Improvisieren üben - beginnen mit Playalongs (?)

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von mondkalb, 22.April.2014.

  1. saxhornet

    saxhornet Experte

    Und genau da liegt der Denkfehler. Der Punkt den Du beschreibst mit dem Singen und es dann aufs Sax umsetzen zu wollen (sie wissen also genau welcher Ton wo liegt auf dem Sax) gelingt den wenigsten Spielern. Dafür ist entweder ein extrem gutes relatives Gehör oder sogar ein absolutes Gehör notwendig. Was Du über Tonleitern lernst sind Farbabstufungen, welche Töne passen mehr, klingen harmonischer zur Harmonie und welche klingen etwas "schräger" und geben eine andere Klangfarbe rein. Ausschliessen musst Du deswegen keinen Ton, im Gegenteil aber Du erkennst klangliche Zusammenhänge und Abstufungen zwischen den Klangfarben von Akkorden und Skalen, Du hast mehr Farben und Ausdrucksmöglichkeiten.
    Wenn Du über C-Dur mit der C-Durtonleiter spielst merkst Du ja, daß die Töne von C-Dur ganz gut klingen, die von Cis-Dur aber nicht wirklich. Deswegen musst Du sie nicht ausschliessen aber Du kannst Dich entscheiden ob Du mehr in oder ausserhalb von der gegebenen Harmonie klingen willst (ob schräger oder weniger). Mit der Zeit hörst Du dann und lernst auch, daß z.B. bei C-Dur das Es super als Ton funktioniert der zum E führt oder das Fis zum G. Es ist immer eine Mischung aus Hören, Üben und Material benutzen können. Es lehrt auch warum bei C Dur mit grosser Sieben die kleine Sieben als Halteton schräg klingt. Aber ohne das Üben vom Bilden von Melodien mit Tonleitern und Akkorden hilft es nicht viel fürs Improvisieren, wenn man weiss welche Töne da enthalten sind. E Phrygisch ist eine andere Klangfarbe als E Dorisch und man muss es erst üben um diese Klangfarbe sich erschliessen zu können und damit Melodien improvisieren zu können (bei diesem Prozess bekommst Du den Klang auch ins Ohr). Dadurch erschliesst Du Dir weitere Klangfarben.
    Bei dem Prozess den Du beschreibst musst Du genau wissen welche Töne Du vorweghörst und wo sie auf dem Instrument liegen, das erreichen nur die wenigsten Amateurspieler in ihrem Leben.


    Das was Du gesanglich beschreibst, klappt aber auch für viele professionelle Sängerinnen nur sehr begrenzt. Ich kenne genug, die über einen Standard wie Stella by Starlight nicht richtig improvisieren können und auch nicht die Töne treffen, die zu den Harmonien passen oder eben nicht wirklich variieren können.

    Klar kann man auch nur mit Schwarz und weiss tolle Bilder malen, mir ist das aber auf Dauer zu langweilig und in der Musik funktioniert es halt auch nicht, denn man will ja auch nicht immer nur harmonisch sehr simple Stücke spielen, die primär modal sind. Viele Amateure hören auch einfach am Anfang gar nicht, wann sie schräg oder einfach gar nicht in der richtigen Harmonie sind.

    Das tolle ist doch, das Du Dich immer weiter entwickeln wirst und auch technisch immer besser werden und immer mehr die Zusammenhänge begreifen wirst und sich Dir immer mehr Möglichkeiten erschliessen dadurch. Nochmal: Keine Skala oder kein Akkord begrenzt Dich im emotionalen Ausdruck, sondern nur Du selbst und deine Ferigkeiten und deine Fähigkeit Dich emotional auszudrücken.

    Ist doch gut wenn es so für Dich funktioniert aber Du wirst irgendwann damit an Grenzen stossen und dann helfen Dir die anderen Kenntnisse und dann wird es halt Zeit sich damit mal auseinanderzusetzen, solange es aber noch nicht soweit ist, ist dein Weg doch gut.

