Wozu denn den Theoriekram???....

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von 47tmb, 12.Juni.2013.

  1. Gast

    Gast Guest

    Jap, schön gesagt!
     
  2. PeterS

    PeterS Ist fast schon zuhause hier

    gehe ich konform mit. ich kenne leider einige die theoretisch gaaanz viel wissen.

    sie ballern sich mit theorie zu. sie denken anscheinend ständig dran, was man leider hört.

    dabei scheint gaaaanz viel gefühl flöten zu gehen das hört man dann leider.

    denken beim spielen ist m.e. für die meisten einfach kontraproduktiv doch sie können es meist nimmer ausblenden und blockieren sich oft.

    paar basics. immer gut zu wissen !

    lg Peter
     
  3. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich bin gespalten, was den Theoriekram angeht.
    Ich glaube, dass es verschiedene Lerntypen gibt, und das zeigt sich auch teilweise in der Improvisation, wenn man die großen Vorbilder anhört. Irgendwie kann man die alle auf einer fortlaufenden Achse zwischen "intuitiv" und "analytisch" einordnen, wobei ich denke, dass die meisten relativ mittig angeordnet sind.
    Ich kann nur sagen, dass mein Mann und ich unterschiedlich wie Tag und Nacht sind, was die Herangehensweise angeht. Und das ist jetzt völlig losgelöst von unserem spielerischen Niveau (will sagen, die Tatsache, dass ich nicht auf seinem Niveau spielen kann, liegt nicht an der Herangehensweise sondern am Zeitmangel... :-D ). Wir üben manchmal gemeinsam, zum Beispiel irgendein Lick, über das wir bei einer Transkription gestolpert sind, schnell mal zum Spaß durch alle Tonarten. Ich habe ihn dann mal gefragt, wie machst Du das, was denkst Du dabei? Und er antwortete sinngemäß: "Root, 5,3,4 etc..". Ich konnte damit überhaupt nichts anfangen. Klar konnte ich es reproduzieren, wenn ich lange genug drüber nachgedacht habe, aber für mich geht es viel schneller, es einfach zu spielen. Er wollte wissen, was ich denke, und ich meinte "Eigentlich nichts, mein Ohr muss es nur begreifen, und dann kann ich es auch umsetzen, der Rest ist dann auf der mechanischen Ebene". Oder was Ppue meinte von wegen Halbtonschritten. Klar kann ich die verschiedenen Tonleitern in allen möglichen Tonarten sofort auswendig spielen, aber wenn ich jetzt die Halbtonschritte benennen müsste, müsste ich mich erstmal hinsetzen und lange überlegen :-D :-D
    Aber ich unterrichte z.B. auch nicht regelmäßig. Wenn das der Fall wäre, oder ich anfangen würde Musik zu schreiben, würde ich wahrscheinlich auch schneller darin.

    Ich glaube, dass so mancher, der Improvisation lernen will, besser daran täte, sich viel improvisierte Musik anzuhören, als sich unendlich viel Theorie draufzuschaffen. Das hört man bei so vielen Spielern, finde ich, dass man merkt, dass sie genau wissen, welche Skala da jetzt hin kann und welcher Akkord, aber irgendwie fehlt total das "Sprachgefühl" (wenn man es mal mit dem Lernen einer Fremdsprache vergleicht).

    LG Juju
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Beim Improvisieren schöpft man fast ausschließlich aus dem Repertoire, was sich Ohren und Finger angewöhnt haben. Wenn du während des Spielens noch rechnest, ist der Akkord schon längst vorbei. Das funktioniert also anders.

    Die Theorie brauchst du vor dem Spielen, um ein Stück vorzubereiten, die Skalen und Akkorde in die Finger zu bekommen und die Struktur einer Komposition zu begreifen. Natürlich kann man in einer Tabelle nachschlagen, welche Pentatonik zu einem Stück passt. Ist aber ungefähr das Gleiche, als wenn dein Malkasten nur 3 Farben hat, die du nicht mischen darfst. Das wird der Sache in der Regel nicht gerecht.

