Übeplan - ist der notwendig?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von GelöschtesMitglied11524, 4.Januar.2020.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, leider ist das langsam Lernen in der Pädagogik nicht zu finden. Dabei ist es dem schnellen, effektiven Lernen sicher in vielen Bereichen überlegen. Tolle Ansage an die Lehrerin deinerseits.
     
  2. Claus

    Claus Mod Emeritus

    In dem Fall wäre es nur schnelles Lernen, aber eben nicht effektiv...
     
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  3. Grammatico

    Grammatico Nicht zu schüchtern zum Reden

    ...interessanter Punkt: Was ist effektives bzw effizientes Lernen ? Ist Nachhaltigkeit im Sinne von Langfristigkeit des Lernens ein Faktor ? Ist Kombinationsfähigkeit des Gelernten in weitere zusammenhänge einer ?
    Ich denke, dass Erwachsenen angemessene Lernwege anderen Regeln folgen, als die von Kindern. Nach meiner Erfahrung mit dem Musiklernen ist es (zumindest für mich) sehr wesentlich, den Sinn dessen zu verstehen, was ich gerade lerne und eine Verbindung dazu herzustellen, was ich interessant daran finde. Ich finde es zB völlig ok monatelang jeden Tag den Quintenzirkel auf und ab zu dudeln, weil ich glaube, dass die Skalen eine hilfreiche Grundlage für das Verständnis der "Sprache" Musik sind. Eigentlich eine sehr monotone Übung, aber durch den Sinn macht sie Spaß.
     
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  4. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Das sind zwei völlig unterschiedliche Begriffe.

    Im gegebenen Kontext verstehe ich unter "effektiv" auch nachhaltig. Das bleibt aber beim schnellen Lernen - insofern hat @ppue Recht - gerne mal auf der Strecke.
     
  5. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Übeplan... das fehlte mir gerade noch!

    Ich habe keinen regelmäßigen Unterricht (obwohl mir das nicht schaden würde) und keinen „Übeplan“ weil ich - als reiner Amateur und berufsbedingt ohne ausreichende Regelmäßigkeit nicht die geringste Lust verspüre, mir auch noch beim Tröten einen Plan zu machen. Wenn ich einfach rumdudeln will, will ich einfach rumdudeln.

    Trotzdem gibt es eine Menge Sachen, die ich gerne können würde - also arbeite ich daran. Nicht verbissen aber so konstant, wie es meine Zeit erlaubt.

    Ich versuche aber auch so viel wie irgend möglich von Workshops und Coachings usw. mitzunehmen. Von einer knappen Stunde mit Thorsten Skringer, einem langen Wochenende mit Fiete Felsch und auch dem „Donna by Starlight“ und der „Medication“ von @Juju s Göga (dessen Gig im Birdland mein Live-Highlight 2019 war) zehre ich dann monatelang und gehe immer wieder darauf zurück.

    Und: ich nehme mich auf und höre selbstkritisch, was ich so mache. Au Backe!
    Da brauch ich keinen Plan, da habe ich einen. Alle vier Takte einen neuen.
    Immerhin klinge ich nicht wirklich so sch**** wie über meine alte Kette Rode NT1 / Steinberg UR44 / Cubase. (An der Neuen schraube ich gerade herum - klar wäre Üben besser...)

    LJS

    PS: Effizienz und Effektivität - ach ja! Fängt beides mit „Eff“ an... ;-)
     
  6. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Ein in der Tat sehr interessanter Thread, weil ich doch viele Aspekte wiederfinde, die mich bewegen, und für die ich stellvertretend drei SPIELERTYPEN mit und ohne Plan skizzieren möchte (es gibt tausend andere, ist mir klar)

