Lippenspannung 100% konstant?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Hans, 19.April.2005.

  1. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Markus,

    die Intonationsprobleme haben mir auch zu denken gegeben. Ich vermute nun, mein Lehrer will mir mit der Anweisung, die ja momentan nur für Tonleiter- und Intervallübungen gilt, nur unnötigen Lippendruck abgewöhnen. Werde ihn beim nächsten Termin genauer fragen.

    Aber wie kriegst du eigentlich den "Hals schön offen"? Habe das nun schon öfters gelesen, finde aber keinen richtigen Zugang zu den entsprechenden "Halsöffnungsorganen". Manche sagen ja, man solle sich vorstellen zu gähnen, hat bei mir aber bisher nicht so richtig geklappt.

    Tschüss
    Hans
     
  2. freejazzer

    freejazzer Ist fast schon zuhause hier

    Der offene Hals entsteht eigentlich schon durch den Kussmund und das kraftlose "oohhh", die Geschmeidigkeit im Hals kriegt man über Bendings. Die sind übrigens auch ein Beweis dafür, dass Intonationskorrektur auch ohne Lippenspannung funktioniert, sollen sie doch möglichst ohne Ansatzveränderung ablaufen.
     
  3. mgsax

    mgsax Ist fast schon zuhause hier

    Offener Hals ist die Stellung wie bei herzhaftem, ungeniertem Gähnen. Probiere es mal mit langen Tönen aus.

    Gruß
    Markus
     
  4. Hans

    Hans Ist fast schon zuhause hier

    @markus
    Der Tag neigt sich und ungeniertes Gähnen fällt mir immer leichter – leider zu spät, nun noch ins Horn zu stoßen. Eigentlich kenne ich diese Anweisung für den offenen Hals schon, habe aber bisher nicht gespürt, ob ich es richtig mache. Nun gut, werd's eben morgen wieder mal versuchen.

    @freejazzer
    Wie kann ich denn Bendings üben, gehört so was zum üblichen Kanon der Saxschulen? Dann muss ich vielleicht nur mal rumblättern?

    Tschüss
    Hans
     
  5. ppue

    ppue Mod Experte

    So, da bin ich aber einigermaßen verblüfft. Ich bin 100% davon überzeugt, dass der Druck der Unterlippe auf das Blatt für jeden Ton ein anderer ist. Der Irrglaube ist, dass Saxophon selbst würde den Ton entsprechend dem Griff erzeugen. Das ist falsch. Das Horn ist nur ein verstärkender Klangraum, ein Resonanzkörper. Wie ein kleiner Raum, in dem ihr beim Singen plötzlich merkt, dass ein Ton den Raum besonders ins Schwingen bringt. Bei den Streichinstrumenten nennt man das den 'Wolf', den diese tunlichst nicht haben dürfen, weil sie mit gleichem Resonanzkörper alle Tonhöhen möglichst gleichmäßig verstärken müssen. Eine Geige kann ihre Größe nicht ändern!

    Das Saxophon aber kann das in dem Sinne , das zu jedem Ton auch ein angepasster Resonanzraum erzeugt wird. Der Tonerzeuger ist aber das Mundstück. Das Mundstück erzeugt die Tonhöhe. Auf dem Mundstück sind verschiedene Tonhöhen mit der gleichen Lippenspannung nicht hervorzubringen. Wie sollte das gehen? Das Prinzip des Mundstückes beruht auf der Tatsache, dass ein langer freischwingender Gegenstand tiefer klingt als ein kurzer. Man nehme ein Lineal und drücke es mit dem einen Ende auf den Tischrand während man das freistehende Ende anstößt (alle schon in der Schule gemacht). Dann verändere man die Länge des schwingenden Teiles und beobachte die sich verändernde Tonhöhe. Auf dem Mundstück wird der gleiche Effekt benutzt: drückt man etwas stärker, so liegt das Blatt weiter an und die Länge des klingenden Blattes wird kürzer, somit der Ton höher. Deshalb ist die Bahn rund. Wofür sollte sie es sonst sein? Gleicher Druck bedeutet gleiche Schwingungslänge=gleiche Tonhöhe.

    Spielt man nur auf dem Mundstück seine Etüden, so ist es eine wunderbare Ansatzübung und man lernt viel über die Intonation. Ohne eine Druckänderung der Lippen könnte man noch nicht einmal ein Tonhöhenvibrato erzeugen. Wie man von 'Intonationskorrektur auch ohne Lippenspannung' (Freejazzer) schreiben kann, ist mir vollkommen schleierhaft. Ich kann es mir nur sio erklären, dass die sehr feinen Spannungsänderungen der Lippen garnicht wahrgenommen werden.


