Künstler/in - Publikum: das Verhältnis.

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Alex_Usarov, 31.Mai.2025 um 15:20 Uhr.

  1. JTM

    JTM Ist fast schon zuhause hier

    Das wichtigste bei der Kommunikation mit dem Publikum ist immer authentisch rüber zu kommen.
    Wenn das was du mit dem Zuhörer machst, übertrieben und künstlich wirkt, kannst du noch so gut sein, dann wirds nix
     
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  2. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Nun wen man den Autor liebt, liebt man oft auch den Menschen. Und ich glaube: das war der Hauptgrund für die Meisten. Aber mit Sicherheit gab es da einige Besucher, die sehen wollten, wie Charles Bukowski sich in den Schlaf trinkt. Mein Freund war da definitiv aus Liebe)
     
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  3. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Der Clown zum Frühstück hilft genauso wenig wie der große Grantler (außer, man wäre aus Versehen schon Weltstar…)

    Man muss schon da raus wollen und sich ins Licht stellen - sonst kann man es lassen.
    Dazu gehört für mich eine ausreichende Neugier auf die Menschen, die da sein werden. Und der Respekt dafür, warum sie mich in ihrer Gegenwart spielen lassen (da ist er wieder, der Cocktailparty-Gig wo es um jeden Anwesenden mehr geht, als um die Musiker).
    Aber selbst dann wäre ich unglücklich, wenn ich das Publikum trotz aller Anstrengung nicht erreichen kann.

    Ehrlich gesagt kann ich mir nicht Vorstellen, dass @altblase das ernst meint.
    Falls doch, würde ich mir an seiner Stelle das Gedöns mit dem lästigen Auftritt gar nicht antun und nur zur Probe gehen.
     
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  4. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ich kennen keinen, der aus Liebe für den Menschen Charles Bukowsi die Bücher gelesen oder gar zu einer Lesung gegangen wäre.
    Der Mann war ein Kotzbrocken und fand das gut so.
    Selbst „Liebe“ zu den Texten über menschliche Abgründe, Körperflüssigkeiten und Gewalt kann ich mir nicht so recht vorstellen. Voyeurismus, Sensationssucht - sowas.

    Bukowski war nun wirklich kein Literat (im Sinne eines virtuosen Schreibers) sondern zog seine Faszination aus der konsequenten Fortsetzung der Texte von z.B. Jaqcues Kerouac mit den Mitteln der radikalen Grenzüberschreitung, selbst nach den in den Fankreisen sehr liberalen Massstäben der Zeit.
    Die begeistertsten Leser waren linksintellektuelle Möchtegern-Revoluzzer mit dem Wunsch, ihren Alkoholkonsum dadurch zu rechtfertigen, dass man sich mit den von Bukowsi holzschnittartig (also unterkomplex) gezeichneten sozial Unterprivilegierten gemein machen müsse.
     
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  5. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ja, so ging es mir immer auch. Aber erst hinterher. Währenddessen habe ich immer versucht, solche Gedanken vorbeiziehen zu lassen. Für mich sind sie während der Vorführung sehr destruktiv, danach aber doch eher hilfreich, auch wenn schmerzhaft. Ich meine: Warum hat es jetzt nicht geklappt? Oft ohne Antwort und doch wirksam im Sinne von innerer Veränderung.
     
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  6. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Nun, ich sitze in einem, wie auch immer, Orchester und es gibt so eine Art Moderation durch einen Dirigenten, der das kommunikative Bindeglied zum Publikum gibt. Ich selbst kann es mir leicht machen und sagen, dass die Publikumsreaktion mir nichts bedeutet und ich nur für meine Kunst da bin.
    Das klappt wohl und alles ist gut.
     
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  7. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ich selber neige leider dazu, mich für das Gesammte verantwortlich zu fühlen, oft ohne Bedarf und Auftrag. Für mich ist eine Gesamtniederlage - mein persönlicher Verlust. Auch meine Bereitschaft zu opfern ist meistens größer als beim Rest. Es vergehen oft Monate, bis ich merke, dass die Umgebung nicht das Gleiche will und sich wundert, warum ich mich so ins Zeug lege. Für was?!

