Lily was here, Sound Candy Dulfer

Dieses Thema im Forum "Alto Special" wurde erstellt von Werner, 24.Juni.2021.

  1. Rick

    Rick Experte

    Wer weiß schon wirklich, was er tut?
    Wenn mich etwas musikalisch anspricht, ist mir das theoretische Wissen von den betreffenden Komponisten, Arrangeuren, Interpreten, Produzenten usw. völlig egal.
    Ich habe schon mit großartigen Musikern zusammen arbeiten dürfen, von denen bestimmt auch mindestens die Hälfte nicht wusste, wie man das, was sie da machen, erklärt oder benennt.

    Gerade beim Thema Pentatonik: Natürlich kann man sehr viele populäre Musik irgendwie darauf zurückführen, aber in den meisten Fällen sind dann doch wieder zusätzliche Töne untergemischt.

    Beispiel "Lily Was Here", das ich regelmäßig im Unterricht behandele:
    Sowohl das Thema als auch das berühmte Solo von Frau Dulfer darüber verwenden pentatonische Elemente, aber nicht ausschließlich, da werden Blue Notes, Nonen, chromatische Durchgangstöne beigefügt.
    Deshalb genügen weder das Wissen um Pentatonik noch deren Beherrschung für eine wirklich interessante, erfolgreiche Darbietung.
    Und entscheidend ist immer die präzise Rhythmik. :cool:
     
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  2. ppue

    ppue Experte

    Wer was kann, was verdient, virtuos ist oder einfach volksnah unterhält, ist in Künstlerkreisen gar nicht so wichtig. Ich habe immer eine große Solidarität aller Musiker und Künstler aus allen Branchen erlebt. Ich weiß allerdings auch, dass andere Künstler das anders erleben.

    Ich habe mich sehr gefreut auf der ersten Japan-Tournee, dass in meinem Visum Profession: Entertainer stand. Einmal die Einfachheit, die das ausstrahlt, Beruf: Unterhalter, und zum anderen die Gleichstellung mit allen anderen Unterhaltungsbranchen.

    Was die japanischen Freunde nie verstanden haben, warum wir in Deutschland Kleinkunstpreise bekommen haben und auch als Kleinkünstler gehandelt wurden. Das fanden die absolut grotesk.
     
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  3. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Nö, es kann aber helfen zu verstehen was man da macht, allein schon um es mal anders zu gestalten. Es ist durchaus sehr angenehm auch im Popbereich mit Sängerinnen mit etwas mehr Backgroundwissen zusammenzuarbeiten. Es ist nicht zwingend erforderlich aber es macht die Proben und Zusammenarbeit und das miteinander Musizieren deutlich leichter. Und wenn die Sängerin dann auch noch arangieren kann und sich mit Voicings am Klavier etwas auskennt, kommen da dann manchmal sehr spannende Dinge zustande, die sonst nicht passieren würden.
     
    Zuletzt bearbeitet: 9.Juli.2021
  4. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Aber sagt das was über Harry Connick Jr. oder über Dich aus? Jetzt bitte nicht falsch verstehen. In der Jazzszene ist Harry Connick Jr. ein grosser Name, beim letzten Konzert von ihm auf dem ich war, war der Laden voll mit dem städtischen Who is who der entsprechenden Jazzszene. Connick ist musikalisch deutlich abwechslungsreicher als J LO (und ich habe von beiden Platten im Schrank).
     
  5. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ja und? was willst Du damit sagen? Harry Connick Jr. macht halt auch nicht die gleiche Musik (wobei ein paar Alben sehr poplastig waren).
     
