Mundstück vermessen und erste "Verbesserungsversuche"

Dieses Thema im Forum "Reparatur und Instandhaltung" wurde erstellt von bebob99, 31.Oktober.2019.

  1. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Ich habe mir ja vor längerer Zeit so ein billiges chinesisches Metall Mundstück für's Alto besorgt. Schon mit der Idee, dass ich diese ganze Geometrie Sache einmal besser verstehe und dazu den Rohling ggf ohne Reue auch ruinieren würde.

    So richtig warm wurde ich damit ohnehin nie. Es neigt ziemlich zum Quietschen.

    Ich habe diese Tage einen Satz Fühler Lehren besorgt, deren Kanten nachgeschlieffen, entgratet und dann auch sicherheitshalber einzeln nachgemessen (stimmen so in Etwa).

    Ich habe mir ein gutes, steifes Werkstatt Lineal mit präziser 0,5mm Teilung besorgt (Stahl, nicht Glas, aber dafür bezahlbar) und das gute Stück einmal so gut ich es zusammen bringe gemessen.

    Meine Mess Station sieht dann so aus: :)

    IMG_20191031_115359.jpg

    Die Kurve scheint mir eigentlich recht gleichmäßig. Bei den allerkleinsten Fühlern (0,05mm und 0,1mm) ist aber der "Anschlag" an der Bahn etwas schwammig. So weit am Tisch muss ich zwar nicht fürchten dass mein Lineal viel nach gibt, aber dafür ist die Folie des Fühlers so elastisch dass ich damit rechnen muss, dass es sich etwas verformt. Da wäre ein breiteres Lineal sinnvoller. Das besorge ich noch.

    Womit ich aber Verständnis Probleme habe ist die Ermittlung der "Kurvenformel". Mein Excel malt mir das schön hin und ich habe mir bei Keith Bradbury (Mojo Mouthpiece Work) ein Bisschen was zu dem Thema eingelesen. Gängig scheinen elliptische Bahnen zu sein mit "nicht al zu großer" Differenz der Halbachsen.

    upload_2019-10-31_12-18-11.png

    Ich kann meine Messungen auch mit einem theoretischen "Sollwert" vergleichen und sehen wie weit das abweicht. Und hier kommt der Punkt wo die Refacer das "Große Brimborium" machen: Was sind vernünftige Werte für A und B? Soweit ich verstanden habe wird ein größeres verhältnis A/B den Blaswiderstand erhöhen ohne die Ansprache wesentlich zu verändern. Ein "Überstand" in Tisch Nähe könnte die Neigung zum Quitschen erklären.

    Die Mundstück ÖFFNUNG kommt in der Formel gar nicht vor, wird aber wohl maßgeblich diese Werte beeinflussen. Mit den folgenden Werten erhalte ich eine Kurve die "funktioniert" und mir erklärt, dass ich am Bahn Anfang etwas abnehmen darf:

    FL=24, A=46, B=14

    upload_2019-10-31_12-22-44.png

    Dabei sind A und B so lange hin geschätzt, dass die Kurve möglichst gut passt und nur "Überstand" aber keine Dellen in der Bahnkurve sind.

    Aber hat das überhaupt Hand und Fuß?

    Möchte einer der Fachleute mir dazu Tips geben?
     
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  2. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Ähhh was verstehst Du unter "Überstand"?
    Hast Du die Kurve mit dem Excel Spreadsheet von Keith Bradbury erstellt?
    Seine Standardkurve geht an sich von einer Bahn als Kreissegment (A=B=R) aus.
    Hatte mal eine Sammlung von Bahnkurven von ihm, habe aber keine Ahnung wo. Das ist schon 2 oder 3 Rechner - Neuinstallationen her.
    Vielleicht in alten Sicherungskopien....


    SlowJoe
     
    Zuletzt bearbeitet: 31.Oktober.2019
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  3. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    "Überstand" ist das was höher ist als das Soll. Also das was man weg schleifen kann um zur gewünschten Kurve zu kommen. In meiner Grafik unterhalb der blauen "theoretischen" Kurve. Wenn eine "Delle" drin ist kann man die nicht auffüllen, sondern muss stattdessen alles andere auch so tief schleifen. Ich habe kein besseres Wort dafür.

