Komponieren vs. Improvisieren

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Raggae, 21.November.2011.

  1. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Ich finde die Frage zu den Gefühlen spannend, möchte hier aber nicht dazu schreiben, weil ich nicht meinen eigenen Thread OT bringen möchte. Deshalb habe ich dazu gerade einen neuen Thread aufgemacht.
     
  2. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Hallo!

    Schön finde ich das:
    "...
    Frederic Rzewski hat einmal Lacy gefragt: Steve, erklär mir in zehn Sekunden den Unterschied zwischen Komposition und Improvisation. Und Lacy antwortete: Für zehn Sekunden Komposition hast du alle Zeit der Welt, für zehn Sekunden Improvisation - genau - zehn - Sekunden. Und diese Antwort dauerte genau zehn Sekunden.
    ..."
    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Steve_Lacy

    Improviasation und Komposition:
    Beide können oder wollen Gefühle ausrücken oder auch nicht.
    Beide wollen i.d.R. etwas sagen, können aber auch bewusst Hintergrundgedudel sein.
    Beides kann Selbstverwirklichung oder Geldverdienen sein.
    Beides kann Kunst oder Kommerz sein.
    usw.

    Für mich ist daher durchaus der Zeitfaktor - siehe oben - der Unterschied.

    Grüße
    Roland
     
  3. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Na ja, einerseits trifft das schon. Andererseits werden aber auch diese zehn Sekunden mit aller Zeit der Welt jahrelang sorgfältig vorbereitet, sonst klingt es nämlich zehn Sekunden lang nur scheiße.

    Und um diese Vorbereitungszeit geht es mir, nicht um die zehn Sekunden!

    Meine Frage könnte man vielleicht auch anders formulieren: In welchem Ausmaß gelten für Komposition und Improvisation ähnliche musikalische Regeln?

    EDIT: Und dann gibt es ja auch noch Musiker, die BEIM Improvisieren so etwas wie ein Thema finden und z.B. von Chorus zu Chorus weiter entwickeln.
     
  4. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Hallo!

    "Das Übliche"(TM): Instrumentenbeherrschung, Musiktheorie, Musikpraxis, Musikhören, ....



    Komplett unsortiert und unsystematisch:

    Wenn Du nur Klassik spielst und hörst, kannst Du kein überzeugendes Rocksolo spielen.

    Wenn Du nur bis Vorzeichen kannst, hast Du evtl. per Tonart schon verloren.

    Wenn Du nicht weißt, wie ein Bluesschema aufgebaut ist, kannst darüber schlecht spielen.

    Wenn Du II-V-I-Verbindungen elegant behandeln willst, solltest Du sie erkennen können. Mann sollte Moll und Dur zumindest in zwei von drei Fällen von einem Teler Reis unterscheiden können. :)

    Wenn Du 'outside' spielen willst, solltest Du wissen, was im gegeben Kontext 'outside' und was 'inside' ist.

    Musiktheorie verstehen und durch Üben solange verinnerlichem, bis man nicht mehr nachdenken muss. Wenn man für ein 10s-Solo 10s nachdenken musst, isses vorbei.

    Mit welchen Skalen kann ich arbeiten, wie klingen sie, was drücken sie aus?

    Formsicherheit gehört dazu, damit man nicht plötzlich "lost in changes" ist.

    Wei gestalte ich einen Spanungsbogen? Nicht direkt alles Pulver verschießen! Pause ist auch Musik.

    Vom Einfachen zum Komplexen. Erst "Kind of Blue", später "Giant Steps".

    u.s.w., u.s.f., ... das ist ein 'ewiges' Betätigungsfeld.

    Grüße
    Roland
     
  5. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Danke Roland! Hier hast Du ganz toll beschrieben, was ich mit der adhoc Komposition gemeint habe. :) Hätte ich so gut nicht ausdrücken können.
     
