Auswendig spielen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von ppue, 17.Januar.2024.

  1. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Ich könnte sie notieren, aber nicht aufsagen, da ich es sehr nervenaufreibend finde, mir Buchstaben zu den Tönen zu merken. Mit dem Rhythmus habe ich aber immer Probleme, den spiele ich nach Gefühl und kann ihn nur schwer nach einem ganz bestimmten Schema lernen und vor allem nur schwer ganz exakt notieren.

    Ich denke allgemein in Bausteinen und Akkordmodulen, nicht in Notennamen oder Akkordnamen. Wenn die vorkommenden Akkordmodule mir sehr vertraut sind (1625 zB), reicht es auch, sich das tonale Zentrum eines Stücks oder Formteils zu merken.

    Allgemein ist das Auswendigspielen aber eine Schwäche meiner. In der Bigband kann ich die Phrasierung richtig spielen, wenn ich sie richtig höre, nicht aber, wenn sie mir jemand ausnotiert.

    Edit - Mir fällt gerade noch etwas auf:

    Eigentlich bin ich außerhalb der Bereiche Musik und Sprache völlig unbegabt.
    Beispielsweise habe ich so gut wie keinen Geruchssinn. Höchstens vergammelten Fisch oder Rosenkohl rieche ich, aber nicht Parfüm, Blumen oder Benzin.
    Außerdem, und darauf möchte ich hinaus, habe ich eine sehr schlechte bildliche Vorstellungskraft. Außerhalb des Träumens kann ich mir kaum Bilder vorstellen, die Gesichter von Menschen und ihre Namen verwechsle ich oft.
    Noten, die wirklich hundertprozentig sitzen, kann ich aber beim Spielen vor mir sehen wie notiert, obwohl ich immer schlecht im Notenlesen war. Allerdings nur Tonhöhe, nicht Rhythmus
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 18.Januar.2024
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  2. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Bei mir ist es eher umgekehrt, ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was ich gleich spielen will, und das dann auch schon irgendwie in den Fingern. Klappt natürlich oft auch nicht, und ist auch tonartabhängig.

    Gruß,
    Otfried
     
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  3. Dingo

    Dingo Nicht zu schüchtern zum Reden

    1.
    Ich spiele ausschliesslich nur auswendig, da ich sehr schlecht Noten lesen kann. Ich brauche sehr lange, bis ich eine gelesene Passage in die Finger bekomme und spiele dann eigentlich auch nur auswendig gelernt, da ich vom Phrasenform der Noten dann schliessen kann, wie es klingt und gegriffen wird.
    Wie oder was genau meinst du mit "Vom Blatt spielen"? Ein Stück, dass du nicht kennst, gleich vom Lesen her flüssig spielen kannst wie geübte Klavierspieler?
    Meine Schwester spielt, wenn so gemeint ist, richtig gut vom Blatt. Hat aber einen Nachteil: sie kann gar nicht improvisieren und nur sehr schlecht eine Phrase (nennt man das auch so auf Nicht-Blasinstrumente?) ausschmücken, da sie zu fest an das was notiert ist, orientiert.
    Auch hat sie, im Gegensatz zu mir (der auswendig nach Gehör Spieler) weniger theoretisches Wissen, da sie für ihr Spiel, das ja bereits geschrieben und somit für sie vorgegeben ist, nicht nötig ist. So sind halt die "Hausfrauen-Hobby-Klavierspieler" die in der Realität nunmal einen sehr grossen Teil der Klavierspieler sind. Üben ein geschriebenes Stück bis fehlerlos gelesen und reproduziert werden kann (Chopin und so zeugs). Ich als auswendig nach Gehör Spieler frage mich stets, wieso die Phrase so notiert ist und nicht ein anderer Ton möglich ist und Versuche sowohl mit ausprobieren wie auch nach Harmonielehre und Akkorde herauszufinden, wieso dieser "falscher Ton" im Lied trotzdem gut klingt. Meistens liegt die Antwort auf "Blueston" oder kurzzeitiges Wechsel auf Septimakkord auf einem sonst harmonisch klingende Tonart.
    So gesehen stimme ich dir vollkommen zu. Noten nehme ich eigentlich nur zur Hand, wenn ich durch Hören einer komplexen Phrase (z.Bsp. sehr schnell gespielt) nur schwer heraushören kann. Aber schlussendlich ist Musik machen ähnlich wie Lesen: Es muss nur ähnlich klingen. Wie beim Lesen müssen nur die richtigen Buchstaben und Anzahl stimmen. Die Reihenfolge zwischen dem 1. und dem letzten Buchstaben spielen keine Rolle. So ist es auch in der Musik: bestimmte Töne einer Phrase zum richtigen Zeitpunkt klingen. Den "Rset dazwsichen knanst du entwdeer auslasasen oedr acusshümcken" und trotzdem erkennt man die Melodie. Klingt es ein ganz wenig anders, darf man auf die künstlerische Freiheit schieben, da Musik bekanntlich Kunst ist. Oder deine persönliche Note.