    Nein, das Excel von Keith habe ich nicht verwendet. Ich habe einige Erwähnungen dazu gefunden aber alle Links führten ins Leere. Also hab ich mir selbst eins gestrickt. Die Angaben "Doppelter Abstand in Millimeter" aber "Fühler in Zoll" scheint mir ja auch etwas willkürlich zu sein. Das ist ja wie "Furlongs per Fortnight". :unsure: Meine Fühler sind in mm (aber auch in Zoll angeschrieben), mein Lineal in mm. So oder so kann ich die Abstände damit bestimmen.

    Aber unanhängig von den individuellen Zahlenwerten versuche ich doch dahinter zu kommen wie diese Maße funktionieren. In dem Powerpoint von Keith steht zwar auch drin dass die erste Näherung ein Kreis Segment ist, aber zwei Folien weiter (die Beschreibung zu obiger Folie):
    Ich habe mir das noch einmal mit einer Kreisbahn rechnen lassen (Orange) und ein Kreis mit R=142 unterscheidet sich nur hauchdünn von meiner elliptischen Berechnung. Sicher viel weniger als ich messen kann.


    upload_2019-10-31_16-16-30.png

    Wenn ich es so hin bekomme ist es wahrscheinlich egal ob das kresförmig oder doch elliptisch ist. Die Gretchen Frage ist aber: Sind das überhaupt brauchbare Zahlen oder ist das nur Numerologie?
     
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  4. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    OK. Kapiert.
    Ja, da hat er wohl aus der Not eine Tugend gemacht. Er hatte wohl nur eine Glaslehre in mm, so hat er halt die Ablesung auf der Glaslehre in mm auf der x - Achse aufgetragen und die dazugehörigen Werte der Fühlerlehren in Inch auf der Y - Achse. Gewöhnungsbedürftig. Aber das mit dem "Doppelter Abstand in Millimeter" ist eine Fehlinterpretation. Die X - Achse in seinen Spreadsheets enthält die Ablesung auf der Glaslehre in mm.

    Ich hab mal gestöbert. Ich glaube ich habe da ein paar Spreadsheets und Facingkurven gefunden, muss das aber noch mal sichten. Wir hatten da mal vor Jahren ne Diskussion....

    Wenn Du Interesse hast kann ich mir den Krempel ja mal genauer anschauen und wenn das Berechnungs - Spreadsheet dabei sein sollte kann ich es Dir zum Herumspielen ja mal zuschicken. Schaffe ich aber heute Abend nicht mehr.


    SlowJoe
     
  5. elgitano

    elgitano Ist fast schon zuhause hier

    Hallo bebob99,
    ein sehr interessantes Thema.
    Ich habe mal verschiedene alte Klarinetten Ebonit/Hardrubber/Kautschuk Mundstücke vermessen. Alle hatten in der Bahn einen flachen planen Bereich. Ich gehe davon aus, dass das Verschleiss ist, den das aufschlagende Blatt verursacht.
    Deines ist ja neu, zudem aus Metall, geingerer Verschleiss für die Zukunft.
    Habe aber alle Bahnen nur analog auf Papier gebracht.
    Für alle weiteren Informationen, Bahnkurven,..... bin ich dankbar
    Claus
     
  6. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Welcher Formel die Bahnen folgen ist ein Geheimnis, bzw. ein Erfahrungswert der Rafacer.
    Früher waren die Bahnkurven radial.
    Mit der Entwicklung der Reeds haben sich auch die Kurven verändert.
    Es gibt also Bahnkurven die mehr oder weniger zu einem bestimmten Blattschnitt passen.
    Was zu wem passt ist bleibt dem Können des Refacers überlassen, bzw. die Sysiphusarbeit des Spielers es heraus zu finden.

    Die Frage ist aber, ob sich die Bahnkurve exakt dem natürlichen Biegevermögen des Blattes anpassen soll, oder ob die Bahnkurve die Biegung des Blattes vorgeben muß, an die es sich gefälligst anschmiegen soll.

    kokisax
     
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  7. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Na so geheim auch wieder nicht. Jeder der sich ein Glaslineal und nen Satz Fühlerlehren leisten kann ist in der Lage sich eine Reihe Stützpunkte auszumessen, die Werte in ein z.B. Exel Spreadsheed einzutragen und sich mit einer relativ simplen Rechenmurmel den Bahnverlauf vom Anfangspunkt (Bahnöffnung) bis zum Nullpunkt Ende der Bahn und Beginn des Tisches interpolieren und grafisch darstellen zu lassen. Ähnlich wie @bebob99 das auch gemacht hat. Es gibt also keine "geheimen" nur den Refacern bekannten Bahnkurven. Das ist schlicht und einfach Handwerk, genau mess- und reproduzierbar.