  6. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Auch das oben gesagte trifft im Wesentlichen sowohl auf Komposition als auch auf Improvisation zu.

    Improvisieren kommt von to improve d. h. verbessern
    Komponieren kommt von to compose d. h. zusammenfügen.

    Komponieren kann mit einem weissen Blatt Papier starten. Fürs Improvisieren benötige ich etwas, was schon da ist, das ich verbessern - oder ganz banal - verändern kann.
    Das gabs ja schon in der Klassik, wenn die Virtuosen - Mozart, Paganini - ihre Variationen über ein Thema improvisiert haben. Und dann im Jazz wurde und wird über die Standarts improvisiert - im übrigen immer von der Melodie ausgehend, wobei das zusammenfügen von Musik aus Akkordschemen oft mehr was von Komponieren hat, obwohl es spontan und sofort passiert, aber mit dem "verbessern" einer Melodie nichts mehr zu tun hat.
     
  7. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Mir fällt gerade noch ein, dass es von Rufus Reid eine ganz tolle DVD gibt (The Evolving Bassist), bei der es unter anderem darum geht, wie man es lernen kann, Walking Bass Lines aus dem Ärmel zu schütteln. Durch diese DVD bin ich wahrscheinlich auch zum ersten Mal auf die Parallelen zwischen Komponieren und Improvisieren gekommen, denn Rufus Reid arbeitet da als Weg (nicht als Ziel) ganz viel mit Notenpapier und Bleistift, hören, wie es klingt, verfeinern, usw.
     
  8. HanZZ

    HanZZ Ist fast schon zuhause hier

    Da habe ich ehrlich gesagt meine Zweifel, ob das richtig ist. Auch wenn die Herleitung auf den ersten Blick schlüssig scheint, so ist die weiter oben genannte lateinische Herleitung aus meiner Sicht wahrscheinlich die richtigere :)

    Aber ein netter Versuch :)

    Cheers
    HanZZ
     
  9. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    nummer 13, nein, nein, nein :) "Das Verb improvisieren wurde im 18. Jahrhundert aus dem italienischen improvviso entlehnt, das zu improvviso im Sinne von unvorhergesehen, unerwartet entstanden ist. Zugrunde liegt dem italienischen Wort das lat. im-pro-visus als eine Verneinungsform und lat. pro-videre als vorhersehen." wiki.
    so hatte ich es auch ein paar posts vorher geschrieben.
    spiel ich über ein zb. parker thema und will es verbessern??
    bin ich grössenwahnsinnig?? es geht um das unvorhergesehene, nicht zurecht gelegte.
     
  10. cara

    cara Strebt nach Höherem

    hallo Nummer_13
    da täuschst du dich sehr :-(

    sie z.B. Wikipedia (weil ma's so schön kopieren kann:
    Gruß Cara

    upps. lee war schneller :-D
     
  11. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Hm, ich habe allerdings den Eindruck, dass Improvisationen immer vorhersehbarer werden, je mehr man darüber lernt. Wäre ja auch irgendwie beunruhigend, wenn es nicht so wäre. Wirklich nicht vorhersehbar zu sein und dabei richtig gut zu klingen, ist doch schon eher eine Art kreative Meisterschaft, oder?
     
  12. HanZZ

    HanZZ Ist fast schon zuhause hier

    Aber nur für den Lernenden bzw. Wissenden. Das unwissende Publikum muss weiter staunen über das Unerwartete. :)

    Cheers
    HanZZ
     
  13. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Hihi, das ist ja das Schöne ... ;-)
     
  14. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Sehr interessanter Thread!

    Ich sehe das auch so, dass Improvisation nichts anderes ist als eine spontane Komposition in Echtzeit mit gleichzeitiger Urauffuehrung, ohne Moeglichkeit zur nachtraeglichen Korrektur.

    Und dazu gehoert m.M.n. dasselbe Talent und Wissen (Handwerkszeug) wie zum Komponieren.