    Lg Saxhornet
     
  2. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Ich denke auch, dass viele musikalische Ideen nicht aus der Theorie entstehen, sondern weil man sie im Kopf hat. Wenn man in der Lage ist, das was im Kopf ist ein zu eins auf dem Instrument wiederzugeben, braucht man weder zu wissen, was für eine Skala was für eine Tonart oder was auch immer das ist. Ich vermute, dass viele begabte Musiker auf diese Weise Dinge geschaffen haben, die man dann im Nachhinein mit Theorie versucht hat zu erklären. (Theorien werden eigentlich immer nur zu dem Zweck entwickelt, Dinge auf einfachere Weise zu erklären als durch ihr eigentliches Erscheinungsbild selbst)
    Umgekehrt ist aber, und da gebe ich Saxhornet recht, vor allem für Leute, die nicht in der Lage sind, eine Melodie, die sie im Kopf haben eins zu eins umzusetzen, die Theorie sehr hilfreich um die richtigen Töne gleich zu treffen.
    Die Sprache ist ein gutes Bild: Kinder lernen sprechen und erst viel später - wenn überhaupt - Grammatik. Will man aber eine neue Sprache lernen, ist Grammatik sehr hilfreich um den Weg dahin abzukürzen.
     
  3. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    mich würde mal interessieren, wieviele Leute hier (Hand hoch!) sich ernsthaft und regelmäßig mit Improvisation beschäftigen.
    Und damit meine ich nicht, Akkordzerlegungen und Skalen zu üben, das ist nur ein (auch notwendiges) Werkzeug.
    Ein bisschen Schnacken ist ja gut und schön.
    Ich habe vor nicht allzu langer Zeit damit begonnen, und glaubt mir, es steckt einiges an Arbeit dahinter. Ich gebe zu, aus diesem Grund nervt mich das "Bauchgefühl"-Getue schon etwas, da im Endeffekt dann immer "Manche haben es eben, manche nicht" rauskommt.
    Mit wirklicher Improvisation meine ich nicht, über ein paar Progressionen ohne Unfall drüberzukommen.

    Liebe Grüße,
    Guenne

     
  4. saxhornet

    saxhornet Experte

    Willst Du mich falsch verstehen?
    Klar gibt es ein paar Ausnahmespieler, die die Sounds schon benutzen ohne zu wissen was es ist, allerdings sind das meist nur wenige und meist Leute mit sehr exzellentem Gehör, die lediglich keinen Namen haben für das was sie hören.

    Es ist vollkommen egal welchen Namen Du einer Kombination von Tönen gibst. Es geht um die Erschliessung und Nutzung von etwas was man vorher so nicht kannte und wie man einen bestimmten Sound, Klangfarbe hört, wiedererkennt und selber nutzen lernt, um andere Melodien zu bauen, um mehr Klangfarben zur Verfügung zu haben als vorher. Da ist es egal ob wir von alteriert oder der Durtonleiter oder phrygisch sprechen.
    Wie oft hört man eine Stelle und denkt sich: Wow das klingt da so interessant, warum klingt es so wie es klingt und wie bekomme ich diese Klangfarbe bei so einem Akkord auch hin.

    Lg Saxhornet
     
  5. saxhornet

    saxhornet Experte

    Und ich dachte schon wir sind nie einer Meinung. Kann Dir hier nur zustimmen.
    Ich kann dieses Bauchgefühl Getue auch nicht mehr hören, weil es halt nicht hilft. Genausowenig wie das immer gleiche: "Skalen und Akkorde hindern einen am emotionalen Spiel", besonders weil das von Leuten kommt, die sich mit Improvisation meist eher weniger auseinandergesetzt haben oder sich nur eher an modal geprägten Songs probieren.

    Ich muss mich damit sehr viel auseinandersetzen, da ich es meinen Schülern beibringen muss und es selber können muss, daher setze ich mich damit jeden Tag auseinander und das sicher bis an mein Lebensende (man hört in dem Bereich nie auf zu lernen).

    Lg Saxhornet
     
  6. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Ich stelle. Ich stelle mir das als Feedback-Schleife vor:

    Hören => Analysieren => Spielen => Empfinden => Hören ...

    Ich höre etwas interessantes. Ich analysiere, was das ist, ggf. muss ich mich auch mit Theorie beschäftigen, denn wenn ich nicht weiss, was ein Tritonus und was ein Septakkord ist, habe ich aprobleme, die Tritonussubstitution zu verstehen.