    1. AMATEUR ohne Ambitionen (so wie ich)

    Für mich beginnt der Gedanke an die Notwendigkeit eines Übungsplans mit der Frage, was ich überhaupt will. Als Späteinsteiger und alter Sack im Verbund mit einer nicht gerade superschnellen Auffassungsgabe und einem ungemein schlechten Kurzzeitgedächtnis verliere ich unweigerlich meine Lust am Spiel, meine Spiritualität, die ich zwingend beim Spielen von mir und dem Instrument einfordere, wenn ich mechanisiere, Abläufe probe, die nichts mit Musik zu tun haben sondern mit etwas, das die Lernpsychologie als "deferred gratification pattern" ("Belohnungsaufschub") bezeichnet. Dieses Pattern ist EIN Prinzip der Erziehung in der westlichen Hemisphäre: jetzt verzichten, jetzt arbeiten, die Belohnung kommt später; "es muss nicht mit Lust verbunden sein, die Lust kommt später".

    Später? Ich werde dieses Jahr 70, und ich will die Lust jetzt, und deshalb habe ich keinen Plan und picke hier und dort. Wenn mir etwas gefällt, bleibe ich dabei, ansonsten ziehe ich weiter. Wenn ich mit Freude spiele, gelingt mir viel mehr und meine Seele schwingt mit. Dabei hilft mir mein immer noch wachsendes Interesse an Musiktheorie und vor allem an Klassischer Musik.
    Aber: wenn ich morgen in einer Combo spielen sollte, die mich anfixt und mit der bzw. in der ich wachsen will, würde ich mit Sicherheit plötzlich disziplinierter üben und mir einen Plan aufstellen, der meine Fortschritte kontrollierbar macht. Man will ja die Kollegen nicht enttäuschen oder gar hängen lassen. So bleibt es bei Stücken, die meinen inneren Schweinehund in den A.... treten, z.B. "Donna Lee" von Bird oder "Resolution" von Trane. Da kann ich dann eine Zeit lang reinhängen, bis ich merke, dass es zu mechanisch wird. Dann kommt wieder etwas anderes an die Reihe, dass mir gerade "vor die Flinte läuft", z.B. ein Titel im TOTM Jazz.
    Ich hatte mal eine Stunde bei dem Kölner Tenoristen Matthew Halpin, der mir sagte, dass man nur das spielen sollte, dass man ganz bewusst abliefert, also nicht fahrig und ohne Konzentration. Manchmal fange ich auf irgendeinem Ton an und denke mir dann eine Melodie im Kopf aus, die ich nachspiele, manchmal spiele ich Melodien und Themen von Bach (z.B. aus dem Violinkonzert in D-Moll) auf allen 12 Grundtönen, egal wie oft ich aus der Kurve fliege. Mir macht das einfach Spaß, und deshalb mache ich es. Ich denke nicht an einen Übeplan dabei.

    Ich glaube, dass bei einem jungen Spieler tatsächlich die Lust über die Disziplin kommen kann, und dass es einem ehrgeizigen jungen Spieler wirklich Lust bereiten kann, mit einem konsequent eingehaltenen Übeplan zu arbeiten. Nehmen wir z.B. diesen jungen Spieler, der die zweite von den "12 Contemporary Jazz Etudes" von Bob Mintzer spielt ("Play Pretty"):



    Der ist früh dran mit den Basics. Hat er Spaß? Kann ich schlecht beurteilen, aber ohne wäre er vielleicht in seinem Alter nicht auf diesem Stand.

    Ich spiele diese 2. Etüde im Moment, weil ich auf den Palm Keys einfach besser ("pretty") klingen möchte. Habe ich einen Plan? Nein. Ich habe nur gemerkt, dass es für verschiedene Probleme in meinem Spiel Melodien gibt, die mich weiterbringen. Ich muss diese Etüden gar nicht "perfekt" spielen, für mich sind es Momentaufnahmen.

