Vom Blatt lesen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von altomania, 20.November.2022.

  1. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Wenn du verschiedene musikstile mal als unterschiedliche Sprachen oder Dialekte betrachtest, dürfte klar sein, dass hochdeutsche aussprache, Satzbau und sprachrythmus sich nicht 1:1 übertragen lassen sondern entsprechend immer wieder neu gelernt werden müssen. Es ist auch klar, dass gewisse "Sprachen" angenehmer weil näher an der "Muttersprache" sind, andere nicht und daher schwieriger zu lernen sind, intensiver geübt werden müssen. U.U. gibt es auch Sprachen, die einem nicht liegen, und mit denen man zeitlebens Schwierigkeiten hat.
    Trotzdem, üben hilft, zuhören, wie andere das machen, richtig gut funktioniert bei mir mitlesen, wenn andere spielen, und dann ab ins kalte Wasser und machen. Es braucht Zeit und Geduld. So lerne ich gerade spanisch, einfach machen, zuhören, versuchen zu verstehen, lesen, versuchen, sich auszudrücken, korrigieren lassen... und noch mal.
    Ich habe auch jahrelang ausschließlich nach "klangspeicher" gespielt. Eine Phrase konnte ich nie vom Blatt lesen, einmal gehört war es kein Problem mehr. Ist immer noch so, aber dadurch, dass ich jetzt viele Phrasen kenne, auch Phrasen gezielt erarbeitet habe (jetzt kommt wieder bumcke-Schule, stink langweilig, aber voll von Phrasen), konnte ich tatsächlich jetzt 2 dutzend Stücke für eine Messe einfach vom blatt spielen. Ich kannte die Stücke nicht, bewege mich in dem genre überhaupt nicht, die sind auch nicht sehr schwer, aber es ging.
    Also Geduld und immer wieder üben, den "Wortschatz" erweitern und irgendwann platzt der Knoten....
     
  2. ppue

    ppue Experte

    Zuletzt bearbeitet: 20.November.2022
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  3. JES

    JES Gehört zum Inventar

    @ppue

    Grundsätzlich gut,
    ABER ein Anfänger braucht da schon Hilfe. Gerade 1/8 Pause am taktanfang ist gemein, wenn es sowieso schon knirscht. Lässt du dir das aber vorspielen, ist der lerneffekt weg.
    Übst du das richtig langsam, kommt der Fluß nicht auf, zu schnell überfordert einen Anfänger ganz schnell.
    Bei mir hat so etwas auch eine Weile gebraucht, bis ich einfach "ghostnotes" gespielt habe. Ich habe eben einen ton auf 1 gedacht, nicht gespielt, und habe das Problem auf eine phrase zurückgeführt, die ich schon konnte.
    Ich weiß nicht, ob und welche Hilfen das buch gibt, aber was für dich heute einfach ist, ist für andere nicht trivial.
     
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  4. altomania

    altomania Ist fast schon zuhause hier

    Jop. Genau so sieht es bei mir aus. Mitspielen bekomme ich recht schnell hin, vor allem, wenn ich das Arrangement vorher z.B. auf Youtube anhöre, am besten so, dass ich es komplett im Ohr hab, dann kann ich es meist auch spielen...außer irgendwelche Läufe oder Stellen, an denen es grifftechnisch schwierig ist, die muss ich dann einzeln üben.
    Einfache oder Big Band typische Phrasen funktionieren auch ganz gut. Schwierig wird's jetzt mit dem Bari z.B. im Quartett, wenn ich keine Möglichkeit habe, mir das Stück vorher anzuhören oder mich -wie in der Big Band - als Alt 2 einfach ans Lead Alt dranhängen kann. Dann krieg ich selbst leichte Stücke nicht hin. Aber ihr habt hier ja einige Tipps gegeben, die ich mir mal zu Herzen nehmen werde, Danke schon mal dafür!
     
  5. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Vielen Dank, @bebob99 !

    Ich merke gerade, dass dieses Buch (von mir gibts ja auch noch einige andere, nicht nur über Musik ...) schon seit 10 Jahren auf dem Markt ist. Für mich eine Gelegenheit, ein bisschen Bilanz zu ziehen.

