Improvisieren ist Zuhören

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von ppue, 19.August.2018.

  1. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Im Prinzip fangen wir in unserem kleinen "Intukreis" (Kreis für Intuitive Musik) immer genauso an, mit dem Unterschied, dass wir zuerst gar keine Instrumente benutzen sondern singen und der zuerst anfängt ist erst mal die Drone. Irgendwann kommen dann die Instrumente dazu.
    Ich hatte mich seinerzeit dem angeschlossen, weil mir der Aspekt des kollektiven Improvisierens auf konventionellen Sessions einfach viel zu kurz kam. Ausserdem hat mich die komplette Verlagerung auf Intuition, die durch Zuhören ganz entscheident befeuert wird, gereizt. Es hängt natürlich auch immer stark von der musikalischen Kreativität und den technischen Fähigkeiten zu deren Umsetzung, ja auch von der Stimmung und der Tagesform der Mitspieler ab, was dabei herum kommt. Wir sind keine Stockhausens aber ich kann zumindest feststellen, dass sich die Kreativität bei allen Mitspielern, die regelmäßig dabei sind, deutlich erhöht hat. Ich vermute, es liegt auch daran, dass man immer mehr Vertrauen in die eigene Intuition gewinnt, und das einen weiter bringt.
    Viele Jazzer halten sich distanziert zur kollektiven Impro. Meist auch mit dem Verweis, dass sie nicht vor leerem Haus spielen möchten. Die wenigen Versuche auf Sessions haben aber eigentlich nicht den Effekt gehabt, sondern wurden eher mal als erfrischend anders aufgenommen.
    Ich frage mich auch, warum wir Musik immer für Publikum, Tonträger oder was auch immer machen sollen. Machen wir sie doch einfach mal für uns! Das ist für mich immer noch besser als Kaffeerkränzchen oder Stammtisch, und in den Pausen kommt das ja unweigerlich hinzu.
    Gruß Reiner
     
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  2. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich nutze alle drei Methoden: ohne, mit Band, mit Playalong. Aber jeder muss das für sich entscheiden. Und gerade beim Spielen mit Musikern, hängt es ganz stark davon ab, mit wem Du spielst, das kann nämlich auch kontraproduktiv sein.
     
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  3. RomBl

    RomBl Guest

    Da schließt sich wieder der Kreis zu dem Zitat aus der sehr guten 3sat-Doku über die 3 Jazzmusikerinnen (u.a. Maria Baptist), wo (sinngenmäß) gesagt wurde, dass "es wichtig ist, seine Mitspieler gut aussehen zu lassen". Dieser Satz hat sich eingebrannt bei mir und ich werde da zukünftig mehr drauf achten.

    Besonders bei Sessions zeigt halt jeder gerne, was er in der Hose hat. Davon darf man sich als "noch Lehrender" von erfahrenen Musikern nicht in die Irre führen lassen und nur das spielen, was man beherrscht.
    Ich achte da nun besser auf mich und fahre damit recht gut, so dass ich mich mittlerweile wohl fühle beim Improvisieren bei Stücken, die ich zumindest einigermaßen kenne. Safety first :D
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Wir nutzten früher ausschließlich die vierte Methode: Zur Schallplatte zu spielen.

    Der Vorteil: Du spielst mit echten Musikern, die interaktiv agieren (-;außer mit dir), die in der Regel sehr viel dynamischer spielen als es ein Playalong vorgeben könnte und du bekommst ständig neue Phrasen der Solisten um die Ohren, die du nachspielen kannst. Natürlich kollidiert dein eigenes Spiel mit dem des Solisten. Es gibt aber auch Stücke, wo man schön mitspielen kann, weil sie gar nicht so sololastig sind.



     
    Zuletzt bearbeitet: 23.August.2018
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  5. rorro

    rorro Ist fast schon zuhause hier

    So habe ich auch früher gespielt und tue das heute wieder. Allerdings zu CD oder mp3. Manches Mal begleite ich einen Sänger oder eine Sängerin, die gar nichts davon wissen. ;)
     
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Schlimmer Finger!
     
  7. Paco_de_Lucia

    Paco_de_Lucia Ist fast schon zuhause hier

    Berlin? was bedeuten? → guggst Du
    [so ab 7:35 zBsp.]
    ja klar, bin ja eh bei Dir, nur dieses kollektive - und sicher nicht richtig ausgeführte Gruppen-geImprovisiere ist antrengend - zum mithören und mitspielen. Und irgendwie hab ich auch immer das Gefühl, es geht nach dem Motto: lauter gehts immer - soll heißen:ich bin präsenter.
    Wennst dann mal ganz fein einen einzelnen Ton spielst - wirst weggebügelt.
    Kann halt auch an der Band liegen...ich pass mich an und üb Dreiklangszerlegungen. Die gehen immer.
    DixFrei
    Paco
     
  8. Paco_de_Lucia

    Paco_de_Lucia Ist fast schon zuhause hier

    Ja, und das hört man auch...die digitalen Generationen spielen anders.
    Die, welche mit drum/bass üben detto, aber das habens in der Romantik über den Barock auch gesagt...
    und Paganini hat dann allen den Ofen eingeheizt.
    Das Leben ist halt Entwicklung/Veränderung. mit zunehmenden Alter sieht man das auch distanzierter.
    Und immer noch schmelz ich aber bei Coleman Hawkins Body & soul dahin.
    und nur wenige andere Musiker konnten mich so berühren. Manches bleibt halt auch gut.
    cheers
    P
     
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  9. ppue

    ppue Mod Experte

    Genau das macht im Dixieland Spaß, wenn es denn richtig gemacht wird. Die Blasinstrumente teilen sich hier den Tonraum vertikal auf und das ist der Trick, warum es zusammen passt. Da spielt natürlich keiner outside, Akkordbrechungen und einfache Skalenausschnitte sind gefragt, die Posaune tief, Alt und/oder Trompete in der Mitte und die Klarinette oben drüber. Was entsteht, ist ein rhythmisch harmonisches Gewebe, frei und locker.