    Das einsame Schreiben war für mich eine wohltuende Lösung.
     
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  8. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Ich hätte zu so was erst gar keine Lust!

    Es kommt natürlich auf den Zusammenhang an, in dem man spielt.

    Soll eine Tanzcombo eine Hochzeits-/Schützengesellschaft zum Mitgröhlen und Tanzen animieren?
    Soll eine Blaskapelle den Bierkonsum bei einem Frühschoppen anheizen? Sitzt man vor einem elitären Publikum, dem man avantgardistische Musik präsentiert?

    Sitzt das Publikum aufmerksam vor der Band/Orchester oder ist die Musik nur Teil eines Straßenfestes, das in der Wertschätzung weit unter den Bier- und Würstchenständen rangiert?

    Dementsprechend findet die Kommunikation zum Publikum statt oder auch weniger, wenn es nicht so notwendig ist.

    Ich bin froh, nicht in Formationen mitspielen zu müssen, wo das Publikum in besonderer Weise animiert werden muss. Kurze, korrekte Ansage des Leiters reicht Danach Konzentration auf die Musik und gut ist.:cool:
     
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  9. JTM

    JTM Ist fast schon zuhause hier

    Ich spiele ab und and mit Organisten in der Kirche klassisches Duet beim Gottesdienst. Während der ersten drei Lieder sitzt das Publikum immer vollkommen regungslos da,im Gottesdienst wird halt nicht geklatscht. Erst nach dem letzten Lied beim Auszug klatscht das Publikum. Ich finde das sehr obskur,aber die Bezahlung ist gut
     
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  10. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Was für mich als Zuhörer immer sehr wichtig war: unmittelbare Nähe zu Musikern. Ich habe immer die teuersten Karten bezahlt für die erste Reihe Mitte. Da habe ich das besondere Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Gesichter zu sehen, Hände. Zu beobachten, wie die Musiker zu einander spielen, miteinander Kommunizieren.

    Magie!
     
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  11. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Es müsste akkustisch sehr schön sein. Ich habe leider nie in einer Kirche Musik gehört. Ich glaube, das muss ich nachholen.
    Aber ich habe in einem buddhistischen Tempel in Weiterswieler einem Trommelspiel beiwohnen dürfen, zum Abschluss eines Retriets. Das war auch ein unvergessliches akkustisches Erlebnis.
    Aber auch da gab es kein Applaus für die Trommler. Aber auch keine Bezahlung).
     
  12. khayman

    khayman Ist fast schon zuhause hier

    das kommt ganz auf die Kirche drauf an....
     
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  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Sicher schon mal zum Besten gegeben hier:

    Reisen und Auftritte im Rahmen des Programms des Goethe-Instituts sind immer unberechenbar, ob in Mexiko-City, live und draußen unter der Einflugschneise des Flughafens, um Mitternacht bei Sturm im Hinterhof des gleichnamigen Instituts in Tiflis oder vor 350 Deutschlehrern in Philadelphia. Es ist immer spannend.

    In St. Louis hatten sie einen Deutschprofessor dazu verdonnert, uns zu betreuen und der erwartete auf uns schon im Flughafen. Er wartete und wir warteten auch, denn er ging davon aus, dass irgendwo drei alte bärtige Herren einer Dixielandcombo aus der Abfertigung kämen. Na, wir fanden uns dann doch noch, und eigentlich verstanden wir uns auch bald sehr gut.

    Am nächsten Tag brachte er uns zum Auftrittsort. Er hatte sich gedacht, dass die kleine Dixielandkapelle aus Deutschland doch am besten bei dem Verein der Donauschwaben* spielen könnte. Nun sind solche Vereine, speziell in den USA, sehr traditionsbewusst, um nicht zu sagen, vollkommen verpieft, und uns erwartete ein kleiner Saal, rundum mit Glasvitrinen ausgestattet, in denen alte Landkarten, Wappen und Banner ausgestellt waren. Den Altersschnitt der rein männlichen Mitglieder des Vereins schätzten wir auf 84, vielleich 85 Jahre.