    Dann spiele ich das, ich muss das Üben, ich setze das ein. Wenn ich es benutze, wie fühlt es sich an?

    Das ganze kann meines Erachtens am besten funktionieren, wenn ich meinen analytischen Verstand und meinen Bauch benutze.

    Wer nur das eine benutzt, macht sich seine Feedback-Schaleife kaputt.


    Also, man braucht beides, Theorie und Bauch. Wo man den Einstieg macht, ist egal, man macht hoffentlich noch viele Iterationen in dieser Schliefe.


    schleifige Grüße
    Roland
     
  7. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich glaube, ich kann Saxoryx' Herangehensweise einerseits verstehen, da ich auch eher von der intuitiven Seite herkomme und meine Ohren glücklicherweise so gut sind, dass ich das meiste erfassen kann, bevor ich mir irgendwelche Gedanken zur zugrundeliegenden Harmoniestruktur mache. Aaber: das ersetzt trotzdem nicht systematisches Üben.
    Ganz interessant war für mich die Feststellung, als ich mit meinem Mein gemeinsam eine mehrtaktige Phrase herausgearbeitet habe - ich hatte die Phrase schneller als er rausgehört und konnte sie direkt spielen. Wir haben uns dann daran gemacht, die Phrase durch alle Tonarten zu spielen. Bei ihm erfolgte nun der Zwischenschritt, der bei mir böhmische Dörfer sind. Die Phrase hat er so abgespeichert, dass es für ihn nun Ziffern sind, relativ zum Akkord. Während er also kein Problem hatte, das Ding direkt in jeder Tonart zu reproduzieren, war es nun für mich um ein vielfaches mühsamer, mitzuhalten. Ich hatte zwar den Klang im Kopf, konnte die Phrase aber nicht so schnell in den anderen Tonarten anwenden.
    Ein anderes Beispiel. Er hat mir einen Drill für Autum Leaves über die ersten acht Takte gezeigt. Ziel der Übung war, dass ich mir bewusst Gedanken hinsichtlich der Changes mache (ich beklage mich ständig, dass ich Changes nicht gut genug vom Blatt lesen kann, so dass ich bei einem Auftritt direkt über ein noch nie zuvor gespieltes Stück improvisieren kann). Spätestens bei der dritten Tonart war es bei mir vorbei mit den Changes, da hatten die Ohren wieder komplett die Führung übernommen, die Übung war hinsichtlich des beabsichtigten Ziels hinfällig, aber trotzdem nützlich, denn je mehr ich von diesen Drills absolviere, desto flexibler bin ich darin, das, was ich im Kopf habe, auch richtig umzusetzen, wobei das mit dem Changes-vom-Blatt-Lesen immer noch hinterherhinkt...
    Fazit ist, letztendlich ist es vielleicht egal, ob ich analytisch auseinanderpflücken kann, was ich da gerade übe, aber üben muss ich es so oder so, ob ich nun weiß dass das, was ich gerade übe, ein diminished lick etc. ist, oder nicht. Für viele ist es aber hilfreich zu wissen, und einige könnten es überhaupt nicht anwenden, ohne es zu wissen. Da ist halt jeder anders.
    An dieser Stelle nenne ich gerne wieder mal Stan Getz als jemanden, der kaum Ahnung hatte von Changes. Das heißt aber nicht, dass er mal eben so hätte umsetzen können, was er im Kopf hatte, ohne jemals systematisch geübt zu haben. Der hat genauso Tonleitern und Arpeggien und was-weiß-ich bis zum Abwinken geübt wie jeder Normalsterbliche, auch wenn er nicht wusste, was er tat... ;-)

    LG Juju
     
  8. Roman_Albert

    Roman_Albert Ist fast schon zuhause hier

    Das ist ein sehr komplexes Feld und es gibt keine "beste" Herangehensweise, weil ja auch jede/r sowohl einen anderen Ausgangspunkt als auch ein anderes Ziel hat.

    Für die persönliche Zufriedenheit reicht genau das, was man selbst erreichen möchte, und daher kommt m.E. das Argument "ich brauch die Theorie nicht".

