Mit welcher Tonleiter improvisieren?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gast, 10.Juni.2004.

  1. wolfgang

    wolfgang Ist fast schon zuhause hier

    @egon
    Schon richtig mit den Melodietönen. In D-moll kommt allerdings schon ein cis vor: bei harmonisch und melodisch moll nämlich. Also deutet die Melodie darauf, daß die passene Skala hier melodisch oder harmonisch moll ist.
    Gruß
    Wolfgang
     
  2. mirko

    mirko Kann einfach nicht wegbleiben

    stimme egon da auch voll und ganz zu...
    mit der melodie als grundlage anzufangen ist eigentlich immer ziemlich sicher.
    was auch gut funktioniert: sollte der melodieton ein akkordton sein (und wenn es 9, 11 oder 13 ist) kann man sich den akkord als vierklang so legen, dass der melodieton oberster akkordtonton ist - auf die art harmonisiert man da stück eventuell hier und da ein bisschen um, aber den klang, den man erzeugen will, deckt sich sehr oft eher mit dem eigenen hörempfinden, als wenn man sich an die bloße theorie hält:

    als beispiel: corcovado:

    Takt 9/10/11/12 lauten nach (meinen) changes (in Bb):

    G-moll 7 // C7 // F# 7 b9 // B+7

    die Hauptmelodietöne sind a // a // g // g //

    wenn ich die Akkorde den Hauptmelodietönen als obersten Ton anpasse erhalte ich

    Bb maj 7 // Bb maj 7 // A# halbvermindert // A-moll 7 b5

    (a ist die Septe, C die b9 , Es enharmonisch verwechselt die Terz, G der Melodieton)

    so kann man das durch das ganze Stück hindurch machen - die Changes bleiben sich in der Theorie zwar ziemlich gleich, weil es Teile "desselben" Akkords sind - aber das Empfinden wenn man sie als neue Grundlage benutzt deckt sich eher mit dem Hörgefühl, weil man eher die "wichtigen" Töne erwischt...das kommt daher, weil die Melodie ja schon irgendwie automatisch im Kopf mitläuft, und wenn ich g-moll habe und in der Melodie steht ein a empfindet man es als störender wenn man auf dem g rumreitet obwohl es ja theoretisch richtig ist...
    und meiner Ansicht nach hilft es auch guide-tone-Linien besser rauszubringen...

    Noch ein Tip gerade für Swing und Bluesstücke:
    viele Akkordtöne chromatisch vorbereiten. Oder für das längere üben: Akkordtöne diatonisch von oben und chromatisch von unten umspielen, als Beispiel d-moll 7.

    e-cis-d // g-e-f // h-gis-a // d-h-c

    oder in inien (z.B. Sechzehntel, immer auf Schlag einen Akkordton) Beispiel G7:

    h-a-f-fis g-a-b-c h-c-cis-e d-dis-e-fis f.... oder so ähnlich, da so ein Akkord ja aus kleinen und großen Terzen besteht und so der Abstand zwischen zwei Akkordtönen ja nicht immer gleich ist, ist es besser zwischen Achteln, Triolen und Sechzehnteln abzuwechseln...
     
  3. wolfgang

    wolfgang Ist fast schon zuhause hier

    Hi,
    insgesamt ist noch zu bedenken, daß Leadsheets ja keine Kompositionen im europäischen Sinn sind, die man genau realisieren müßte (oder könnte), sondern zumeist Niederschriften des von Platten abgehörten etc. Nicht nur, daß da Fehler drin sein können: Vor allem sind das immer schon Interpretationen des Stückes durch den Schreiber. Eure Improvisationspraxis kann von der im Leedsheet vorgeschlagenen auch abweichen.
    Folgerung: Das Ohr entscheidet (die goldene Regel).
    Gruß
    Wolfgang
     
  4. Bloozer

    Bloozer Strebt nach Höherem

    @Mirko
    Das wesentliche deiner Akkordumbenennungen, so daß der Melodieton immer oben sitzt, hab ich wohl nicht verstanden. Was ist da der Vorteil? Warum pack ich den (Haupt)Melodieton nicht ganz nach unten und benenn die Akkorde entsprechend um, dann hab ich gleich eine Gedächtnisstütze (Hauptmelodieton = Akkordgrundton), oder ergeben sich dabei völlig ungebräuchliche Akkorde? Ich habs noch nicht ausprobiert.
     