    2. AMATEUR mit Ambitionen und Zielen, z.B. halbprofessionell oder in renommierten Amateurorchestern mitspielen zu können

    Spieltechnik, Theoriewissen und Geläufigkeit verlangen m.E. hier nach einem Übeplan und einer Begleitung durch einen Coach, sonst wird die Entwicklung irgendwann stagnieren.
    Der Weg ist die ehrliche Erkenntnis und Akzeptanz der eigenen Unzulänglichkeiten und die Arbeit zusammen mit einem Coach, sie zu überwinden. Das ist ein lebenslanger Prozess, der immer zwischen Lust und Frust, Gelingen und Scheitern pendeln wird. Ernsthaftes Interesse an Musik, Ehrgeiz und Leidensfähigkeit verlangen geradezu nach einem "Plan", ohne ist man unzufrieden, weil man sich verliert bzw. nicht weiterkommt.

    3. PROFESSIONAL, der seine Existenz und sein Einkommen von der musikalischen Tätigkeit abhängig machte bzw. es zumindest versuchen möchte

    Kann eigentlich nicht mitreden, bin aber ziemlich sicher, dass es heutzutage, wenn ich mir die Situation an den Musikhochschulen anschaue, nur über die Hingabe an einen Übeplan und, zumindest in jungen Jahren, tägliches mehrstündiges konzeptuelles Arbeiten geht. Ich glaube, das geht nur wirklich gut, wenn man sich das Ziel und seine Anforderungen ständig bewusst macht und dafür konsequent arbeitet.
    Beispiel: ich bin zeit meines Lebens immer ein schlechter Blattspieler gewesen. Ein Tonmeister beim WDR (damals arbeitete ich Student dort als Assi) erzählte mir, dass er wegen seiner miesen Blattspiel-Qualitäten fast aus der Klasse an der Hochschule geflogen wäre. Er hat sich über ein halbes Jahr jeden Morgen durch Choralvorspiele von Bach, bearbeitet für Piano, gequält, hat nie etwas zweimal gespielt, immer mit Metronom, erst ganz langsam, dann mit Temposteigerung, bis sein Blattspiel akzeptabel war. Diese Konsequenz braucht es, wenn man z.B. ein Studium erfolgreich absolvieren möchte. Da ist ein Übeplan ein Muss in meinen Augen, weil man z.B. als Saxofonist, der später in Bigbands spielen möchte, weiß, dass Blattspiel unverzichtbar ist.

    Fazit: ich spiele ohne Plan, kann es mir aber auf Grund meiner Situation und meines "Ziels" leisten.
     
  7. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @henblower

    Das finde ich gut geclustert! Wobei es sicher unterschiedliche
    Ausprägungen gibt.

    Ich bin ganz klar Typ 1, wobei ich zu Beginn etwas anders vor gegangen bin.

    Als blutiger Anfänger, ohne Vorkenntnisse, mit Anfang 50, war mein Ziel mindestens ein Niveau zu erreichen, was man „Saxophon spielen nennen kann“. Also Stücke vortragsreif zu spielen, ohne dass das Publikum wegläuft, in einer Band spielen, mit dieser auftreten (wobei ich zu Anfang gar nicht wagte an eine Band zu denken, das ergab sich fast von alleine).

    Dazu habe ich systematisch und mit Übeplan und Lehrer fast täglich geübt.

    Heute mache ich es eher wie Du, arbeite an Baustellen, die sich aus dem Bandkontext ergeben, erarbeite mir in diesem Zusammenhang neue Stücke.

    Meine grundsätzlichen Baustellen kenne ich, auch daran arbeite ich, wohlwissend, dass die Fortschritte jetzt langsamer kommen.

    Klar werde ich auch noch besser, weiß aber, dass es Levels oder Dinge gibt die ich in diesem Leben nicht mehr erreichen werde.

    So what....

    Insgesamt bin ich mit meinem Saxspiel im reinen.

    CzG

    Dreas
     
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  8. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Das ist für mich schon ein Plan ;-)

    Ich lerne einfach gerne neue Dinge, und das macht mir beim Saxophon besonders viel Spaß. Wenn ich dann Erfolg dabei habe, freue ich mich umso mehr.
    Momentan z.B. Gehörbildung. Macht mir gute Laune ...und ich weiss nichtmal wofür ich das dann später genau anwenden kann. Wahrscheinlich überall.

