Wie swinge ich?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 5398, 2.Mai.2010.

  1. Rick

    Rick Experte

    Hallo Peter,

    nichts gegen etwas Leben auf der Bühne, ganz im Gegenteil - doch bei dieser Band ist alles so dermaßen abgezirkelt, steril und "gewollt", dass sich mir einfach alle Nackenhaare sträuben!

    Ich kenne viele Aufnahmen vom echten Glenn Miller Orchestra, dem ja später in Deutschland seine Kommerzialität vorgeworfen wurde (als "guter Jazzer" durfte man so etwas nicht schön finden) - dennoch war das eine hervorragende Band, die auch wirklich geswingt hat, "echter Jazz" hin oder her. ;-)

    Da bin ich sehr emotional - für mich hat Swing etwas mit Gefühl zu tun, mit Spontanität und einer gewissen natürlichen Lässigkeit. Alles, was wir bis heute unter "Cool" verstehen, stammt aus dieser Zeit, ja sogar der Ausdruck selbst. :cool:

    Aber diese niederländisch-deutsche Truppe von Wil Salden ist meiner Ansicht nach nicht wirklich "cool", sie täuscht bloß alles vor, und das ist das Element, was ich spüre und was mich stört.
    Da höre ich mir tausendmal lieber eine Amateur-Oldtime-Kapelle an, deren Spieler wenigstens die Musik aus ganzem Herzen lieben, sie auch leben, mit Leben erfüllen und nicht bloß eine publikumswirksame Schau abziehen.

    Wil Saldens "Glenn Miller Orchestra" ist für mich eine Hülle ohne Inhalt, künstlerisch auf dem selben Niveau wie eine x-beliebige Schlagerband - außer den einzelnen Noten nichts wesentlich anderes als etwa "Captain Cook und seine singenden Saxophone".

    Ich habe schon viele Stimmen gehört, die von ihren Konzerten enttäuscht waren: "Leblos, oberflächlich, ohne Seele."
    Aber die geschickte Vermarktung mit dem Franchise-Namen "Glenn Miller Orchestra" (Herr Salden hat die Rechte von der Glenn-Miller-Gesellschaft in den USA erworben) blendet viele Leute erst mal. :-(

    Och, auch Modern Jazz kann sehr unterhaltsam sein!
    Ich denke, wesentlich ist, ob und wie man sein Publikum anspricht, ob man die Leute akzeptiert und mit ihnen nett kommuniziert, oder ob man sie als unwillkommene Ablenkung, gar als bedrohliche Masse ansieht und behandelt... :roll:

    Das hat was - ich verstehe, was Ihr damit meint! :-D


    Swingende Grüße,
    Rick
     
  2. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Was lerne ich aus diesem thread?

    Guter Jazz ist nur solcher, den niemand hören will.
    Musik, die beim Publikum ankommt, ist einfach nur zum weglaufen......

    Gruß aus dem Schwarzwald
    Bernd
     
  3. coolie

    coolie Strebt nach Höherem

    Diese Band swingt "richtig":

    http://www.youtube.com/watch?v=ukzFYDjV49g

    Im 2. Teil kommen die Saxe zum Einsatz: heiß!!

    LG

    Uli
     
  4. cara

    cara Strebt nach Höherem

    @ Bernd:

    das sehe ich wie du, gehe sogar noch ein Stück weiter:

    Weil Jazz ja nun sogar zur "sogenannten Kunst" mutiert ist, muß er das Publikum auch ordentlich anstrengen. Und wenn das Publikum ihn dann partout nicht versteht, ist es eben zu dumm.

    Etwas (Gedicht, Roman, Bild, Skulptur, Theater, Musik ...)es dann Kunst, wenn sie anspricht, Gefühle weckt, und überdauert auch nur dann die Zeit, in der sie entstanden ist, wenn es dies tatsächlich tut. Da nützt nun mal alles reden nichts.

    Den akademischen Überbau, den man sich offenbar heute geben muß (im übrigen eine reine Verlegenheitsmaßnahme aus angst, sonst nicht "dazu" (wozu?) zugehören), gehört jedenfalls nicht in die Rubrik Kunst. Eher in die Rubrik: HätteWäreMöchtegerne

    Vielleicht gehört es ja dazu, dass ein Künstler (??) den anderen (??) in der Luft zerreißt? ;-)

    Cara

    PS: Und Spaß machen darf Kunst sowieso nicht, nicht wahr? :-D
     
  5. Rick

    Rick Experte

    Wie kommst Du denn darauf? Auf welchen Thread beziehst Du Dich bitte?? :-?