     
  5. flar

    flar Guest

    Moin, moin
    Mir hilft theoretisches Wissen ungemein. Angeeignet habe ich mir das aus ganz praktischen Gründen, um in einer kleinen Besetzung Stücke für größes Blasmusikorchster spielen zu können. Da gab es immer wieder Situationen wo das einfache umschreiben zB. einer Posaunenstimme für Saxophon nicht wirklich gut klang. Also mußten immer mal wieder ein paar Takte gänzlich umarrangiert werden.
    Ich komme mit dem dadurch erworbenen Wissen eigentlich überall gut klar. Am wohlsten fühle ich mich natürlich wenn ich mit Kollegen zusammen spiele die diese Sprache auch verstehen. Bis vor zwei Jahren spielte ich in einer Skaband und bis auf den Organisten war dort keiner dieser Sprache mächtig. Im Gegenteil die sprachen alle unterschiedliche Dialekte. Der Gitarrist kannte alle Töne die auf seinem Instrument verhanden sind mit Namen, aber bis auf Bb gab es kein b sondern nur #'e, der Bassist war da nicht ganz so weit konnte aber von einem gefundenen Grundton aus passende Akkordtöne finden, der andere Saxophonist konnte keine Noten und wußte auch nicht wie die Töne heißen die er spielt und der Schlagzeuger war ein Schlagzeuger ;-) !
    Durch meine Theoriekenntnisse hatte ich immer einen ganz guten Überblick und konnte innerhalb kürzester Zeit den Dialekt des einen für die anderen übersetzen. Wenn also ein Ab Akkord angesagt war, Gitarrist: Gis, Bassist: erste Saite vierter Bund und dann ödeldel, Saxophonist: erster Finger, beide Klappen, Organist: weiß bescheid, Schlagzeug: spielt Ska und ich ein D. Alles klar?
    Und da kommt richtig gute Musik bei raus!
    :lol: :lol: :lol:
    Fazit: Wissen macht zumindest nicht blöder!

    Viele Grüße Flar
     
  6. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Ich habe ja auch nur gesagt, dass bei der Vorbereitung des Licks, also beim Üben im Falle meines Mannes dieses also zum Verständnis während des Übeprozesses zerlegt wurde, bei mir dies aber in dieser Form nicht stattfindet.
    Trotzdem haben wir das Lick während einer gemeinsamen Übesession zusammen durch alle zwölf Tonarten gebracht.
    Dass während der Improvisation nichts gerechnet wird, versteht sich ja wohl von selbst... ;)


    Lg Juju
     
  7. saxhornet

    saxhornet Experte


    +1000
    Das bringt es gut auf den Punkt.
    Beim Improvisieren hat man gar nicht mehr die Zeit so viel nachzudenken. Aber beim Lernen eines Songs versteht man die Zusammenhänge und sieht die Möglichkeiten. Das mal verinnerlicht, kann man beim Improvisieren loslassen. Ich kenne mich gut mit "Theorie" aus aber wenn es wirklich ums improvisieren geht (nicht das Üben von improvisieren mit bestimmten Vorgaben), dann denke ich an Nichts und lass los, das ist wie Meditation und läuft dann, wenn das Material klar ist, wie von selbst. Durch die Vorbereitung hat das Unterbewusstsein genug Infos um daraus etwas zu kreieren ohne daß Du noch nachdenken oder analysieren musst. Ein Song wo man beim Spielen noch bei überlegen und grübeln muss ist eher nicht optimal vorbereitet.

    Lg Saxhornet
     
  8. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    dem wüßte ich auch nichts hinzuzufügen.

    gruß
    zwar
     
  9. Taiga

    Taiga Ist fast schon zuhause hier

    tmb, also ich muss Dir mal ein Kompliment machen.
    Diesen Thread heute um 10.36h losgetreten und so eine interessante und vor allem rasende Resonanz.
    Freut mich sehr hier mitzulesen.
    Mich zum Thema zu äußern will ich heute mal gerade nicht.
    Aber ich habe sehr viel interessantes und richtiges und zum Nachdenken anregendes gelesen.

    Vielen Dank dafür.

    Grüße, Taiga
     
  10. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Danke :-D
     
  11. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Und wie ist das bei einem Stück, das man nicht kennt und noch nie zuvor gesehen/gehört hat, das einem bei einer Studiosession hingelegt wird, und ab geht's, Band läuft? Ich kann das leider gar nicht, aber die Leute, die das können, müssen doch wahnsinnig gut darin sein, die Akkordfolgen im Stehgreif zu analysieren und trotzdem noch musikalisch darüber zu spielen...?