    2.
    Wie beim 1. gesagt, fast alle Stücke.

    3.
    Nach Gehör geht es mir viel schneller, da ich nicht bildlich vorstellen muss, was geschrieben ist und dann noch einmal übersetzen auf die Fingermotorik.

    4.
    Man vergisst schneller, da nur die Muskelgedächtnis der Finger trainiert wird.

    5.
     
    Zuletzt bearbeitet: 18.Januar.2024
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  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja.
     
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  5. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Geniale Assoziation!
     
  6. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Naja, das klingt jetzt schon sehr abwertend. Genauso machen es alle klassischen Musiker, nicht nur am Klavier. Und die berühmten und bejubelten Virtuosen. Bis man "Chopin und so Zeugs" fehlerlos spielen kann, hat man schon so einiges vor sich.

    Aber hier prallen halt zwei Welten aufeinander. Die Klassiker verachten die, die die unsterblichen Werke ihrer noch unsterblicheren Komponisten nicht korrekt und stiladäquat nachspielen können. Irgendwas daran auszulassen oder auszuschmücken ist ein Sakrileg ...

    Aber auch für Saxophonisten ist präzises Vom-Blatt-Spielen relevant. Z.B. in der Big Band oder im sinfonischen Blasorchester.
     
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  7. Ôkami84

    Ôkami84 Ist fast schon zuhause hier

    Um ein möglichst kompletter Musiker zu sein, wäre es wünschenswert beides gut können. Ich könnte mir zum Beispiel nicht vorstellen nur noch auswendig und "frei" Jazz zu spielen, wie auch nur noch Dinge vom Blatt zu "reproduzieren".
     
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  8. Dingo

    Dingo Nicht zu schüchtern zum Reden

    Oje, das ging komplett in die falsche Richtung und darf das nicht so stehen lassen!
    Ich habe absolut nichts gegen Klassik. Das da genau gespielt werden soll auch gewünscht wird, ist mir klar. So kristallklar dass ich es nicht extra erwähnt habe - mein Fehler. Ein Pianostück aus Final Fantasy 7 oder 10 (ist zwar kein Klassik) würde ich auch nicht improvisiert hören wollen! Und auch wenn man in einem Big Band spielt, sich an das Geschrieben streng daran halten sollte. Wenn bei 20 Musiker alle ihr eigenes Ding spielen würden, würde es schrecklich klingen und der Dirigent alle Haare vom Kopf reissen :) Das ist dann wieder als Musiker die Fähigkeit, zusammenspielen zu können und deshalb muss man sich an Regeln halten.

    Ich wollte nur ausdrücken, dass bei Hobbypianisten häufig eine Übesession so aussieht, dass sie Fingerübungen und Tonleitern durchaus trainieren doch wenn es zum Spielen kommt, kramen sie ihre Noten heraus. Vielleicht ist es ein Problem, wie ein Instrument von Lehrern und Lehrbüchern gelehrt wird. Sie werden nicht daran geführt, wie z.Bsp. ein Stück den man tagsüber auf einem Radio gehört hat, stark vereinfacht zu "reproduzieren". Dass man als Pianist die Akkordfolgen z.Bsp. 1451 heraus hört, und die Akkorde auch mit dem Begleithand ohne Muster herausgeben kann und mit der Führungshand die Gesangsmelodie auch stark vereinfacht wiedergibt.
    Denn ich wollte mit meiner Schwester zusammen musizieren und fragte sie ob sie mich begleiten kann. Die Antwort war nein, es sei zu kompliziert und sie verstehe nicht was sie genau machen soll, wenn kein Notenblatt vor ihrer Nase liegt.
     