    Glücklicherweise hat ja nun mal das ECHTE Glenn-Miller-Orchestra weltweit wesentlich mehr Fans als der erwähnte Abklatsch - eine geschickte Vermarktung allein genügt eben nicht, damit man etwas auch hören will, oder siehst Du das anders?

    Ich habe jedenfalls erwähnt, dass ich niemanden persönlich kenne, der von Wil Saldens Band begeistert war - und damit meine ich keineswegs nur Musiker, sondern gerade alte Swing-Fans, die diese Musik wirklich lieben.

    Damit wäre also die These meiner Ansicht nach so herum richtig:
    GUTEN Jazz wollen auch die Leute gern hören. Pseudo-Jazz gefällt hingegen niemandem wirklich. :cool:

    Was gibt es denn an Musik oder Kunst allgemein zu "verstehen"?
    Ich kenne nur die Kategorien "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht".

    Schon die Behauptung, man müsse irgendetwas "verstehen", zeugt von Ahnungslosigkeit - ich kenne keinen einzigen zeitgenössischen Künstler (sei er nun Musiker, Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Dichter oder Video Artist), der erwartet, man solle seine Erzeugnisse "verstehen".
    Umgekehrt meinen aber manche Konsumenten, sie könnten etwas nicht verstehen oder es sei ihnen "zu hoch". Das ruft bei den Künstlern wiederum nur Schulterzucken hervor... :roll:

    So ist es - ich sehe, wir verstehen uns! :)

    Künstler sind oft recht emotionale Menschen, viele auch sehr temperamentvoll, dann können manchmal Dispute nicht ausbleiben.
    Was allerdings nur die wenigsten Künstler tolerieren können, sind rein kommerzielle, oberflächliche Nachahmungen ohne Seele. Da wird man unter Umständen schon mal wütend! :-D

    Das wäre eine tragische Haltung, die aber gerade in Europa weit verbreitet zu sein scheint - wenn schon "Spaß", dann bitte nur als vorgetäuschte Show, wie bei Wil Salden & Co.
    Diese Attitüde ist das, was mich an dieser Truppe am allermeisten ärgert! :evil:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  6. cara

    cara Strebt nach Höherem

    @ Rick:

    du täuschst dich, wenn du denkst "Gefallen" und "Nichtgefallen" sind Kriterien in der Kunst. (Dann stünde der Schlager ziemlich weit oben, mußt du zugeben)

    Anrühren und Gefühle erwecken: :-D :-( :-o :-? :-x

    "lieben", "zärtlich sein", "gestreichelt werden", "trotzen", "wütend machen", sogar "ekeln" (Herr Beuys arbeitete u.a. damit), "erschrecken", "trauern", "fröhlich sein", "lachen", "fürchten", "betroffen sein", "heimweh bekommen", "fernweh bekommen"(Charlie Mariano), "Einsamkeit spüren"(Jan Garbarek), "die Weite fühlen" (Jan Garbarek).... (Hab Namen eingesetzt, wo mir spontan jemand eingefallen ist.)

    Aber ich glaube, diese Diskussion führt ein wenig weit. Auf jedenfall kann´ich mich nicht aufregen über eine Glenn Miller Parodie. Irgendjemanden wird sie sicher gefallen.

    Gutes Marketing ist übrigens immer wichtig, auch wenn man sich mit der "hohen Kunst" befasst. Sonst merkt's nämlich keiner.

    nichts für ungut :-D

    Cara
     
  7. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Auf diesen hier.

    Mir gefällt das echte Glenn Miller Orchestra auch besser. Keine Frage. Habe ziemlich viele Aufnahmen davon und höre sie gerne. Meine Eltern hielten dies wie auch Chris Barber, Lionel Hampton u.v.a für degenerierte Negermusik. Ich fühlte mich damals durch diese Aussagen ziemlich verletzt und habe daraus gelernt, mir kein Urteil darüber anzumaßen, was gute und was schlechte Musik bzw. gute oder schlechte Vermarktung sein soll. Ich kann nur sagen, was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Welche Musik ich hören (bzw. welche Show ich sehen) möchte.