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  6. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    ES ging um was anderes. Der gezeigte Ausschnitt ist halt auch nur ein super kurzer Ausschnitt der Diskussion. In der Langfassung versucht er es zu erklären und J LO versteht ihn einfach nicht, weil sie Pentatonik nicht versteht. Es geht darum, daß in bestimmten Bereichen Sänger*innen gerne bestimmte Koleraturen, Verzierungen und Licks singen. Manchmal sind diese halt typisch für bestimmte Stile. Leider werden diese von so vielen Sängern und Sängerinnen immer wieder kopiert, so daß es alles gleich klingt, die Individualität, das Besondere am Sänger bleibt auf der Strecke. Das ist als wenn alle Saxofonisten nur noch nach Charlie Parker klingen würden. Wenn du dann in so einer Jury sitzt und dauernd das Gleiche um die Ohren bekommst, als wenn es eine Klonarmee wäre, dann willst Du einfach mal was anderes, etwas eigenes hören anstatt die so und so vielte Kopie. Um diese Individualtät ging es ihm in der Langfassung und darum daß die Kollegen jedes mal ganz begeistert sind, wenn es nach dem Schema F abläuft, obwohl die Kandidaten alle extrem ähnlich klingen.
     
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  7. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Mit Gerüchten ist das immer so ein Ding. Es gibt auch Gerüchte, daß Elvis noch lebt und Michael Jackson ein Ausserirdischer war.
     
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  8. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Bei Candy Dulfer bin ich mir sicher, daß sie weiss was sie da tut und das entsprechende Wissen hat. Ich höre sie selber gerne und habe sie im Plattenschrank mit zig Alben. Und ihre Ladies of Soul Sachen finde ich klasse. Ich habe auch kein Problem mit Pentatonik.
     
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  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Was ist daran falsch? Kannst du es widerlegen?
     
  10. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Jetzt erkläre mir mal bitte, inwiefern das "etwas Anderes" ist. Das ist genau das, was ich zuvor gesagt hatte.

    Das mag als generelle Aussage richtig sein. In der konkreten, gezeigten Situation empfinde ich das völlig anders. Da sitzen drei Musiker in einer Jury, die die musikalischen Leistungen Dritter beurteilen sollen (über das ganze Format kann man sich sicher schon streiten).

    Und einer der Juroren erklärt, dass die beiden anderen sich gerne "blenden" lassen und Ihnen die Tiefe fehlt, sich von dem Einheitsbrei zu lösen. Das mag stimmen oder auch nicht - vermutlich ist HC der besser ausgebildete Musiker. Aber bei mir kommt es nicht gut an (und ich empfinde es als arrogant), wenn in einer gleichberechtigten Jury einer anfängt, die anderen wie kleine Kinder über die Grundlagen der Musik zu belehren. Das ist schließlich kein musikalisches Wochenendseminar, wo ein Lehrer seinen Schülern etwas beibringt, sondern eine Sendung, in der vor einem Millionenpublikum Kollegen vorgeführt werden um zu zeigen, dass sie es einfach nicht drauf haben.

    Mag sein, dass das Teil einer einstudierten Dramaturgie in solchen Formaten ist - da fehlt mir der Vergleich, weil ich derartige Sendungen eigentlich selten gucke. Aber auf mich wirkt es abstoßend, und damit ist absolut NULL Wertung verbunden über die respektiven musikalischen Fähigkeiten der Beteiligten.
     
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  11. ppue

    ppue Experte

    Format hin oder her. Aber Kunst, so man das, was da abgeht, dazu zählen möchte, muss sich der Kritik stellen. Hier einer Jury. Und auch die darf so frei sein, ihre Wertungen unabhängig voneinander zu machen und auch so frei sein, die unterschiedlichen Wertungen zu bewerten. Kritikkritik halt. Ich finde das eher amüsant und so scheint es mir auch angelegt.

    Waren doch mit Herrn Bohlen auch die besten Momente, wo sich die Jury nicht einig war. Bei Bohlen war das noch besonders, weil der beides in sich vereinte: auf der einen Seite war er emotional und schamlos, auf der anderen Seite hatte er einen gutes musikalisches Hintergrundwissen.
     
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  12. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Da ist es gut, dass die (Jazz-) Saxofonisten auch noch Desmond, Cannonball, Coltrane, Stitt oder Hawk kopieren und damit das Besondere am Tröter zeigen können … Aber bitte nicht durcheinander und gefälligst mit dem jeweils „korrekten Setup“! :D
     
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  13. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Nennt sich Jam-Session oder manchmal auch einfach „Jazz Gig“:

    Beliebiges American Songbook Tune
    Intro, Head, 2 Chorus Trumpet Solo Brönner Style, 2 Chorus Sax Solo Coltrane Style, 2 Chorus Piano Solo Brubeck Style, 1 Chorus Bass Solo irgendwie gewalked, 1 Chorus Drum Solo (wenn man Glück hat und noch wach ist, hat der Drummer einen Clown gefrühstückt), Head, Outro.
     