    Lg Juju
     
  12. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ich würde gerne noch einen Aspekt zur Diskussion stellen.

    Das Alter. Bzw. wann hat man mit dem Instrument angefangen zu spielen.

    Gestern Abend hatte ich eine interessante Diskussion mit einem Freund,
    der Neurochirurg und Hirnspezialist ist.

    Er sagte, und das war mir in der Konsequenz so nicht klar, dass die Fähigkeit
    Abläufe, Bewegungsmuster, auch Hörmuster, im Langzeitgedächtnis abzuspeichern, mit zunehmendem Alter drastisch abnimmt.

    Ein zehnjähriger benötigt, um einen Bewegungsablauf zu verinnerlichen, z. B. einen
    Lick zu lernen, 10 Wiederholungen, ein fünfzigjähriger 1.000 (!) (hängt natürlich
    auch vom Umfang und Schwierigkeitsgrad des Licks ab).

    Diese Fähigkeit Muster, auch gehörtes, abzuspeichern geht ab Ende 20
    rapide verloren und ist nur durch viel Fleiss und Übung auszugleichen.

    M. a. W. diejenigen, die in jungen Jahren ein Instrument gelernt haben, haben einfach
    Bewegungs- und Hörmuster sicher abgespeichert und können da zuverlässig
    darauf zurückgreifen. Intuitiv.

    Bestes Beispiel Wuffy.

    Um das auszugleichen, KANN die Auseinandersetzung mit der Theorie
    helfen, da ich mir eine kognitives Verständnis schaffe, was hilft Defizite
    beim verinnerlichen von Mustern zu auzugleichen.


    CzG

    Dreas
     
  13. Mugger

    Mugger Guest


    Servus Juju,


    selbst über das, was streng genommen Improvisation ist, kann man diskutieren.
    Die Anekdote von Ben Webster kennst Du sicher, wo er bei einer Studiosession zu improvisieren aufhört und sagt: "I forgot the words"..
    Nichtsdestoweniger bewundere ich Leute wie Sanborn, die in 16 Takten jede Note " richtig" setzen. Das ist halt andere Baustelle.
    LG

     
  14. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wenn Du bestimmte Akkordfolgen häufig genug gespielt hast, dann sind diese drin im System, auch wenn Du sie in einem anderen Song hast. Die meiste funktionale Harmonik basiert auf nicht so vielen zu komplexen Abfolgen, die Prinzipien bleiben gleich. Ein Turnaround bleibt ein Turnaround. Hat man sich damit lang genug auseinandergesetzt erkennst Du das wie einen alten Freund wieder und dann ist es nichts neues.
    Schwierig wird es mit moderneren Titeln, die der funktionalen Harmonik nicht folgen sondern auf anderen Systemen oder nur auf Klang basieren oder über sehr komplexe Harmoniefolgen verfügen oder mit sehr schnellen Wechseln. Wer viel Standards wie von Cole Porter, Rodgers & Hart etc. gespielt und das ausgecheckt hat, wird auch mit dem nächsten Standard mit ähnlicher Funktionsharmonik keine Probleme haben (höchstens weil die Tonart selten gespielt wurde). Hat man aber immer nur ältere Standards ausgecheckt und wird jetzt eher mit Contemporary Tunes wie von Carla Bley oder Keith Jarrett oder oder.. konfrontriert wird das schon schwieriger, weil es da mehr um die Klänge als um Funktionsharmonik unter Umständen geht. Ich durfte das wie ich schon sagte gerade bei mehreren Spielern in einem Onlinekurs von Gary Burton erleben. Manche haben sehr viel verschiedenes ausgecheckt und fühlen sich dann mit allem wohl, andere können sich durch alles irgendwie durchwursteln, andere aber wiederum, die den Schwerpunkt nur auf das eine gelegt haben, haben dann mehr mit dem anderen zu kämpfen.
    Ich erinnere mich noch an meine Studienzeit, wo wir in einem Latinensemble Samba und Bossatitel spielen sollten, der Kollege am Alt kam eher aus dem Modern- bis eher Freejazz und kam mit der Harmonik und Melodik gar nicht klar und bretterte dann einfach weiter seinen Stil und kollidierte voll mit der Harmonik.
    Es ist immer gut viel Verschiedenes auszuchecken um auch auf andere Dinge vorbereitet zu sein und sich da wohlzufühlen. Hinzu kommt, je mehr Du kennengelernt hast, desto leichter fällt es neue Informationen mit alten zu vergleichen, in Verbindung zu bringen und sich diese eventuell auch zu erklären. Mit entsprechender Erfahrung geht das so flüssig wie das Lesen eines Buches, da denkt man ja auch nicht mehr über jedes einzelne Wort nach.