  5. mirko

    mirko Kann einfach nicht wegbleiben

    Voicings klingen je nach Umkehrung und vor allem Lage auf dem Saxophon ganz anders.
    Melodieton=Akkordgrundton funktioniert eher nicht, weil es ziemlich oft passieren kann, dass der Melodieton ein upper structure-Ton ist.

    upper-structures klingen in der Regel besser "oben" auf dem Sax (wenn du sie als "Pfundnote" gebrauchst) - da es ja 9 aber vor allem 11 und 13 sind (also Quarte und Sexte eines Akkords) - wenn du sie unten gebrauchst klingen sie weniger nach 11 und 13 eher nach 4 und 6. Und das ist oft irritierend für das Ohr - weil sie zu dicht an 3 und 5 liegen. Wenn du also eine Akkordbrechung baust, dann achte immer drauf, dass sich 3/5 und 11/13 nicht zu nah ins Gehege kommen. Das ist das eine.

    Eben auch mit ein Grund warum Melodieton beim "reharmonisieren" eines Standards oben liegen sollte. Die Melodie ist ja das wichtigste, was in deinem Kopf mitläuft - deswegen immer besser als "Oberstimme" zu gebrauchen. Ähnlich wie in einem Chor. Da singt ja auch meistens der Sopran die Oberstimme und die Stimmen drunter bauen die Harmonien. Eher selten, dass der Bass die Melodie hat und sich Akkorde obendrüber bauen.

    Was dieses reharmonisieren bringt? Das Spielgefühl kann sich ändern, da du die Changes eher an die Melodie anpasst - und somit der Klangvorstellung in deinem Ohr (was du instinktiv hörst) gerecht wird - eventuell besser, als wenn du dich stur theoretisch an die Changes hälst...

    teste mal ein bisschen rum - manchmal kommen echt andere Sachen raus (z.B wenn in der Melodie ein Fis liegt und der Akkord E7 drübersteht. Leg' das Fis automatisch nach oben, das E nach unten - damit sich die beiden nicht in der gleichen Lage in die Quere kommen - sonst nimmt man die 9 als 2 war - und das dissoniert ziemlich böse...und dann deute ihn nach der 4-Klang-Methode um: Ergebinis: Fis liegt oben, d.h. statt E7 zu spielen spielst du G#-moll 7b5 also G#-halbvermindert. Und das man über einem Halbverminderten Akkord anders spielt und ihn anders empfindet als einen Dominant-Sept-Akkord versteht sich.....
     
  6. Bloozer

    Bloozer Strebt nach Höherem

    Hallo Mirko,
    interessante Überlegungen, man merkt daß du theoretisch vorbelastet bist.

    Hmm, gehen dabei nicht die Kadenzen kapputt und hängt der Spieler dann mit dem Rest der Band noch zusammen?

    Wie lange braucht man wohl, um all diese Überlegungen, flüssig ins Spiel einzubauen :-?
     
  7. mirko

    mirko Kann einfach nicht wegbleiben

    ...bis du das flüssig und spontan ins Spiel eingebaut bekommst dauert es schon etwas länger - ich lerne es ja momentan auch noch.
    was ich halt mache, ist, mich vorher intensiv mit den Standards auseinanderzusetzen, die ich mit meiner Combo spielen will. das hilft ja schonmal...

    die Kadenzen (sofern man im Jazz davon reden kann) bleiben eigentlich erhalten - denn du reharmonisierst den Akkord ja nur durch einen Akkord, der ohnehin schon drin steckt. Deswegen, kann die Rhythmusgruppe eigentlich immer das weiterspielen, was sie vorher gespielt hat - du deutest den Akkord ja nur anders aus - das Tonmaterial bleibt sich ja aber größtenteils gleich...es ist nur ein anderes feeling...
    teste es einfach mal aus....am Anfang wird vielleicht nicht alles klappen, aber hier und da können sich einfach einige interessantere Ideen ergeben, die einen weiterbringen...
     
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