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  9. ppue

    ppue Mod Experte

    Das, was die Klassiker da spielen, ist nicht das, was in den Noten steht. In den Noten stehen Tonhöhen, Tonlängen und ein paar Hinweise zur Dynamik. Was ein Pianist daraus macht, ist sein Ding. In Sachen Rhythmus, Timing, Groove ist diese Musik erheblich komplexer als z.B. ein einfacher Swing mit einer etwas lasch und laid back dahin gespielten Saxophonmelodie über die immergleichen Harmoniekonstruktionen.

    Das eigene Gefühl mit dieser "festgeschriebenen" Musik auszudrücken, ist die hohe Kunst und erfordert höchste musikalische Sensibilität.
     
  10. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Oh ja - man vergleiche zB mal die vielen Videos mit Schumanns Träumerei aus den Kinderszenen mit dem Spiel von Vladimir Horowitz.

     
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  11. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Das ist jetzt allerdings auch wieder fragwürdig. Jazz ist nicht weniger komplex, wenn er wirklich gut ist. Ich würde zumindest einem Oscar Peterson nicht weniger musikalische Sensibilität unterstellen als einem Glenn Gould.
     
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  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Glenn Gould hat für mich das sensiblere Spiel und die Klassik bietet in ihrer Harmonik eine wesentlich größere Vielfalt und Komplexität.

    Ich wollte aber gar nicht Jazz und Klassik vergleichen, das ist großer Unfug.
    Ich wollte nur klarstellen, dass man in der Klassik weitaus mehr macht, als Noten "richtig" zu spielen.
     
  13. Spätberufener

    Spätberufener Ist fast schon zuhause hier

    Eine kleine Anekdote zu diesem Thema:
    Max Greger hat seinen Musikern öfter während der Probe einfach die Noten abgenommen und sie das Stück auswendig
    spielen lassen.
    Er wird seinen Grund gehabt haben.
     
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  14. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest


    Jetzt muss ich doch fragen: Warum ist Klassik harmonisch per se komplexer? In der Praxis ist das natürlich so, aber in der Theorie schöpfen doch Klassik und Jazz beide aus dem Vollen von Funktions- und modaler Harmonik. Klar, im Jazz ist ein großteil der Tunes einfach strukturiert und in der Realität werden auch bestimmte Voicings oft gespielt.
    Allerdings denke ich, die größere Vielfalt und Komplexität kommt in der Klassik daher, dass Stimmführung allgemein die Darstellung von Akkorden ernster genommen wird, dass also ein Akkord in erster Umkehrung als ein anderer Akkord gesehen wird als ein Akkord in Grundstellung. Für den Jazzer, der in seinem Handwerk reduzieren und skizzieren muss, ist beides der gleiche Akkord.
    In der Theorie schließt Jazz aber nicht aus, extrem subtil und elegant mit Klangfarben zu spielen, das ist dann nur eine Frage des Könnens der Musiker.

    Ich sage mal ganz ehrlich: Wäre ich kein Musiker würde ich wahrscheinlich keinen Jazz hören. Ich mag Jazz, weil ich Musiker bin, und Jazz eine große Spielwiese ist, um Neues zu lernen und gelerntes zu erproben. Insofern verstehe ich schon, wo du bezogen auf klassische Musik herkommst. Natürlich ist ein Werk, dass über Monate hinweg komponiert wurde, komplexer als eines, dass so eben spontan komponiert wurde, ohne Möglichkeiten, etwas bewusst zu steuern. Das schöne im Jazz ist dann wohl aber auch das Unbewusste, das Verspielte (-:
     
  15. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Dingo
    Ich kann deine Schwester gut verstehen.

    Das, was du von ihr möchtest, ist eine ganz andere "Baustelle" als das,
    was sie täglich übt.

    Ein befreundeter Gitarrist will hin und wieder mit mir spielen.
    Als Duo, so aus der Hüfte geschossen, soll ich saxmäßig spontan was beisteuern.

    Sachen, die er schon ewig spielt.

    Ich sag' zu ihm:
    Schick mir einfache Aufnahmen von dir.
    Ich will hören, wie du was und mit welchen groove spielst.

    Ich muss mich im Vorfeld damit beschäftigen.
    Sonst wird das nichts.