    SlowJoe
     
  8. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    @slowjoe ,
    alles richtig, nachmessen kann man die Kurven immer, aber zu wissen welche man für welche Anforderung nimmt, DAS ist die Frage.

    kokisax
     
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  9. ppue

    ppue Mod Experte

    Die Frage kam mir auch gerade. Sicher mal interessant, das Biegeverhalten eines Blattes zu vermessen und die Öffnung des Mundstückes der resultierenden Kurve anzupassen.
    Wäre eh spannend, mal verschiedene Blätter verschiedener Stärken und Hersteller durchzumessen.
     
  10. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Danke vorerst für Eure Anteilnahme. Wir sind uns also großteils einig, dass die Frage "interessant ist". Ich bin auch sicher, dass die Vermessung von hunderten verschiedener Mundstücke mit Vergleich der jeweils persönlichen Spielbarkeit "prinzipiell" einen guten Anhaltspunkt geben wird was für Kurven sinnvoll sind. Nur habe ich eben keine hunderte Mundstücke und ich stelle mir vor, dass es auch nicht notwendig ist, dieses Wissen jedes Mal wieder von Null auf neu zu bestimmen. Wir haben seit zumindest 5000 Jahren Schrift und können so einmal erarbeitetes Wissen bequem dauerhaft bewahren und teilen ohne das Rad jeweils neu erfinden zu müssen. Das hat uns als Spezies so erfolgreich gemacht.

    Ich hoffe also immer noch dass einer von denen die so etwas regelmäßig machen hier kurz die Hand hebt und sagt: "für ein Alto Mundstück ist eine radiale Bahn mit R=142mm für einer 5er Öffnung super/geht so/scheiße - passender wäre xxx". Oder von mir aus "das kommt darauf an, weil das ist abhängig von [weitere gewünschte oder vorhandene Eigenschaften], aber hier einige funktionierende Beispiele aus der Praxis: []".

    Ich hätte also gerne einen "Sanity Check" der ermittelten Nummern und der Ziel Vorgabe. Mehr eigentlich nicht. Diejenigen die solche Excel Tabellen für gute Mundstücke haben könnten eventuell nachsehen was da für Werte stehen. :inlove:

    Vielleicht kennt ja jemand Literatur wo so etwas schon drin steht.

    Ich will ja keinem Lohn und Brot wegnehmen. Zwischen etwas theoretisch wissen und praktisch umsetzen liegt ja immer noch ein ziemliches Stück gutes Handwerk.
     
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  11. kokisax

    kokisax Strebt nach Höherem

    Denke, daß Blätter und ihr Schwingverhalten nur optisch in Schwingung richtig betrachtet werden können um das Ausschwingverhalten richtig zu beurteilen.
    An manchen MPC´s sieht man ja deutliche Schleifspuren an den Rails.
    Nehme an, daß dann die Rail zu hoch steht, dem Blatt praktisch im Wege steht und das Reed am Blattypischen Schwingen behindert wird.

    Die Frage ist, ob das Blatt exakt der Bahnkurve nach schwingen soll, oder ob die Kurve dem Blatt die Grenzen aufzeigen soll.
    Stelle mir auch vor, daß ein Blatt welches nicht nach seinem spezifischen Schnitt frei schwingen kann auch eher schlecht anspricht und bestimmte Frequenzen mehr oder weniger gut abbilden kann.

    Das Reed kann man ja in einem Versuchsaufbau eingespannt, auch ohne ein MPC zum Schwingen bringen.
    Die Rails sehe ich eigentlich als "Dichtungsebene" um den Luftverbrauch auf ein erforderliches Minimum zu reduzieren.
    Demnach sollte die Bahnkurve dem Schwingverhalten eines Blattes exakt folgen.