    In dem Moment, wo man gehört und vielleicht sogar engagiert werden möchte, ändert sich das. Da gibts möglicherweise Konkurrenz, die beim Vorspielen mal ebenso über eine 16taktige Form "auf Zuruf" was spannendes hinkriegt und die auch ein Tonartwechsel nicht aus dem Konzept bringt...

    Insofern kann man sagen "jedem Tierchen sein Pläsierchen", nur darf man sich auf Dauer dann nicht wundern, wenn die Musik auf die eigenen 4 Wände bzw. das private Aufnahmestudio beschränkt bleibt.

    Die Soli in der Big Band gehen tendenziell auch eher an Spieler, die aus den Akkordsymbolen auf Anhieb was interessantes und abwechslungsreiches rausholen.

    Inspiration ist was schönes, aber ohne den Schweiss erreicht man relativ schnell ein Plateau.

    Um nochmal auf die Ausgangsfrage zurückzukehren, wie man am besten an die Impro rangeht: So, dass man maximal Freude und Motivation hat, sonst macht man es nämlich nicht lang.
    Ich starte gern mit bekannten Melodien, daher ist Impro-Visor plus ein paar runtergeladene Realbooks für mich das beste Material. Andere beziehen mehr Inspiration aus Aebersold oder Hal Leonard oder Crook, alles gut solang man es tut :-D

    Die weitergehenden Fragen und die zur Beantwortung erforderliche Theorie ergibt sich mit der Zeit schon von selbst.

    Wie Roland sagt, das ist eine ewige Schleife von spielen - hören - fragen - lernen - spielen in beliebiger Wiederholung.
    Auf akademisch gesagt ein iterativer Prozess selbständigen Lernens, ohne den man stagniert.

    Ein Lehrer kann das beschleunigen, aber lernen muss man selbst.
     
  9. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Der Thread wird so langsam spannend. Ich finde Rolands Beispiel mit der Rückkopplungsschleife sehr gut. Das macht sicher jeder kreative Mensch wenn er mit Musik umgeht. Die Theorie macht die Schleife effizienter, weil der Analyse Schritt leichter fällt, ist aber nicht Vorausetzung. Man kann auch Analysieren ohne zu Abstrahieren, sofern man genug Analogien in seinem Repertoire hat.
    Wir leben in einer Zeit in der es nicht politisch korrekt ist, wenn man sagt, dass es Dinge gibt, die nicht jeder kann, im Gegenteil, jeder soll aus Gerechtigkeitsgründen auch alles können, wenn er nur hart genug daran arbeitet. Und wenn man es dann nicht kann hat man lediglich die falsche Methode benutzt.
    Leute so einfach ist das nicht, da ist Abnehmen einfacher und wieviel Berge von Theorie und Literatur gibt es dazu?
    Wenn jemand zu einem Playalong, das er hört, keine Idee im Kopf entwickelt, was er dazu spielen könnte, dann helfen im auch Berge von Büchern über Harmonienlehre nicht dabei, Ideen zu entwickeln. Und eine klassische musikalische Ausbildung mit Durchnudeln von Etüden rund um den Quintenzirkel auch nicht.
    Wenn man aber beim Anhören von Begleitstücken im Kopf Ideen entwickelt, dann können einem Skalen und Akkorde viel beim Umsetzen auf dem Instrument helfen.
    Ich will damit sagen: wenn es einem gegeben ist, dann wird er es irgendwann auch können. Der Rest ist Routine und die ist sehr individuell, das kann man nicht pauschalisieren. Ich bin froh, dass ich kein Lehrer bin, ich wüsste nämlich nicht, wie ich andere dahin führen könnte.
    Viele Grüße Reiner
     
  10. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    mein Lehrer hat mal zu mir gesagt:

    "I can't teach you to improvise, but I can show you how and what to practice to be able to improvise."

    Und ich glaube schon, dass es jeder kann.
    Aber nur reden drüber ist natürlich auch schön.

    Ich sag Euch mal, was ich grad übe:

    Ich nehme mir einen Standard her (manchmal auch in ein paar verschiedenen Tonarten) und übe nur mit Metronom (Viertel 60-80).
    Dabei bleibe ich rhythmisch und harmonisch in der Form, d.h. ich muss die Melodie (und vielleicht auch die Chords) permanent im Kopf haben.
    Es ist keine Zeit, nicht mal in dem Tempo, an Terzen, Septimen oder #9en zu denken, aber ich denke, dass es gut ist, dass ich das ganze Zeug mal geübt hab. Schon um es benennen zu können.

