Obertonspielen - eure Erfahrungen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von GelöschtesMitglied1589, 19.Juni.2016.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Obertonübungen bringen Tonkontrolle und Klangverbesserung. Beim Saxophonspiel hat man einen Schwingungserzeuger und zwei Resonanzkörper. Einmal die Luftsäule im Instrument und zum anderen den eigenen Körper. Auch im eigenen Mund- und Rachenraum resoniert der gespielte Ton. Wenn dieser Raum gut mit dem zu spielenden Ton abgestimmt ist, klingt der Ton besser und wird auch stabiler getroffen.

    Und genau dieses Abstimmen übt man mit Obertonübungen.

    Wie sich der innere Mund- und Rachenraum auf den Ton auswirkt, merkt man schnell beim Pfeifen. Dabei ist es vollkommen egal, ob man beim Aus- oder beim Einatmen pfeift. Es klingt fast gleich. Beim Pfeifen spielt man ausschließlich mit dem körpereigenen Resonanzraum.

    Zur Zählung der Obertöne benutze ich lieber den Ausdruck Teiltöne. Die zählt man anders: Die Grundschwingung ist hier schon der erste Teilton. So gezählt erhält man gleich die Schwingungsverhältnisse der Obertöne: z.B. ist 1:2 ist die Oktave oder 4:5 die große Terz.
     
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  2. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Bin nach wie vor der Meinung: brauche ich nicht unbedingt, den Effekt erreiche ich auch durch andere Übungen.
    Wer´s mag, soll es üben, wer nicht.....jeder Jeck ist anders.
     
  3. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich bin mit zunehmendem Mangel an Übungszeit da eher pragmatisch geworden. Früher hab ich immer lange Töne und Tonleitern/Akkordbrechungen geübt, bevor es zu konkreten Inhalten ging. Mit abnehmender Übungszeit habe ich mir irgendwie immer mehr Material vorgenommen und zusätzlich regelmäßige Mundstückübungen, Obertonübungen, Altissimoübungen und Patterns ins Programm gestellt, bis ich zunehmend frustriert festgestellt habe, dass ich das immer weniger schaffe und mir eigentlich Stress mache.

    Aktuell übe ich nur noch gezielt das Zeug für den nächsten Gig oder den Lauf, bei dem ich stolpere, mehr schaff ich einfach nicht. Wenn ich das Saxophon in den Mund nehme mache ich aber immer ein kleines unspektakuläres Warm-Up, welches vor allem aus ein paar Obertonübungen besteht. Nur fünf Minuten, ohne esoterische Ziele. Und diese Kombi hält mich mit verhältnismäßig wenig Übungsaufwand doch ganz passabel in Form. Ich glaube, der Vorteil von Obertonübungen in meinem derzeitigen "Sparprogramm" ist, dass sie nicht nur Ansatz und Tonbildung trainieren, sondern ein unmittelbares Feedback liefern, ob man etwas richtig oder falsch macht. Man darf nur nicht beißen, und dann zeigt einem der Erfolg der Obertonübung unmittelbar an, wie es um den Ansatz bestellt ist. Für mich also klar eine aus der Erfahrung gewachsene Bereicherung, unglaublicher Trainingseffekt auch bei eingeschränktem Aufwand.
    Daher:
    Ja.

    Nein (zumindest keine mir bekannte).

    Ich kann aber nachvollziehen, dass manche Leute hier Vorbehalte haben. Wenn ein Saxophonschüler fragt, wie man das g über dem hoch fis greift, kann ihm durchaus passieren, dass er an Stelle einer Antwort eine Ermahnung bekommt, er müsse erstmal eine Fülle komplexer Obertonübungen in langem Studium gemeistert haben, bevor er das Spielen könne, und Griffe seien relativ. Das mag ja grundsätzliche Wahrheiten enthalten, ist aber für die Motivation eine Katastrophe. Wo diese Altissimo-Alchemie beim Sax herkommt, habe ich eh nie verstanden. Bei Klarinette oder Flöte ist es selbstverständlich, dass man über das einfache Überblasen hinaus Tonumfang hat, der der nicht so leicht zu erlernen ist und etwas mit mehrfachem Überblasen zu tun hat. Altissimo zählt hier als Teil des regulären Tonumfangs. Es gibt Grifftabellen, und wenn ein Griff nicht passt, dann vielleicht ein anderer, ungeachtet der Tatsache, dass auch hier Obertonübungen das Leben erleichtern.
     