    Wer es nicht weiß: Wir machten seinerzeit absurd-anarchisch-dadaistisches Musiktheater und uns schwante schon, dass wir eventuell ein Problem im Verhältnis von Künstler und Publikum bekommen könnten.
    Aber wir waren hart im Nehmen und zogen die 1 1/2 Stunden Programm durch.

    Von des Publikums Seite nicht ein Laut, kein Lachen, kein Klatschen: Stille ... bis zur Vorbeugung am Ende des Programms. Gut, die Zugaben haben wir hier nicht mehr gegeben.

    Einzig der junge Toningenieur, der uns mixte, gab uns ein Daumen hoch. Der Deutschprofessor indes fuhr uns stumm zurück in unser Hotel und sagte selbst zum Abschied keinen Ton.

    Man muss dazu sagen: Wir machten eine Show, die nicht ganz leicht zu rezipieren war und sie war stellenweise durchaus provokativ angelegt.
    Vielleicht nur der Anfang unseres Programms: Der Drummer kommt auf die Bühne und enthüllt salbungsvoll sein Schlagzeug, nimmt sich Zeit, faltet das Tuch akribisch genau zusammen, betrachtet noch sein Instrument und verlässt wieder die Bühne ... Moment, ... nein, er kommt zurück und tritt mit voller Wucht gegen seine Bassdrum, auf dass das gesamte Set krachend in sich zusammenbricht. Die Show verschlang später etliche Bassdrums, aber der Anfang war einfach genial.

    Wie schon oben andere schrieben, kommt es doch sehr drauf an, was man denn eigentlich vorhat, auf der Bühne. Und Provokation ist halt gewissen Genres eigen. Unsere Auftritte galten als misslungen, wenn in der Pause nicht mindestens einer gegangen ist (-:


    * Ein Sammelbegriff für die von Ende des 17. Jahrhunderts nach den Kriegen gegen das Osmanische Reich bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Länder der Ungarischen Stephanskrone ausgewanderten Deutschen. Kein Scheiß.
     
    Zuletzt bearbeitet: 1.Juni.2025 um 11:58 Uhr
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  14. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe ein paar Videos von Euch gesehen; es hat mir sehr gefallen, was Ihr da gemacht habt. Gerade auf das Thema bezogen: gute Musiker, gute Musik, ununterbrochen Kontakt zum Publikum, sehr viel Amusement für diejenigen, die vielleicht musikalisch weniger erreicht wurden - warum auch immer.
    Aber es ist mir bewusst, dass es bei "genrereinem" Konzert nicht immer möglich bzw nicht immer nötig ist.
     
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  15. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    @ppue : so ein Erlebnis hatte ich auch mal. Ende 70iger Jahre spielte ich Alto in der Band eines englischen Sängers und Gitarristen. Eigentlich ganz harmlose Rockmusik der 60er und 70iger mit Akustikgitarren, Bass, Schlagzeug, Sänger, Sängerin und Saxophon. Nett und gefällig. Zu Silvester waren wir irgendwo in der oberschwäbischen Provinz engagiert. Mittags hin, aufgebaut und Soundcheck gemacht. Das Lokal war etwas plüschig in rot, haben uns aber nichts dabei gedacht. Das Publikum war dann entsprechend der Einrichtung: aufgebrezelte oberschwäbische Hausfrauen mit ihren Herren im Anzügle und Kravatte. Die wollten Roy Black und andere deutsche Schmachtschlager hören, Beatles oder ähnliches auf Englisch gesungen war für die Teufelszeug und Anarchie. Entsprechend war die Nichtreaktion des Publikums. Sassen den ganzen Abend reglos rum und haben schlechte Laune ausgeschwitzt. Gegangen sind sie aber auch nicht. Wir haben unser Programm durchgezogen, so ein Silvesterabend ist ja lang....
    Da sind sich Donau- und Oberschwaben wohl sehr ähnlich.
     
