Vom Blatt spielen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von GelöschtesMitglied4288, 22.September.2015.

  1. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    In den 40 Jahren, die ich mit Gitarre oder Bass auf Bühnen stand, brauchte ich mich um Notenwerte nie zu kümmern.
    Nur um die Tonart. (Macht im Zusammenspiel Sinn, wenn alle in der gleichen Tonart spielen :) )

    Als Mitglied von diversen Coverbands hatte ich die Titel im Kopf und spielte sie so, wie ich sie fühlte.
    Mit dem Saxophon bin ich genauso vorgegangen. Noten waren lediglich ein "Geländer", an dem ich mich entlang hangeln konnte.
    Das ging so lange guit, wie es bekannte Titel waren, die ich spielte.

    Stress fühlte ich jedes Mal, wenn ich mich bei einem Workshop bei der Ensemblegruppe einschrieb.
    Nicht nur, dass mir die Stücke völlig fremd sind, nein, da spielen ja noch ein paar andere die gleiche Stimme wie ich.... :eek:
    Alleine könnte ich mich ja noch durchmogeln :rolleyes:

    Und weil ich eben nicht nur bekannte Stücke nach Gefühl dudeln möchte, nehme ich jetzt wieder Unterricht.
    Beim besten und geduldigsten Saxophonlehrer auf diesem Planeten.

    Vor ein paar Wochen begannen wir quasi bei Null. Mit Niehaus, 10 easy Jazz Duets La Porta etc.

    Mich fordert das. Aber gleichzeitig macht es mir auch viel Spaß und bringt mich in meinem Spiel ganz sicher ein Stück weit weiter.

    LG Bernd
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 23.September.2015
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  2. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Ich wähle einfach andere Töne als die gesungenen . Meistens mit größeren Intervallen als vorher. Ist aber auch egal im Prinzip.
     
  3. Zweistein

    Zweistein Schaut öfter mal vorbei

    In Workshops, in denen ich teilgenommen habe, wurden neue oder zumindest nicht auf Anhieb bekannte Stücke gern zunächst rhythmisch erarbeitet, d.h. der Dozent ließ zur allgemeinen Erheiterung das Notierte einfach mal klatschen oder - noch viel unterhaltsamer - summen. Wobei Tonhöhe wurscht war, wir sollten ja _spielen_, nicht singen. Nach anfangs irritierten Blicken klappte das schnell ziemlich gut. Wenn man das öfter macht fällt es - sofern man nicht zu starke Genre-Sprünge macht - immer leichter.
    Böse ist, wenn man z.B. gerade 2-3 Swing-Stücke durch hat und den Leuten dann ein Latin-Stück hinknallt - da kommt alles raus, nur kein Latin.
    Aber man _kann_ das lernen. Bei Lernresistenz finde ich persönlich allerdings nichts verwerfliches an ein- oder mehrmaligem Vorspielen des Stückes, gern auch anschließendes Begleitspiel zur Aufnahme (kein reines Background-Playalong). Ich bin selbst bekennender Noten-Legastheniker (naja, es wird, aber die Signallaufzeiten zwischen Notenblatt und Fingern sind schon teilweise erschreckend) aber mit der Methode kommt man auch in schwierigere Stücke nach kurzer Zeit passabel rein.
     
  4. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    Oh das warst Du aber eine sehr konservativer Gitarrist :p:duck:
     