    Mir persönlich rollen sich z.B. die Zehennägel auf, wenn ich irgendwo "Volksmusik" höre. Das ist aber meine ganz persönliche Aversion. Ich respektiere jeden, der auf "Volksmusik" abfährt und diese gut findet. Geschmack ist eben sehr indivduell. Und gefühlt (ich kann es nicht beweisen, da ich keine entsprechenden Zahlen kenne) gibt es wesentlich mehr Menschen, die auf Volksmusik stehen als auf "amtlichen" Jazz. Muss ich die jetzt alle für dumm oder unwissend brandmarken?

    Klar. Musiker und alte Swing-Fans. Das ist wie in den 70-er Jahren mit dem ersten VW Golf. Das war halt kein echter VW mehr. Frontantrieb, Motor vorne, wassergekühlt.... bäh!

    Guten Jazz (was immer das ist) wollen auch viele Leute hören. Ich auch. Gäbe es für "Pseudo-Jazz" kein Publikum, gäbe es auch keine "Pseudo-Jazz-Bands" und keinen Captain Cook.

    Gruß aus dem Schwarzwald
    Bernd
     
  8. CBlues

    CBlues Strebt nach Höherem

    Hiho,

    eine interessante Diskusion führt ihr hier.
    Hat zwar nichts mehr mit dem Thread zu tun, macht aber Spass zu lesen.

    Capt.Cook ist natürlich das Paradebeispiel für Populärmusik für eine bestimmte Zielgruppe ;o)

    Hier einer der den Jazz zur Kunst erklärt:

    Gunter Hampel

    Der gute Gunter ist bestimmt ein Musiker mit Leib und Seele und beherscht sein(e) Instrumente ganz toll, aber das was der spielt, ist nichts für ungeübte Ohren.

    Wie Cara schon schrub, Kunst die man nicht versteht.

    Beim Jazzfest 2008 in Gö. ein echter Saalräumer ;o)

    Viel Spass beim Video anschauen,
    Lothar
     
  9. Gelöschtes Mitglied 5398

    Gelöschtes Mitglied 5398 Guest

    Also, ich habe heute vorgespielt :-D Ich hab im Voraus gesagt, dass ich nicht swingen kann und mein Musiklehrer hat auch dann gesagt, dass ich es einfach nach den Noten spielen darf... :)
    Ich bin damit nur an die Öffentlichkeit der Klasse getreten, die davon eh noch weniger versteht als ich ;-)

    Ansonsten war es okay, n paar leise Quietscher waren drin, die keinem außer mir aufgefallen sind, auch nicht weiter schlimm :) Und meine glatte 1 hab ich auch bekommen! :-D

    Jetzt bin ich mir nur nicht sicher, ob ich deshalb wieder auf einem 1er steh... :-o


    LG
    Mary

    P.S. Huh! Ja, der Thread hat sich wirklich etwas anders entwickelt... :lol:
     
  10. GelöschtesMitglied5507

    GelöschtesMitglied5507 Guest

    Na siehste, und jetzt hast Du alle Zeit der Welt richtig swingen zu lernen. Und niemals dem Puplikum sagen, dass Du etwas nicht kannst. Die meisten Fehler merkt eh keiner außer Dir selbst. ;-)
     
  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Und hinterher sich nicht anmerken lassen, wenn man mal selber nicht zufrieden war. Man darf da etwas schummeln, weil oft genug wirklich keiner etwas gemerkt hat und man dem Publikum so die Freude nähme.

    So viel zum Marketing.


    Das Wein getrunken und gekauft wird, impliziert nicht, dass er auch gut ist.

    Und wer so eng kopiert, muss es sich gefallen lassen, mit dem Original kritisch verglichen zu werden.

    Glen Miller zählt man vielleicht zum Jazz, aber sicher nicht zur Kunst. Warum soll man da nicht untercheiden?

    'Kind of Blue' ist ein höchst kunstvolles Album und gleichzeitig die meist verkaufteste Jazz-LP aller Zeiten!

    Ich befürchte, das Thema wuppen wir nicht in einem kleinen Frettchen.
     
  12. mki

    mki Ist fast schon zuhause hier

    Da gibts noch ein Beispiel von technisch sehr guten Musikern, die das mit dem Swingen jedoch nicht so richtig verstanden haben...
     
  13. saxus

    saxus Ist fast schon zuhause hier

    Ich gebe zu, ich hab es auch nicht verstanden.
    Spielen die zu schnell :-?
    Fehlt da dieses duuu-bi-duuu- Gefühl :-?
    Gefühlsmäßig hätte ich das jetzt nicht als Swing erkannt.
    Das könnte allerdings daran liegen, dass ich nicht wirklich der Kenner bin ;-)

    Viele Grüße

    Markus
     
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ Markus

    Hör Dir mal das im Vergleich dazu an:

    www.youtube.com/watch?v=TYLbrZAko7E

    LG

    Dreas
     
  15. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Hallo Mary,

    Gratuliere !