  14. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Ist es schlimmer erfolgreich zu sein, ohne zu wissen, was man tut, als mit dem besten Wissen erfolglos zu sein?

    Und ich meine jetzt nicht monetär... ich kenne
    1. Saxophonisten, welche die ganze Theorie drauf haben und trotzdem keinen geraden Ton spielen können und bei einem Solo gnadenlos absaufen (= nicht erfolgreich)
    2. Musiker, welche noch nicht mal Noten lesen können, rein nach Gehör spielen - und das richtig toll (=erfolgreich)
    3. Studierte Musiker, die sowohl die Theorie als auch ihr Instrument beherrschen, aber während Corona in Depressionen verfallen sind (= nicht erfolgreich)
    4. Erfolgreiche Musiker, die an ihrem 'Erfolg' zugrunde gehen (= nicht erfolgreich)
    Klar, dafür gibt es in Jazz und Pop-Kreisen viele Beispiele.
    Ein Klassenkamerad von mir hat Akkordeon gespielt, schon während der Schulzeit fett Kohle gemacht, weil er auf Weindorf und ähnlichen Veranstaltungen bis tief in die Nacht gespielt hat... Beim Abi ist er durchgefallen, hat sich sein Geld weiter mit Unterhaltungsmusik verdient. Als wir uns 25 Jahre nach den Abi getroffen haben, war er ausgebrannt und sah aus wie siebzig.

    @ilikestitt Welchen der obigen Fälle findest Du jetzt traurig? Den erfolgreichen Musiker, der Spass hat, ausreichend Geld verdient aber die Theorie nicht drauf hat? Das finde ich dann wieder traurig, wenn Du das findest.

    Was ich nicht kenne aber annehme (oder hoffe),dass sie existieren, wahrscheinlich weil sie sich einfach in anderen Kreisen bewegen
    5. Stars, die dickes Geld verdienen, keinen Knacks weg haben aber wissen was sie tun (=erfolgreich)

    Was ich nicht kenne und nicht glaube, dass es gibt, sind Stars die "erfolgreich sind, ohne zu wissen was sie tun".

    Die wissen alle genau was sie tun, und haben sich bestenfalls genau dafür entschieden, sonst landen sie irgendwann in Kategorie 4.

    Grüße,

    Wanze
     
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  15. Rick

    Rick Experte

    Tja, da bin ich im Grunde ganz bei Dir und Herrn Connick, aber so funktioniert das nun mal im Pop-Geschäft: Der Mensch hört gerne Vertrautes, hingegen schreckt ihn Neuartiges zunächst ab.
    Bei genügend Interesse kann man sich dann "reinhören" (so habe ich mir Modern Jazz Schritt für Schritt zugänglich gemacht), doch das ist gewissermaßen mit ARBEIT verbunden, also nichts für den rein passiven Konsumenten.

    Ich persönlich liebe Abwechslung und Kreativität, mich langweilt das, was die meisten toll finden, weil es mir zu "stromlinienförmig" ist (und oft auch noch lieblos zusammengeschustert), doch das will nun mal die Mehrheit anscheinend so. Oder zumindest denken das die Programmgestalter der Hörfunksender und die Programmierer der Streaming-Algorithmen.

    Bei mir läuft gerade im Auto das Album "Breaking Away" von Al Jarreau aus dem Jahr 1981. EIGENTLICH Pop-Musik mit hymnischen Ohrwürmern, dafür jedoch unglaublich gekonnt, abwechslungsreich und "jazzig". Meine absolute Lieblings-Tanzmusik seit den 80ern! :)
    Ich erinnere mich noch, dass ich damals in meiner Stamm-Disco den DJ darum bat, doch mal ein Lied davon zu spielen - seinerzeit hatte Jarreau mit "Boogie Down" von der Nachfolge-Produktion seinen größten Hit überhaupt.
    Der DJ winkte ab: "Nee, das ist zu wenig kommerziell, das will keiner hören."
    Ob das wirklich so war? :wideyed:

