Charlie Parker, Bird Songs….;)

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Witte, 3.Januar.2022.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Tja, wer hier im Detail falsch liegt, möchte ich nicht beschreien. Wikipedia sagt, Parker hätte sich erst mit 17 für das Alto interessiert, @Paul2002 sagt, mit 14 1/2 bis 15 und in der Doku kann ich mich gar nicht an eine Altersangabe erinnern.

    Der Coroner wird laut anderer Quelle wieder anders zitiert: "He initially thought that he was examining a man of 60." Zuerst dachte er also, Parker sei so alt. Hat den Totenschein vielleicht erst einmal auf 50 Jahre ausgestellt (so die Doku). Auch hier überall verschiedene Angaben.

    Sagt ja keiner so verkürzt: "Charlie Parker hat den Jazz revolutioniert und in die Moderne geführt", heißt es im Film und in dem Beipackzettel steht "Während Louis Armstrong und Duke Ellington das Fundament dieser Musik legten, erfand Parker ihre Sprache durch harmonische, rhythmische und expressive Innovationen."

    Letzteres stimmt insofern, dass Parker (und seine Kollegen) derjenige war, der die Sprache der "Kunstmusik" Jazz erfunden hat, die Sprache, die man im Wesentlichen noch heute spricht. New-Orleans-Jazz, Chicago-Jazz oder im Stil der Swing Ära kann man heute natürlich spielen, das bleibt aber eher ein Revival der alten Zeiten. Die Phrasen und auch die Architektur des Bebop sind bis heute aktuell geblieben.

    "Mitte der 1930er Jahre genießt die USA die letzten Züge der roaring twenties" Das ist kein Wiederbeleben, sondern das beschreibt die Entwicklung Mitte der 20er bis Mitte der 30er Jahre in direkter Verbindung.

    Das sind aber alles historisch wenig bedeutende Details, die am großen Werk der schwarzen Musiker Anfang der 40er Jahre nichts ändern. Die haben sich nämlich den Jazz wiedererobert, den die Weißen ihnen mehr oder weniger entwendet und immer mehr kommerzialisiert hatten. Das war Black Power und ungeheuer wichtig für die gesamte Emanzipationsbewegung der Schwarzen in den USA.

    Man diente nicht mehr der High Society, sondern machte Kunst. Eine Kunst, die ganze Generationen von Künstlern wesentlich beeinflusst hat und immer noch beeinflusst.
     
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  2. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Lieber Peter


    Meine Angaben stammen aus der Biographie von Stanley Crouch, bzw. Carl Woideck.
    Die Doku werde ich noch nachholen, da sie entgegen meine aus der Kritik resltierende Erwartungen wohl laut deiner und Johns doch ganz gut gewesen sein soll.
    Dass das, was ich kritisert habe, zentral für den Jazz sei, habe ich nicht behauptet. Ich möchte aber lieber wenige genaue Informationen und tief einsteigen, als alles in bunten Farben zumalen und dabei die Konturen zu verreißen, daher rührte meine Erregung über die Doku/Dokus über Persönlichkeiten generell.


    Bei dem Punkt der Sprache bleibe ich. Es gibt eine Dissertation von Thomas Owens über Parkers Motive, und die sind alle aus dem Swing-Jazz, teilweise noch älter.
    Daran störe ich mich.
    Wenige Musiker haben die Sprache des Jazz so eloquent gesprochen wie Charlie Parker, aber er hat diese Sprache dennoch nicht erfunden.

    Ob es wirklich etwas über den Wert des Bebop aussagt, dass er noch aktuell ist, kann man diskutieren! Da gehen wir vielleicht auseinander, kann sich noch ändern, indem ich altere. Allgemein störe ich mich nunmal an musikkritischen Ausführungen, die allerlei hochtrabende Wörter beinhalten und für die Musiktheorie oder -praxis dennoch wenig Wert haben.


    So wie ich es den bisher gelesenen Büchern entnehme, sollte man einen Schnitt setzen zwischen den roaring twenties und dem swing craze, weil die Musikindustrie dazwischen sehr verarmte und daraufhin weiterentwickelte.
    Erst in Teddy Wilsons Autobiographie habe ich gelesen, wie er und Benny Goodman sich darüber lustig machten, seit Jahren wenig erfolgreich die gleiche Musik zu spielen und dann plötzlich aufgrund von Promotern und was-auch-immer-für-einem soziologischen Phänomen "the toast of the country" zu sein.

    Woher Wikipedia die 17 gehabt haben will, muss ich mal nachgucken...
    Ebenso die Quelle für den Coroner.
    Die Angabe, die ich von Crouch habe, steht, meine ich, im Autopsiebericht.
    Die andere aus der Doku hat vielleicht ein Mitarbeiter der Autopsie der Presse gesagt, weil die Mystifizierung von Parker direkt nach seinem Tod schon auf Hochturen lief. Kann man auch nochmal nachgucken (werde ich aber in diesem Fall nicht tun).



    PS: Eine persönliche Ergänzung zu der "Kunst"-Debatte.
    Ich gebe dir recht, was die Emanzipation der Afroamerikaner und den Bebop angeht.
    Trotzdem würde ich auch Musiker wie Bunny Berigan als Künstler bezeichnen. Dass die weißen erfolgreicher waren lag an einer rassistischen weißen Gesellschaft in der weiße entschieden, was angesagt war, was bezahlt wurde. Nicht an den weißen Musikern.

    Ich habe ja nur wenig mit Musikmachenden zu tun (leider), dennoch zu oft höre ich Sätze wie "Charlie Parker, haha, ja, immer Drogen genommen, die ganze Zeit, und gevögelt" oder "richtigen Jazz können nur Schwarze machen", oder "XY war ein Genie, nie wird jemals wieder so gute Musik machen".
    Ich finde solche Sätze oberflächlich. Es werden eigene Empfindungen als absolute Wahrheit erklärt. Als Musiker frage ich mich da: Was hab ich davon, das XY ein Genie oder ein Strolch oder was auch immer war? Können wir nicht einfach unsere *persönlichen* Erfahrung austauschen, Gemeinsamkeiten finden, zusammen was neues erschaffen - anstatt uns im Kreis zu drehen mit Phrasen, die allenfalls auf Werbeplakate gehören.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 4.Januar.2022
    Rick und ppue gefällt das.
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