    Ich bin von der Methode immer noch überzeugt, sogar ein bisschen stolz darauf. Ich hatte ja alle anderen verfügbaren Rhythmusschulen analysiert. Aber keine ist wirklich systematisch und komplett (im Sinn, dass alle möglichen Rhythmusmuster abgedeckt sind). Die von @Sebastian empfohlenen Etüden von Lipsius sind nett. Deutlich besser und anspruchsvoller finde ich allerdings die 3 Bände von Lennie Niehaus (aufbauend von leicht bis schwer). Aber das sind halt längere Etüden, die man spielen kann, wenn man es eben kann. Wie man das aber von Grund auf lernt, wird damit nicht vermittelt. Und auch nicht die Sicherheit (die mir als Wissenschafter wichtig ist), dass das jetzt "alles" ist (aus einer leicht definierbaren Grundmenge).

    Ob die Methode für jeden funktioniert? Das kann ich nicht garantieren. Wer eine schnelle Lösung des Problems ("ich kann keine komplizierten Rhythmen vom Blatt spielen", siehe ersten Post dieses Threads) sucht, wird vielleicht enttäuscht sein. Man muss sich schon darauf einlassen, ein paar Wochen (ein paar Monate braucht es nicht ...) konsequent damit zu üben. Leider treffe ich immer wieder OrchesterkollegInnen, die nach Jahren immer noch sagen "das mit dem Rhythmus kriege ich nicht gebacken ...". Aber sich ein paar Wochen dranzusetzen tun sie halt nicht ...

    Vermutlich spricht die Methode (oder auch meine Darstellung von ihr) besonders Leute an, die ein bisschen mathematisch begabt sind. Für die ist es offensichtlich und logisch (wurde mir auch mehrfach so bestätigt). Es geht halt um das Erkennen und Systematisieren von Mustern. Wem das alles zu abstrakt ist, der muss halt weiter Trial-and-Error und Learning-by-Doing praktizieren.
     
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  6. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das ist genau der Punkt.
    Wenn Du Dir unter dem Fliegenschiss was Genaues vorstellen kannst, hast Du gewonnen.
    Ich bin jetzt 3 Jahre vor der Pension als Lehrer, und ich hab es leider nicht geschaftt, meine Schüler in die Richtung zu bewegen, die Vorstellung eines Kindes, was es da tut, ist wahrscheinlich eine andere .-)

    Beispiel: Wir spielen ein einfaches Stück, Schüler macht einen Fehler. Ich spiele die Stelle richtig vor, bitte den Schüler, es von dort noch einmal zu versuchen.
    Schüler sieht mich mit großen Augen an und fragt: Wo ist das?

    Es gibt da sicher noch Bessere als mich, aber in dem Moment, wo ich die Noten sehe, höre ich, wie das gemeint ist - und kann es (so es technisch nicht zu schwierig ist) auch spielen.
    Insoferne bin ich auch nicht ganz sicher, inwieweit völlig "trockene" Rhythmusschulen helfen. Allenfalls ohne Instrument.
    Ich hab das früher für mich verwendet:
    upload_2022-11-20_21-47-35.png

    Für iOS gibt es eine tolle App um Rhythmen zu üben, die nennt sich ReadRhythm.


    Grüßle, Ton
     
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  7. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ja, das ist eine "völlig trockene".

    Ich behaupte mal, dass man sowas heutzutage keinen Schülern mehr zumuten darf. Wo kämen wir denn da hin??
     
  8. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Naja ... "Vom-Blatt-spielen" bedeutet eigentlich, Stimmen spielen zu können, die man noch nie gehört hat.

    Wenn man etwas spielt, das man "im Ohr" hat, dann spielt man nach Gehör. Auch toll. Aber etwas anderes.

    Das Problem beginnt in dem Moment, wenn im Orchester ein neues Stück aufgelegt wird. Und einige spielen halt ihre Stimme so, wie sie sie "im Ohr haben". Und nicht so, wie es da steht ...
     
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  9. ppue

    ppue Experte

    Das ist gemein, genau. Und daher steht es in Zeile 1B in Halftime. In Halftime kannst du es spielen und beschleunigen und bald auch im Alla Breve spielen, also auf Halbe zählend. Und schwups, spielst du nichts anderes als 1A.

    Das baut Angst ab, du verlierst deine Schwierigkeit mit den Achteln und Sechszehnteln, begreifst, dass es nur ein anderes Bild für das gleiche Pattern ist.
     