    Wie auch in vielen anderen Bereichen des Forums ist auch hier die enorme Ungeduld zu spüren.

    Liebe Grüße,
    Guenne




    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  11. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Wer schon kann alles, was er im Kopf hat, eins zu eins umsetzen? Natürlich kann ich eine Melodie auf dem Instrument nachspielen, auch in beliebigen Tonarten. Mit ein bisschen trial and error kriegen das wohl die meisten hin, die sich genügend mit dem Instrument beschäftigt haben.

    Ganz was anderes ist es aber, eine Klangfarbe, die man gehört hat, reproduzieren zu können oder überhaupt zu merken, was da genau passiert. Für mich gab es z. B. einen typisch "französischen" Klang bei Debussy und Genossen. Wie das zustande kommt - ein Rätsel. Erst als man mir die Ganztonskala vorgespielt hatte, fiel der Groschen.

    Das mag ja für "einfache" Musik gelten, also für Blues, Volksmusik schlechthin, oder auch Jazz bis - na ja - maximal Swing. Aber alle harmonisch komplexeren Sachen wurden immer in Auseinandersetzung mit der vorgefundenen Theorie geschaffen, egal ob von Bach oder Mozart oder Miles Davis...

    Ich finde, dass das ein guter Vergleich ist. (Vor allem kenne ich mich auf dem Gebiet besser aus ;-)) Nur ist es so, dass man den kindlichen Spracherwerb nicht heranziehen kann. Kinder lernen vollkommen intuitiv und ziemlich perfekt ihre jeweilige Muttersprache, evtl. auch zwei oder drei Sprachen, wenn sie in dem entsprechenden Umfeld leben. Die Grammatikregeln lernen sie dabei auch, aber nicht so dass diese aufsagen können, sondern so, dass sie diese intuitiv beherrschen. (Chomsky meint sogar, es gäbe eine spezielle, angeborene Sprachlernfähigkeit.)

    Erwachsene haben diese Fähigkeit, Sprachen vollkommen spontan zu lernen, zum guten Teil verloren. Sie lernen ein typisches Pidgin, nämlich "Gastarbeiterdeutsch". Erwachsene müssen sich mit den Grammatikregeln beschäftigen, wenn sie eine Fremdsprache auch nur halbwegs richtig lernen wollen. Ich kenne niemanden, der es spontan geschafft hätte.

    So, beim Erlernen eines Musikinstruments geht es wohl ähnlich. Es gibt keinen rein intuitiven Zugang zum Instrument, vergleichbar mit dem kindlichen Sprachenlernen, sonst bräuchten wir den lieben Kleinen ja nur ein schönes Sax als Spielzeug zu geben ...

    Rolands Idee mit der Schleife ist völlig richtig: Theorie --> Praxis --> Theorie --> ... ad inf. Wenn man die Theorie (Grammatik) beherrscht, braucht man beim Sprechen nicht mehr daran zu denken, das ist automatisiert. Und die Grammatik hindert doch niemenden daran, sich in der Fremdsprache gut auszudrücken. ;-)

    Für's Musikmachen sehe ich das ebenso.

    LG bluefrog
     
  12. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Prinzipiell sollte man immer wissen, was man tut. Ist ja in jedem Job so, oder auch z. B. beim Autofahren. Wenn man dann irgendwann manches auch unbewusst tut, dann hat man es trotzdem irgendwann bewusst mal gelernt.
    So sollte man auch beim Musik machen die Dinge bewusst lernen in Theorie und Praxis!
    Mein Professor für Thermodynamik an der Hochschule pflegte zu sagen: "Meine Herren, erst wenn Sie das gelernte wieder vergessen haben, dann können Sie es aus dem Stand anwenden!" Da ist was dran.
    Nennt man Profession und gilt auch fürs Musik machen. Eine Abkürzung gibts leider nicht!
     
