Spielen nach Gehör.

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Alex_Usarov, 25.Mai.2025.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, das ist doch ein uralter Streit, den man in eine einfache Frage gießen kann: Muss Kunst von sich aus erklärlich sein?

    Das betrifft ja nicht nur die Musik. Um Zugang zu künstlerischem Werk zu bekommen, braucht es oft einen gewissen Grad an Vorwissen, nennen wir es Bildung auf speziell diesem Gebiet. Joseph Beuys' Fettecken kann man nur verstehen, wenn man um seine Geschichte weiß, Duchamps Fontaine (ein liegendes Urinal aus dem Kaufhaus, ein Ready Made) kann man nur kunsthistorisch verstehen. Eine Oper kann man mitunter gar nicht verstehen, wenn man nicht den Text mitliest, die Tonhöhen der Sopranistinnen lassen kaum noch Unterscheidungen zwischen den Vokalen erkennen.

    John Cages 4′33″ geht auch nicht direkt ans Herz, wirft aber ein spannendes Licht auf Aufführungspraxis und die Grundlage jeglicher Musik: die Ruhe.

    Verständnis und Unverständnis, das, was einen emotional mitnimmt oder nicht, dazu zähle ich auch intellektuellen Spaß und Anregung, setzen unterschiedliche Wissensstände voraus.

    Dazu kommt, dass ein Künstler sich natürlich bewusst entscheidet, ob er zum sonntäglichen Brunch Dixielandjazz oder im Jazzclub vor fünf Hanseln Freejazz spielen möchte.

    Dass jemand ein Solo speziell auf ein Publikum zuschneidet, ist mir aber noch nicht untergekommen. Da bin ich bei @Analysis Paralysis: auf welchem Niveau, meinetwegen auch, wie abgehoben meine Kunst ist, legt sich fast von selbst grundlegend im Laufe der persönlichen und künstlerischen Entwicklung fest.
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.September.2025 um 09:59 Uhr
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  2. Weltenbummler

    Weltenbummler Ist fast schon zuhause hier

    Ich war seinerzeit 23 oder 24J. jung und gebe wieder, was ich noch in Erinnerung habe... ansonsten antworte ich lediglich deshalb, um anzumerken, dass mir solcherlei Polemik nicht liegt! Ich bin aus dem Alter heraus, wo ich mich mit dummen Sprüchen hervor tun müsste.
     
  3. Onkel D

    Onkel D Ist fast schon zuhause hier

    Vielleicht sind wir hier schon zu spitzfindig unterwegs. Es ging ja ursprünglich um die Aussage von Joe Henderson:

    „Ich höre ein Motiv in mir und sehe, was ich daraus mache... aber immer so, dass die Leute noch folgen können, ich muss schließlich für die Band sorgen.' (finanziell).“

    Und ich finde diese Aussage nachvollziehbar und sie resoniert in mir und wie ich spiele. Jetzt muss ich vielleicht dazusagen: Hauptsächlich auf mein Geigenspiel bezogen, das ich deutlich besser beherrsche als das Saxophon, bei dem ich froh bin, wenn ich mich unfallfrei durch ein Solo hupen kann.
     
  4. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Dass Joe Henderson motivisch denkt und diese Motive entwickelt dürfte völlig außer Frage stehen.
    Und dass er nicht nur selbst vorwiegend nach Gehör spielte sondern vor allem auch lehrte, hat er in diversen Masterclasses dargelegt (eine davon ist als Bootleg auf YT „It didn‘t work that way for me.“)

    Darüber hinaus höre ich Joe Henderson aber schon eher als kompromisslosen aber melodischen Intellektuellen am Horn, der vor allem spielt was aus ihm herauskommt aber nicht, was das gediegene Publikum am lauen Sommerabend gerade gerne hören will.
    Das ist für mich ein Genuss, weil ich mir einbilde, ihn musikalischen halbwegs zu verstehen. Für andere ist das nicht so sondern übles Gedudel.
    Somit war sein Blue Note Debüt Page One sehr erfolgreich, In’n’Out, Inner Urge und Mode for Joe aber längst nicht mehr so sehr.

    Das war auch eines seiner „Probleme“ und hat dazu geführt, dass er sich beschwert hat, Michael Brecker hätte mindestens genauso viel von ihm übernommen, wie von Trane, hätte aber immer nur Trane als Einfluss genannt. Er selbst war eher selten Leader und häufig als Sideman gebucht.

    In other words: es fehlte ihm der kommerzielle Erfolg, den andere seiner Generation hatten.
     
  5. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Ist ja Goldig...
    Fantastisch seine Interpretation vom Monk. Und endlich eine Erklärung des Turnarounds, die man auch versteht.
     
    Analysis Paralysis gefällt das.
  6. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Larry Goldings ist großartig.
    Ich tu mir allerdings schwer den Hans Groiner auszublenden, wenn er wirklich Musik macht.

     
    Wanze gefällt das.
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