  5. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Klatschen und singen ist auch gut, sehe ich auch so.
    Ja, das geht auch, aber da tanzt man ewig auf der gleichen Stelle. Mir bringt das langfristig keinen Spaß, weshalb ich versuche, andere Wege zu gehen, damit es dem Schüler dann doch hilft. Ich merke, dass die meisten Angst haben, sich zu blamieren. Da setze ich an und versuche es, in so kleinen Einheiten zu präsentieren, dass diese Empfindung erst gar nicht entsteht.
    Uns ganze Stücke heraushören, mache ich aber auch viel. Dann gehen wir allerdings den umgekehrten Weg und versuchen je nach Lust und Laune, ein paar Takte zu Papier zu bringen.Das ist dann oft abenteuerlich...:barefoot:
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 3.Oktober.2015
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  6. philipp_b

    philipp_b Ist fast schon zuhause hier

    Manchmal kann der Lehrer vom Schüler auch etwas in Sachen Geduld lernen.
    Ich denke da gerade an einen, der gute drei Wochen brauchte, um das erste Lied im Dirko Juchem Buch mit H und A als ganzen Noten hinzubekommen. Da hätte man auch schnell mangelndes Talent attestieren können, nach einiger Zeit habe ich dann beschlossen, meine Vorstellung von normalen Lerntempo für diese Stunde aussen vor zulassen und von da an wurde es halbwegs produktiv, er konnte nach zwei-drei Jahren sogar leise Töne spielen! Das ist jetzt nach absoluten Maßstäben nicht unbedingt großartig, aber wenn es Musik dazu dient, dass ein Mensch überhaupt Fortschritte macht und im Bereich Motorik und Wahrnehmung etwas dazu lernt, ist das das auch ein Erfolg, auch wenn es lange dauert.
    On ich diesen eher musiktherapeutisch eingefärbten Ansatz einen ganzen Unterrichtstag über durchhalten würde, kann ich jetzt aber auch nicht sicher bejahen.
    Grüße
    Philipp
     
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  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Mit Sicherheit nicht.

    LG Saxhornet
     
  8. Zweistein

    Zweistein Schaut öfter mal vorbei

    Das kann ich nachvollziehen - ich hab's gelegentlich mal probiert (ist ja nicht so als wenn ich keine Noten lesen und schreiben könnte - die Verschaltung vom Gelesenen zu den Fingern auf dem Horn ist halt verdreht und der Prozessor noch in kilohertz getaktet), aber bis das selbst niedergeschriebene dann auch objektiv Sinn ergibt... (immerhin hab ich auch schonmal ein "dicht dran" als Urteil bekommen - werte das als "da ist noch Hoffnung"!)

    Es gibt im übrigen wohl auch Fälle wo selbst stetes Vorspielen (von Blattspiel ganz zu schweigen) nicht ansatzweise zum Erfolg führt. Ähnlich wie beim Tanzen gibt es wohl, auch wenn man's kaum glauben mag, Leute die wirklich hoffnungslos _gar_ kein Takt- bzw. Rhythmusgefühl besitzen.

    Für eine andere Kategorie ist das Sax hingegen ein Segen weil zumindest die Tonhöhe einigermaßen zuverlässig ist - ich durfte mal einen jungen Violinisten erleben der wirklich virtuos vom Blatt spielte aber nicht merkte, dass er im Verlauf des Stücks kontinuierlich um 2-3 Halbtöne abfiel.
     
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  9. Jazzica

    Jazzica Ist fast schon zuhause hier

    Hallo zusammen,

    obwohl ich in früher Jugend schon nach Noten Musik gemacht habe (Blockflöte, Gitarre), sind mir Noten immer fremd geblieben, weil meine eigentliche Leitlinie das Gehör ist. Schon früher im Gitarrenunterricht habe ich versucht, dem Spiel nach Noten "auszubüxen", mein Lehrer spielte bei neuen Stücken nämlich immer mit, und wenn ich erkannte, dass er jetzt einen h-Moll-Akkord spielte, dann spielte ich einfach auch einen, ohne dafür die Noten zu lesen. Zu Hause habe ich mich dann Note für Note durch die Stücke gekämpft, bis ich begriffen hatte, wie die Musik gemeint war, und habe sie dann mehr oder weniger wieder nach Gehör gespielt und die Noten nur als grobe Orientierung genommen.

