Ohr vs. Auge beim Timing

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von altoSaxo, 28.November.2024.

  1. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Wenn das bei allen die gleiche Latenz hat (Stichwort: Proben), so ist die Welt doch in Ordnung. Den Dirigenten hört man i.d.R nicht.
     
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  2. scenarnick

    scenarnick Admin

    :lol:
     
  3. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ok, ich versuche es. Wenn ich zum Ticken einer Uhr oder zum Schlagen eines Werkzeugs an einer Baustelle Triolen oder Sechzehntel klopfe oder singe, geht das auf Anhieb und auch prompt im Wechsel.

    Mache ich es zum Blinker des Autos vor mir an der Ampel oder zum Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr, also zu einem rein visuellen Takt, dann geht es schon auch, ich brauche aber ein paar mehr Schläge, „bis ich den Beat spüre“ und komme beim Wechseln von Rhythmen leichter aus dem Takt. Ich muss mich auch konzentrieren, während ich mich beim ersten Beispiel eher konzentrieren müsste, um nicht auf dem Beat zu spielen.

    Ist das angeboren oder nur die Sozialisierung, also Training? Ich plädiere für erstes, aber ohne stichhaltiges Argument.
     
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  4. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    Es ist viel einfacher, mit den Ohren zu vergleichen, ob zwei akustische Ereignisse gleichzeitig stattfinden, als ein akustische Ereignis zeitlich mit einem optischen Ereignis vergleichen.

    Man stelle sich außerdem vor, man spielt zu einem Video ohne Ton mit. Das Ergebnis kann man wohl meistens vergessen.

    Natürlich kann es nicht schaden, neben akustischen Signalen auch optische wahrzunehmen. Aber nicht immer hat man Blickkontakt zu allen Mitmusikern. Das ist aber auch nicht das Thema, wie das Beispiel des elektronischen Metronoms zeigt. Es ging in der Fadeneröffnung um die unterschiedliche Sinnesverarbeitung und damit darum, dass das Ohr die besser geeignete Instanz ist für die Wahrnehmung und Bewertung des Rhythmus.
     
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  5. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Gewöhnlicherweise wenn es um die Fachthemen Musik geht, halte ich die Klappe und höre/lese ehrfürchtig zu), aber da fehlt mir ein Beispiel ein: Frankie Wilde, ein sehr erfolgreiche DJ von Ibiza. An der Spitze seiner Karriere ist er taub geworden und wollte nicht mehr leben. Irgendwann hat er die Möglichkeit gefunden, die Beats von dem Lautsprecher mit den nackten Füssen abzulesen / wahrzunehmen. Hat dann einige Jahre taub als DJ gearbeitet und die beste Platte seines lebens aufgenommen. Also engeboren... Hm... Ich glaube: wenn das eine nicht tut, tut s das Andere umso besser).
    Die Geschichte wurde übrigens auf faszinierende Weise verfilmt.
     
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  6. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier


    Ist vielleicht ein guter Ausschnitt, weil da auch das Visuelle mächtig im Spiel ist.
     
  7. ppue

    ppue Mod Experte

    In John Cages Orgelstück ORGAN²/ASLSP hilft das Auge im Terminkalender. Der nächste Einsatz ist am 05.08.2026.
     
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  8. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Hmmmmmm,

    eine eindeutige Entscheidung für einen der beiden Sinne kann es eigentlich nicht geben. Der Hauptorientierungssinn ist bei den Menschen unterschiedlich: bei den meisten Menschen dominiert der optische Sinn, es gibt aber auch viele, die eher akustisch orientiert sind usw. .... ich vermute, dass das bei Musiker/innen etwas häufiger ist, als bei der Durchschnittsbevölkerung. Von Menschen mit Beeinträchtigungen der Sinnesorgane wissen wir, dass man große Teile der Orientierung umtrainieren kann (Bsp. die akustische und haptische Orientierung bei Blinden).