    Der Thread beschäftigt sich im Folgenden weiter mit der Frage, inwieweit ein Ansatz locker sein sollte. Ich habe meine Meinung schon mal unter dem Sanborn-Thread geschrieben und will ihn gerne hier nochmal zitieren, weil es um eines der größten Missverständnisse beim Thema Ansatz geht:

    'Locker heisst lediglich, dass das Blatt nicht allzu sehr an die Bahn gedrückt wird. Hat man aber nun ein mitteldickes bis dickes Blatt drauf, so ist das 'lockere' Halten der Töne mit großer Kraft verbunden. Gerade das Blatt nicht anzupressen, sondern den Ton offener, tiefer, aber stabil in der Tonhöhe zu halten, ist schwer, erfordert sehr viel Kraft in der Unterlippe und hat mit Lockerheit nicht mehr sehr viel zu tun.

    Ein Beispiel: wenn du mit lockerem Ansatz eine Stunde gespielt hast und deine Muskulatur läßt nach, dann wirst du feststellen, dass du anfängst zu pressen. Du hälst die Intonation, indem du das Blatt weiter ans Mundstück anpresst und dich somit quasi darauf ausruhst, dass Mundstück und Instrument schon die richtige Tonhöhe halten.

    Die Ausdrücke fest und locker beim Ansatz leiten oft in die falsche Richtung. Nochmal: 'locker' heisst, der Ton wird tiefer intoniert (bedeutet natürlich, das Mundstück muss weiter auf den S-Bgen geschoben werden), das Blatt weniger auf die Bahn gedrückt, aber das Halten der Tonhöhe ist ungleich schwerer als wenn sich Unterlippe drückend auf dem Mundstück ausruht.

    Zur Übung: erkunde, wie weit du einen Ton nach oben und wie weit du ihn nach unten ziehen kannst. Halte die Töne lange auf verschiedenen Mikrotonhöhen. Wenn du einen Ton mittels Ansatz nur wenig nach oben ziehen kannst, ist dein Ansatz zu fest. Einen Viertelton solltest du schon 'Platz' nach oben haben. Nach unten sind da wenig Grenzen gesetzt. Ein hohes a kann man 'locker' bis zum fis ziehen (wenn die Kraft reicht und optimaler Ansatz da ist). Irgendwo zwischen hoch und tiefer klingt dein Sax so, wie es sein soll.

    Wenn die Töne auch heruntergezogen nicht mehr eiern oder zittern, hast du einen feinen Ansatz.'



    Fazit:

    - jeder Ton hat 'seinen' Ansatz. Übe Töne auf dem Klavier (oder sonstwo) anzuschlagen und auf dem Mundstück spielend zu treffen. Spiele ganze Stücke auf dem Mundstück.

    - lockerer Ansatz ist verdammt schwer, *nochmalzitier*: 'Noch ein Tipp zum Muskelaufbau in der Unterlippe. Derjenige, der nicht 2 Stunden am Tag blasen kann, kann zum Muskeltraining ein Feuerzeug in den Mund nehmen. Oben Zähne druff und dann nur mit der Unterlippe halten. Zwischendurch immer wieder entspannen. Mit der Zeit kann man auch schwereres Gerät nehme (zB. Taschenmesser).'



     
  6. NorbertS

    NorbertS Ist fast schon zuhause hier

    Hi ppue


    Eine anschauliche und vor allem sehr verständliche
    Beschreibung. Gefällt mir sehr gut.

    Hab schon mal Copy und Paste gemacht, das darf in
    meiner Sammlung nicht fehlen.

    LG


    Norbert
     
  7. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    ?????

    Ich habs doch schon immer gewusst: Die Profis haben keine Ahnung!

    Zum Beispiel neulich, beim „Way To Mastery“ Keilwerth Saxophon-Workshop mit Evan Tate im Rockshop in Karlsruhe.

    Da holt der einen unbedarften Workshop-Teilnehmer auf die Bühne und lässt ihn mit lockerem "E....." Ansatz in seine Tröte blasen. Und Evan Tate stellte sich hinter ihn und betätigte die Klappen. Er "spielte" Melodien über alle Register, während der Teilnehmer das Horn mit Luft versorgte....

    Muss ich wohl geträumt haben.... *gg*

    Verträumte Grüße aus dem Schwarzwald

    Bernd
     
  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Natürlich verleitet die Länge der schwingenden Luftsäule das Blatt dazu, nur in der entsprechenden Schnelligkeit zu schwingen. Über 2 1/2 Oktaven mag das auch ganz gut klappen, aber nur ein Ton davon wird optimal klingen.