    Lg Saxhornet
     
  15. saxhornet

    saxhornet Experte

    Da wird immer gerne viel über das Alter erzählt. Ich habe ja auch einige Personen "gehobenen" Alters, die ich unterrichte. Das geht alles, vielleicht nicht auf das Niveau eines ganz grossen Saxophonisten aber doch schon ordentlich. Meist scheitert das an anderen Dingen: zu wenig Zeit zum Üben und schlechte Didaktik.
    Man soll mal nicht unterschätzen was man auch als Rentner noch alles machen kann.

    LG Saxhornet
     
  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hi Florian,

    ich habe ja auch nicht behauptet, dass man im Alter nicht mehr lernen
    kann (auch der Neurologe hat das nicht).

    Man lernt nur anders, weil gewisse Fähigkeiten biologisch bedingt nicht mehr so vorhanden sind.

    CzG

    Dreas
     
  17. Claus_6

    Claus_6 Ist fast schon zuhause hier

    Genau so ist es

    Hier merkt man, dass wirklich ausgebildete Musiker schreiben.


    genau so wird es mir auch beigebracht und genau diese Erfahrungen mache ich gerade auch.

    Wer nur durch sog. "Bauchimpro" so spielen kann, wie ein guter ausgebildeter Profi, der sehr viel Zeit und Arbeit dafür gebraucht hat und weiterhin braucht, der ist meines Erachtens ein Wunderkind!


     
  18. ppue

    ppue Mod Experte

    Zum Verständnis, Juju, mein Posting bezog sich nicht auf deins und war nicht als Antwort darauf gedacht. Habe keine Probleme mit dem, was du schriebst.

    Zu denen, die einfach im Studio losbrettern: es sind nicht nur die einzelnen Module, die man aus vielen anderen Songs lernt und sofort abrufen kann, es sind auch einfach gute Ohren, die solche Leute haben. Man kann auf jedem Akkord mit jedem beliebigen Ton anfangen, zu improvisieren. Mit der Zeit hat man das Repertoire, die Fantasie und das Geschick, die Phrasen sofort auf den neuen Akkord umzudeuten.

    Mein Bruder improvisierte früher auf dem Klavier mit Akkordfolgen, die keinen herkömmlichen Mustern entsprachen, und ich spielte dazu, was die Klarinette her gab. Eine tolle Übung, sich schnell in die richtigen Töne einzufinden.
     
  19. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Vielleicht ist der Begriff etwas missverständlich? Auch "Bauchimpro" braucht sehr viel Zeit und Arbeit, das kommt alles nicht von allein. Aber z.B. Stan Getz und Chet Baker würde ich nun auch nicht den Profistatus absprechen wollen, nur weil sie keinen Plan von irgendwelchen Changes (in Theorie) hatten, Hauptsache ist doch, dass die genial und musikalisch drüber gespielt haben, weil sie es gehört haben. Das ersetzt aber nicht viele Jahre Üben.
    Und mich stört es nun auch nicht, dass Getz die Stücke immer erstmal hören musste, um drüber spielen zu können, ich werde trotzdem nicht müde, ihn mir anzuhören! :)
    LG Juju
     
  20. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    oops, dann hab ich das im völlig falschen Zusammenhang verstanden, stimme Deinem Posting im übrigen auch 100% zu!

    Yepp, ist wahrscheinlich auch Trainingssache. Werde zukünftig mal etwas mehr "Changes-Sight-Reading" in mein Übungsprogramm einbauen, mal schauen, wie sich das anläßt...

    LG Juju
     
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