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  4. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Ja, das sehe ich auch so. Allerdings sind die Griffe da oben bei jedem Sax anders. Ja schon, wenn ich ein anderes Mundstück nehme, kann es sein, dass ich evtl die Griffe anpassen muss. Da sind die Klarinette und die Querflöte, wo die Obertöne vergleichsweise einfach sind, recht dankbar. Und somit die ganze Geschichte eher Standard.
     
  5. tunundlassen

    tunundlassen Ist fast schon zuhause hier

    was ich mich gerade frage... kann es sein, dass man auf dem Sax deutlich erfahrener sein muss, um Literatur, in der Altissimo vorkommt, spielen zu können, und dass es deshalb kaum gelernt und als etwas "professionelles" angesehen wird?
    Ich spiele weder Klarinette noch Querflöte... kommt man da früher an die ganz hohen Töne, und werden sie deshalb als "normaler" angesehen?

    In der Diskussion allgemein ist es glaube ich wichtig, zu unterscheiden. Obertonübung verstehe ich so, dass ich zum Beispiel das Tief Bb drücke, und kontrolliert die verschiedenen Obertöne, also Bb, F, Bb etc. anspiele und so meinen Ansatz und Luftführung kontrollieren lerne... Dieses Training ist hilfreich, wenn es darum geht Altissimo (auch genannt Flagolett) zu spielen, also alles was über hoch F# hinaus geht...
     
  6. Gelöschtes Mitglied 11184

    Gelöschtes Mitglied 11184 Guest

    Na, ja vielleicht muss man dann nochmal etwas mehr üben ..... Thorsten Skringer hat uns mal was vorgespielt, was für die Ohren durchaus erträglich war. Ich stellte mir sogar die Frage, warum es ein Alt/ Sopran gibt!
     
  7. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    auch auf der Querflöte und der Klarinette fängt man ja nicht gerade mit der obersten Oktave an, es ist immer etwas für den "fortgeschrittenen" Spieler.
    Schon der Erfinder des Saxophons hat den Tonumfang seines Instrumentes mit 4 Oktaven angegeben. Und frühe Virtuosen haben diesen Bereich auch genutzt. Mir ist immer irgendwie rätselhaft geblieben, wieso das dann irgendwann weitgehend auf der Strecke geblieben ist.

    Wenn du auf deinem Sopran ein mittleres C spielst, bist du in etwa schon in der Region dieses elenden Gequietsches deines Bass Saxophons ;-)

    Nochmal, dieses Training ist natürlich auch für das elende Gequietsche des Altissimo hilfreich. Aber auch und vor allem ist es auch eine hervorragende Ansatzübung für den normalen Tonumfang. Immerhin bleiben wir ja bis zum 5. Oberton (6. Teilton) im "normalen" Tonumfang.

    Es gibt immer auch alternative Möglichkeiten, viele Wege führen nach Rom, und jeder muss die für sich am besten Passende herausfinden :)

    Gruß,
    Otfried
     
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  8. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich weiß nicht, ob es auf der Klarinette viel leichter ist. Man braucht halt nur eine "dritte Lage" für knapp 4 Oktaven, da die erste und zweite schon so lang sind, das ist ein Vorteil. Beim Sax braucht man für vier Oktaven mehr als eine Altissimooktave, und das ist schon eine echte Herausforderung. Die dritte Oktave beim Sax finde ich aber nicht schwerer als die dritte Lage auf der Klarinette, vielleicht sogar leichter. Es ist nur schwieriger zu recherchieren und zu erarbeiten, weil die Griffmöglichkeiten oftmals immer noch ein bisschen Geheimwissenschaft sind. Man findet aber schon verschiedene Griffkombinationen, die z.B. auf den meisten Tenorsaxophonen unterschiedlicher Bauweise durchgehend gut funktionieren.