    Das Prinzip wende ich heute häufig bei unserem Blasorchester an und spiele Soli im Toptonebereich über feste Arrangements. Das belebt diese ganz außerordentlich ohne das Arrangement zu stören.
     
    Zuletzt bearbeitet: 23.August.2018
  10. Paco_de_Lucia

    Paco_de_Lucia Ist fast schon zuhause hier

    @ppue thx, das haste super beschrieben, bei mir/uns ist das irgend wie bisi anders.
    da spielen alle immer alle Skalen rauf und runter, und am besten noch rhythmisch unisono...naja,
    dann wirs a bisi fühl ;-)
    aber es macht spass und ich bin eh nur der side/oder ersatzman
    cheers p.
     
  11. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Äh - ein bischen festgelegter isses schon mit den Rollen: Grob gesagt, die tp spielt irgendwie am Thema entlang, die tb markiert die Akkordwechsel, die Klarinette filigranisiert großräumig drum herum - viel oben, weil sie nur dann auch gehört wird. Saxophone braucht es im Dixie höchstens als goldene Klarinette.
     
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  12. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Verstehe ich nicht. Wofür soll das Beispiel bitte stehen?
     
  13. RomBl

    RomBl Guest

    Ich sitze gerade in einem netten Café und habe gleich Sax-Unterricht, daher vielleicht meine melancholische Anwandlung:

    Ist nicht alles im Leben mit Zuhören verbunden, nicht nur Improvisation?
    Eine Fähigkeit, die immer mehr abhanden zu kommen scheint.
     
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  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, es scheint so. Ich glaube allerdings nicht, dass es so ist.

    Es würde schon lange keiner mehr zuhören, wenn die Fähigkeit dazu im Laufe der Evolution abnehmen würde.


    Vielleicht scheint es uns so, weil die neuen Medien dazu gekommen sind und viele über Knopf m Ohr kommunizieren oder Musik hören.
    Vielleicht ist es auch eine Frage unseres Alters. Wir alten Paare haben uns schon lange alles erzählt und wiederholen uns nur noch. Treffen wir dann Freunde, dann quatschen wir die erst einmal über die Maßen zu, weil wir solchen Rededruck haben. Das ist dann meist langweilig. Erzählt jemand etwas Spannendes, dann wird auch zugehört.

    Der Vergleich mit der Musik liegt auf der Hand: Spielen ohne Punkt und Komma ist ebenso langweilig unentwegtes Reden.

    Ein gutes Solo ist wie eine gute Rede. Man achte auf die Pausen des Redners unten, achte auf die Variationen und Wiederholungen von Wörtern, Phrasen und ganzen Sätzen, ja sogar Absätzen, Man achte darauf, wie er den Höhepunkt ansteuert und wie er die gesamte Rede architektonisch aufgebaut hat.

     
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  15. Gelöschtes Mitglied9218

    Gelöschtes Mitglied9218 Guest

    Mein Problem ist nicht das Zuhören, sondern das Gehörte auf dem Saxophon umzusetzen.
    Seit ich Saxophon spiele, höre ich die Musik sowieso ein klein wenig anders als vorher. Das ist mehr unbewusst als bewusst. Das anders Hören von Musik, war zumindest bei mir so, ein recht schleichender Prozess, der (rückblickend betrachtet) erst im Laufe der Zeit eingetreten ist.
    Wie gesagt, das bewusst Gehörte auf dem Saxophon umzusetzen, das ist mein Problem und ganz schön schwierig.

    Lg
    Paedda
     
  16. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Oh ja. Da machen wir denn dann mal gleich in den Analogien weiter.
    Führungskräfteseminar und/ oder "Gesprächsführung" (und auch verschiedene philosophische/asiatische/indianische....Lehrmeinungen/Weisheiten)

    "Wer fragt (also vorher und auch hinterher zuhört) führt."
    "Wer zuhört, lernt"
    Wer selber spricht, erfährt nichts neues"
    ........

    So auch im musikalischen/improvisatorischen Kontext. Oder? :)


    Cheerio
    tmb
     
  17. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    ---> Musik :)
     
  18. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Oh, ja.
    Ich schlucke auch immer wieder, wenn (nicht nur hier) gesagt/geschrieben wird: "Spiel das doch "einfach" mal nach...." :-(
     
  19. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    der Trick dabei ist, sich auf einzelne Töne zu konzentrieren. Starte mit einem Ton. Nimm Dir irgendein Beispiel eines Solos, das Dir gefällt und loope den Anfangston. Idealerweise singst Du ihn (am besten eigentlich auch die ganze Phrase). Dann suche ihn auf dem Saxophon. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du mit dem Ton eine Einheit bildest, dann hast Du ihn gefunden. :pint:Gehe dann zum nächsten Ton. Die meisten meiner Schüler haben damit Probleme. Aber nicht weil sie es nicht können, sondern weil sie zu ungeduldig sind. Mach das ein paar Monate lang und Du wirst sehen, dass Du Dich und Dein Instrument besser kennst! Immer mehr wirst Du feststellen, dass das, was Du singen kannst, auch aufs Instrument übertragen kannst.
     
  20. p-p-p

    p-p-p Ist fast schon zuhause hier

    ...:finger:ehrlich - Respekt! Gutes Solo! Schön aufgebaut und gespielt.
    Schönes Beispiel, @ppue
     
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