    Die Tiefen werden obertonarm und zu hoch intonieren, die Höhen flat klingen. Ab einer bestimmten Tonhöhe kippt der Ton dann in die untere Oktave.

    Zwei Fragen an Bernd:

    - machst du ein Vibrato auf deinem Horn und wenn, wie?
    - hast du schon mal Obertöne gespielt? Wie bringst du bei gleichem Griff verschiedene Tonhöhen heraus???
     
  9. rbur

    rbur Mod

    nun, egal ob es geht oder nicht:
    Was soll denn daran erstrebenswert sein, die Spannung 100% konstant zu halten (was ich eh nicht kann, auch nicht ohne Sax)? Ich hab die Lippen ja, warum sollte ich sie dann nicht nutzen? Trompeter machen das doch auch?
     
  10. freejazzer

    freejazzer Ist fast schon zuhause hier

    Dass beim Spielen die Lippenspannung verändert wird, will ich ja gar nicht abstreiten, vielmehr sehe ich eine konstante Lippenspannung als möglich und erstrebenswert an.

    ppue, du vergisst bei deinen Ausführungen den Hals und misst dem Mundstück eine zu große Bedeutung zu. Natürlich ist das Mundstück für den individuellen Sound von entscheidender Bedeutung, aber für den letztendlichen Ton ist doch wohl letztendlich der Griff am Saxophon in den meisten Fällen am entscheidendsten (es sei denn man spielt beispielsweise gezielt Obertöne an). Für die Tonqualität ist ist zweifelsohne auch der Ansatz wichtig, doch ist er einmal eingestellt und weitestgehend konstant gelassen, ermöglichen andere Mechanismen eine bessere Anpassung an die jeweilige Tonhöhe.

    Bei bendings kann ich den Ton natürlich auch mindestens einen Halbton nur über die Lippenspannung fallen lassen, aber mit kaum Bewegung am Mund lässt es sich auch nur durch Veränderungen im Mund- und Rachenraum erreichen. Und genau das halte ich für viel erstrebenswerter, denn bei schnellen 32stel-Läufen funktionieren automatische Anpassung im Mund- und Rachenraum nunmal viel einfacher als ein ständiges Anpassen des Ansatzes. Dass es ohne auch nur schwer geht (bzw. der Aufwand, dies zu erreichen, das Ergebnis nicht rechtfertigen würde) ist ohne Zweifel richtig, doch trotzdem sind die anderen Veränderungen entscheidender.

    Trompeter arbeiten so viel mit der Lippenspannung, da sie wegen ihrer ganzen 3 Ventile fast nur Obertöne gezielt anspielen müssen.

    Wenn ich High Notes spiele, verändere ich meinen Ansatz natürlich auch leicht (mehr Druck, leicht nach vorne mit dem Unterkiefer), aber so deutlich eben nur bei High Notes. Von mindestens ebenso großer Bedeutung ist es für mich da, gezielt im Hals enger zu werden (kraftlos, ohne Druck) und extrem hoch zu denken.
     
  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Es gibt keine gleichbleibende Lippenspannung, mit der ein c''' und ein c' auch nur annähernd richtig intoniert werden könnten. Unmöglich und nicht anstrebenswert. Spiele ein c''' und binde ein c' an, ohne auch nur einen Deut an der Lippenspannung zu verändern. Zu dem, der das schafft, fahre ich persönlich hin und schau mir das mal an.

    Genau umgekehrt, der Hals hat gar keine Bedeutung, weil du ihn nicht verändern kannst. Du meinst den Rachenraum, der eine gewisse Bedeutung hat. In der Regel wirkt sich die Veränderung des Rachenraumes in erster Linie auf den Ansatz, eben die Lippenspannung und -stellung aus. Die Mundwinkel sind beim 'i' hochgezogen, beim 'e' eher nach hinten und beim 'o' vielleicht nach unten. Das ist bei den Finnen aber schon wieder anders und eine Beurteilung eines Tones mittels Buchstaben innerhalb eines Internetforums bleibt höchst fragwürdig. Ich hatte bei meinen Schülern da im RL schon größte Schwierigkeiten. Da sind Körper und Vorstellungen der einzelnen Menschen zu verschieden.