    Bei der Flöte weiß ich es nicht, da bin ich gesetzloser Autodidakt. Bei der Klarinette muss man aber auch ordentlich fortgeschritten sein, um passabel Altissimo spielen zu können. Das nimmt sich meines Erachtens nicht viel mit dem Sax. Ich glaube aber, dass aufgrund des spärlichen Einsatzes von Altissimo in der Saxliteratur ein Saxophonlehrer ganz ohne Altissimo seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, ohne dass es besonders auffällt. Ein Klarinettenlehrer kann das nicht, da geht es auch in der Literatur schon mal weiter nach oben rauf.

    Völlig richtig. Obertonübungen und Altissimo sind zwei paar Schuh. Es entsteht aber hier zum Teil der Eindruck, dass manche eine Aversion gegen Obertonübungen haben, weil sie denken, die seien nur zur Übung des Altissimospiels zu gebrauchen, und wenn man das nicht wolle, seien auch die Übungen nicht sinnvoll. Dabei sind Obertonübungen für mich eher sowas wie die verstopfte Nase schneuzen, bevor ich einen Hundertmeterlauf mache (und daher gut schnaufen können will).
     
  9. pth

    pth Ist fast schon zuhause hier

    Jetzt bin ich ein wenig verwirrt. Das ist doch eine grundlegende Übung mit der ich mich schon bei meinen ersten Unterrichtsstunden beschäftig habe.
     
  10. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Da hast du einen guten Lehrer gehabt, während ich als Spätstarter und Autodidakt einfach drauflos gespielt habe. In der Tat wird ein guter Lehrer von Anfang an darauf achten, dass sich kontraproduktive Spannung in Grenzen halt. Ich höre von Kollegen oft etwas anderes.....
    Andererseits wird es ein Anfänger immer schwer haben, einen Ansatz ohne Muskelanspannung zu realisieren, d.h. er braucht Kraft. Auch wenn es paradox klingt: du musst erst einmal eine Ansatz-Muskulatur entwickeln, bevor du dann "loslassen" kannst. Um ein Bild zu gebrauchen: du musst erst hinderliche Stützräder am Kinderfahrrad anbringen, die die Balance entwickeln lassen, aber das Fahren eher behindern. Wenn die Balance stimmt, geht es dann ohne viel besser.
    Noch eins: der Anfänger ist mit sooo vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt, dass er sich sich gar nicht auf so ein Detail konzentrieren kann. Die selektive Wahrnehmung muss wie der Ansatz wachsen.
     
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  11. pth

    pth Ist fast schon zuhause hier

    Das ist sicherlich richtig, aber bei vielen Anfänger glaube ich, dass sie sich überfordern. Der Wechsel zwischen Anfänger Mundstück zu einem z.B. 7 oder 9er wird viel zu schnell vollzogen. In den div. Foren wird ja oft geschrieben, dass ein guter Ton NUR mit einem offenen Mundstück zu erreichen ist. Und dann probiert der Anfänger solche Mundstücke aus und vernachlässig die Basics. Leise spielen, den Ton entstehen lassen, crescendo-decrescendo, mit EINFACHEN Obertönen beginnen z.B. Tief C greifen, hohes G erklingen lassen, umgreifen zum hohen G und mit dem gleichen Ansatz den gleichen Sound/Tonhöhe spielen, falls die Tonhöhe differiert, jetzt das Mundstück justieren. Wenn ihr es dann noch schafft, diesen Sound in eurer weiteres Spiel zu übernehmen, seid ihr ein großes Stück weiter!
     
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  12. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Hier habe ich das noch nicht gelesen, ist eben ein gutes Forum. :)

    LG Helmut
     
  13. Gelöschtes Mitglied 11184

    Gelöschtes Mitglied 11184 Guest

    Ich habe festgestellt, dass auch das Mundstück sehr wichtig ist!!! Bis jetzt habe ich versucht Obertöne mit drei vier verschiedenen Mundstücken zu spielen ....