    Zum Glück hat Dein Lehrer nicht auf die Leute hier geachtet ("die Betonung muss auf der 2 liegen ...") ;-)
     
  16. Rick

    Rick Experte

    Hallo Mary,

    herzlichen Glückwunsch! :)

    Sorry. :oops:

    Das Thema lässt mich leider nicht kalt, ganz im Gegenteil.

    ---------------------------------------

    Hallo Cara,

    Du täuschst Dich meiner Ansicht nach, wenn Du postulierst, es gäbe irgendwelche allgemeingültigen, gar "ewigen" Kriterien für Kunst.
    Es muss jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn "Kunst" ist - für den einen Bach, für den anderen Glenn Miller, für manche Kurt Cobain oder aber Stockhausen.

    Heute gelten für viele Comics und sogar Videospiele als Kunst (was ich berechtigt finde). :cool:

    Wenn dieses Projekt wenigstens als bewusste Parodie gemeint wäre, dann hätte ich weitaus weniger Probleme damit.
    Doch als jemand, der schon mit 12 Jahren rettungsloser Swing-Fan wurde, kann ich diese oberflächliche (wenn auch handwerklich hervorragende, aber gerade darum seelenlose) Kopie nur schrecklich finden, wie die ausdruckslose Maske eines geliebten Gesichts... :-(

    Absolut richtig!
    Die meisten Musiker sind leider ENTWEDER gute Künstler ODER gute Selbstvermarkter (Beispiel: Dieter Bohlen). :roll:

    ---------------------------------------

    Hallo Bernd,

    so sehe ich das auch. Ich will hier keineswegs allgemeingültige Kriterien über gute oder schlechte Musik aufstellen, sondern äußere lediglich meine persönliche Meinung, wenn mich etwas ärgert.

    Meiner Ansicht nach hat Pue mit seiner Aussage sehr gut den Kern getroffen:
    "Und wer so eng kopiert, muss es sich gefallen lassen, mit dem Original kritisch verglichen zu werden."

    Es ging ja nicht abstrakt um bestimmte Richtungen oder generell um kommerzielle Musik, sondern ganz konkret um eine 1:1-Nachahmung von Glenn Millers Musik - zugegebenermaßen perfekt gemacht, bloß eben ohne das, was für mich den Swing wirklich ausmacht. :-(

    Das ist ein schönes Beispiel - denn was viele als "Volksmusik" bezeichnen, ist in der Regel bloß der sog. "volkstümliche Schlager". Eine Musik, ganz bewusst primitiv und ideenlos gehalten, um damit das Massengeschäft zu bedienen, speziell für "bildungsferne Schichten" zurechtgeschnitten.
    Ich bin da so böse, weil ich mich in der Richtung bestens auskenne, habe für so etwas auch schon mehrfach im Studio gestanden (und alle Bühnenangebote erfolgreich abgelehnt, aus Image-Gründen).

    ECHTE Volksmusik kann etwas ganz Tolles sein, vielfältig, überraschend und herzlich. Bloß bekommen wir sie heute praktisch nicht mehr mit, der kommerzielle volkstümliche Schlager hat sie ermordet. :-(

    Wil Salden versucht nun dasselbe mit dem Swing...

    Logisch - wer sonst soll dennn die Zielgruppe für so ein "Original Glenn Miller Orchestra" sein, vielleicht Klassikfreunde oder Techno-Freaks? :lol:

    Die bemühen sich ganz gezielt, die Verehrer des alten Swing anzusprechen, siehe auch das ganze "authentische" Auftreten, bis hin zu den Sepia-Passagen im Video.
    Die wissen schon genau, was sie warum für wen machen... :roll:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  17. saxus

    saxus Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Dreas,

    danke für den Link. Das war deutlich.
    Die Jungs sind echt spitze. Die lieben das. Das sieht man und hört man. Und das ganze ohne Notenständer.

    Viele Grüße

    Markus
     
  18. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Oh ja, ohne Notenständer...

    Bis ich da mal hinkomme. :roll: Na ja Gott sei Dank ist die Lebenserwartung von Männern inzwischen auch schon bei über 80. Da habe ich noch ´n bischen Zeit :cool:

    LG

    Dreas
     
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