    Wichtig finde ich den Rat von ppue, die Sinne nicht auseinanderzudividieren. Ich stelle mir grade vor, wie es wäre, nur mit akustischer Orientierung gemeinsam im Satz zu phrasieren ... ich könnte das nicht. Ohne besondere Aufmerksamkeit nehme ich doch meine Mitspielerinnen war "sehe" (ohne dass ich hingucken müsste) wo genau der Einsatz kommt. würde ich auf ein akustisches Signal warten, wäre ich zu spät..... und das klingt sch..... Das erklärt auch, warum Ottfried besser mit dem klassischen Metronom klarkommt, beim Pendel sehe ich, wann es soweit ist, bei der blinkenden LED bekomme ich nur die Information "hier wäre Dein Einsatz gewesen".

    Und noch zum Satzspielen: am besten groovt es natürlich, wenn man sich sowieso gemeinsam bewegt.


    keep swinging

    Euer Saxax
     
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  9. ppue

    ppue Mod Experte

    Genau, schön formuliert.
     
  10. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    In der Anwendung muss man das ja gar nicht. Aber fürs Verständnis kann man es schon.

    Für mich ist @altoSaxo’s Argument stichhaltig, das mit dem Spielen zum stimmen Film.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich zu Tänzern ohne Ton, selbst wenn sie präzise sind, genauso gut spielen könnte wie zu Musik bei Dunkelheit. Das heißt - zumindest für mich - der Puls kommt aus den Ohren.
     
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  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ja, beim Click reicht aber auch der Moment, ganz ohne ankündigenden Trommelwirbel.
     
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  12. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    Klar, ein Einsatz kann oft - vor allem mitten im Stück für einzelne Stimmen - nur optisch gegeben werden, weil akustische Signale untergehen oder stören könnten.

    Der Einsatz ist aber ein spezieller rhythmischer Aspekt: Es ist nur der Beginn von etwas, ohne dass Tempo, Taktart oder Mikrotiming davon betroffen sind. Bei kleinen Bands wird in der Regel der Beginn eines Stücks angezählt, oft kombiniert mit Fingerschnippen oder dem Klacken der Sticks des Schlagzeugers. Ein rein optisches Signal wird also dort also idR nicht verwendet, weil es sich offenbar bewährt hat.


    Das sehr ich ganz anders: der optische Eindruck eines Pendels ist als Timegeber völlig ungeeignet, weil das Pendel den Punkt, wo es Klick macht, in der Mittelstellung hat und sich ohne Unterbrechung hindurchbewegt. Zu einem stummen Video eines mechanischen Metronoms kann man wohl kaum sauber in time spielen. Auf die Pendelbewegung zu schauen ist völlig unzweckmäßig. Bei einem mechanischen Metronom hört man sinnvollerweise nur hin.
     
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  13. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Die ursprüngliche Behauptung in diesem Faden lautet, dass das Ohr Rhythmen besser "lesen" kann als das Auge. Die hervorragende Trennschärfe von Ohr (und Gehirn), was Zeitunterschiede betrifft, ist empirisch sehr gut belegt, wenn ich mich nicht irre.

    Dass manche Leute eher akustisch, andere eher optisch lernen, stimmt wohl auch, hat aber mit der ursprünglichen Frage nicht viel zu tun.

    Da ging es nicht darum, wie man einen bestimmten Rhythmus lernt und verinnerlicht. Sondern darum, wie man einen Puls von einem Metronom am besten übernimmt, ob akustisch oder optisch. Und da sind die Ohren wohl unschlagbar.
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Dass Musik ein akustisches Phänomen ist, scheint mir allgemein anerkannt. Sicherlich haben die Augen zuvorderst andere Aufgaben. Ich glaube allerdings nicht, dass es möglich ist, ein klassisches Streichquartett zu spielen, ohne dass sich die Mitspieler optische Signale geben.



    Ohne Augen könnten sie noch nicht einmal gleichzeitig beginnen.

    Für mich bleibt das müßig, dieses "versus". Ein Vergleich ist einfach unpassend.
     
    Zuletzt bearbeitet: 29.November.2024
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  15. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Bei großen Formationen steht vorne einer, der Tempo und Einsatz optisch vorgibt.... hat sich bewährt...und warum, weil in großen Formationen die akustischen Informationen auseinander laufen. Zum einen durch die Laufzeiten des schalls, zum anderen durch Reaktionen der Spieler. Das führt zu einer Unschärfe, die mittels der optischen Signale des Taktgebers korrigiert werden muss.
     
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  16. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    Genau, darum schrieb ich auch zu Beginn, dass bei größeren Formationen ein Dirigent notwendig sein kann.
     
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