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  10. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Ich sollte letztens das 2. Alt in der Band spielen. Spontan.
    Habe dann die 2. Stimme vorgelegt bekommen. Wenn ich es nicht gehört habe, dann brauche ich 5 Minuten um einfache Noten einmal durchzuklatschen/singen whatever. Meist erschließt sich mir dann wie es klingen soll.
    Ging dann aber zu flott weiter, es wurde mir kurz vorgespielt und dann war es eh wieder nach Ohr.

    Nach Ohr spielen scheint ja sehr verbreitet zu sein. Ich bin auch eher der Ohr-Typ.

    Die Noten in meiner Klavierschule habe ich wirklich gelesen, das sind aber nur Viertel/Halbe/Ganze. Danach hab ich angehört wie es klingen soll (ich fand es vorher aber schon schlüssig). Und tadaaa: es passte.
    Also...ich kann das vom Blatt spielen. Wenn auch auf einem sehr niedrigen Niveau. Aber wird :)
     
    Zuletzt bearbeitet: 21.November.2022
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  11. sanne83

    sanne83 Ist fast schon zuhause hier

    Ich kann schon vom Blatt spielen, quasi lesen. Aber nicht auf Anhieb flüssig. Das funktioniert bei einem Fachbuch ja auch nicht immer gleich und manchmal muss ich nen Absatz 2x lesen.
     
  12. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Wenn du es erkennst, ja, und wenn es methodisch zu deiner Art zu erkennen und zu übertragen passt.
    Du kannst aber nicht davon ausgehen, dass es bei jedem so funktioniert. Ein Versuch ist es sicher wert.
     
  13. swingwas

    swingwas Schaut nur mal vorbei

    Wenn ich meinen Senf dazu geben kann:
    Ich kann halbwegs vom Blatt lesen (komme vom Klavier), aber ich tue mir auch mit dem Rhytmus schwer, wenn es nicht standard Klassik ist. Als Kind habe ich zählen gehasst.

    Seit 2 Wochen habe ich mir einige Apps angeschaut. Perfect Ear hat zwar nicht so gute Theorie Erklärung, aber der Rhytmus Trainer scheint mich weiter zu bringen. Später habe ich noch eine andere App ausprobiert, aber sobald Tonhöhen dazukommen, wird es für mich komplexer. Also für mich finde ich klopfen (Perfect Ear) ganz gut.
     
  14. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Spielt das eine Rolle? Ganz so einfach wird es wohl nicht sein mit so vielen Kreuzen und Bs und Synkopen. Das findet man kaum in Musik für Anfänger, würde ich sagen.

    Dennoch ist es für mich auch dasselbe. Ich kann gut vom Blatt spielen, konnte ich immer, aber wenn es ein schwieriger Rhythmus ist, steige ich auch irgendwann aus. Dann muss ich mir das erstmal genauer ansehen oder am besten direkt anhören. Ich trage mir die Noten dann in MuseScore ein und lasse sie mir von MuseScore vorspielen, um den genauen Rhythmus rauszufinden. Wenn man kein Profimusiker ist oder jeden Tag 14 Stunden übt wie Charlie Parker, hat man das einfach nicht so im Ohr. Oder in den Augen, wenn man es als Noten geschrieben sieht. Je mehr ich spiele, desto mehr kommen auch schwierigere Sachen automatischer, aber hundert Prozent wird es wahrscheinlich nie sein.

    Wobei ich es bei Klassik auf dem Klavier fast einfacher finde. Da unterstützt die linke Hand die rechte Hand, denn der Rhythmus muss ja zusammenpassen. Mit dem Saxophon ist man da immer sehr einsam, weil man nur eine Note auf einmal spielen kann. Man kann nicht schnell mal einen Akkord darunterlegen oder irgendwas. Mit iReal oder so natürlich schon, aber nicht selbst mit dem eigenen Instrument. Das erschwert die Dinge. Aber zum Schluss ist alles Übungssache.

    Mit den Apps habe ich immer so meine Probleme. Das spiegelt nicht wirklich meine Situation wider, wenn ich spiele. Aber wahrscheinlich können sie auch hilfreich sein. Muss ich noch mal ausprobieren. Bisher habe ich mich da nie reinvertieft, weil mir das zu einfach erschien. Aber vielleicht gibt es auch Apps, die schwierigere Aufgaben stellen. Wo man wirklich etwas lernen kann.
     