    Wir sprechen hier nicht vom Sound, sondern von der Tonhöhe. Obertöne spielt man schon ab d' und ich sehe keinerlei Grund, warum über zweieinhalb Oktaven die Lippenspannung konstant bleiben und bei weiteren Toptones plötzlich mit veränderlichem Druck gespielt werden muss, das ist absurd und physikalisch unsinnig. Das der Griff entscheidend ist, stelle ich nicht in Abrede, bleibe jedoch bei meiner Überzeugung, das jeder Ton nur seine eine richtige Lippenspannung hat.

    welche sollen das sein? Ach ja, der Mund und Rachenraum (komm mir nicht wieder mit dem Hals). Ich behaupte nach wie vor, dass deine Mund und Rachenarbeit (die ich genauso mache) in erster Linie dazu dient, die Lippenspannung an den jeweiligen Ton anzupassen. Das ist ja ein feiner Prozess: Unterkiefer, Zunge und Lippen bewegen sich in der Regel nicht unabhängig voneinander. Denkst du 'hoch', dann heben sich Zunge und Unterkiefer während die Mundwinkel sich zurückziehen. Ein Akrobat der, der diesen komplexen Vorgang ausführen und dabei die untere Lippe in der gleichen Stellung bzw. Spannung halten könnte. Abgesehen davon, dass seine Töne alle unterschiedlich klingen würden, unten matt und oben flat.

    Steck den Daumen in den Mund, Unterlippe auf den Nagelansatz, obere Zahnreihe auf den Innendaumen, singe ein tiefes 'o' und wechsel dann zu einem hohen 'i'. Ich schätze, dass sich deine Lippenspannung dabei verändert. Aber das spürst du ja selbst am Daumen.
     
  12. freejazzer

    freejazzer Ist fast schon zuhause hier

    Nun, den Sprung von c' auf c''' mit Focus auf gleichbleibende Lippenspannung habe ich noch nicht probiert (ist jetzt auch zu spät). In einem von dir nicht erwähnten Teil meiner Antwort habe ich jedoch auch erwähnt, dass ich Veränderungen auf einen weiten Tonumfang gesehen ja nicht abstreiten will und sicherlich auch selbst beim Spielen mache.

    Der Ausdruck "Hals" war sicherlich unscharf, im weiteren Verlauf habe ich dann ja "Mund- und Rachenraum" geschrieben, was meine Intention sicher besser trifft.

    Wenn ich "i" schreibe, dann meine ich nicht ein gesprochenes "i" bei dem sich die Lippen klar nach oben ziehen und der Mund eine Art Lächeln ergibt. Bei mir verändert sich beim Wechsel mit dem "o" vor allem die Weite des Rachens und die Stellung der Zunge. Versuch's mal.

    Wenn ich die von dir beschriebene Übung mit dem Daumen mache, dann bleibt der spürbare Druck am Daumen gleich, leichte Veränderungen an den Mundwinkeln konnte ich feststellen, die jedoch beim dem Saxophon-Ansatz ähnelnden Umschließen des Daumens ausblieben (yeah, macht alle mit, es ist ein Riesenspaß vorm PC ;-)). Wobei der Sprung natürlich auch extrem ist, "o" versuche ich bis ins obere mittlere Register zu denken, "i" ist wie geschrieben für die High Notes gedacht (wobei das alles natürlich auch unbewusst abläuft, ich überlege mir sicher nicht für jeden Ton den richtigen Vokal).

    Nun, du hast von der Tonhöhe geredet, ich habe dem widersprochen und mich dabei auf den Sound bezogen.

    Die Modifikationen am Ansatz bei High Notes verlaufen sicher schleichend, ich denke nicht "oh, High Notes, zack: Unterkiefer nach vorne". Was wäre denn die Konsequenz deiner Aussage? Die ganze Zeit mit dem Ansatz für High Notes spielen? Um High Notes zu spielen muss man nunmal ein paar Dinge falsch bzw. anders machen. Obertöne sind afaik immer und überall bei nicht-synthetischen Klängen dabei.

    Für mich ist auch ein Unterschied, ob man seine Veränderungen zur Anpassung der Tonhöhe eben primär an der Lippenspannung oder am Mund- und Rachenraum ausrichtet. Bei beiden Methoden wird sicher die andere mit eingeschlossen, ich betrache die letztere aber als effektiver.

    Grüße
    freejazzer
     
  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, da haben wir doch schon eine feine Annäherung. Wir dürfen ja auch noch Unterschiede haben. Ich bin mir aber sicher, dass wir garnicht so verschiedene Ansätze haben.

    Vielleicht können wir das einfach so stehenlassen. Ich denke, es sind ganz gute Ideen und Beschreibungen gemacht. Die Frage nach der 100 prozentig gleichen Lippenspannung ist wohl ausreichend beantwortet.


    Grüße, pü
     
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