    Nun wird man meistens an eine Improvisation nicht denselben Masstab anlegen wie an eine ausgefeilte Komposition. Aber: es gibt auch langweilige, einfallslose, floskelhafte, schematische, fehlerhafte Kompositionen und es gibt auch geniale, perfekt durchkomponierte Improvisationen (umso genialer, wenn sie wirklich spontan entstanden sind).

    Und es gab (gibt ?) geniale Komponisten, die wohl ihr Stueck in einem Zug, in einem Guss, niedergeschrieben haben. Von Mozart wird ja berichtet, dass er ganze Opern im Kopf hatte und nur die Zeit finden musste, sie niederzuschreiben. Haetten sie damals die Moeglichkeit gehabt, es direkt zu spielen und aufzunehmen, haette man es nur mehr transkribieren muessen.

    Fuer die war es wohl sogar ein Hemmnis, dass das Niederschreiben so lange dauert, weil man in der Zeit wieder die Haelfte vergisst. Beeindruckend fuer mich die Szene aus dem "Amadeus"-Film (na gut, sicher dramaturgisch uebertrieben), wo Mozart auf dem Totenbett seinem Schueler die weiteren Teile des Requiems diktiert und daran verzweifelt, dass der es nur so langsam aufschreibt.

    Insofern beinhaltet das Erlernen des Improvisierens fuer mich das Erlernen der wichtigen Elemente des Komponierens fuer das eigene Soloinstrument. Wer jetzt sagt, so etwas braucht er nicht zu lernen und kann trotzdem improvisieren, dann ist er wohl eines dieser Naturtalente.
     
  15. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Und WIE lernst Du die wichtigen Elemente des Komponierens? Von Komponieren habe ich nämlich überhaupt keinen Schimmer.
     
  16. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Nach meinem Verständnis nennt man die Summe all der von Roland genannten Fähigkeiten "musikalische Kompetenz".
    Die braucht man zweifellos sowohl beim Improvisieren als auch Komponieren.

    Was eine "adhoc Komposition" aber sein soll, kapiere ich immer noch nicht. :-?

    Florentin schrieb . . .

    Wenn das Konsens wäre, dann könnte man den Begriff "Improvisation" doch eigentlich aus den Sprachbüchern und Lexika entfernen, weil er keinen originären Bedeutungsgehalt hätte.Er wäre nicht mehr als ein schwammiges Synonym. :-?
     
  17. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier

    hi zusammen,

    zum begriff:

    komposition besteht aus dem zusammenfügen verschiedener instrumente, insbes. mit einem grundrhythmus, basslinie und akkordfolge sowie melodie.

    improvisation, besteht aus einer melodielinie eines einzelinstruments.

    vergleichbar ist aber die komponierte melodie mit der improvisation einer melodie(linie). da hat man bei der komposition die möglichkeit des wiederholens und feilens oder auch entwickelns einer linie. bei der improvisation habe ich diese möglichkeit nicht.

    grüsse

    andi
     
  18. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    hi mixokreuzneun-demnach könnte kein pianist improvisieren.
     
  19. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier

    @ lee: warum? wegen dem comping? pianisten spielen in ihren improvisationen auch melodielinien, wenn sie noch nebenbei die akkorde mit der linken spielen, ist das m.e. kein widerspruch !

    grüsse

    andi
     
  20. Dsharlz

    Dsharlz Ist fast schon zuhause hier

    Tach Mixo,

    verzeih, wenn ich widerspreche,
    es gibt in der Literatur massig Beispiele für Kompositionen für Soloinstrumente (Saxophon, Marimba, Cello, Klavier, Violine,...),

    diese Parameter sind spätestens Mitte 20. Jh in der E-/klass. -/zeitgenössischen Musik eher obsolet...

    hab schon mehrfach Kollektivimprovisationen gehört und gespielt - auch von und mit Drummern, Percussionisten,...

    Gruesse,
    Dsharlz
     
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