    Viel Spaß, beim Reedwechsel......;)

    kokisax
     
  12. Sebastian

    Sebastian Ist fast schon zuhause hier

  13. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest

    hey @bebob99 schöner Anfang - du machst das schon super.

    besorg dir trotzdem ne Glaslehre.

    Ich messe von der Spitze an - bei dir sieht es so aus als ob das Lineal übersteht. (?)

    Ich persönlich habe nach viel rumexperimentieren (auch mit den chinateilen) mich für radiale Bahnen entschieden und komme damit am Besten klar.

    Manchmal lasse ich die Bahnen am Tip etwas flippen (weiter auf) damit sie bei mir besser ins ALtissimo gehen.

    Wichtig ist der Tisch bzw der Bahnanfang da hat @Gaivota mal einen guten Beitrag zu gepostet - such den mal.

    Radial hat den Vorteil erstmal gut zu sein. Im Sinn von funktioniert gut bei mir. Elyptisch mache ich bei engen Mundstücken, damit die nicht so schnell dicht sind bei mehr Blasdruck.

    Wichtig ist vielmehr der konkrete Anfang der Bahn und die symmetrie.


    Generell gibt es zu jeder bahnöffnung und baunlänge etstmal nur eine radiale Bahn.

    Die denke ist also eher :


    Welcher Tisch? Flat / concave.
    Welche Öffnung? Eng /offen.
    Welche Bahnlänge? Kurz / lang
    Welche Kurve? Radial / elyptisch


    hier der gesuchte Link zur worksheet ( mouthpiece facing curve worksheet )


    https://www.dropbox.com/sh/8mxxye9lhun7ejt/AADjZB5mcvLA6DAwZABLM05xa/Facing Curve Worksheet.xlsx?dl=0

    der macht sich ganz gut um den Startpunkt und die Bahnkurve berechnen zu können !!!

    Ich hab das für mcih noch abgeändert und auch noch verbessert aber das hier ist schon ein guter Start. Ich habs auch nochmal angehangen ...




    Hier malme Literaturliste





    https://theowanne.com/knowledge/mouthpiece-facings/


    http://stuffsax.blogspot.com/2013/11/mapping-woodwind-mouthpiece-to-examine.html?m=1


    http://www.corrybros.com/facings/4585851806

    http://www.mojomouthpiecework.com/Portals/0/Docs/Fac_t2.pdf





    die Überlegungen sind also:

    kurze Bahn = schnellere Reaktion
    lange Bahn = etwas mehr schwingendes Blatt (evtl mehr Sound)

    weite Öffnung = viel Spielraum und Luftdurchlass
    enge Öffnung = mehr Kontrolle leichtere Ansprache

    radiale Bahn = leichte Ansprache
    elyptische Bahn = mehr Blaswiederstand

    Baffle macht das alles dann wieder ganz anders ... :)



    Such ,al nach dem Beitrag zu den Tischen von @Gaivota ... da gehts eigentlich los.




    _______________



    Ich selber mach radiale Bahnen mit langer Bahn und leichten flip zum Tiprail mit dünnen Flanken und großen Fenstern an meine Barimundstücke. Alles mit langem und hohem Baffle.

    https://www.saxophonforum.de/threads/grosser-mundstueck-refacing-fred.31572/page-2#post-411543

    https://www.saxophonforum.de/threads/grosser-mundstueck-refacing-fred.31572/page-3
     

    Anhänge:

    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 1.November.2019
    bebob99 und elgitano gefällt das.
  14. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Oh, vielen Dank für die umfangreiche Info.

    Das Lineal schließt genau bündig ab. Ich bekomme bei jedem Aufspannen innerhalb der Ablesegenauigkeit fast genau die gleichen Zahlen. Das ist ja schon mal ein Anfang. Ich habe mit der Methode auch mein wirklich wunderbar ansprechendes Expression gemessen:

    upload_2019-11-1_23-18-19.png

    Der Kreis zum Vergleich hat einen Radius von 150.

    Die Werte zur Spitze hin sind mit etwas Vorsicht zu genießen. Da geht ja kaum noch was von der Fühler Lehre in den Spalt. Es kann gut sein dass die paar Wellen Unreinheiten an der Lineal Kante sind. Alles in Allem scheint mir die Bahn sehr gleichmäßig.
     
    Gisheber gefällt das.
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