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  16. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe mich mit 45 in etwas intuitiv verliebt, was ich nicht verstanden habe: die metaphysische Lyrik von Joseph Brodski. Und ich habe weitere 5 Jahre gebrauch, um das zu verstehen, was ich liebe.
    Ich habe alle seine Gedichte gelesen und ein Teil davon auswendig gelernt. Ich habe alle seine Biographien gelesen, alle Memuaren der Augenzeugen und alle Interviews verinnerlicht. Ich sprach irgendwann wie Brodski und wenn ich seine Texte las, sah ich nur Bilder und hörte Geräusche. Und ich sah mehrere Jahre lang die Welt als Anhäufung der Ursachen und Wirkungen und ich sah das Innere Leben der Dinge in der zeitlichen und räumlichen Paradigma - was es auch immer zu heißen mag).
    Und ich wollte unbedingt diese Erfahrung mit den Anderen teilen. Aber wie mache ich das? Wie vermittle ich etwas, wofür ich, ein schreibender, vollgestopfter mit Gedichten und Texten Entusiast 5 Jahre gebraucht habe, an das Volk?
    Ich habe mein Vorhaben einem befreundeten Theaterinhaber und Regisseur dargelegt und er ist entflammt: also hatte ich eine Bühne mit etwa 120 Sitzplätzen in einem dunklen begrenzten Raum.
    Ich habe eine komponierende Pianistin gefunden, die keine Ahnung von Brodski hatte, und ich habe ihr beigebracht, ihn zu fühlen und ihn zu lieben (aber nicht zu verstehen).
    Ich habe einen Mahler gefunden und habe ihm beigebracht, den Brodski zu fühlen und zu verstehen.
    Und dann habe ich sie beide entfesselt:).

    Ein dunkler Würfel 20 × 20. Eine Wand als Bimmer-Leinwand, 3 Lichtkreise: ein Flügel, eine Staffelei mit Kameraständer, ein Kreis für mich.

    Es beginnt die Musik, die beim mehrfachen rhythmischen und gefühlsbetonten Vortragen des jeweiligen Gedichtes komponiert wurde: in diesem Fall "Der Winter des Lebens". Es leuchtet die Leinwand mit einer unbestimmten Skitze auf, und der Zeichner beginnt sen Werk; man sieht seine Hände groß arbeiten und zwischen den Tönen hört man die Pastelkreide rascheln.
    Dies sollte mich und die Zuschauer auf die gleiche Temperatur bringen. Und wenn das Stück zu Ende ist, versinken der Flügel und die Staffelei in der Dunkelheit, und ich beginne vorzutragen. Und auf der Leinwand führt der Zeichner sein Werk fort.
    " Im Winter wird es dunkel gleich nach dem Mittagessen.
    Diese Zeit lässt die Hungrigen und die Satten gleich aussehen.
    Ein Gähnen schickt in die Bärenhöhle eine einfache Phrase.
    Die trockene konzentrierte Form des Lichtes: Schnee
    verurteilt die Erle, sie zugeschüttet, zur Schlaflosigkeit, zur Zugänglichkeit für das Auge in der Dunkelheit. "

    Hab gerade ein Paar Tränen vergossen. Sorry für einen langen Beitrag, ist einfach noch ein Beispiel für eine Kommunikation mit dem total unvorbereitetem Publikum bei einem extrem schwierigen Thema. Mit Musik:)
     
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  17. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier



    Das ist das erste Gedicht und das Bild, das in zwei Stunden auf der Leinwand erschien.



    Das ist unsere Komponistin).
     
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  18. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    Und, konntet ihr das Publikum erreichen / abholen?
     
  19. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    Zum Verhältnis Musiker : Publikum - war mal im Konzert in Reutlingen bei James Chance aus New York. Der großartige Luther Thomas war mit Baritonsax mit dabei und James Chance natürlich mit Alto. Ein tolles Konzert, allerdings war das Verhältnis Band zu Zuhörer etwa 1 : 1. Der Saal gähnend leer. Diese Underground Avantgarde Musik aus NY kannte halt kaum jemand. Kennt hier vermutlich auch keiner!
     
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  20. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

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