    Zuletzt bearbeitet: 21.November.2022
  15. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Na sicher spielt das eine Rolle.
    Es ist ein Unterschied ob Du es technisch nicht lesen kannst, nicht die saxophonistischen Tools hast, oder ob Du rhythmisch nicht so gefestigt bist es zu bewältigen.
     
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  16. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich wiederhole mich (gerne) nochmal mit meinem Einwand und gehe damit hoffentlich niemandem auf den Senkel.

    Ich seh es analog zur Alphabetisierung bzw. zum Schrifterwerb. Mustererkennung (= Worte als Ganzes sehen) ist wichtig, kommt beim echten Schrifterwerb aber erst, nachdem man buchstabieren und entziffern gelernt hat. Und das kommt durch Übung beim Lesen und Schreiben dann nahezu von selber.

    Muster bzw. Worte erkennen, bevor man korrekt buchstabieren und entziffern kann ist die Strategie, die Vorschulkinder und Analphabeten anwenden. Man kommt damit zu schnellen kleinen Erfolgen. Aber unbekannte Wörter kann man nicht flüssig lesen und scheitert damit jedesmal aufs Neue. Und so klingt mir das gängige Problem, das viele haben.

    Deswegen klingt für mich das Üben von Patterns mit Apps nach dem Motto Vor- und Nachklatschen nach einer (relativ effektiven) Problemverschiebung, sofern die Wahrnehmung reicht, zu erkennen, ob man es richtig nachmacht.

    Patterns hören und aufschreiben, wäre die echte Lösung im Selbststudium, Patterns lesen und klatschen die Alternative, die meines Erachtens dann eine unabhängige Kontrollinstanz braucht, d.h. Lehrer (aber vielleicht können das auch manche Apps).

    Ich glaube auch, dass alle Leute, die ich kenne, die hin und wieder selber Noten aufschreiben, relativ gute Blattleser sind.

    Meines Erachtens ist ein Schlüssel zum Erfolg daher auch ein Stift, ein Notenblock und eine Projektidee, z.B. einem Schlagzeug-Groove einer Lieblingsaufnahmen notieren, ein Swingthema, ein Bebopthema, ein Salsathema, etc. Geht nachts im Bett mit Kopfhörer, macht keinen Lärm, bringt trotzdem was.
     
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  17. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Ich glaube, dass @ppue so als ehem. (?) Saxlehrer da schon eine gewisse Nahbereichsempirie hat um sagen zu können, ob diese Methode bei den meisten funktioniert oder nicht.
     
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  18. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Der Viola ist super - alle 3 Bände.
    Aber das ist Konservatoriumsniveau.

    Eine Möglichkeit, die Patterns zu lernen, die im Jazz (Swing, ein wenig Latin und Jazzrock) verwendet werden, ist "Reading Jazz" von Jaques Rizzo.
    Die Patterns werden mit "Scatübungen" ("Preliminary Exercises") und dann Duetten geübt, wo hauptsächlich dieses Pattern vorkommt.

    https://www.amazon.de/Reading-Jazz-Method-Learning-Written/dp/0769214258
     
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  19. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    was für ein schönes Wort…! :hammer:
     
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  20. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Genau hier liegt der Fehler es immer im Ohr haben wollen, das ist aber gar nicht möglich. Man muss auch lernen Noten zu lesen, ohne daß man sie im Ohr hat, nicht immer gibt es Aufnahmen, nicht immer hat man die Zeit es irgendwo einzuprogrammieren um es sich vorspielen zu lassen und häufig genug gibt es bei einer Probe neue Noten und was dann? Man muss lernen Rhythmen zu lesen und Tonhöhen schnell zu erkennen und das zu den laufenden Vierteln, ansonsten hat das mit Blattspiel nie was zu tun und macht jedes Mitspiel in Orchester oder Big Band zu einem sehr sehr aufwendigem Projekt.

    Das hängt doch aber stark vom gespielten Stück ab. Da gibt es so viel unterschiedliche Literatur, die dem widerspricht was du sagst.........


    Was erschwert das?
     
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