  13. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Zumal ich das Glück hatte, mich im Alter von 10 oder 12 (weiß nicht mehr so geanu) spielrisch dem Komplex Theorie nähern zu können. Im Klavierunterricht habe ich damals en passant Dur, Moll, Kadenz gelernt. Den Rest habe ich mir aus dem Gehör selbst beigebracht, inc. Quintfall, Tritonussubstitution, Slashchords und co. und das dann auch angewendet. Und als Debussy-Fan war mir dann auch die Ganztonleiter geläufig ... oder die alterierte Skala.

    Später erst dann mal ein Buch dazu in der Hand gehabt, aber da war ich schon in den 20ern. Klavierspielen hilft ungemein ... Ich ahbe ja mit 26 zum ersten Mal ein Sax besessen.

    Von daher ist mein Zugang Gehörgesteuerte Theorie. Und das, was man hört, wächst mit dem, was man weiss und anwendet.

    Aber ich kann schlecht jedem Rheorieunterricht ans Herz legen ... obwohl ...

    Grüße
    Roland
     
  14. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    und dann gibts noch den parkerspruch-“Master your instrument, master the music, then forget all that shit and just play”
    und bei diesen warmspielübungen frage ich mich, ob das wohl licks sind oder stehgreif, sprich improvisationen, also die ersten beiden läufe:
    https://www.youtube.com/watch?v=qn0sDBmN4rI ??
     
  15. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    @Nummer 13
    Man muss von der unbewussten Inkompetenz über die bewusste Inkompetenz zur bewussten Kompetenz und zur unbewussten Kompetenz kommen.

    Es gibt keine Abkürzung, auch, wenn Leute das behaupten.

    Grüße
    Roland
     
  16. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    @Nummer13: Dass man prinzipiell weiss was man tut mag ja ein ehrenwerter Wunsch sein. In meinem Fach (Informatik) gibt es unglaublich viele Profis, die nicht wissen was sie tun, und das mit viel Erfolg.
    Ich kann mir daher fast nicht vorstellen, dass es in anderen Bereichen anders sein soll.
     
  17. Gast_13

    Gast_13 Guest


    Psst...blos nicht darüber reden ;-)
    Mein Motto: "Lieber ein Allround - Laie, als ein Fachidiot! ;-)
     
  18. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Habe mich gerade mit Dave darüber unterhalten. Er kennt das Gerede auch nur zu gut von vielen Studenten und meint, die sind einfach "work-shy" und das ist deren Ausrede. Die suchen einen Grund, nicht hart arbeiten zu müssen, und bilden sich aber ein, sie wären irgendwann automatisch so gut wie Charlie Parker, weil sie halt soo musikalisch sind. Aber das Parker zusätzlich zu seiner Musikalität einige Jahre lang jeden Tag über 10 Stunden geübt hat, das wollen sie nicht so recht wahrhaben.
    Der Vorteil, den die Studenten/Schüler heutzutage aber haben, ist doch, dass es so viele ausgefuchste Konzepte gibt, dass es ihnen wirklich häppchenweise serviert wird. Also die Möglichkeiten, Jazz Improvisation zu lernen, sind x mal besser als früher. Jemand, der das optimal ausnutzt, kann seine Zeit viel effektiver nutzen, um zum Ziel zu kommen.
    Die großen Spieler von damals mussten sich das alles komplett selbst erarbeiten, und viele hatten einen musiktheoretischen Hintergrund, viele aber auch gar nicht. Aber auch wenn sie keinen musiktheoretischen Hintergrund hatten, so hatten sie individuelle Konzepte, die komplett durchdacht waren und jahrelange harte Arbeit erforderten. Viele hatten auf ihre eigene Art und Weise den totalen Durchblick, aber üben/improvisieren lernen mussten sie alle.

    LG Juju
     
  19. Marko1974

    Marko1974 Kann einfach nicht wegbleiben

    Von der unbewussten zur bewussten Inkompetenz zu gelangen, ist m.M. nach der schwerste Schritt, da man sich die unbewusste Inkompetenz erst mal selbst eingestehen muss.
    Aber mal Hand aufs Herz, wer hat nicht schon mal über Sachen geurteilt, von denen er keine Ahnung hat, bzw die Hintergründe unzureichend kennt.
    Das sind eben menschliche Züge. :)
     
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