    Selmer S80 C* - fast nicht möglich
    Selmer Solist E - klingt nicht schön
    Otto Link 6 - geht so la la (Auswahl des Blattes ist wichtig)
    Vandoren V16 T6 (Kautschuk) - Obertöne kommen fast von selbst (beim tiefen B konnte ich sofort fünf Töne spielen)
     
  14. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Musste über deine Verwirrtheit noch einmal nachdenken, lieber Peter, und hier kommt mein Schluss: Lernen ist ja kein gradliniger Prozess, sondern vollzieht sich in Spiralen oder Serpentinen, die sogar manchmal nach unten führen. Das "Enstpannen" oder "Fallenlassen" im Ansatz eines fortgeschrittenen oder erfahrenen Saxofonikers, verbunden mit der achtsamen Beobachtung und Kontrolle aller physiologischen Parameter, die den Luftstrom formen und lenken, hat nichts mit dem bewussten Entspannen des Anfängers zu tun. Wieder einmal ist dies ein Beispiel für die ständige praktische Präsenz der Dialektik: du musst erst Kraft und Druck entwickeln, um beides gezielt zu vermeiden bzw. bewusst nicht einzuetzten, obwohl die Kraft im Hintergrund stützt und hilft. Es gibt sicherlich aber auch Situationen, wo du deinen Ansatz "bis zum Zerreißen" fordern musst und trotzdem dabei die Idee der Entspannung im Hintergrund brauchst, um die Maschine nicht zu hoch zu drehen.

    Es lebe der Widerspruch und Gegensatz.
     
  15. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Zur Verdeutlichung: in diesem Video eines frühen Michael Brecker sieht man, warum sein Hals irgendwann nicht mehr wollte:



    Der Druck, den er im ersten Teil der körpereigenen Orgelpfeife entwickelt, ist brutal. Sind die Lippen ähnlich brutal angespannt? Ich bezweifle das.

    Es läuft gerade ein korresponierender Thread im gleichen Sub-Forum mit einem wunderbaren Spruch ("Als wenn man Talkumpuder von der Auflage im Bad bläst...") und einen noch wunderbareren Porträt von Big Ben.

    http://saxophonforum.de/threads/like-blowing-talcum-powder-off-the-bathroom-shelf.28476/
     
  16. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Da muss man natürlich bedenken, dass der arme Kerl an einer Bindegewebsschwäche gelitten hat, was seinem Spiel offenbar zwar keinen Abbruch tat, ihn aber doch behindert hat. Generell ist es so, dass der Druck, der im Hals aufgebaut wird, natürlich auch am Mundstück ist, und von den Lippen aufgefangen werden muss.

    Gruß,
    Otfried
     
  17. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Exakt, lieber @xcielo, und ich glaube fest, dass da die Kunst der Entspannung darin besteht, den Luftstrom mit der geringst möglichen Lippenspannung ins Mundstück und ans Blatt zu lenken. Wenn ich die Kräfte sehe, die da auf das Gewebe wirken. In der Hinsicht war er wirklich ein "armer Kerl".
     
  18. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Ich nicht.
    Die sehen richtig brutal angespannt aus. Der ganze Mundbereich bis hin zum Kinn ist da involviert.
    Auf der anderen Seite: Wenn er wirklich eine "BG-Schwäche" hatte, braucht es evtl nicht so viel um den Rachen so aufzublähen. Sieht hier jedenfalls echt gruselig aus.
    LG quax
     
  19. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Mit einem (guten) S80 C* ist es sogar extrem leicht, und auch deswegen war/ist es in Klassikerkreisen so beliebt.

    Obertöne rausdrücken ist nicht gleich Obertöne üben.
    Ein gutes Zeichen ist, wenn man Obertöne nach oben hin binden kann, z.B. ein gegriffenes tiefes Bb überblasen zu Bb1 auf ein F2.

    Habe die Ehre, Tom
     
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  20. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Und ich glaube nicht an die Kunst des Minimums. Ich habe im Yoga gelernt, dass es immer auf das richtige Maß der Spannung ankommt, ausgewogen und balanciert.

    Gruß,
    Otfried
     
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