    Und Songs spielen auf die ich dann Bock habe, geht dann plötzlich ganz leicht. Mit entsprechender Schwierigkeitsstufe natürlich ;-)

    Und dann bin ich von den Fortschritten manchmal sehr überrascht. Zuvor habe ich geglaubt, dass man das gar nicht lernen kann oder ich kann das nicht lernen, und dann geht's auf einmal.
     
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  9. Grammatico

    Grammatico Nicht zu schüchtern zum Reden

    ...hier im Forum (oder zumindest in diesem thread) scheint ein Lerntyp: sich selbst steuernder und motivierender, entdeckungslustiger Freigeist gut vertreten zu sein. Ein Traum für jeden Lehrer, oder :) ?
     
  10. RomBl

    RomBl Guest

    @henblower
    Das hat Du in Deinem Post sehr schön aufgearbeitet :).

    @Dreas hat sich als Typ 1 geoutet.
    Ich für meinen Teil würde mich zu Typ 2 zählen wollen, da ich die Sache doch schon mit einem gewissen Ehrgeiz betreibe - ich arbeite viel daran und merke immer noch, dass es gut voran geht. Und ja, ich habe nach gut 7 (oder sind es 8) Jahren Spielen immer noch (nahezu) wöchentlichen Unterricht bei einem mich echt fordernden Lehrer und muss struktiert üben, sonst bekomme ich das alles nicht in die Finger bzw, die Birne.

    Ob das mit dem "renomierten Amateurorchester" noch klappt, müssen wir mal schauen :D.
     
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  11. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Mit Sicherheit "eine Art Plan", dem ich mich aber nicht unterwerfe, sondern es mir jederzeit gestatte auszusteigen, und das macht für mich den Unterschied. Wenn jemand z.B. mit einem Übeplan jeden Tag zu Beginn 10 Minuten konsequent long tones spielt und davon nicht abweicht, also in etwa einem "Übungs-Stundenplan" folgt: so etwas ist in meinen Augen ein Plan.
    Ein Forent fragte mich per PN, was ich unter "Spiritualität" verstehe in meinem Spiel. Ich habe ihm dies wörtlich geantwortet und zitiere mich selber:
    " Musik ist für mich Transzendenz, ein Verlassen des banalen irdischen Gebundenseins an physiologische Prozesse. An guten Tagen wirkt der Klang des Instruments auf mich zurück und lässt mich meine Seele spüren."
    In diesem Sinne ist Musik für mich etwas "Heiliges", und ich versuche wirklich, immer so zu spielen, dass es mir Freude macht und mich berührt. Das Non-Plus-Ultra denke ich mir als die "Quadratur des Kreises", wenn es einem Spieler gelingt, diese Spiritualität auch bei "Quälerei" und eiserner Disziplin zu empfinden und immer musikalisch, also nicht mechanisch zu spielen.
    Auch nach ca. 10 Jahren Saxofon ist es bei mir so, dass ich das Instrument ansetze, den ersten Ton höre und merke, dass ich immer noch und immer wieder verliebt bin.
     
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  12. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Weil ich grade lese, "jeden Tag zu Beginn 10 Minuten konsequent long tones spielen"
    Mir ist vor einigen Wochen das Heftchen von Jackie McLean: Daily Warm-Up Exercises
    per Zufall ins Haus geflattert und meine Erfahrung ist.
    Solche täglichen Aufwärmübungen (bei Sportler gehts gar nicht ohne) machen viel Sinn und auch Spaß.
    Und seitdem flutscht's auch besser mit den eigentlichen Stücken danach.
    VG
     
  13. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    @henblower

    Okay, das klingt doch gut.

    Aber ich verstehe nicht warum grundsätzlich die Annahme zu gelten scheint, dass Plan = Zwang unter Ausschluss von Spass ist.
     
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  14. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Und ich glaube das kann man nicht trennen. Musikalität erklingt doch auch erst durch die erlernte Mechanik. Nicht nur, aber eben zum großen Teil.
    So ist zumindest meine Erfahrung bisher.
     
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