    Ich würde noch nicht mal sagen, dass ich "böswillig" oder aus Faulheit die Beschäftigung mit den Noten verweigert hätte, ich hatte nur einfach eine andere Taktik, die für mich bequemer / natürlicher war und gut funktionierte, deshalb bin ich dieser Taktik treu geblieben. Das ist bis heute so geblieben: Für mich ist Musik machen eine Kombination aus Gehör und Fingersatz, das "Lesen" passt für mich nicht zum Musik machen, weil Musik nicht das Auge, sondern das Ohr anspricht.

    Trotzdem fühle ich mich irgendwie "unvollständig" als Musikerin, wenn ich nicht nach Noten spielen kann. Vor allem beim Zusammenspiel mit anderen geht es oft nicht ohne Noten, und es ist auch anstrengend, wenn man sich jedes Mal "buchstabierenderweise" ein neues Stück erarbeiten muss. Dass ich seit neuestem in einer Big Band spiele, ist nicht nur aus Spaß an dieser Musik und als Motivation fürs Saxophon-Spielen, sondern es ist auch eine "Disziplinierungsmaßnahme". Ich muss einen Anlass haben, mich mit Noten auseinanderzusetzen, sonst lerne ich nie, vom Blatt zu spielen.

    Grundsätzlich glaube ich schon, dass man mit Übung und Beharrlichkeit lernen kann, vom Blatt zu spielen, auch im fortgeschrittenen Alter. (Ich bleibe jedenfalls dran .... :cool: )

    Viele Grüße von

    Jazzica
     
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  10. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    ich hab gestern auch mit meinem Lehrer über das Thema gesprochen.
    Mir scheint dass das Problem ist, dass die meisten von uns falsch herum lernen (müssen).
    Statt von der Erfahrung zur Abstraktion umgekehrt.

    Das erste, was dem Anfänger hingeknallt wird ist die Schule mit den Pünktchen für G, A, C.
    Ohne die vorherige Erfahrung, wie das klingt, was man damit machen kann.

    Diese Art des Lernens zieht sich dann durch die ganze Musikkarriere. Phil Woods z.B. hat in einem Interview mal gesagt, dass er das Glück hatte, dass sein Lehrer akzeptiert hat, dass er auswendig spielte.

    Der Sohn meines Lehrers hat eine Rudolf-Steiner-Schule in LA besucht, wo die Kinder über pentatonische Flöten über Blockflöten zu Violinen ohne Noten spielten.
    Bill (mein Lehrer) meinte, dass sich das in Konzerten höchst positiv auf Tuning und Timing ausgewirkt hat.

    Ich selbst bin ein sehr guter Blattleser (davon lebe ich auch teilweise, nicht von meiner Inspiration :)), aber ich frage mich, ob man bei der ganzen Information, die anfangs auf einen einprasselt, nicht faul wird und die Ohren verschließt und einfach den Intellekt verwendet.
    Das geht aber nur bis einem bestimmten Punkt, der von Person zu Person natürlich unterschiedlich ist. Irgendwann wird die Tastendrückerei harmonisch oder rhythmisch zu komplex.

    Jede Musik wird nach Gehör gemacht, wurscht ob nach Noten oder auswendig oder improvisiert.

    Meine Meinung ist, dass das von Beginn parallel laufen sollte. Keine Chance, die Ohren zuzumachen, aber natürlich auch Noten lernen.
    Eine schwierige und zeitaufwändige Aufgabe, und eine Schule mit diesem Konzept hab ich auch noch nicht gefunden.

    Cheers, Guenne
     
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  11. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    So wie ich es gerade in einer Aufnahme von Dir hören durfte, machst du das sehr solide und gut. Keine Angst... es wächst sich zurecht. Irgendwann erkennt man die Grundrhythmen schon auf Anhieb.
    Mein früherer Lehrer, ein angesehener Jazzsaxophonist, spielte mir mal eine Partitur vor, die ich nicht verstand. Als er auch seine Schwierigkeiten hatte, sagte er zu mir: ich bin kein Big Band-Spieler, sondern Improvisateur ;)
    Wir spielten nur Jazzstandards und wehe ich spielte das, was da vor mir stand, dann hieß es sofort: "Lass mich deine eigene Interpretation hören."
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 4.Oktober.2015
  12. philipp_b

    philipp_b Ist fast schon zuhause hier

    Ja, so an und wann ist ein Erfolg nach absoluten Maßstäben auch ganz schön.
     
