habe, ich mache ja auch schon ein paar Jährchen Musik.

    Ich habe beim Big Band-Auftritt immer die Noten auf dem Pult, wie alle. Aber ich muss ja sowieso wissen, wie ist die Harmonie, was spielen die anderen (habe das Gesamtstück/Arrangement immer ganz gut präsent im Kopf), wer ist Lead, wo sind wir in der Form, und - passiert bei Auftritten - wo sind wir unfreiwillig aus der Form geflogen und wo und wie finden wir wieder rein? Obwohl ich da ganz gut bin im auswendig lernen, wäre es für mich Stress, da müsste ich viel mehr daran üben, da fehlt mir die Zeit, ich hab ja noch einen 45h-Job nebenbei ... und macht die WDR-Big Band auch. Und schlecht ist die ja nicht.


    Kurzversion:

    Man soll niemals davon ausgehen, dass das, was man selber kann, auch andere können. Und man soll niemals annhemn, dass der andere das auf dem Schirm hat.


    Grüße
    Roland
     
  13. ppue

    ppue Experte

    Lieber @Roland, das ist schon richtig, dass da jeder anders tickt und bei jedem andere Verknüpfungen im Hirn wichtig sind. Bei dem einen ist das Notengedächtnis besser mit der Optik verknüpft, beim anderen eher mit den Ohren.

    Ich halte mich da für sehr mittelmäßig begabt und hatte anfänglich Schwierigkeiten, Stücke auswendig zu lernen.

    Das, was du schreibst, könnte bei der Einen oder dem Anderen zu der Ausrede führen: Ich kann nicht gut auswendig lernen, also lasse ich es gleich.

    Dennoch appeliere ich an jeden, das zu versuchen, wenn man zur Einen oder dem Anderen zählt. Man kann das auswendig lernen selber nämlich recht schnell lernen. Man muss es dafür aber erst einmal probieren.

    Weil es nicht jeder gewollt hat. Hat meines Erachtens nichts mit dem Können zu tun.
     
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  14. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Ich gehöre ja zu den anderen, die sehr schwer auswendig lernen. War schon in der Schule so. Aber inzwischen habe ich doch so an die 20 Standards drauf, wobei: Ohne dass ich die regelmäßig immer mal wiederhole, vergesse ich sie wieder.

    LG Helmut
     
  15. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    Also ich glaube das Auswendiglernen von Stückn in etwa so ist wie das auswendiglerne von Limmericks oder Gedichten.
    Desweiteren glaube ich das (fast) jeder bis zu einem bestimmten Grad ( oder umfang ) auswendiglernen kann. Das erstaunliche am Gehirn ist das es sich nicht abnutzt sondern besser wird je mehr man es nutzt.

    Entscheident ist das jeder seine Methode hat Inhalte / struckturen ws auch immer in sein Gehirn zu bekommen.
    Solange ich nicht ein Film zu einem Lied in meinem Kopf habe, gehts nur nötig (mit Noten) .
    Spiel ich das Lied nicht verlischt es...
    Also muss die richtige Aussage heissen :
    ich habe noch nicht entdeckt wie ich ein Stück auswendig spielen kann.
    Aber dazu muss man viel probieren...
     
  16. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Dann hast Du mich etwas falsch verstanden. :) Es ging ja ausdrücklich um das "einhergehende auswendig lernen", deswegen ziteirte ich den Satz extra.

    Bei dem einen funktioniert's, der andere muss daür halt extra Aufwand betreiben.

    Gute Frage. Sie wollen ja. Aber manche tun sich elendiglichst schwer damit.

    Direkt mit 'nicht wollen' zu kommen erinnert mich halt an negative Pädagogik: "Was, Du kannst das nicht? Dann hast Du nicht genug gewollt." Die Karte könnte man ja mimmer ziehen, wenn Anforderungen nicht erfüllt werden.

    Grüße
    Roland
     
  17. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @Roland: Alles sehr interessant und nachvollziehbar, was du schreibst. Ich hatte in dem betreffenden Zitat ja eben auch das aktive Auswendiglernen erwähnt, weil mir schon bewusst ist, dass nicht jeder sich nebenher leicht Dinge einprägen kann.
    Wie man jetzt Stücke auswendig lernt, ist für mich auch eher zweitrangig. Ich wollte nur betonen, dass es einfach notwendig ist, damit man mit einem Stück gut zurechtkommt. Das gilt natürlich hauptsächlich für Stücke, bei denen man über eine Form improvisieren will. Ein komplett ausgeschriebenes Bigband-Stück braucht man natürlich nicht auswendig können. Höchstens mal einzelne Passagen, z.B. wenn man ein Instrument spielt, bei dem man nicht immer auf die Noten schauen kann. In dieser Hinsicht ist Saxophon ja sehr komfortabel.
     
  18. saxhornet

    saxhornet Experte

    Es ist aber nicht zwingend notwendig. Für Dich vielleicht aber das trifft mit Sicherheit nicht auf alle anderen Spieler zu. Um eine Form zu verstehen oder mit einem Stück gut zurechtzukommen ist es nicht notwendig es auswendig zu lernen.

    Trotzdem ist es ratsam Stücke auswendig zu lernen.
     
    Bereckis gefällt das.
  19. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Heißt das, dass man wirklich gut über einen Jazzstandard improvisieren kann, auch wenn man Takt für Takt auf's Akkordsymbol gucken muss?
     
  20. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier

    Ich spiele immer aus Faulheit auswendig....

    Lg

    Mixo
     
    ppue gefällt das.
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