    Ich erzähle ja gern das Erlebnis von 1995, als ein paar Jugendliche in den Club stolperten, wo gerade ein Jazz-Bassist seinen Geburtstag mit Jam-Sessions feierte.
    Sie durften da bleiben, essen und trinken, und natürlich zuhören.
    Nach einer Stunde fragte mich einer der beiden: "Sag mal, das ist ja total geile Musik, so etwas habe ich noch nie gehört! Was macht ihr denn da, wie heißt das?"
    Auf meine Antwort "Jazz" hin bekam er große Augen und entrüstete sich: "Warum läuft das denn nicht im Radio und Fernsehen? Wieso enthält man uns das vor, das wird ja behandelt als sei es verboten oder nicht jugendfrei!"

    Dieses Phänomen des "Jazz-Verbots in der Öffentlichkeit" hat sich seit festen Playlists und den erwähnten Streaming-Algorithmen noch deutlich verschärft: Es wird einem nicht angeboten, gerade so als sei es gefährlich. :eek:
    (Natürlich kann man heute im Internet finden, was man will - aber es wird eben nicht in der Öffentlichkeit "gepusht" wie jedes (uninteressante) neue Pop-Album. Und wenn junge Leute nicht mal von der Existenz wissen, ist es schwierig, darauf zu kommen.)
     
    Zuletzt bearbeitet: 9.Juli.2021
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  16. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Na, bei Spotify z. B. gibt es ein riesiges Jazzangebot über alle Epochen und Stilrichtungen.

    CzG

    Dreas
     
  17. Rick

    Rick Experte

    Klar, aber das schrieb ich gerade noch im Nachsatz:
    Wenn Du nicht weißt, dass es da etwas Interessantes geben könnte, suchst Du auch nicht danach. Und wenn es Dir nicht vorgeschlagen wird oder Du nicht zumindest einen Jazzhörer in der Umgebung hast, ahnst Du als Jugendlicher überhaupt nicht, dass diese Musik existiert. ;)

    Ich bin mir sicher, dass in der Disco Mitte der 80er sich die Tanzfläche bei Al Jarreau rasch gefüllt hätte - doch der DJ hat das Experiment nicht mal gewagt...

    Wenn wir mit den Cool Cats öffentlich Swing spielen, sind auch viele junge Leute begeistert.
    Einmal kamen welche zufällig auf einen Ball, wo wir auftraten, und waren total hingerissen von der Musik, den Lindy-Hop-Tänzern und der ganzen fröhlichen Atmosphäre und meinten in der Pause zu mir, das sei ja etwas für ihren Jugendclub. :)
     
    Zuletzt bearbeitet: 9.Juli.2021
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  18. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Ja, völlig richtig. So erging es auch mir mit dem Jazz. Von alleine wäre ich da nie drauf gekommen. Mit Jazz hatte ich damals nur eine Assoziation, nämlich die am weitesten verbreitete: "nerviges Gedudel".
    Ich konnte es nicht besser wissen.
    Gott sei Dank hat es sich anders entwickelt:inlove:
     
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  19. bthebob

    bthebob Ist fast schon zuhause hier

    Es gibt "amtliche Erkenntnisse", was der Mensch an sich
    als -harmonisch- empfindet.
    Unabhängig vom Gegenstand der Betrachtung.

    Kurz und knapp:
    Vertrautes und Neues müssen im Gleichgewicht sein.

    Überwiegt das -Neue- ...... setzt Überforderung ein.
    Dominiert das -Vertraute- ...... droht Langeweile.

    Ich hab' die "Formel" grade parat, weil letztens ein befreundeter Künstler (Malerei/Grafik)
    meinte:
    "Er wisse nach vierzig Jahren immer noch nicht, wie weit er in seinen Arbeiten
    gehen darf mit Abstraktionen, ohne das ihm mögliche Käufer wegrennen"

    VG
     
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  20. Rick

    Rick Experte

    Richtig. Und je mehr Musik man kennt, wenn man sich gar beruflich mit Musik auseinandersetzt, dominiert schnell die Langeweile. :rolleyes:
     
    altoSaxo, sachsin, Dreas und 2 anderen gefällt das.
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