  13. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    also ich hab die tage was auf genommen nur weis ich nimmer was ich gespielt hab....:pigeon::penguin:
    aber es klingt nett
     
  14. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Noten in der Musik sind wie die Schrift in der Sprache.

    Nicht mehr und nicht weniger...

    Ich liebe tolle Arrangements und Kompositionen wie tolle Romane und Lyrik.
     
  15. SomethingFrantic

    SomethingFrantic Ist fast schon zuhause hier

    I glaube, dass es auch einen großen Unterschied macht, was man spielt.

    Wenn man einen Jazz Standard nur nach Noten spielt, wird das sehr schnell langweilig. Da muss man auch nach Gehör spielen und beim improvisieren dann sowieso.

    Wenn man aber in einem Orchester spielt, muss man nach Noten spielen, denn wenn da jeder nach Gehör spielt, ist das Chaos vorprogrammiert.

    Das zeigt sich auch bei meinen Lehrern, mein Saxlehrer, der nie groß in Orchestern unterwegs war, schwört auf das Feeling, mein Klarinettenlehrer, der sein Leben lang in klassischen Orchestern gespielt hat, schwört auf exaktes Notenspiel.

    Und was für mich immer das Zaubermittel in Sachen Notenlesen war und ist, ist alle schweren Rythmen erst mal in Mikrotime durchzugehen und IMMER mitzuklopfen. (etwas das sehr viele nicht können)
     
  16. saxhornet

    saxhornet Experte

    Man sollte generell immer lernen auch Noten gut lesen zu können, das macht das Leben beim Muszieren leichter. Big Band ohne Noten lesen zu können heutzutage, undenkbar. Aber selbst bei kleinen Besetzungen ist es angenehm mal was notiertes Jemandem vorlegen zu können und er kann es spielen als das erst hundert mal Jemandem vorsingen oder vorspielen zu müssen.

    Lg Saxhornet
     
  17. saxhornet

    saxhornet Experte

    Dann hat dein Saxlehrer nicht nur nicht in einem Orchester, sondern auch nie in einer Big Band gespielt.

    Bist Du sicher, daß Du Mikrotime meinst? Darunter versteht man wie weit eine Note früher oder später gespielt wird (eher im Bereich von Zeiteinheiten weit kürzer als eine Sekunde).

    LG Saxhornet
     
  18. tunundlassen

    tunundlassen Ist fast schon zuhause hier

    In diesem Zusammenhang verstehe ich Mikrotime als unterteilen in kleinere Einheiten, also bei komplexen Rhythmen mit 16tel einmal den 8tel als Beat zu sehen und so den Rhythmus verständlicher zu gestalten... Durch das Steigern des Tempos (erst schnellere 8tel und irgendwann 4tel als Beat nehmen) kann dann nach und nach zum ursprünglichen Rhytmus und -feeling zurückgegangen werden...
     
  19. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Das wäre eher 'subdivision'.

    Unter 'microtime' verstehe ich, wie man - relativ zur 'subdivision' - seine Noten platziert: davor, leicht davor, dahinter, daneben (oops) ...

    Grüße
    Roland
     
    zwar gefällt das.
  20. tunundlassen

    tunundlassen Ist fast schon zuhause hier

    genau, so sehe ich das auch... ich nahm mir das Recht heraus, meine Interpretation vom Beitrag von @SomethingFrantic zu posten, und bin so auf die andere Definition von "Microtime" gegangen, die ich denke, könnte gemeint gewesen sein...
     
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