    Also mein Tipp:
    Such' gemeinsam mit der Schwester Material aus, das ihr zusammen
    machen könntet.

    Und bereitet das für euch -musiktheoretisch- etwas vor.

    Völlig spontan .... das wär schon die -Hohe Schule- des auswendig Spielens.:)

    VG
     
    Dingo gefällt das.
  16. charly-5

    charly-5 Ist fast schon zuhause hier

    Ich versuche das auch dann und wann, etwas auswendig zu spielen. Bisweilen klappt es sogar, die richtigen Tasten in der richtigen Reihenfolge zu drücken (oder auch wieder loszulassen), aber wehe, wenn ich mich dann auch noch um den Rhythmus kümmern soll. Dann versemmel ich sogar eine Tonleiter. Kann aber auch dann passieren, wenn ich die Noten vor mir liegen habe. Darauf achtend, den markigen ersten Schlag eines Taktes zum korrekten Zeitpunkt anzuspielen, vergesse ich dann, wie's weitergeht. Klar, steht da, aber da ich mich gerade auf die Länge der Note konzentriere, vergesse ich, in welcher Zeile sie steht. Und das, obwohl ich sie vorher korrekt gesehen und gespielt habe, als ich nicht auf den Rhythmus geachtet habe. Vielleicht sowas wie Unaufmerksamkeitsblindheit.
    Mein Lehrer fordert mich immer auf, mit dem Fuß zu tapsen und wird kirre, wenn ich immer wieder zur Note tapse - also gerne auch mal vom Viertel auf die Achtel wechsle. Bei ein paar Liedern kann ich mir schon einzelne zusammenhängende Takte merken (yeah), aber ein ganzes Stück - und sei es noch so banal - überhaupt nicht.
     
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  17. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @charly-5
    Dranbleiben !

    Das wird alles viel einfacher ab dem Tag, ab dem alle Töne sauber
    und wie von selbst kommen.
    Ohne, dass du beim Blasen groß drüber nachdenken musst.

    Wie man dort hingelangt ?

    Meine Erfahrung ist:
    Eine ausgewogene Mischung in dem, was man täglich übt,
    bringt's.

    Übungen zur Tonbildung am Anfang viel mehr
    einbauen als alles andere.

    VG
     
  18. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    vielleicht auch deswegen, weil Jazz zu einem guten Teil Improvisation ist und daher die melodische Entwicklung schon eine sehr große Rolle spielt. Nicht zu vergessen - und sicher nicht nur ein Randaspekt: Man sollte für gewöhnlich über die Harmonien auch noch spielen können. Sicher: Gehen tut alles und die Sachen von Monk und Wayne Shorter sind manchmal schon eine Herausforderung, aber machbar. Aber Changes, über die man seinen eigenen Wahnsinn legen kann, ohne die ganze Zeit aufzupassen, dass man nicht aus der Kurve fliegt, sind auch nett. Hat aber natürlich alles mit Gewöhnung zu tun.
     
  19. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Das wäre kein „Auswendig“ spielen sondern gemeinsames Musizieren unter Benutzung der Ohren.

    Das fällt mir regelmäßig leichter, als Melodien auswendig zu lernen oder im Detail Akkordfolgen bis in die Tensions auszuspielen. Die Grenzen sind natürlich da, wo es komplexer oder ungewöhnlicher wird als ein Jazz-Blues oder meinetwegen Rhythm Changes oder die Session-Kracher, die schon keiner mehr hören mag.
     
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  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, das hast du dir ja schon selber beantwortet.

    Im Jazz werden zu 80 % Songs gespielt. Einfache Dinger im Vergleich zu jedweder Sinfonie. Und eigentlich alles, was auch die geschicktesten Spieler inside, outside, alteriert oder sonstwie spielen, findest du auch in der Klassik, wenn auch in ganz anderer Form.

    Und natürlich komponiert ein klassischer Komponist über, Tage, Wochen, Monate, wo der Jazzsolist sein Repertoire abspult.

    Na ja, wie gesagt, killefitz, das überhaupt zu vergleichen.

    Komplexität ist ja nicht per se ein Qualitätsmerkmal



    Man fragt sich: Ist das überhaupt noch Jazz?

    Komplexität und Sensitivität ganz anders hier



    Oder Charles Ives: Einfach und komplex zugleich, lebt sozusagen aus dem Gegensatz

     
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